Westphalen

[488] Westphalen. So bedeutend und wichtig der Name dieser Landschaft auch in der ältesten Zeit gewesen, so hat er doch in der neueren, an Ereignissen ohne allen Zweifel merkwürdigsten, Zeit, eine ungleich größere Wichtigkeit erhalten, und wir müssen allerdings hier das alte und neue Westphalen gänzlich von einander trennen.

Die Ableitung des Namens Westphalen hat zu vielen Muthmaßungen und zu vielen Streitigkeiten, ob man nämlich Westphalen oder Westsalen schreiben[488] solle, Veranlassung gegeben. Allerdings scheinen diejenigen, welche Falen schreiben, mehr vor sich zu haben, indem sie es entweder von falen oder flagen, welches eine ebene, flache Gegend bezeichnet, oder noch wahrscheinlicher von Falahus herleiten (wie denn auch in den sächsischen Annalen und Gesetzen sie Westfalahi genannt werden), welches einen Vasallen bezeichnet, der sich einem Schutzherrn anbefohlen hat; und da nun die Sachsen, wohin ehemals jener Landesstrich gerechnet wurde, in dem Vasallen-Verhältnisse gegen die Franken standen, so ist wol leicht die Deutung dieses Wortes zu machen; besonders da es eben auch Ostfalen gab, und überhaupt das Land in das östliche und westliche getheilt wurde. Indessen scheint die einmal angenommene Schreibart mit ph (welches nicht einmal die vaterländische deutsche Schreibart anerkennt) das Uebergewicht erhalten zu haben.

Dieses große Land nun grenzte gegen Osten an Nieder-Sachsen, gegen Süden an Hessen, den Westerwald und den Rhein, gegen Westen an die vereinigten Niederlande und gegen Norden an das deutsche Meer. Eins der kältesten deutschen Länder, hatte man es zwar sehr rauh und unfruchtbar verschrieen; allein es war dies nur zum Theil der Fall und außerdem, daß es sehr voltreich war, konnte man auch einen großen Theil als sehr fruchtbar und an treflicher Vieh-Weide und Viehzucht, an Holzung, an Mineralien etc. sehr gedeihlich preisen. – Uebrigens unterschieden sich Westphalen (das ganze Land mit allen den Provinzen zwischen dem Rhein und der Weser gelegen); dann das Herzogthum Westphalen, welches nur ein kleiner Theil von jenem großen Körper war; endlich

der Westphälische Kreis, welcher einen von den 10 Kreisen des heil. Römischen Reichs ausmachte, und nicht nur alle diejenigen Länder enthielt, welche zwischen dem Rheine und der Weser legen, sondern auch sogar solche Länder, die zu dem alten Westphalen nicht gehört harten. Es begriff derselbe an geistlichen Landen die vier vornehmsten Stifter: Münster, Osnabrück, Paderborn, Lüttich und dann noch mehrere ansehnliche Abteien; ferner von weltlichen Besitzungen: [489] die Herzogthümer Westphalen, Jülich, Berg, Cleve; die Fürstenthümer Minden, Verden, Moeurs, Ostfriesland, die fürstlich Nassau Dietzischen Lande; viele ansehnliche Grafschaften, Oldenburg, Delmenhorst, Mark, Ravensberg etc. endlich auch die Reichsstädte, Cöln, Aachen, Dortmund. Die Kreisausschreibenden Fürsten und Directoren waren der Bischof von Münster und der Herzog von Jülich, daher auch Churbrandenburg und Pfalz in diesem Amte wechselten. Die Kreistage wurden gewöhnlich zu Cöln gehalten. – Daß übrigens Westphalen auch für die alte deutsche Geschichte in so mancher Hinsicht noch merkwürdig war, daran erinnern leicht die Westphälischen heimlichen Gerichte (s. Vehmgericht), der Westphälische Friede (s. Dreißigjähriger Krieg) u. m.

Das wichtigste Ereigniß indessen, was diesem so bedeutenden Landstriche Deutschlands (dessen einzelne Vertheilungen bei den allgemeinen Veränderungen, welche die Deutschen Kreise trafen, in den Nachträgen zu Deutschland, Th. I. S. 281. näher angegeben worden sind) noch aufbehalten worden, war wol unstreitig die Erhebung Westphalens zu einem Königreich.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 8. Leipzig 1811, S. 488-490.
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