Moratorium

[186] Moratorĭum oder Anstandsbrief, rescriptum moratorium, wird der von Seiten des Regenten oder einer dazu berechtigten Gerichtsstelle einem Schuldner auf bestimmte Zeit gewährte Vortheil genannt, von einem oder mehren dringenden Gläubigern zur Bezahlung ihrer Foderungen nicht gezwungen werden zu dürfen. Im ersten Falle geschieht dies durch ein Special-, im andern durch ein Generalmoratorium, doch muß zu Erlangung derselben vom Schuldner nachgewiesen werden, daß seine Zahlungsunfähigkeit mehr für eine Folge vorwaltender, ungünstiger Zeitverhältnisse irgend einer Art, deren Besserung wahrscheinlich ist, als für eigentliches Unvermögen anzusehen sei und das sofortige Zugeldemachen seines Besitzes, z.B. an Waaren, Vorräthen oder liegenden Gründen, dem Schuldner vielleicht mehr schaden als den Gläubigern nutzen würde. Die letztern müssen indeß gegen etwaigen Nachtheil aus dieser Begünstigung sichergestellt und die laufenden Zinsen ihnen pünktlich gezahlt werden; unter solchen Bedingungen aber sind zuweilen ganzen Ständen, z.B. den Gutsbesitzern einer durch Krieg verheerten, von außerordentlichen Überschwemmungen und anderm Unglück heimgesuchten Provinz allgemeine Moratorien bewilligt worden. In Preußen gehören die Moratorien unter den vorgenannten Bedingungen zu den gesetzlichen Rechtswohlthaten, in Östreich sind sie dagegen seit 1781 aufgehoben. In Sachsen sollen kraft der Verfassung von 1831 niemals Moratorien vom Staate ertheilt werden; eine Art Moratorium wird jedoch wirklich zahlungsunfähigen Schuldnern unter dem Namen des »sichern Geleites« (s.d.) vom Concursrichter gewährt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 186.
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