Moratorĭum

[133] Moratorĭum (v. lat. mora, »Verzögerung«, Anstandsbrief, Indult, Literae dilatoriae, respirationis, securitatis), die einem zahlungsunfähigen Schuldner durch die staatliche Autorität erteilte Zahlungsfrist gegenüber seinen Gläubigern. Je nachdem es sich dabei um die Bewilligung eines Zahlungsaufschubs für einen einzeln bestimmten Schuldner oder um eine solche für gewisse Kategorien von Schuldnern oder Schulden handelt, wird zwischen Spezial- und Generalmoratorien unterschieden. Die Reichspolizeiordnung von 1577 übertrug das Recht zur Erteilung von Moratorien, und zwar bis zu einer Dauer von fünf Jahren (daher der Ausdruck Literae quinquennales, »Quinquennalien«), dem Landesherrn. Die deutsche Partikulargesetzgebung aber gab dies Recht vielfach den Obergerichten, oder sie verlangte doch für die Erteilung eines Moratoriums durch den Regenten die Mitwirkung der Gerichte. Auch kannte die deutsche wie die außerdeutsche Gesetzgebung die Erteilung von Moratorien für ganze Bevölkerungsklassen, z. B. für Kaufleute, und für ganze Länder und Landesteile, insbes. nach einem Kriege. Neuere Verfassungsurkunden erklären derartige Eingriffe in die Privatrechtsverhältnisse für unstatthaft. Das Einführungsgesetz zur deutschen Zivilprozeßordnung (§ 14, Nr. 4) hat die bestehenden Vorschriften über Moratorien in den einzelnen deutschen Staaten beseitigt, und ebenso erklärt das Einführungsgesetz zu der deutschen Konkursordnung (§ 4) die Vorschriften über die landesherrliche oder gerichtliche Bewilligung einer allgemeinen Zahlungsstundung für aufgehoben. Dies würde jedoch nicht ausschließen, daß ein Spezialgesetz[133] in der Folgezeit einmal auch in Deutschland eine solche aussprechen könnte, wie dies in Frankreich während des deutsch-französischen Krieges durch mehrere Moratoriengesetze, wie es während des russisch-japanischen Krieges in Rußland geschehen ist. Auch in Österreich bedürfen Moratorien eines eignen Gesetzes. Moratorialverfahren ist eine ältere Bezeichnung für das Ausgleichsverfahren (s. d.) zur Abwendung des Konkurses. Vgl. Jaques, Die durch die französischen Moratorienverfügungen hervorgerufenen Regreßfragen (Wien 1872).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 133-134.
Lizenz:
Faksimiles:
133 | 134
Kategorien: