Xanthippe

[767] Xanthippe, die Gattin des Sokrates (s.d.), ist als Beispiel eines zanksüchtigen, launenhaften, argen Weibes von jeher sprüchwortlich bekannt und selbst in den ABCBüchern angeführt worden. Auch werden von den Alten vielerlei Geschichtchen von ihr erzählt, die eben kein freundliches Bild von ihr gewähren; da es uns jedoch an Nachrichten über das häusliche Leben des Sokrates fehlt, läßt sich nicht beurtheilen, welchen Anlaß er vielleicht zu ihrem mürrischen Benehmen gab, dem er jedoch den unverwüstlichsten Gleichmuth entgegensetzte. Als ihm z.B. Alcibiades eines Tags einen vortrefflichen Kuchen zuschickte, riß sie ihn aus dem Korbe und trat ihn mit Füßen, wozu Sokrates blos jagte: »Du wirst nun nicht davon essen können.« Vom Alcibiades gefragt, wie er mit einem solchen Weibe leben könne, erwiderte er: »Weil sie meine Geduld übt und mich. dadurch fähig macht, alles Unrecht zu ertragen, was mir von Andern widerfährt.« Auch seinen Söhnen gebot er Achtung gegen sie, übernahm selbst mehrfach ihre Vertheidigung und Wieland hat sich dadurch mit bewogen gefunden, ein anderes Bild wie das gewöhnliche von ihr zu entwerfen. Am Schicksale ihres Gatten nahm sie jedenfalls lebhaften Antheil, besuchte ihn während seiner letzten Stunden im Gefängnisse and verließ ihn mit allen Zeichen des tiefsten Schmerzes.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 767.
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