Allegorie

[147] Allegorie. Wir bedienen uns, selbst im gemeinen Leben, oft bildlicher Ausdrücke; wir sagen z. B. das springt in die Augen, statt, das ist leicht zu begreifen; oder, er ist ein Schmetterling, für, ein flatterhafter Mensch. Dergleichen bildliche Ausdrücke heißen Metaphern. Führe ich nun eine solche bildliche Vorstellung zu einem vollständigen Redebilde aus, stelle ich also statt des Gegenstandes, den ich bezeichnen will, einen andern Gegenstand auf. der jenem zum Bilde dient, so ist das eine Allegorie. Ihre Absicht ist, den Gegenstand anschaulicher zu machen; denn durch das Redebild wird die Phantasie mehr beschäftigt als durch den eigentlichen Ausdruck. Wir erinnern nur an die schöne Allegorie vom Herkules am Scheidewege. Statt zu erzählen: als Herkules ein Jüngling[147] geworden war, schwankte er Anfangs, ob er der Sinnlichkeit folgen oder tugendhaft werden sollte; endlich entschied er sich für das Letztere, weil er bedachte, daß er nur dadurch zu Ruhm und Ehre gelangen könnte: wählt der Dichter die bekannte Allegorie, daß ihm am Scheidewege zwei weibliche Wesen entgegengekommen wären, deren jede ihn zu bereden suchte, ihrem Wege zu folgen, die Tugend und das Laster u. s. w. Ebenso ist die Erzählung Jesu von dem ausgestreuten Samen eine Allegorie.

52.

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Damen Conversations Lexikon, Band 1. Leipzig 1834, S. 147-148.
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