Gesindeordnungen

[417] Gesindeordnungen nennt man die in Deutschland und fast in allen andern Ländern über die Verhältnisse zwischen Dienstherrschaften und Dienstboten bestehenden gesetzlichen Bestimmungen. Dieselben sollen eines Theils die Rechte und Verbindlichkeiten beider feststellen, andern Theils aber auch, da gesetzliche Normen für[417] alle, namentlich in diesen Verhältnissen, oft so schwierigen Fälle, kaum denkbar sind und positive Bestimmungen fast nie ausreichen können, allgemeine Regeln der Billigkeit enthalten, nach denen die Beurtheilung entstehender Zweifel und Streitigkeiten eiuzurichten ist. Es unterliegt keinem Zweifel, daß dieser Theil der Gesetzgebung ein hochwichtiger ist, denn Jedermann weiß, wie Verhältnisse der Art auf die Ruhe und das Glück der Familie wesentlich einen Einfluß behaupten; es leuchtet aber eben so klar ein, daß gerade wegen dieser häufigen und innigen Beziehungen des Gesetzes zum täglichen Leben, das Gesetz selbst nur sehr allgemein sein und sich über Einzelnheiten nur in soweit verbreiten kann, daß daraus die Willensmeinung des Gesetzgebers, nicht aber erschöpfende Bestimmungen für jeden einzelnen denkbaren Fall zu ersehen sind. Namentlich wird die Anwendung der vom Gesetze für diejenigen Fälle, in denen ein oder der andere Theil an die Erfüllung des Dienstvertrags nicht gebunden sein soll, aufgestellten Normen, dem richterlichen Ermessen und den Rücksichten der Billigkeit jederzeit noch ein weites Feld geöffnet lassen.

T.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 4. [o.O.] 1835, S. 417-418.
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