Grünes Vorgebirge

[60] Grünes Vorgebirge, (Cap verde), die westlichste Spitze Afrika's im Reiche des Damel von Cayor, dessen Land sich von hier ab bis zur Mündung des Senegal erstreckt. Es ist hoch und felsig, und mit prächtigen Boababs oder Adansonien bedeckt: daher sein Name. Reiche Quellen geben dem Seefahrer ein herrliches Trinkwasser. Das Klima ist zwar sehr heiß, wird aber von kühlen Nächten erquickt. Der röthliche Boden bringt Baumwolle und Indigo in Fülle hervor. Die Einwohner sind die schlanken Jalossen, ein Negervolk, schwarz wie Ebenholz, gewandt, beweglich, von seiner Gesichtsbildung, mit schönen Augen und weniger aufgeworfenen Lippen. Sie sind thätig, kraftvoll und kriegerisch, in der Verfertigung der Baumwollenzeuge übertreffen sie sogar die Mandingos. Sie scheren sich das Haar, tragen weder Backen- noch Schnurbart, sondern lassen bloß das Haar am Kinn stehen. Ihre Kleidung besteht aus zwei Pagnen, deren eine über die Schulter[60] geworfen, die andere um den Unterleib befestigt wird. Die Weiber haben den Körper von den Knieen bis zur Brust bedeckt. Eine seltsame Abnormität, welche naturwidrig scheint, findet sich unter diesem schönen Menschenschlag; die Weiber nämlich sind ganz ohne Schamhaftigkeit und scheinen keine Scheu vor fremden Augen zu kennen. Dagegen sind die Männer schamhaft, baden sich an abgelegenen Orten und entblößen sich nie vor fremden Augen. Eben so zeigen auch die Knaben schon diese Schamhaftigkeit, von der die Mädchen kaum einen Begriff zu haben scheinen. Nur die tiefste Erniedrigung des Weibes, (denn diese müssen selbst im höheren Stande, trotz der goldenen und silbernen Ringe, womit sie geschmückt sind, alle Arbeiten der Männer verrichten), nur der höchste Grad der Sklaverei, in welche dieses Geschlecht versunken ist, kann diese seltsame Verstümmelung natürlicher Gefühle erklären. Ihre Lebensart ist einfach; sie lieben Musik, Tanz, Wettrennen und Schießen. Nie bestiehlt ein Jalosse den anderen. Gastfreiheit ist ihre Erbtugend; jeder Fremde wird unentgeldlich versorgt. Wie bei den Chinesen folgt der Sohn dem Gewerbe des Vaters. Schmiede, Weber, Schuster und Poeten sind sehr verachtet. Letztere erhalten nicht einmal ein ehrliches Begräbniß, sondern ihre Leiche wird in einen hohlen Baum gelegt, damit die Hirseernte nicht mißrathe; doch haben sie großen Einfluß, ziehen in die Schlacht, feuern zum Kampfe an und halten durch ihre Schlachtgesänge die Fliehenden zurück. Gelingt ihnen das Letztere jedoch nicht, so ist ihr Tod unvermeidlich. Die Jalossen schwören bei ihrer Nase, haben eine Art Geschwornengericht und reinigen sich von Anschuldigungen durch Feuerproben. Sie zeichnen sich durch Geduld aus und ertragen Alles mit heroischem Muthe.

4.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 5. [o.O.] 1835, S. 60-61.
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