Silhouette

[250] Silhouette. Eine korinthische Jungfrau, – so erzählt die liebliche Sage – nahm eben unter heißen Thränen Abschied von ihrem Geliebten, von dem sie so gern ein, wenn noch so schwaches, Bild seiner theuern Züge zurückbehalten hätte. Noch einmal blickte der Jüngling zärtlich nach ihr zurück: – da fiel, sie sah's, sein Schatten auf die Wand, und schnell, vom Eros entzündet, ergriff sie die Kohle und umschrieb rasch den Schatten mit einer Linie. So drückte der schelmische Liebesgott seinen eigenen Pfeil als ersten Griffel in die zarte, jungfräuliche Hand, und wie weit es die Alten nach diesem ersten, kindlichen Versuche mit männlicher, künstlerischer Umsicht und Besonnenheit in der Schattenmalerei (jetzt Silhouettirkunst) brachten, bezeugen die vielen hetrurischen Vasengemälde, welche meist alle mit den zartesten und schönsten Schattenzeichnungen geschmückt sind. – Silhouetten in neuerer Zeit, jene Schattenbilder von Menschen, wo der Umriß derselben mit[250] schwarzer Farbe ausgefüllt ist, bisweilen auch die innern Lineamente in leichten, weißen Zügen hineingezeichnet sind, erhielten scherzweise ihren Namen von dem franz. Generalcontroleur Etienne de Silhouette, welcher als Finanzminister solche Ersparnisse und drückende Auflagen einführte, daß man es während seiner Verwaltung für gerathener hielt, anstatt der theueren Portraits in Farben sich mit einem bloßen Schattenrisse zu begnügen. – Noch jetzt hat die Silhouettirkunst ihren Werth, da sie bei allen ihren Mängeln doch ein sehr treues Bild des Menschen im Profil gibt; nur gelingen ihr freilich die zarten, sinnigen, wenig hervorstechenden Profile sehr selten. Sicherer, als wenn man den Schattenriß aus freier Hand zeichnet oder ausschneidet, silhouettirt man, wenn man den Schatten des Profils durch eine Kerze werfen läßt, ihn umschreibt und dann verkleinert mit dem Storchschnabel, Pantograph, einem aus 5 beweglich in quadratischer Form verbundenen Linealen bestehendes Instrument, vermittelst dessen man alle gezeichneten Gegenstände alsbald ganz verhältnißmäßig verkleinern kann.

–r.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 9. [o.O.] 1837, S. 250-251.
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