Aphasie

[55] Aphasie (Nicht-Sagen, Sprachlosigkeit): 1) Bei den Skeptikern: die Enthaltung (epochê) von allen positiven, bestimmten Aussagen über das Wesen der Dinge, da dieses nicht erkennbar sei. Nur ein »es scheint so«, (nicht »es ist so«) läßt sich sagen (Sext. Emp. adv. Math. I, 12, 13). – 2) In der Psychopathologie: eine central bedingte Störung der Sprachfähigkeit bei Unversehrtheit des Articulationsmechanismus (vgl. STEINTHAL, Einl. in d. Psych. S. 455). Bei der amnestischen (sensorischen) Aphasie geht die Erinnerung an die Bezeichnung der Worte verloren. »Die Sprache an sich ist ungestört, die Kranken sprechen fließend nach; nur die Worte für die einzelnen Dinge fallen ihnen nicht[55] ein, die Muttersprache erscheint wie ein fremdes Idiom, das man schlecht beherrscht«. Die ataktische (oder Innervations-, motorische) Aphasie (= Aphemie) besteht in einer Beeinträchtigung der Function der Wortbildung als solcher. Bei der Worttaubheit (»surditas verbalis«, 1877 von KUSSMAUL so genannt) versteht der Kranke nicht, was gesprochen wird (HELLPACH, Grenzwis(s. d.) Psych. S. 249; JODL, Lehrbuch der Psych. S. 473; WUNDT, Gr. d. Psych.5, S. 245). PREYER zählt auf: 1) corticale sensorische (centrosensorische) Dysphasie und Aphasie (= Paraphasie), 2) intercentrale Leitungsdysphasie und Aphasie 1., 2., 3. Ordnung, 3) centromotorische Dysphasie und Aphasie (Spr. d. Kind. S. 264 ff.). Alalie heißt das gänzliche Unvermögen, zu articulieren (l.c. S 278). Dysarthrie, Anarthrie ist die Unmöglichkeit des Verstehens von Gesprochenem (l.c. S. 265). Vgl. KUSSMAUL (Stör. d. Sprache 1885).

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 55-56.
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