Green, Thomas Hill

[213] Green, Thomas Hill, geb. 7. April 1836 in Birkin (Yorkshire), Prof. in Oxford, gest. 26. März 1882.

G. ist der Hauptvertreter des englischen kritischen Idealismus, der von Kant, Fichte und Hegel beeinflußt ist. Das Wirkliche – der Inbegriff der Tatsachen – besteht in einem System von Relationen für ein Bewußtsein, als eine gesetzlich verknüpfte Summe möglicher, zusammenhängender Erfahrungen, im Unterschiede von den subjektiv-individuellen Erlebnissen, welche vielmehr von diesem objektiven System selbst abhängig sind. Dieses Erfahrungssystem ist aber auch kein Ding an sich, sondern Inhalt eines universalen, über Raum und Zeit erhabenen, überindividuellen Bewußtseins, im Unterschiede vom empirischen Bewußtsein, in dem es zur zeitlichen Entfaltung gelangt. Die Einheit, die alle Erfahrungsrelationen umfaßt (Kants »transzendentale Apperzeption«, Fichtes »absolutes Ich«, Hegels »Idee«), ist das unendliche, absolute Subjekt, das ewige, reine Selbstbewußtsein, das zeitlose synthetische Einheitsprinzip, welches sich in den Individuen manifestiert. Das zeitlose, intelligible Bewußtsein liegt allem zugrunde und in ihm sind die Relationen der Dinge ewig beschlossen. »We must hold, that there is a consciousness for which the relations of fact, that forms the object of our gradually attained knowledge, already and eternally exist, and that the growing in knowledge of the individual is a progress towards this consciousness.« Das menschliche Erkennen ist also nur eine annähernde Reproduktion der absoluten, unendlichen Erkenntnis der göttlichen Weltvernunft, die zugleich freier Wille und Liebe ist.

Die Seele ist ein unterscheidendes und synthetisches Prinzip und ist als Modifikation des absoluten Denkens unsterblich. Raum und Zeit sind ideell, zugleich aber synthetische Relationen der Dinge selbst, die ja nur in Beziehung zu einem Subjekt existieren. Die Kategorien sind Bedingungen des objektiven Erfahrungszusammenhanges, notwendige Relationen. Aber als Modus des absoluten Bewußtseins ist der Mensch nicht der Kausalität unterworfen, sondern eine freie Ursache (free cause), d.h. eine sich selbst bestimmende, selbst motivierende Aktivität. Das Motiv bestimmt notwendig das Handeln, wird aber selbst durch einen »act of self-counsciousness« geschaffen, wie auch das Subjekt selbst seinen Charakter frei zu dem bestimmt, als was er erscheint. Gut ist etwas in Beziehung zum Begehren, und zwar ist das wahrhaft Gute für alle Menschen gut. Sittlich gut ist dasjenige, worin das Ich sein wahres Wesen möglichst vollkommen verwirklicht; Endzweck des sittlichen Willens ist ein Leben nach der Vernunft, möglichste Annäherung an das reine, göttliche Selbst, dessen Vollkommenheit wir niemals erreichen, der wir aber immer nachstreben.

SCHRIFTEN: Introduction to Hume's Treatise (Hume's Philos. Works, 1874 f.). – Prolegomena to Ethics, 1883; 2. ed. 1884. – Werks, 1885-1900, 1906. – Theory of Political Obligation, 1895. – Vgl. FAIRBROTHER, The Philosophy of T. H. Green, 1896. – A. GRIEVE, Das geistige Prinzip in der Philosophie T. H. Greens. 1896. – G. F. JAMES, T. H. Green und der Utilitarismus, 1894.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 213-214.
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