Gretna-Green

[282] Gretna-Green (spr. grettna-grīn, Graitnay), Dorf in der schott. Grafschaft Dumfries, 15 km nordwestlich von Carlisle, dicht an der englischen Grenze, mit (1891) 1141 Einw., war einstmals berühmt als Zufluchtsort solcher, die ohne Zustimmung ihrer Eltern oder Vormünder eine Ehe eingehen wollten. Dies beruht auf dem Umstand, daß in Schottland noch das alte kanonische Recht gilt, nach dem jede Eheerklärung zweier Personen (sponsalia de praesenti) als vollkommen gültige Ehe erscheint, mag diese auch wegen Außerachtlassung der zur Erlaubtheit der Ehe vorgeschriebenen Formen strafbar sein. Zur Sicherung des Beweises einer formlosen oder heimlichen Ehe ist aber auch in Schottland die Zuziehung von Zeugen oder die Beurkundung des Ehekonsenses erforderlich oder doch ratsam. Da nun in England und Wales schon seit der Hartwicke's Act vom Jahre 1753 keine heimlichen Ehen mit Rechtsgültigkeit mehr geschlossen werden konnten, anderseits aber die im Auslande geschlossenen Ehen nach englischen Grundsätzen als gültig erachtet werden, wenn sie nur nach den dort herrschenden Gesetzen gültig sind, so eilten alle Paare, die in England Hindernisse für ihre eheliche Verbindung fanden, in ein schottisches Grenzdorf, zumeist nach G., und erklärten dort vor dem Friedensrichter ihren Ehekonsens, worauf dieser die Namen der Ehegatten, des Beweises der geschlossenen ehelichen Verbindung wegen, in ein Register eintrug. Da dieser nun zufällig ein Schmied war, entstand die Meinung, der »Schmied von G.« habe das Privilegium, Ehen zu schließen. Diese Art von Eheschließung dauerte bis zum 1. Jan. 1857, wo ihr England durch ein Gesetz, das die Gültigkeit einer solchen schottischen Ehe von dem Umstande abhängig machte, daß die Brautleute mindestens 21 Tage vor ihrer Eheschließung in Schottland gelebt haben müssen, innerhalb welcher Zeit wenigstens die entführten Mädchen eingeholt sein können, einen Riegel vorschob.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 282.
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