Kirchner, Friedrich

[352] Kirchner, Friedrich, 1848-1900, Gymnasial-Prof. in Berlin.

K. ist hauptsächlich von Leibniz und Frohschammer beeinflußt. Sein Standpunkt ist der des »empirisch-rationalen« Ideal-Realismus, nach welchem das Materielle Erscheinung eines Geistigen ist. Gott ist lebendig-tätiger Geist, absolute Vernunft, ewig, allgegenwärtig, allmächtig. Absoluter Zweck ist die Existenz des Universums, in welchem eine alle Einzelwesen durchdringende und leitende Vernunft waltet. Gott ist zugleich der »lebendige Hüter der Moral«. Er ist das »Gesamtleben des Allwirklichen«. Die Außenwelt ist ebenso real wie unser Ich. Raum und Zeit sind apriorische Vorstellungen, zugleich aber »objektive Verhältnisse der Dinge selbst«. Die Atome Bind »Kraftzentren von unendlich kleiner Ausdehnung«, welche in ihrer Wechselwirkung Stoff, Bewegung, Raum und Zeit konstituieren. Der Kausalnexus schließt die Teleologie in sich als Idee einer »universalen Ordnung, in welcher jedes Ding seine, durch die Idee des Ganzen ihm angewiesene Stelle einnimmt«. Jedes Ding ist Selbstzweck und Mittel zu höheren Zwecken. Leib und Seele sind nur »die Subjekte verschiedener Erscheinungsweisen desselben Individuums«, wobei die Seele mit dem Leibe zugleich entsteht und sich entwickelt, aber vom Leibe verschieden ist. Die Willenshandlungen sind stets bestimmt durch psychische Ursachen, aber nicht schon in ihnen enthalten (wie Wundt). Das Gute (Sittliche) besteht in der Verwirklichung der Idee des Menschen und damit in der bewußten und freien Aufrechterhaltung der göttlichen Weltordnung. Das höchste Gut ist sittliche Vollkommenheit. Das Sittliche ist, objektiv, das in den Gemeinschaften sich darstellende Vernünftige.

SCHRIFTEN: Über Freiheit des Willens, 1874. – Leibniz' Psychologie, 1876. – Die Hauptpunkte der Metaphysik, 1879. – Über die Notwendigkeit einer metaphys.[352] Grundlage für die Ethik, 1881. – Über die Grundprinzipien des Weltprozesses, 1882. – Über den Zweck des Daseins, 1883. – Der Spiritismus, 1883. – Diätetik d. Geistes, 1884. – Über den Zufall, 1887. – Schematismus d. Philos., 1888. – Über die Tierseele, 1890. – Über das Gedächtnis, 1892. – Der Weg zum Glück, 1895. – Katechismus der Psychologie, 2. A. 1896. – Katechismus der Ethik, 2. A. 1898. – Katechismus der Logik, 3. A. 1900. – Wörterbuch der philos. Grundbegriffe, 5. A. 1907, u. a.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 352-353.
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