Royer-Collard, Pierre Paul

[615] Royer-Collard, Pierre Paul, geb. 1763, studierte in Paris, wurde 1789 Advokat, Mitglied des Rats der Fünfhundert, später Professor (1811-14), dann Abgeordneter, gest. 1845.

R. hat in Frankreich die Anschauungen der Schottischen Schule eingeführt und damit die Reaktion gegen den Sensualismus Condillacs u. a. eingeleitet. Die Begriffe von Raum und Zeit, Kausalität und Substanz entspringen nicht aus Empfindungen, sondern haben im Bewußtsein ihre Quelle. Man muß von der Wahrnehmung (»perception«) ausgehen; welche uns das Dasein von Außendingen enthüllt und uns deren primäre Qualitäten zeigt. Durch die innere Wahrnehmung erfassen wir unser Ich. Dieses wird (vermittelst des Gedächtnisses) als identisch und dauernd erfaßt. Die Dauer ist das Ursprüngliche, sie gehört primär nur der inneren Erfahrung an und liegt der Sukzession schon zugrunde, ist nicht aus dieser abstrahiert. Zugleich erfaßt[615] sich das Ich als aktiv, als ein Wirkendes, als Ursache; das Denken ist Willenstätigkeit. Die Allgemeinheit und Notwendigkeit des Wirkens (das Kausalprinzip) wird nicht erfahren, ist ein Denkprinzip.

SCHRIFTEN: Fragments philosophiques, in Jouffroys Übersetzung der Werke Reids (Oeuvres de Th. Reid, 1828-35, III – IV). – Vgl. DE BARANTE, R., 1862. – ANTONESCU, R. als Philosoph, 1904.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 615-616.
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