Royer Collard

[413] Royer Collard (spr. Roajeh Kollahr), 1) Pier Paul, geb. 21. Juni 1763 in Sompuis bei Vitry le François; wurde kurz vor Ausbruch der Revolution Advocat beim Pariser Parlament u. trat als ein Vertheidiger der Freiheit auf; er wurde nach der Erstürmung der Bastille Secretär im Gemeinderath u. widersetzte sich der Pöbelherrschaft, weshalb er von den Jacobinern verfolgt wurde. Nach der Flucht des Königs gab er seine Stelle auf u. nach der Katastrophe des Königthums verließ er Paris u. lebte in seiner Heimath; er wurde 1797 vom Marnedepartement zum Deputirten des Raths der Fünfhundert ernannt, aber bald, weil er sich gegen den Priestereid erklärt hatte, wieder ausgeschlossen. Er wirkte nun im Stillen als Royalist, zog sich aber seit 1803 ganz von der Politik zurück u. lebte blos den Wissenschaften; er wurde 1811 Professor der Philosophie an der Faculté des lettres u. führte damals die schottische Moralphilosophie in Frankreich ein; 1814 ernannte ihn der König zum Generaldirector des Buchhandels u. zum Staatsrath. Nach Napoleons Rückkehr entsagte er diesen Ämtern; nach der zweiten Restauration wurde er Präsident der Commission des öffentlichen Unterrichts u. trat als Deputirter des Marnedepartements in die Kammern, wo er als Vertheidiger des constitutionellen Systems 1815 mit der Minderzahl war; 1818 gab er seine Stelle bei der Regierung auf u. trat zur Opposition u. galt seit 1820 als das Haupt der Doctrinärs; 1828 u. 1829 wurde er Präsident der Deputirtenkammer u. überreichte als solcher im März 1330 die berühmte Adresse der 221 Deputirten, welcher die Auflösung der Kammern folgte (s.u. Frankreich Gesch. S. 580). Er wurde wieder gewählt, trat aber seit der Julirevolution in den Hintergrund u. st. 4. Sept. 1845 auf seinem Gute Chateauvieux bei St. Aignan im Departement Loire u. Cher. 2) Ant. Athanase, Bruder des Vor., geb. 1768, starb 1825 als königlicher Leibarzt u. Professor der Medicin in Paris; er machte sich verdient um die Verbesserung des Irrenhauses zu Charenton u. hat mehre medicinische Schriften geschrieben.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 413.
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