Wilhelm von Auvergne

[815] Wilhelm von Auvergne, geb. in Aurillac, studierte in Paris, Lehrer der Theologie, 1228 Bischof daselbst, gest. 1249. = W. ist in vielem, was dem Glauben nicht widerstreitet, Anhänger des Aristoteles, teilweise aber auch von Plato (Timaeus, Phaedon) beeinflußt. Es gibt nach W. erworbene (Verstandes- und empirische) Erkenntnis, ferner auch angeborene Erkenntnis (»scientia innata«). Zur letzteren gehören die ersten, durch sich selbst bekannten Wahrheiten. Die Erkenntnis des Übersinnlichen erfolgt durch Erleuchtung (»illuminatio«) seitens Gott, der die ewige Wahrheit ist (vgl. Augustinus). Die Wahrheit an sich ist Gott als Weltschöpfer. Die Schöpfung ist ein Akt des lebendigen Wissens und des freien Willens Gottes. Im göttlichen Intellekte sind die Ideen, die vollkommenen Urbilder der Dinge zu einer intelligiblen Welt, die Gottes Sohn ist, vereinigt (»intellectus... divinus plenus rationum viventium, quasi mundus archetypus omnium rerum ideas ut exemplaria continebat«). Die Ideen spiegeln sich als intelligible Objekte in unserem Geigte ab und existieren als Universalien in den Dingen. Gott schaut ewig sich selbst und alles zugleich und schafft hiernach;[815] ewig ist nur das göttliche Sein. Die Übel in der Welt sind nur Mittel zum Guten (»media conducentia ad bonum«). Der Intellekt gehört zur Seele und diese ist eine einfache immaterielle, vom Leibe unabhängige, unsterbliche Substanz (»substantia spiritualis«), zugleich eine Vollkommenheit (»perfectio«) des Organismus, der ihr Instrument ist. Der Wille hat die Freiheit, etwas zu tun oder zu unterlassen. Bezüglich einiger psychologischer Fragen (»innere Sinne«, Phantasie u. a.) ist W. von Avicenna u. a« betreffs der Unsterblichkeitslehre von Domin. Gundissalinus abhängig.

Schriften: De universo; De anima; De animae immortalitate; De veritate u. a. Opera, 1591, 1674. – Vgl. K. WERNER, Die Psychologie des W. v. A., 1873. = N. VALOIS, G. d'Auvergne, 1880. – M. BAUMGARTNER, Die Erkenntnislehre des W. v. A., 1893. – ST. SCHINDELE, Beitr. zur Metaphys. des W. v. A., 1900.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 815-816.
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