Neuntes Kapitel.

Schlacht bei Pharsalus.

[579] Der rechte Flügel des Pompejus lehnte sich an einen tiefeingeschnittenen Bach. Hierauf gestützt, beschloß der Feldherr, in einem wesentlichen Punkt von dem üblichen Schema der Schlachtordnung abzuweichen. In dem Vertrauen, daß der Bach seinen Legionen auf dieser Seite die genügende Flankendeckung gewähren werde, zog er fast seine gesamte Kavallerie mit den Leichtbewaffneten unter dem Kommando seines besten Generals, des Labienus, der von Cäsar zur Optimatenpartei übergegangen war, auf den andern, den linken Flügel. Gewann die Kavallerie hier die Überlegenheit und schlug die ihr gegenüberstehenden Truppen Cäsars aus dem Felde, so sollte sie sofort den feindlichen Legionen in die Flanke und den Rücken fallen, und damit das Infanteriegefecht bis zu diesem Augenblick möglichst hingehalten werde, sollten die Pompejanischen Legionen sich nicht in der üblichen Weise im Sturmschritt auf die feindlichen werfen, sondern deren Anlauf abwarten. Dabei soll Pompejus noch den besonderen Vorteil erhofft haben, daß die Cäsarianer in der Erwartung, die Gegner würden ihnen auf halbem Wege entgegenkommen, sich zu früh in Lauf setzen und ohne Atem und Ordnung zum Handgemenge gelangen würden.

Cäsar berichtet nicht ausdrücklich, ob auch er seine ganze oder fast ganze Kavallerie dem Flügel in der Ebene zugeteilt hatte, aber es ist wohl so anzunehmen, da er ja schon von weitem die Anordnung auf der feindlichen Seite sehen konnte und Kavallerie auf dem Flügel am Fluß, die nur in der Front angreifbare Infanterie vor sich hatte, nichts ausrichten konnte.

Angesichts der Überlegenheit der feindlichen Kavallerie hatte er der seinigen aus den jüngeren Mannschaften seiner Legionen und[579] den gewandtesten Antesignanen ausgewählte Leute in leichter Rüstung beigegeben, die mit den Reitern in der Art der Hamippen, wie sie auch bei den Germanen üblich war, zusammen kämpften und schon einige Tage vor der Schlacht in diesem Zusammenwirken ein glückliches Gefecht geliefert hatten. Er tat aber noch mehr. Noch während die beiden Heere schon im Anmarsch begriffen waren, zog er aus seinem dritten Treffen sechs starke Kohorten, 3000 Mann heraus, führte diese auf seinen rechten Flügel in eine Hakenstellung zur Unterstützung seiner Kavallerie und hielt den Rest des dritten Treffens, statt ihn mit den beiden ersten antreten zu lassen, als allgemeine Reserve zurück. Die drei Treffen des Pompejus waren jedes zehn Mann290, also zusammen dreißig Mann tief, auf die die Cäsarianer, ohne ihr drittes Treffen zunächst nur etwa halb so tief, aufprallten, aber Cäsar durfte seinen bewährten Legionen zutrauen, daß sie auch so dem Feinde längere Zeit Widerstand leisten würden, und gerade die Anordnung des Pompejus, den Infanteriekampf etwas zu verzögern, kam ihm zu statten.

Als die Pompejanischen Reiter mit ihren Schützen, der Phalanx etwas voraus, zum Angriff einsetzten, nahmen die germanischen und gallischen Reiter ihrer Instruktion gemäß die Attacke nicht an, sondern gingen zurück. Aber als die Pompejaner ihnen nunmehr nachsetzten, fielen die sechs Kohorten aus dem Haken sie in der Flanke an; die Cäsarischen Reiter schwenkten Kehrt und gingen ihnen mit ihren Leichten wieder entgegen. Die Pompejaner wurden jetzt geworfen, und die Cäsarianer setzten ihnen nach.

Obgleich keine Quelle es ausdrücklich meldet, wird man Generalen wie Pompejus und Labienus zutrauen dürfen, daß sie wußten, was sie gegen die ihnen nun drohende Flankierung durch die feindliche Kavallerie zu tun hatten. Sie holten aus dem dritten Treffen der Infanterie Unterstützung heran und suchten gegen die Überflügelung einen Haken zu bilden. Aber die Dinge entwickelten sich zu schnell; es ist ein Unterschied, ob die Hilfe aus dem dritten Treffen bereits vorgesehen ist, wie bei Cäsar, oder erst in dem Augenblick, wo die flüchtende Masse und dahinter der verfolgende Feind sich bereits heranwälzen, befohlen wird und den schwierigen Frontwechsel vollziehen[580] soll. Eben waren auch die beiden Phalangen aneinander geraten und hatte das Handgemenge der ersten Treffen begonnen.

Zu einem Gegenstoß gegen die überflügelnden Reiter und Kohorten, der sie wieder zurückgeworfen hätte, reichte unter diesen Umständen die Kraft der Pompejaner nicht aus; trotz der Flucht ihrer Reiter und Schützen waren sie an Zahl ihren Gegnern immer noch gewachsen oder sogar überlegen, aber die Form, in der diese jetzt fochten, die Umklammerung und die Waffenkombination war wirksamer. Cäsar verstärkte seine Phalanx von hinten durch das dritte Treffen, und unter dem Druck des Doppelangriffs in Front und Flanke, der Hilfe der eigenen Reiter und Schützen beraubt, wich allmählich zunächst der linke Flügel der Pompejaner, endlich das ganze Heer.

Die Schlacht ist angelegt nach dem uns altbekannten Schema der Flügelschlacht, aber unendlich verfeinert durch die Kombination mit der Treffenstellung und der Defensivoffensive. Beide Feldherren bestimmen die korrespondierenden Flügel zur Offensive. Ganz sachgemäß hat Pompejus den seinen durch Konzentrierung all seiner Kavallerie mit den Leichtbewaffneten so stark wie möglich gemacht und hätte nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge dem gegnerischen überlegen sein müssen. Aber Cäsar, in Voraussicht des Geschehenden, hat seinem Kavallerieflügel eine extraordinäre Verstärkung zugeführt und sie zugleich für den günstigsten Moment zurückgehalten. Hätte er einfach die 3000 Legionare mit der Kavallerie zusammen vorgehen lassen, so hätten sie dieser nicht viel genützt und wären vielleicht bei ihrem vorauszusehenden Zurückfluten mit umgerissen worden. Deshalb stellte Cäsar sie im Haken auf, in einen Hinterhalt, wie eine der Quellen es ausdrückt; hier ließen sie die eigene Kavallerie erst an sich vorüber und fielen dann erst die feindliche aus der Flanke an, während die eigene wieder umkehrte und den Kampf aufnahm.

Diese Unterstützung der Kavallerie durch schwere Infanterie, die gegen die feindliche Kavallerie offensiv vorgeht, ist die denkbar höchste Leistung der Kohortentaktik. Nur völlig durchgebildete taktische Körper mit unbedingter Sicherheit geführt, nicht ganze Phalangen, sondern nur Kohorten, denen ihre Kleinheit die Elastizität gibt, sind imstande, so zu operieren.[581]

Durch dieselbe Verbindung der Waffen hatte Cäsar einst die Reiter des Vercingetorix besiegt, die kein Infanterietreffen neben sich hatten, bei Pharsalus aber entwickelte sich der Teilsieg sofort zum Vollsieg auch über die feindliche Infanterie. So kompliziert der ganze Heeresorganismus geworden ist, so gilt doch noch immer der Satz, den Polybius einst aussprach (35, 1), daß ein Moment die Schlachten entscheide.

Wie Hannibals Zentrum bei Cannä, so hatte Cäsars Phalanx den Druck der weit überlegenen feindlichen Phalanx so lange ertragen, bis die Flügelwirkung sie entlastet: die Leistung ist aber deshalb noch höher als bei Cannä, weil die Flügelwirkung nicht gleich einsetzte, sondern sich erst aus der Defensive heraus im Gegensatz zur Offensive zu entwickeln hatte.

Wie die Legionen, so müssen auch Cäsars Kavallerie und die ihr beigegebenen Leichten von einem ausgezeichneten Gewist und voller Zuversicht in die Führung ihres Feldherrn und ihrer Offiziere erfüllt gewesen sein, daß es gelang, sie, nachdem sie bei der ersten Attacke gewichen waren, sofort zum Umkehren zu bringen, als das Eingreifen der Kohorten das Zünglein herumgeworfen hatte. Die Reiter waren Gallier und Germanen.

So siegt eine Minderheit über eine erhebliche Mehrheit wesentlich gleichartiger Truppen durch ihre bessere Qualität, die die Führung des Feldherrn in der genialsten Weise auszunutzen versteht.

Der Befehl des Pompejus, der den Beginn des Infanterie-Gefechts verzögerte, war an sich nicht falsch gedacht, mußte aber bei der Gegenmaßregel, die der feindliche Feldherr ergriffen hatte, zu dessen Gunsten ausschlagen, insofern sie ihm die Bildung des vierten Treffens und dadurch den Sieg in dem Reitergefecht erleichterte.

Eine Schlacht wie die pharsalische geht um Sein und Nichtsein. Was konnte es den Pompejanern helfen, wenn sie noch einen geordneten Rückzug machten und ihr Lager verteidigten? Sie wären darin eingeschlossen worden, wie Vercingetorix in Alesia oder Afranius und Petrejus bei Ilerda, und da kein Entsatz möglich war, früher oder später zur Kapitulation gezwungen worden. So für das Heer, anders für die Führer. Die Sache der Optimatenpartei war mit dieser Schlacht noch nicht endgültig verloren: noch waren[582] allenthalbe starke, der Monarchie widerstrebende Kräfte, und Cäsar hat noch zwei große Schlachten schlagen müssen, um seine Herrschaft ganz zu vollenden. Die Quellen werfen einstimmig dem Pompejus vor, daß er unter dem Eindruck der Niederlage völlig zusammengebrochen, der Schlacht vorzeitig entwichen, ins Lager geeilt sei, auch dort aber nichts für die Verteidigung getan habe. Cäsar erzählt nur, er habe sich in das Feldherrnzelt begeben, den Ausgang abgewartet, und als die Feinde ins Lager eindrangen, es nach Ablegung der Feldherrn-Insignien zu Pferde verlassen. Plutarch und Appian malen es des Weiteren aus, wie er stumm und starr in seinem Zelt gesessen, bis die Annäherung der über den lagerwall einbrechenden Feinde ihn verscheucht. Es mag vielleicht so gewesen sein, aber es ist auch nötig, darauf hinzuweisen, daß es, sobald die Schlacht entschieden war, für Pompejus nichts mehr zu tun gab. Das Heer war nicht mehr zu retten; die Führer aber, indem sie sich retteten, hatten noch die Möglichkeit, an anderer Stelle den Kampf fortzusetzen. Rein militärisch erscheint Pompejus' Verhalten, wie Plutarch es beschreibt, als ob er vergessen habe, daß er Pompejus Magnus sei und Zeus ihm die Sinne verwirrt habe, wie einst dem Ajax. Politisch wird sein Verhalten dadurch erklärlich, daß das Interesse des Heeres und der Führer nicht mehr zusammenging. Appian berichtet, daß Cäsar Herolde unter die Kämpfenden gesandt habe, welche ausriefen, daß seine Soldaten die Landsleute schonen und sich nur gegen die Bundesgenossen wenden sollten. Wörtlich richtig kann die Erzählung nicht sein, da sich im Kampfgetümmel solche Befehle nicht mehr verkünden lassen und man den Pompejanischen Legionaren (denn nur um die handelt es sich noch) nicht ansehen konnte, ob sie römische Bürger oder untergemischte Fremde seien. Aber wenn dieser Zug als realistisch auch nicht beizubehalten ist, virtuell zeichnet er das Wesen der Situation. Etwa ein Drittel der Pompejanischen Legionare bestand aus Soldaten, die noch vor kurzem Cäsar als ihren Kriegsherrn verehrt hatten, und auch die beiden anderen Drittel waren durch kein inneres Band mit der Partei verknüpft, für die sie fochten. Sie haben getreu dem Fahneneid und unter dem Gesetz der militärischen Disziplin die Schlacht tapfer durchgekämpft; für einen weiteren hoffnungslosen Widerstand aber waren die Dinge bei ihnen nicht angetan.[583]

So endete die Schlacht, indem Pompejus entfloh, das Lager nach einer kurzen Verteidigung preisgegeben wurde, das geschlagene Heer sich zunächst auf die Berge rettete und, von den Cäsarianern unablässig verfolgt und eingekreist, noch in derselben Nacht, ohne weiter zu fechten, kapitulierte.


1. Über die Heereszahlen in dem Feldzuge von 48 haben wir sehr verschiedene Nachrichten, von denen zwei Gruppen, Cäsar selbst, und eine zweite Plutarch, Appian, Eutrop und Orosius, die auf Asinius Pollio zurückgeht, in Betracht kommen. Bisher hat man den Zahlen Cäsars den Vorzug gegeben und sie einfach angenommen, aber das läßt sich nicht aufrechterhalten291.

Wenn wir beim Gallischen Kriege gesehen haben, daß Cäsar die Zahlen der besiegten Gegner bis ins Ungeheuerliche übertreibt, so läßt das noch keinen Rückschluß auf die Unzuverlässigkeit seiner Zahlen im Bürgerkrieg zu. Das Publikum, für das er den Gallischen Krieg beschrieb, hätte ihn gar nicht verstanden, wenn er die richtigen Zahlen an gegeben hätte; es waren Barbaren-Heere, die er besiegt hatte, und Barbaren-Heere waren nach griechischer wie römischer Vorstellung ein für allemal Massenheere. Wir müssen also sehen, ob in der Erzählung des Bürgerkrieges selbst Zahlen vorhanden sind, an denen sich die Zuverlässigkeit des Autors kontrollieren läßt.

Im spanischen Kriege gibt Cäsar außer den Legionen dem Afranius und Petrejus 80 Kohorten Bundesgenossen (b. c. I, 39). Schon Stoffel I, 265 hat dargelegt, daß das unmöglich richtig sein könne, und vorgeschlagen, statt »LXXX« »XXX« zu lesen.

b. c. III, 37, 7 hören wir von einem Gefecht, in dem die Pompejaner 80, die Cäsarianer 2 Tote verloren.

III, 45 u. 46 ist ein sehr hartnäckiges, hin- und hergehendes Gefecht der IX. Legion vor Dyrrhachium erzählt, in dem diese zum Schluß im ganzen fünf Mann, der Feind »complures« verloren hat.

III, 54 wird uns erzählt, wie an ein und demselben Tage um Dyrrhachium herum sechs verschiedene Gefechte stattfanden. Ein Teil der Erzählung dieser Gefechte ist verloren gegangen, die Handschriften des bellum civile haben hier eine Lücke, die aber einigermaßen aus den anderen Quellen zu ergänzen ist. Es war jedenfalls ein blutiger Tag, und der Gesamtverlust der Pompejaner betrug nach Cäsar 2000, seiner eigenen Truppen nicht mehr als 20 Mann.

Bei Pharsalus werden nach Cäsars eigener Erzählung seine Reiter zunächst geworfen, die Legionen führen den Nahkampf mit Zähigkeit, und erst das Einrücken von Cäsars drittem Treffen in Verbindung mit der[584] Flankierung bringt die Pompejaner zum Weichen, endlich wird auch noch das Lager zwar weniger von den Pompejanischen Legionaren, aber doch von den thracischen und anderen barbarischen Bundesgenossen eine Zeitlang tapfer verteidigt und zuletzt erstürmt. Trotzdem will Cäsar nach der Schlacht nicht mehr als 200 Soldaten vermißt haben, von den Popejanern aber sollen 15 000 gefallen sein.

Es ist unmöglich, alle diese Zahlen in der Art, wie es Stoffel mit den spanischen Kohorten versucht hat, durch Text-Verderbnis zu erklären. Ebenso unmöglich aber ist es, sie anzunehmen. Ich habe selber mehrfach darauf hingewiesen, wie gering in antiken Schlachten die Verluste des Siegers zu sein pflegten, aber was hier geboten wird, geht doch gar zu sehr über alle Wahrscheinlichkeit hinaus. Die auf beiden Seiten kämpfenden Truppen sind, wenn auch nicht gleichwertig, doch als römische Legionen so ähnlicher Art, daß wir die angegebenen Verlust-Unterschiede als einfach unmöglich ablehnen müssen.

Wir sind nicht die Ersten, die das tun. Wie wir schon oben bei den Zahlen der Gallier bemerkten, haben schon Zeitgenossen Cäsars in Rom sehr wohl gewußt, daß seinen Zahlangaben nicht zu trauen sei. Die Hauptquelle, aus der bei Weitem die meisten aller Nachrichten, die außer Cäsars eigener Aussage auf uns gekommen sind, zurückgehen, war unzweifelhaft das bereits mehrfach erwähnte Werk des Asinius Pollio. Ich habe nicht den Eindruck, daß Pollio ein wirklich kritischer und objektiver Historiker gewesen sei, was man anzunehmen geneigt ist, wenn man sieht, daß er, obgleich selber Cäsarischer General, Cäsar oft widerspricht und Übertreibungen abweist. Mir will scheinen, daß dieser Widerspruch nicht sowohl auf Objektivität, sondern eher auf eine gewisse, süffisante Fronde-Stimmung gegen den großen Mann zurückgehe, wie sie nicht selten gerade in der Umgebung solcher Heroen existiert und auch in den Memoiren mehrerer Napoleonischen und Friderizianischen Generale zu Tage tritt.

Man darf also nicht schließen, daß, wenn Pollio als ein Cäsarischer General etwas für Cäsar Ungünstiges sagt, dies deshalb verbürgt sei, ebenso wenig, daß, wo er mit Cäsar übereinstimmt, da durch die Glaubwürdigkeit erhärtet sei. Wenn wir aber finden, daß Pollio duchweg den Zahlangaben Cäsars den Glauben versagt, so erhält unsere aus sachlichen Erwägungen gewonnene Kritik dadurch jedenfalls eine sehr bedeutsame Bestätigung, auch dann, wenn wir finden, daß Pollio selber einmal über das Ziel hinausgeschossen ist. Ein solcher Fall, glaube ich, ist da. Cäsar gibt als seinen Verlust in der letzten Niederlage vor Dyrrhachium 960 Mann und 32 Offiziere an: bei Orosius, d.h. zweifellos Pollio, lesen wir 4000 Mann und 22 (Schreibfehler für 32) Offiziere. 4000 Tote auf ein Heer von einigen 30000 Mann würde, da wir doch 12 000-20000 Verwundete hinzurechnen müßten, für längere Zeit Kampfunfähigkeit bedeuten. Fast 1000 Tote, wie Cäsar, angibt, sind bereits ein so großer Verlust, daß ich einen sachlichen Einwand dagegen nicht erheben möchte. Offenbar ist hier[585] Pollios genereller Argwohn, daß Cäsar in seinen Zahlangaben unzuverlässig sei, sozusagen mit ihm durchgegangen, und er hat irgend ein übertriebenes Gerücht ohne nähere Überlegung nacherzählt.

Gehen wir über zu den Stärke-Berechnungen.

Cäsar hatte nach seiner Angabe bei Pharsalus 80 Kohorten in der Front, zwei hüteten das Lager. Da er 23 Kohorten detachiert hatte (15 in Griechenland, 4 in Apolloonia, 3 in Oricum, 1 in Lissus), so fehlen von den 11 Legionen = 110 Kohorten, über die er im Ganzen verfügte, 5. Wohl nicht mit Unrecht hat Stoffel (und schon vor ihm Heller) hier den Text emendiert; er findet, daß 2 Kohorten als Lagerbesatzung unzureichend seien, und liest statt dessen sieben.

Die 80 Kohorten in der Front zählten nach Cäsar 22 000 Mann; die Kohorte also im Durchschnitt 270 Mann; überdies hatte Cäsar eine Anzahl Antesignanen seiner Reiterei beigegeben. Die ganze Legionsinfanterie wäre also nach seinen Angaben gegen 24 000, die Kohorten durchschnittlich gegen 300 Mann stark zu berechnen.

Orosius aber (VI, 15) und Eutrop (VI, 20) geben Cäsars Infanterie auf weniger als 30000 Mann an, und Appian (II, 76) und Plutarch (Pompejus 71) beziffern das vierte Treffen Cäsars, das nach seiner Angabe 6 Kohorten stark war, auf 3000 Mann; das gäbe auf die Kohorte nicht 300, sondern 500 Mann. Hieraus einen Schluß auf das ganze Heer zu machen und die Legionen auf (500 x 80 =) 40000 Mann zu berechnen, ist unzulässig, da ja Cäsar möglicherweise die sechs stärksten Kohorten, die sehr ungleich gewesen sein mögen, aus dem dritten Treffen herausgezogen hat. Aber wenn man auch nicht einfach multiplizieren darf, so ist doch klar, daß wenn auch nur 6 Kohorten zu 500 Mann allein im dritten Treffen waren, der Durchschnitt nicht noch unter 300 gewesen sein kann. Überdies lesen wir in Plutarchs Antonius (Kap. III), daß die vier Legionen, die dieser mit 800 Reitern dem Cäsar nachführte, 20000 Mann (Hopliten) stark gewesen seien. Rechnen wir auch für die Kämpfe bei Dyrrhachium erhebliche Verluste ab, nicht bloß die Toten, sondern auch Verwundeten, die in Apollonia und Lissus zurückgeblieben sein werden, supponieren auch daß die nachkommenden Legionen numerisch stärker waren, so ist es doch ganz ausgeschlossen, daß 80 Kohorten bei Pharsalus nur 24000 Mann stark waren, wenn vier Monate vorher 40 Kohorten 20000 Mann stark waren.

Da wir nun die Unzuverlässigkeit der Zahlangaben Cäsars an anderen Stellen genügend festgestellt und hier nicht etwa die Angabe eines Gegners, sondern eines seiner eigenen, in der Schlacht gegenwärtigen Generale haben, so werden wir nicht zweifeln, dieser den Vorzug zu geben. Mag nun Cäsar seine Zahl ganz willkürlich gegriffen, mag er statt einer Durchschnittsziffer die seinem Gedächtnis gegenwärtige niedrigste Präsenzziffer einer Kohorte seiner Multiplikation zugrunde gelegt haben, jedenfalls haben wir seine Zahl erheblich zu erhöhen, und ich zweifle nicht, daß selbst die[586] »weniger als 30000« aus Pollio noch zu niedrig sind, und daß wenigstens die aus den Kohorten herausgenommenen, der Kavallerie zugeteilten Antesignanen noch hinzuzuaddieren sind.

Cäsar gibt an, daß die VIII. und IX. Legion so schwach gewesen seien, daß sie zusammen eigentlich nur eine gebildet hätten. Nehmen wir den Ausdruck wörtlich, so waren sie zusammen etwa 6000 Mann, d.h. jede Kohorte etwa 300 Mann stark.

Wir haben damit Fingerzeige für die Stärke sowohl der stärksten, wie der schwächsten Kohorten in Cäsars Heer gefunden, 500 Mann und 300 Mann. Nehmen wir für das ganze Heer den Durchschnitt, 400 Mann, so zählten die 80 Kohorten in der Front 32000 Mann, wovon vielleicht 2000 für die zur Kavallerie abkommandierten Antesignanen abgehen mögen. Diese Berechnung erfährt eine gewisse Beglaubigung dadurch, daß sie mit der auf Pollio zurückgehenden Zahl, 30000, übereinstimmt.

Auf eine noch etwas höhere Zahl kommen wir, wenn wir M. BANG folgen, »Die Germanen im römischen Dienst« (1906), S. 27, der es als »ganz unzweifelhaft« hinstellt, daß Cäsar bei Pharsalus auch ein starkes Kontingent germanischer Fußtruppen in der Front gehabt habe. Er beruft sich dafür auf B. C. 1, 83 und III, 52. Ganz beweisend sind diese Stellen aber nicht. An der ersten ist ausdrück lich von Germanen »levis armaturae« die Rede: das sind also vermutlich die den Reitern beigegebenen Mischkämpfer gewesen (vgl. oben Buch VII, Kap. 3). Eben diese Leute mögen auch in der zweiten Stelle, deren Lesart überdies nicht ganz sicher ist, gemeint sein.

Die Stärke der Pompejanischen Infanterie gibt Cäsar auf 110 Kohorten zu 45000 Mann an; 2000 evocati werden außerdem besonders genannt, 7 Kohorten hüteten überdies noch das Lager.

Orosius-Pollio gibt nur 88 Kohorten in der Front an, und es kann keinem Zweifel unterliegen, daß diese Zahl die richtige ist.

Cäsar teilt selber mit (III, 4), daß Pompejus ursprünglich 9 Legionen gehabt habe, wozu noch die beiden des Scipio kamen. Demgemäß gibt er ihm bei Pharsalus 110 Kohorten. Er hat aber vergessen abzuziehen, daß Pompejus 15 Kohorten in Dyrrhachium unter Cato als Besatzung zurückgelassen hatte, und er sagt selbst, daß 7 Kohorten im Lager blieben. Man hat das auf verschiedene Weise ergänzen wollen. Stoffel (I, 343) nimmt an, daß es keine Legionskohorten aus römischen Bürgern gewesen seien, die in Dyrrhachium blieben; Göler (II, 163) will, daß die 15 Kohorten Cäsarianer, die im Adriatischen Meer gefangen genommen und eingestellt waren, noch zu den 11 Legionen hinzukämen. Beide erklären die weiteren überzähligen 7 Kohorten als diejenigen, die von der entlassenen spanischen Armee zu Pompejus gewandert waren. Aber alle diese Auskünfte versagen. Die 15 gefangenen Kohorten sind nach Cäsars eigener ausdrücklicher Aussage (III, 4, 2) nicht als besondere Truppen formiert, sondern untergesteckt worden, und daß in einzelner Wanderung 7 volle Kohorten, ohne von den[587] Kommandanten Cäsars sistiert zu werden, durch Italien zu Pompejus gelangt seien, ist ganz ausgeschlossen. Wenn das einige hundert Mann unternommen und durchgeführt haben, so ist das schon sehr viel.

Hätten wir nicht das Zeugnis des Pollio, so könnten wir immerhin glauben, daß wenigstens eine oder zwei eigene Kohorten aus diesen Veteranen gebildet worden seien, da es Cäsar so positiv behauptet und ihrer sogar in der Schlachtordnung besonders gedenkt, und daß die übrigen noch auf irgend eine andere, bei Cäsar an einer verloren gegangenen Stelle erwähnten Weise dem Heere zugeführt worden seien. Da aber Pollio die Angaben Cäsars gekannt, ihnen die seinigen also mit Bewußtsein entgegengesetzt hat und die Zahl genau stimmt, wenn wir die 22 Kohorten, von deren Detachierung wir wissen, von dem Gesamtheer mit seinen 110 Kohorten abziehen, so kann es keinem Zweifel unterliegen, daß Pompejus nie mehr als jene 110 Kohorten gehabt und daß von diesen 88 bei Pharsalus in der Front gestanden haben.

Konsequenterweise werden wir, wie in der Zahl der Kohorten, so auch in ihrer Stärke die auf Pollio zurückgehende Zahl (bei Eutrop und Orosius), das ist 40000 Mann, derjenigen Cäsars vorziehen. Die Kohorten des Pompejus waren also im Durchschnitt etwas stärker (etwa 455 Mann) als diejenigen Cäsars. Da ist nur natürlich, daß Pompejus, wie Cäsar berichtet (b. c. III, 4) und wir ihm glauben dürfen, seine Legionen durch Aushebungen in Thessalien, Böotien, Achaja und Epirus komplettiert und die ganzen gefangenen 15 Kohorten untergesteckt hatte.

Die Aussage Appians (II, 70), daß nach der niedrigsten Angabe Pompejus an Infanterie das Anderthalbfache seines Gegners gehabt habe und daß nach einigen 70000, nach anderen aber weniger als 60000 Italiker sich in dieser Schlacht als Gegner gegenübergestanden, dürfen wir auf sich beruhen lassen.

Alles wohl erwogen, wird das Verhältnis etwa 40000 zu gut 30000 gewesen sein, also wenn auch nicht 47000 gegen 22000, wie Cäsar will, so doch immerhin eine sehr große Überlegenheit.

Am schwierigsten ist die Frage der Reiterei. Cäsar selbst behauptet, er habe nur 1000. Pompejus, 7000 Pferde gehabt.

Von den Pompejanischen 7000 Reitern zählt Cäsar (III, 4) die einzelnen Kontingente auf:


600 Gallier des Dejotarus

500 Kappadocier

500 Thracier

200 Macedonier

500 Gallier und Germanen aus Ägypten

800 Hirtensklaven

300 Gallogräcier

200 Syrer.


Außer diesen 3600 noch Dardaner, Bessier, Macedonier, Thessalier und[588] andere Völkerschaften. Was sollen das für andere Völkerscharten gewesen sein, die die volle Hälfte der Kavallerie stellten und doch nicht genannt werden konnten?

7000 Mann Kavallerie zusammenzubringen war in jenen Zeiten überhaupt eine sehr schwierige Sache. Alexander der Große war allerdings mit 5100 Reitern über den Hellespont gegangen und hatte noch 1500 zuhause gelassen. Drei Jahre später bei Gaugamela hatte er gar 7000 Reiter. Auch zur Zeit der Diadochen und später bis zum Untergang der selbständigen Staaten des Ostens finden wir bedeutende Reitermassen. Aber seitdem waren über 100 Jahre vergangen und Völker, die aus dem dauernden Kriegszustand heraustreten, verlieren am allerschnellsten die Fähigkeit, Kavallerie aufzustellen. Man erinnere sich, welche Bedeutung für die Römer bei Cannä ihre Schwäche an Kavallerie hatte; sie hatten mit der ungeheuersten Anstrengung gerüstet, eine unerhörte Masse von Infanterie aufgestellt und konnten den 10000 Reitern Hannibals doch nur 6000 ihrerseits entgegensetzen. Im zweiten Jahrhundert ist die römische Bürger-Reiterei allmählich ganz eingegangen, während die Legionen sich zu immer größerer Technik und Tüchtigkeit emporarbeiten. Um Kavallerie zu haben, mußte man werben bei den Barbaren, die nicht immer so leicht und schnell in genügender Zahl zu haben waren. Der Beweis dafür ist der Parther- Feldzug des Crassus, der ja, wie wir gesehen haben, an der Schwäche der Kavallerie scheiterte. Obgleich Cäsar ihm 1000 gallische Reiter unter seinem Sohn Publius geschickt hatte, gebot Crassus doch nur über 4000 Mann Kavallerie im ganzen. Es ist unmöglich, daß man aus bloßer Unachtsamkeit und Bequemlichkeit diese Waffe so schwach gelassen hat; man wußte ja, daß man gegen ein Reitervolk in den Krieg zog und daß der Marsch durch weite Ebenen gehen würde. Crassus hat auch Zeit genug gehabt, sein Herr zu bilden; erst im zweiten Jahre seines Kommandos überschritt er den Euphrat. Wenn er trotz alledem in einem Heer von im ganzen 45000 Mann nicht mehr als 4000 Reiter hatte, so gibt es dafür keine andere Erklärung, als daß brauchbare Reiter eben überaus schwer zu haben waren. Cäsar hatte seine Germanen und Gallier; Pompejus standen derartige Bezugsquellen nicht zur Verfügung. Es ist charakteristisch, daß er, der die Reste des Crassus-Heeres unter seinen Truppen hatte, zum Parther-König schickte und um seine Unterstützung, d.h. also um Reiter warb292.

Cäsar selbst will nur 1000 Reiter gehabt haben, und um diese 1000 den 7000 des Pompejus entgegenstellen zu können, erzählt er uns weiter, (III, 84) habe er ihnen ausgewählte junge Männer und Antesignanen in leichter Rüstung zu Fuß beigegeben, und sie hätten so vortrefflich zusammengewirkt, daß die 1000 sich nicht scheuten, den 7000 in freiem Felde entgegenzutreten, und ihnen kurz vor der Schlacht ein glückliches Gefecht lieferten.[589]

In der Schlacht selbst sollen die Cäsarischen Reiter zwar vor der Überzahl ihrer Gegner gewichen sein, dann aber sollen 6 Kohorten, das wären nach den eigenen weiteren Angaben Cäsars kaum 1800 Mann Infanterie gewesen, die Pompejanischen Reiter nicht nur zurückgewiesen, sondern indem sie offensiv gegen sie vorgingen, sie in die Flucht gejagt und sie vollständig vom Schlachtfeld vertrieben haben. Jedes kriegsgeschichtliche Verständnis hört auf, wenn das glaublich sein soll, auch wenn die sechs Kohorten nicht 1800, sondern 3000 Mann stark waren. Weder ist es denkbar, daß ein General wie Labienus eine jeden kriegerischen Geistes bare Kavallerie geführt, noch daß eine auch nur leidliche Kavallerie, und es waren ja darunter Gallier, Germanen, Thracier, Macedonier, Thessalier, vor einer verhältnismäßig kleinen Schar schweren Fußvolkes auf die Berge (altissimos montes) flüchte, und Cäsar läßt nicht einmal seine eigenen geworfenen Reiter wieder umkehren und dabei mitwirken.

Nach alledem werden wir bereits geneigt sein, die 7000 Pferde des Pompejus für eine sehr starke Übertreibung zu halten. Aber ein nicht nur verändertes, sondern ein ganz anderes Bild steigt vor uns auf, wenn wir bei Eutrop (VI, 20) und Orosius (VI, 15) lesen, Pompejus habe auf dem rechten Flügel 500, auf dem linken 600 Reiter gehabt.

Hat Asinius Pollio das wirklich berichtet, so sind damit nicht nur die Zahlen, sondern es ist auch die ganze Vorstellung des taktischen Vorganges, wie wir sie bisher gehabt haben, zerstört, denn dieser war begründet auf der Konzentrierung der ganzen beiderseitigen Kavallerie auf einem Flügel.

Das Problem, das uns die Quellen hier aufgeben, hat mich sehr lange beschäftigt und ich darf sagen, irritiert. Die Aussagen liegen so weit auseinander, daß sie auf keine Weise zu vereinigen sind, sondern eine von beiden irgendwie weggeschafft werden muß. Die Nachrichten bei Eutrop und Orosius, wie man bisher getan hat, einfach zu ignorieren, ist unmöglich um so weniger, als jedenfalls auch ein Korn Wahrheit in ihnen steckt.

Cäsar selbst und Plutarch im »Cäsar« lassen zwar ausdrücklich die ganze Reiterei beider Parteien auf dem einen Flügel stehen. Appian aber läßt die Pompejanische Kavallerie auf den Flügeln stehen (cap. 75) und nachträglich (cap. 76) die Besten, also nicht Alle, auf den linken Flügel hinüberziehen, und ebenso berichtet Plutarch im »Pompejus« (cap. 69), daß »fast alle« (ὀλίγου δεῖν ἅπαντες) Reiter des Pompejus dem linken Flügel zugeteilt wurden. Es ist also zweifellos, daß Pompejus auch auf seinem rechten Flügel eine Reiter-Abteilung gehabt hat, die Cäsar nicht der Mühe wert gehalten, besonders zu erwähnen, Pollio aber ausdrücklich aufgeführt hat.

Zwei Lösungen scheinen mir möglich. Die eine ist, eine Text-Verderbnis anzunehmen. Zwar sind die Zahlen doppelt bezeugt, aber Eutrop und Orosius haben beide nicht direkt aus Livius geschöpft (der seinerseits Pollio benutzt hat), sondern aus einer und derselben verloren gegangenen[590] Epitome293. Es wäre also denkbar, daß in dieser Epitome die Tausendzahl vor den »600« auf dem linken Flügel ausgefallen oder die Zahl sonst korrumpiert war und beide Autoren gleichmäßig denselben Fehler übernommen haben. Polio hat also vielleicht geschrieben: Pompejus hatte auf seinem rechten Flügel nur 500, auf dem linken x Tausend 600 Reiter. Daraus haben Appian und Plutarch im »Pompejus« gemacht, daß er »fast« die ganze Reiterei auf dem linken Flügel hatte, ohne die Zahlen zu nennen; der Epitomator des Livius hat die Zahlen übernommen, sie aber dabei verdorben.

Die zweite Möglichkeit ist, daß Pollio wirklich dem Pompejus nur 1100 Reiter, also nur eine minimale Überlegenheit zugeschrieben hat; daß diese Reiter anfänglich zu 500 und 600 auf die Flügel verteilt waren und erst nachträglich, wie Appian berichtet, das Gros der Reiter auf den linken Flügel gezogen wurde, diese nachträgliche Änderung aber auf dem Wege von Pollio bis zu dem Epitomator des Livius verloren gegangen ist.

Diese letztere Lösung wird man deshalb ungern annehmen, weil die Übertreibung, deren Cäsar sich dann in dem Zahlverhältnis schuldig gemacht hätte (7000 gegen 1000 statt 1100 gegen 1000), gar zu ungeheuerlich sein würde, sachlich unmöglich ist sie aber nicht. Unzweifelhaft müssen wir annehmen, daß die Pompejaner eine wesentliche Überlegenheit hatten; aber eine Überlegenheit von 10000 Mann in der schweren Infanterie, Überlegenheit in den Schützen und eine immerhin noch bemerkbare Überlegenheit in der Kavallerie würden doch genügen, um den Entschluß der Pompejaner, die Schlacht anzunehmen, moralischgehoben, wie sie durch den Erfolg der Schlacht bei Dyrrhachium waren, zu erklären.

Der Haupteinwand, den ich dagegen habe, liegt eigentlich auf der anderen Seite: die tausend Reiter, die Cäsar nur gehabt haben will, wollen mir nicht recht glaubhaft erscheinen, obgleich alle Quellen, auch die, die Pollio benutzt haben, diese Zahl geben.

Cäsar selbst erzählt uns, er habe die Brundisium seine ganze Reiterei versammelt gehabt, und Appian gibt ihre Zahl auf 10000 an. Hinübergeführt soll Cäsar bei dem ersten Transport nur 600, bei dem zweiten 800 haben. Da er von diesen 1400 einige verloren, andere detachiert hatte und da einige zum Feinde übergegangen waren, so erscheinen ganz konsequent bei Pharsalus 1000. Wir fragen aber, weshalb Cäsar von dem Reiterüberfluß, den er bei Brundisium hatte, nicht noch eine Anzahl hat kommen lassen. Es war ja monatelang Zeit dazu, und wenn es bei Brundisium zu gefährlich war, so konnten einzelne Abteilungen in der Zeit, wo Cäsar das Pompejanische Heer eingeschlossen hielt, das Meer von irgend einem Hafen ausfahrend, irgendwo weiter nördlich oder südlich durchqueren, an der illyrischen oder epirotischen Küste landen und ihrem Feldherrn zuziehen. Waren auch viele Transportschiffe zerstört, aus Tarent oder[591] Syrakus oder den adriatischen Häfen konnte man neue beschaffen; bei Messina und bei Vibo in Bruttien hatte Cäsar zwei erhebliche Geschwader liegen294. War Antonius einst mit seinem großen Transport trotz der feindlichen Schiffe glücklich hinübergekommen, so konnten es einzelne Reiterabteilungen um so mehr wagen; es brauchten sogar nur einzelne Schiffe zu sein, die irgendwo die Ostküste zu erreichen hatten, um sicher zu sein, da das ganze Heer des Pompejus bei Dyrrhachium festlag. Ist Pferdetransport auch immer schwierig, von Unmöglichkeit kann nicht die Rede sein.

Unklar ist schließlich auch der Stand der Leichtbewaffneten. Cäsar nennt sie überhaupt nicht. Appian (II, 70) sagt, er habe Doloper, Akarnanier und Ätolier gehabt. Man hat daraus geschlossen, daß er Leichtbewaffnete überhaupt nicht übers Meer gebracht, sondern den Mangel durch Anwerbung in den nächstgelegenen Landschaften ersetzt hat. Aber bei der Berennung des Pompejanischen Lagers nach der Schlacht, das energisch von Thraciern und barbarischen Hilfstruppen verteidigt wurde, erzählt uns Cäsar, daß die Verteidiger durch die Menge der Geschosse vom Walle vertrieben worden seien. Unter diesen Geschossen (tela) müssen, da es sich bei dem großen Lager um sehr große Massen handelt, zunächst die Pilen der Legionare verstanden werden. Deren Wurfweite aber war gering und die barbarischen Verteidiger des Lagers waren sicherlich Schützen, seien es Bogner, seien es Schleuderer, die den anstürmenden Legionaren, ehe sie zum Pilenwurf kamen, sehr große Verluste hätten beibringen müssen, es sei denn, daß die Stürmenden selbst von zahlreichen Schützen begleitet waren, die das Feuer der Verteidiger schon von weit her dämpften und niederhielten. Deshalb gebraucht Cäsar den allgemeinen Ausdruck »tela«, nicht »pila«. Wenn also auch die Ereignisse bei Dyrrhachium zeigen, daß die Pompejaner an Schützen erheblich stärker waren, so ist doch schwer glaublich, daß Cäsar bloß die angeworbenen Griechen gehabt und gar keine übers Meer gebracht habe. Auch die Reiter nennt er bei dem ersten Transport nicht; wir kennen ihre Zahl, 600, bloß aus Plutarch und Appian.

Schließlich kommt entscheidend in Betracht, daß Pompejus sich so sehr zögernd zur Schlacht entschlossen hat. Bis zuletzt opfert er noch einige Tage, in der Hoffnung, einen kleinen Vorteil im Terrain zu gewinnen, und auch in der Rede, die ihn Cäsar schließlich halten läßt, ist keinerlei Hinweis auf die erdrückende Überlegenheit. Hätte Pompejus wirklich 45000 Mann Infanterie gegen 22000, 7000 Pferde gegen 1000, dazu auch noch Überlegenheit an Schützen gehabt, so wäre sein Verhalten schlechthin unbegreiflich. Nicht einmal der Wachtmeister, dessen Eigenschaften ihm doch Mommsen noch zugestehen wollte, bliebe von dem Mann übrig, den Rom doch ob seiner Kriegstaten den großen Pompejus genannt hatte.[592]

Man könnte gegen alle diese Berechnungen einwenden, daß, wenn die Zahlen Cäsars wirklich so sehr und namentlich bei der entscheidenden Waffe, der Kavallerie, von der Wahrheit sich entfernten, von Pompejanischer Seite ein stärkerer Einspruch erhoben und uns davon irgendwo, wie z.B. in Ciceros Briefen oder bei Lukan eine Spur erhalten worden wäre. Selbst wenn, wie oben dargetan, keine wirklich eingeweihte Pompejanische Aufzeichnung bekannt geworden ist, eine so fundamentale Tatsache hätte sich doch auch in mündlicher Tradition lange erhalten. Es ist hier aber einer von den seltenen Fällen, wo das Interesse in beiden Lagern, die Wahrheit zu verschleiern, aus verschiedenen Motiven doch zusammentraf, wenigstens sich nicht widersprach. Hätten die Pompejaner ihre Niederlage auf die zu geringe Streitmacht geschoben, so wäre mit doppelter Wucht der Vorwurf auf die Führung, nicht bloß auf den Pompejus allein, sondern die ganzen führenden Kreise gefallen, daß sie die Schlacht unnötigerweise angenommen hätten. Die innere Überlegenheit der Veteranenlegionen Cäsars war unbestreitbar. Auch die Pompejaner brauchten zu ihrer Rechtfertigung also die Behauptung, sie seien numerisch überlegen gewesen, und erklärten vermutlich, wie das zu geschehen pflegt, die Niederlage nur durch falsche Führung oder Verrat.

Bei solcher Unsicherheit und Unzuverlässigkeit der Quellen muß man entweder ganz auf eine Zahlangabe verzichten, oder man setzt, um die Darstellung und das Schlachtbild anschaulicher zu machen, eine Zahl ein, wie sie dem Verlauf der Ereignisse am besten zu entsprechen scheint, mit dem Vorbehalt, daß sie als solche nach subjektivem Eindruck, also willkürlich gegriffen ist. Auf Grund einer solchen Erwägung habe ich oben für Cäsar gegen 2000, für Pompejus gegen 3000 Reiter eingestellt. Man kann dagegen einwenden, daß doch wenigstens für Cäsar 1000 Reiter auch durch Pollio bezeugt seien. Aber erstens ist es doch nicht so durchaus sicher, daß Pollio hier Cäsars Angabe ohne jeden Vorbehalt wiederholt, daß nicht etwa eine Abweichung bei seinen Benutzern ausgefallen ist, und zweitens wäre doch auch Pollios Zeugnis noch keineswegs unbedingt beweisend. Bei solchen Zahlangaben spielen, wie auch die neuere Kriegsgeschichte gelehrt hat, oft genug zufällige Irrtümer und Mißverständnisse eine Rolle. Gegen die 1000 Reiter Cäsars aber spricht sowohl die sehr starke Einwirkung, die sie auf jeden Fall in der Schlacht gehabt haben, wie die uns nunmehr genügend festgestellte Gewohnheit Cäsars, seine Stärken zu gering anzugeben.

2. Die Frage der Stärke der beiderseitigen Kavallerie führt zu dem Hauptpunkt, in dem ich glaube, daß die Erzählung Cäsars von dem Verlauf der Schlacht korrigiert werden muß. Nach seiner Darstellung wurden die Pompejanischen Reiter ausschließlich durch die 6 Kohorten des vierten Treffens geschlagen. Diese Kohorten metzelten darauf die Leichtbewaffneten nieder, die die Reiter begleitet hatten, fielen endlich der Infanterie in die Flanke und den Rücken und entschieden die Schlacht. Nach der von mir[593] gegebenen Darstellung, gestützt auf Appian (II, 78), haben hingegen die Reiter gemeinsam mit ihren Leichten und den Kohorten den Sieg erfochten und den Flankenangriff auf die feindlichen Legionen gemacht.

Die Neueren haben sich bisher der Erzählung Cäsars in dem Grade angeschlossen, daß die Herausgeber Appians sogar das Wort »ἱππεῖς« eingeklammert haben, in Anbetracht, daß auch bei Plutarch von ihnen nicht mehr die Rede ist. Die Natur der Dinge spricht aber so sehr für die Beteiligung der Reiter, daß sie sogar angenommen werden müßte, selbst wenn Appian sie nicht ausdrücklich bezeugte.

Cäsar selber erzählt uns, wie er durch Zuteilung von Antesignanen seine Reiter befähigt habe, es mit den Gegnern aufzunehmen. Die Erzählung wäre verfehlt, wenn die Reiter in der Schlacht nichts getan hätten, als die Flucht zu ergreifen.

Cäsar selber erzählt uns, wie die geschlagenen Schützen, die die Pompejanischen Reiter begleiteten, sämtlich niedergemetzelt wurden. Weshalb entflohen sie nicht? Die schweren Legionare konnten sie doch nicht einholen? Die Erzählung hat nur dann einen Sinn, wenn die Cäsarischen Reiter und Leichten umgekehrt waren und sich von neuem auf ihre Gegner gestürzt hatten.

Endlich die Überwältigung der Pompejanischen Legionen selber verlangt die Mitwirkung dieser Truppen. Ein Flankenangriff von bloß 6 Kohorten hätte eine so sehr starke Wirkung auf die weit überlegene Pompejanische Infanterie nicht ausüben können. Selbst die Zeit, die die 6 Kohorten brauchten, um de Weg des Herumschwenkens zurückzulegen, wäre zu lang gewesen; die feindlichen Generale hätten mittlerweile ihre Gegenmaßregeln ergriffen. Ganz anders, wenn es zunächst die Reiter und Schützen waren, die eilenden Laufes die Bewegung vollzogen und denen die geschlossenen Kohorten erst nachfolgten.

Cäsar hatte aber einen guten Grund, weshalb er den Ruhm der Entscheidung nicht der Reiterei, sondern den Kohorten zusprach. Schon in der Schlacht gegen Ariovist haben wir den Anteil, den die gallischen Reiter an dem Siege hatten, vermißt. Jetzt machte ihm die öffentliche Meinung in Rom den Vorwurf, daß er Barbaren gegen die Republik geführt habe295. Sollte er ihnen auch den entscheidenden Sieg verdanken? Welchen Stammes diese Barbaren waren, bezeugt uns nur zu deutlich ein kleiner Zug, den uns Appian aufbewahrt hat. Beim Einmarsch in Thessalien hatte man sich an den Weinvorräten gütlich getan, »am lächerlichsten aber waren die Germanen in ihrer Betrunkenheit«, führt Appian (II, 65) hinzu. Es sind die germanischen Reiter, die schon den Sieg der Römer über Vercingetorix entschieden haben. Noch ein anderes, wenn auch halbverwischtes, doch noch lesbares Zeugnis ist uns darüber enthalten. Florus (II, 13, 48) sagt:[594] »Germanorum cohortes tantum in effusos equites (Pompei) fecere impetum, ut illi esse pedites, hi venire in equis viderentur.« Hat Cäsar jemals germanische Kohorten gehabt? Hatte er Germanen in seine Legionen eingestellt? Schwerlich. Es kann kaum anders sein, als daß hier die Erzählung Cäsars, seine 6 Kohorten hätten die feindliche Reiterei geschlagen, zusammengeflossen ist mit einer anderen, wonach seine Germanen es gewesen waren, die diesen Sieg erfochten hatten. Indem wir diese falsche Verschmelzung wieder scheiden, restaurieren wir das Bild, wie der gemeinschaftliche Angriff der Kohorten und der gallischen und germanischen Reiter und Doppelkämpfer das Treffen gewann.

Wie sehr Cäsars Erzählung von politischen Motiven beherrscht wurde, läßt sich noch an einem anderen Punkte erkennen. Cäsar reicht in den Kommentaren den Siegeslorbeer ausschließlich den sechs Kohorten. Bei Appian (II, 79) aber lesen wir, Cäsar habe in seinen Briefen geschrieben, die zehnte Legion, die auf seinem äußersten rechten Flügel stand, habe den von der Reiterei entblößten feindlichen Flügel umfaßt und von der Flanke angegriffen. (τὸ γὰρ δέκατον τέλος σὺν αὐτᾦ περιδραμεῖν τὰ λαιὰ τοῦ Πομπηίου ἔρημα ίππέων γενόμενα, καὶ πανταχόθεν ἀτρεμοῦντας ἐς τὰ πλευρὰ ἐσακοντίζειν μέχρι θορυβουμένοις ἐμπεσόντας βίᾳ τρέψασθαι καὶ τῆς νίκης κατάρξαι). Das ist jedenfalls eine sehr merkwürdige Abweichung, deren Genesis aber schon Schweighäuser erraten hat. Als Cäsar die Kommentare über den Bürgerkrieg schrieb und veröffentlichte, im Herbst 47, ehe er von Rom nach Afrika ging, hatte die zehnte Legion gemeutert und ihren Kriegsherrn dadurch aufs schwerste verletzt. Jetzt war sie es nicht mehr, die den Sieg von Pharsalus entschieden hatte, sondern das aus den Kohorten sechs verschiedener Legionen zusammengesetzte vierte Treffen. Wir aber entnehmen daraus, daß der Feldherr erst nachträglich zu dieser Darstellung kam, daß der Akzent der Entscheidung unmöglich bei diesen Truppen gelegen haben kann, sondern künstlich auf sie übertragen worden ist, weil der Feldherr aus guten Gründen nicht bekennen wollte, wem er sie hauptsächlich verdankte, nämlich den tapferen barbarischen Reitern.

Je länger ich mich mit Cäsar beschäftigt habe, desto bestimmter hat sich bei mir die Ansicht gebildet, daß seine Kommentare geschichtlich nicht anders verwertet werden dürfen, als die Memoiren von St. Helena. Sie sind wie diese ein wunderbares Gewebe von realistischer, eindringlicher Wahrheit und völlig bewußter und beabsichtigter Täuschung. Wer die Napoleonische Literatur kennt, weiß, daß auch gerade der Zug, den Ruhm eines Sieges nach augenblicklichen politischen Motiven diesem oder jenem Truppenteil oder General zu verleihen, wenn auch gar kein Anspruch darauf bestand, dem großen Korsen eigentümlich war.

3. Im Zusammenhang mit der Verschiebung der Leistungen der verschiedenen Truppenteile steht auch eine temporelle, sehr wichtige Verschiebung in der Erzählung der Kommentare. Cäsar läßt zuerst die beiden Infanteriephalangen[595] zusammenprallen, dann erzählt er das Reitergefecht, eingeleitet durch die Wendung »eodem tempore«.

Appian aber (II, 78) sagt ausdrücklich, die Reiter seien dem Fußvolk etwas vorausgekommen, und es ergibt sich aus der Schlachtidee des Pompejus, der ja sein Fußvolk künstlich zurückhielt, daß es so gewesen sein muß. Cäsar aber konnte es nicht so erzählen, weil dann das Heldentum des evocatus Crastinus, das jetzt so wirkungsvoll die Schlacht einleitet und ein so prächtiges Bild von dem Verhältnis dieser alten Soldaten zu ihrem Kriegsherrn gibt, nicht zu seinem Recht gekommen wäre. Plutarch folgt im »Cäsar« dessen Erzählung; im »Pompejus«, wo er den Pollio vor sich hatte, legt er sich die Sache auf die Weise zurecht, daß er jedem Autor mit der Hälfte des Heeres folgt: nach Cäsar läßt er den Kampf mit der Infanterie beginnen; nach Pollio Pompejus, da es nicht das Ganze sein kann, den rechten Flügel zurückhalten.

4. Wenn Pompejus ein Interesse hatte, den Zusammenprall der Phalangen hinzuhalten, bis seine Kavallerie gesiegt hatte, so könnte man dasselbe von Cäsar meinen, der ja ebenfalls durch die Flankierung zu siegen hoffte und für Cäsar hätte das sogar um so mehr gegolten, als er ja erst im Rückstoß den Sieg auf dem Reiterflügel zu erlangen rechnete. Trotzdem hören wir nicht, daß Cäsar seine Legionen zurückhielt, und mit Recht. Für Cäsar kam alles darauf an, daß Pompejus nicht, nachdem seine Kavallerie geworfen war, aus seinem dritten Treffen seinerseits eine Gegenbewegung entwickelte, die seine Flanke wieder degagierte und die Uberflügelung wett machte. Das hätte um so leichter geschehen können, da ja die Entscheidung des Reiterkampfes sich ziemlich entfernt von der Pompejanischen Infanterie abspielte. Es wurde aber erschwert, wenn mittlerweile bereits der Kampf auf der ganzen Linie entbrannt war, die Aufmerksamkeit in Anspruch nahm, und das Getöse auch das dritte Treffen umwölkte. Cäsar hatte, wie wir wissen, die Vorsicht beobachtet, auch den Rest seines dritten Treffens zurückzuhalten, um ihn auf alle Fälle zur Verfügung zu haben. Pompejus, in dem festen Vertrauen auf den Sieg seiner Reiter, hatte das vermutlich nicht getan. Dadurch war die Masse der Pompejanischen Infanterie, ohnehin viel stärker, anfänglich wohl doppelt so stark als die beiden vorderen Treffen Cäsars, die den Kampf eröffneten. Aber Cäsar vertraute seinen Veteranen, daß sie unter allen Umständen eine lange Zeit auch dem Druck einer doppelten Überlegenheit Stand halten würden, und mittlerweile vollzog er die Umgehung.


Nach mir haben VEITH und KROMAYER die Schlacht bei Pharsalus behandelt, beide unter scharfer Polemik gegen meine Darstellung, aber ohne Gründe vorzubringen, die mich hätten bewegen können (mit Ausnahme der Erwägungen über die Stärke der Kavallerie), etwas zu ändern.[596] Die meisten Einwendungen sind so, daß für den aufmerksamen Leser eine ausdrückliche Widerlegung überflüssig erscheint. Was etwa noch einer besonderen Erläuterung bedarf, sei hier zusammengestellt.

KROMAYER bezweifelt, ob die abweichenden Zahlangaben auf Asinius Pollio zurückgehen, da nicht nachgewiesen sei, daß Livius, das Mittelglied zu Orosius, Eutrop, Lukan, Dio, den Pollio benutzt habe. Ja, sie könnten gar nicht aus Pollio stammen, weil die Quellen, die sicher auf Pollio zurückgehen, Appian und Plutarch die Zahlen Cäsars bringen. Ich vermag nicht einzusehen, inwiefern sich hieraus ein Schuß ergeben soll. Aber selbst angenommen, Plutarch und Appian hätten Cäsar selber nicht benutzt, sie hätten ihre Zahlen aus Pollio entnommen, dieser also habe die Zahlen Cäsars gehabt, und die abweichenden Zahlen, auf Livius zurückgehend, stammten aus irgend einer anderen Quelle, die dieser für vertrauenswürdig gehalten – was wäre damit geändert? Ich habe ja keineswegs mich auf Pollio als auf eine ganz besondere Autorität berufen (was Kromayer mir unterlegt), im Gegenteil, ich habe seine Autorität als solche recht mäßig eingeschätzt. Wesentlich ist nur, daß tatsächlich die zweite, abweichende Überlieferung existiert. Da wir nun aber wissen (Appian II, 82), daß Pollio von Cäsar abweichende Zahlangaben über die Schlacht gebracht hat, so sind die fraglichen Varianten mit großer Wahrscheinlichkeit auf ihn zurückzuführen. Denn, wie ich eben hervorgehoben habe, sind die selbständigen Nachrichten, die wir neben Cäsar haben, so geringfügig, und zeigen namentlich nichts von Informationen aus dem Pompejanischen Lager, daß eine bedeutende Quelle dieser Art schon zu Livius' und Lukans Zeiten nicht mehr existiert haben, und auch Livius, für den ja noch eine gewisse Möglichkeit vorlag, wesentliche mündliche Überlieferung nicht mehr aufgesucht und fixiert haben kann.

In der Sache wollen die beiden Opponenten Cäsar der falschen Angaben, die ich ihm vorwerfe, nicht für fähig halten. Um einzusehen, daß ich Cäsar mit meinen Einwendungen keineswegs unrecht getan, gibt es ein ganz sicheres Mittel. So wie man die rechte Stellungnahme zu Herodot am sichersten findet, wenn man Bullingers Geschichte der Burgunder-Kriege kritisch studiert, so ist es ein unfehlbares Mittel, mit Cäsar auf den rechten Fuß zu kommen, wenn man die Memoiren seiner großen Kollegen, Friedrichs und Napoleons und die kritische Literatur dazu durcharbeitet. Man wird dann finden, daß es wahre Bagatellen sind, die ich bei Cäsar moniert und kritisch ausgesondert habe. Selbst bei Friedrich, dem man mit Recht einen sehr hohen Grad von Wahrhaftigkeit nachrühmt, ist die Schwäche, die Zahlangaben zu höherem Ruhme der Preußen etwas zu verschieben, vielfach nachgewiesen,296 und auch sonst fehlt es nicht an Fehlern und Widersprüchen[597] mit und ohne Tendenz. Scharnhorst, um auch diesen erlauchten Namen heranzuziehen, gibt in seinem »Bericht von der Schlacht bei Auerstädt und Jena« die Stärke der Preußen auf 96840 Kombattanten an; Höpfner hat dann nach den Akten die Kopfstärke auf 141911 Mann berechnet. Von Moltke habe ich oben bereits ein Beispiel angeführt (S. 22). Von Napoleon weiß es jedermann und hat man es von je gewußt, wie indifferent ihm die historische Wahrheit war. Zu besonderem Studium aber empfehle ich jetzt die Geschichte der offiziellen Bearbeitung der Schlacht bei Marengo, die jüngst: HÜFFER in seiner Einleitung zu den »Quellen zur Geschichte des Krieges von 1800« gegeben hat. Da kann man sich auch überzeugen, wie wenig Gewicht der Einwand hat, zeitgenössische Publikationen müßten durchaus wahrhaftig sein, weil sie sonst von den Wissenden, die noch lebten, desavouiert werden könnten. Als Autorität, wie man operiert und wie man Schlachten zu gewinnen hat, kann Napoleon gewiß nicht überboten werden, und ich glaube daher mich mit Recht auf ihn bei der Beurteilung der Vorgänge bei Alesia berufen zu haben. Wenn aber Kromayer Napoleons Autorität ins Feld führt, weil er die Behauptung Cäsars über die Verluste bei Pharsalus für glaublich erklärt hat, so hat er, fürchte ich, übersehen, daß hier der Bulletin-Schreiber Napoleon dem Kriegshistoriker etwas ins Handwerk gepfuscht haben könnte und daß eine gewisse unbewußte Selbstverteidigung die im übrigen zutreffenden Darlegungen über antike Schlachten beeinflußt hat. Nach meiner Kenntnis der Kriegsgeschichte kann ich auf das einseitige Zeugnis des siegreichen Feldherrn hin, weder den Sieg von 1000 Reitern und 6 Kohorten über 7000 Reiter mit vielen Leichtbewaffneten, noch den Sieg von 22000 Mann römischer Infanterie über 47000 Mann römischer Infanterie, noch die Erkämpfung eines solchen Sieges mit einem Verlust von 200 Toten für glaublich halten.

Der Vorwurf, den man wegen solcher tendenziös unrichtigen Zahlen gegen Cäsar erheben kann, ist subjektiv schon deshalb kein sehr schwerwiegender, weil es sich um eine allgemeine menschliche Schwäche handelt, ganz besonders aber deshalb, weil die Römer ja noch von ganz anderen Kontrasten zu hören gewohnt waren. Der Cäsarische Offizier, der nachher den Afrikanischen Krieg beschrieb, hat kein Arg dabei gefunden, daß in der Schlacht bei Thapsus die Cäsarianer 50000 Feinde297 niedergemetzelt und dabei selber nur 50 Mann verloren hätten. Als Hannibal bei Cannä an 50000 eingekreiste Römer zusammenhauen ließ, kostete ihn das doch wenigstens selber 5700 Tote. Es ist nach alledem kaum nötig, auf die Interpretationskunststücke einzugehen, mit Hilfe deren KROMAYER die Zeugnisse bei Livius, Appian, Plutarch aus der Welt zu schaffen sucht. Die 85 Kohorten (statt 110), die nach Livius Pompejus in der Front gehabt hat, sollen sich nach KROMAYER bloß auf die römischen Bürgerkohorten beziehen, während außerdem noch 22 andere Kohorten vorhanden gewesen seien. Diese aber[598] werden dadurch gewonnen, daß Cäsars eigene Angabe (III, 4), Pompejus habe seine Legionen aus Thessalien, Böotien, Achja, Epirus ergänzt und auch die gefangenen Cäsarianer unter Antonius untergesteckt, dahin ausgelegt wird, er habe besondere Ergänzungskohorten gebildet. »Praeterea magnum numerum ex Thessalia, Boeotia, Achaja, Epiroque supplementi nomine in legiones distrubuerat, his Antonianos milites admiscuerat« lautet die Stelle bei Cäsar (III, 6). Daß Ersatzmannschaften, ehe sie zur Einstellung gelangen, besondere Körper bilden, ist natürlich und wird zuweilen berichtet; daß aber dauernde Ersatzkohorten an die Legionen angegliedert worden seien, statt die Kohorten möglichst auf den normalen Stand zu bringen, ist weder sachlich glaublich, noch dem Wortlaut unserer Nachricht entsprechend. Dem widerspricht nicht, daß nach Cäsars Bericht die Soldaten des spanischen Heeres, die nach ihrer Entlassung durch Cäsar zu ihrem alten Feldherrn Pompejus hinübergewandert waren, eigene Kohorten bildeten. Man ehrte die Treue dieser Krieger, indem man sie beieinander ließ, statt sie als Neulinge unter fremde Truppenkörper zu verteilen. Die Neuerworbenen und Gefangenen aber mußte man, um sie einigermaßen brauchbar zu machen, bei den alten Verbänden eingliedern, sie, wie man es im 18. Jahrhundert nannte, unterstecken; eigene Bataillone aus ihnen zu bilden, wäre zu gefährlich gewesen.

Für die topographische Frage hat KROMAYER eine neue Lösung zu geben versucht, der jedoch sofort Rud. SCHNEIDER in den Gött. Gel.-Anz. 169, S. S. 438 (Juni 1907) seine Bedenken entgegengestellt hat; Victor DUSMANIS, Major 1. griechischen Generalstabe, in dem Beihefte zum Militär-Wochengl. 1909, 7tes Heft »Bemerkungen z. Bestimmung der Örtlichkeit der Thessalischen Schlacht zw. Cäsar und Pompejus« will auf Grund eines Buches üb. die »Geschichte u. Geographie Thessaliens in militärischer Beziehung« das Schlachtfeld überhaupt nicht nahe der Stadt Pharsalus, (die Cäsar gar nicht nennt) sondern etwa 40 km weiter westlich bei Kardhitza suchen.

Wahre Kritik und willkürliche Quellenbehandlung, wahre Sachkunde und bloßes Spielen mit militärischen Begriffen sind nicht so auf den ersten Blick zu unterscheiden. KROMAYER und VEITH berufen sich gegenseitig aufeinander; der Gelehrte führt die Autorität des Militärs ins Feld, der Militär die Autorität des Gelehrten. Das scheint das denkbar günstigste Zusammenwirken; dennoch ist, wie wir in diesem ganzen Bande gesehen haben, nichts als Verkehrtes und Verwirrendes dabei herausgekommen. Weshalb, mögen zwei Schlußreihen uns lehren, die die beiden Autoren gelegentlich der Schlacht bei Pharsalus noch entwickeln. Die Gegenüberstellung darf geradezu als ein Schulbeispiel gelten, wie leicht es ist, aus einer historischen Quelle das Entgegengesetzte zu deduzieren, wenn man nur über eine gewisse Gewandtheit verfügt und sich an strenge Sachlichkeit nicht gewöhnt hat.

Bei KROMAYER II, 431 lesen, wir: »Ob der Nahkampf der Legionen[599] lange gedauert hat, darüber haben wir keine Angabe. Am Mittag war schon alles entschieden (b. c. III 85), als sich plötzlich die Aussichten für eine Schlacht günstig gestalteten; dann rückte er erst zur Schlacht aus – der Weg war fast eine Stunde (S. 405) – und der Aufmarsch ist auch auf mehrere Stunden zu veranschlagen. Viel Zeit bleibt da überhaupt nicht übrig. Aber die Entscheidung auf dem Flügel selber muß vor allem sehr schnell erfolgt sein.«

»Das Zurückgehen von Cäsars Reiterei, der Flankenangriff der sechs Kohorten, sind Dinge, deren Dauer nach Minuten, höchstens nach Viertelstunden zählt. Nimmt man nun noch gar mit Delbrück an, daß der Angriff der Pompejanischen Reiterei früher erfolgt sei als Cäsars Angriff mit den Legionen, so wird die Zeit für den Nahkampf der letzteren noch mehr verkürzt.«

KROMAYER will also, daß die Schlacht sehr kurz gewesen sei und zwar, um zu beweisen, daß Cäsars Angabe, er habe in der Schlacht nur 200 Mann verloren, für durchaus glaublich gehalten werden könne.

VEITH aber (Klio VII, 332) schreibt: »Die Schlacht von Pharsalus dauerte – ohne den Kampf um das Lager und die Verfolgung – vom Morgen bis Mittag. ... Die überlieferte Dauer des Kampfes ist nur erklärlich, wenn wir ein räumlich und zeitlich differenziertes, aus zahlreichen lokalen und temporären Phasen bestehendes Gefecht annehmen. ... So konnte allerdings der Kampf der Hauptkräfte bei Pharsalus auch mehrere Stunden sich hinziehen.«

VEITH also will, daß die Schlacht lange gedauert hat, und zwar will er es, um zu beweisen, daß die römische Schlachtordnung auch im Kampf nicht eine einfache, zusammenhängende Linie gebildet habe, sondern auf eine viel kompliziertere Taktik angelegt gewesen sei.

Nehmen wir hinzu, daß VEITH die Antesignanen Cäsars an dem Reiterkampf in der Schlacht nicht teilnehmen lassen will, KROMAYER ihm darin widerspricht; daß VEITH erklärt, auch ein Sieg seiner Kavallerie würde Pompejus nicht den Sieg in der Schlacht gegeben haben, KROMAYER das Gegenteil dartut, so erweitert sich die Kluft immer mehr und der Verdacht wird dringend, daß es sich hier nicht bloß um Einzeldifferenzen, wie sie auch unter sachlich gleichgesinnten Forschern stets vorkommen, handelt, sondern um ein tiefer liegendes, organisches Übel. Dieser Verdacht wird zur Gewißheit werden, wenn wir uns nun überzeugen, daß beide mit ihren Ergebnissen nicht bloß einer dem Andern, sondern sich selbst widersprechen, und das selber gar nicht gemerkt haben. VEITH hat vollkommen recht, daß zu seiner Vorstellung von einer Römer-Schlacht mit kleinen, getrennten Infanteriekörpern ein langes Hinziehen des Gefechts gehört – dann aber ist ein Verlust von bloß 200 Mann bei Pharsalus unmöglich und Cäsars Glaubwürdigkeit in Zahlangaben, für die sonst Veith mit aller Entschiedenheit[600] eintritt, erschüttert. KROMAYER hat deshalb recht, wenn er wegen das geringen Verlustes eine sehr kurze Dauer der Schlacht postuliert, aber damit fällt Veiths Vorstellung von der Kohortentaktik, die, wie wir sahen, Kromayer akzeptiert hat. Dieser Selbstwiderspruch ist das Entscheidende und er entspringt dem Grundfehler der Methode, daß nämlich jede Frage nur für sich behandelt, aber nicht in den ganzen Zusammenhang der Kriegsgeschichte eingeordnet und in ihren Konsequenzen nach allen Seiten zu Ende gedacht und durchgearbeitet wird. Erst wer diese Arbeit gemacht hat, ist zur wahren Sachkritik befähigt. KROMAYER hat es, trotz seiner ausgebreiteten Lektüre moderner Militär-Schriftsteller, nicht getan und ist deshalb zur militärischen Sachkritik ebenso wenig befähigt, wie VEITH zur philologischen Quellenkritik. Jedem dieser Forscher sind die Quellen das bloße Wachs, das nach den Bedürfnissen des Augenblicks so oder so zurechtgekenechtet wird. Der Professor, der eine Phalanx von 15000 Mann 600 Meter rückwärts treten läßt und der Oberleutnant, der seine Vorstellung von der römischen Taktik »quellenmäßig« beweist durch den »terminus technicus quincunx«, der aus dem 16. Jahrhundert stammt, sie befinden sich beide nicht im Tempel, sondern erst im Vorhof der Wissenschaft.

Zur 3. Aufl. Ich drucke diese polemische Auseinandersetzung auch hier wieder ab, verweise aber zugleich auf das oben Gesagte, wo ich bei beiden Autoren erhebliche Fortschritte in der Erkenntnis des antiken Kriegswesens festgestellt habe, und noch mehr auf das, was unten zu dem afrikanischen Feldzug Cäsars zu bemerken sein wird.[601]

Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1920, Teil 1, S. 579-602.
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