3. Die Verpflegungsmodifikation unter Septimius Severus.

[240] Herodian III, 8, 4 berichtet von Severus »τοῖς στρατιώταις ἐπέδωκε χρήματα πλεῖστα, ἄλλα τε πολλὰ συνεχώρησεν ἃ μὴ πρότερον εἶχον καὶ γὰρ τὸ σιτηρέσιον πρῶτος ηἤξησεν αὐτοῖς, καὶ δακτυλίοις χρυσοῖς χρήσασθαι ἐπέτρεψε γυναιξί τε σονοικεῖν, ἅπερ ἅπαντα σωφροσύνης στρατιωτκῆς καὶ τοῦ πρὸς τὸν πόλεμον ἑτοίμου τε καὶ εὐσταλοῦς ἀλλότρια ἐνομίζετο.«

σιτηρέσιον kann auch ganz allgemein die »Löhnung« heißen, und man könnte die Stelle so verstehen, daß die erstgenannten »χρήματαπλεῖστα« sich auf die Donative beziehen, das σιτηπέσιον auf die Löhnung, die von 375 auf 500 Denare erhöht wurde145. Diese Solderhöhung, die Caracalla dann gar auf 750 Denare steigerte (was unter Augustus der Prätorianersold gewesen war), scheint überhaupt gegen meine Vorstellung von dem einsetzenden Geldmangel und der deshalb erweiterten Naturalverpflegung zu sprechen. Aber was die Zeugnisse betrifft, so schließt der Wortlaut bei Herodian, daß Severus »als Erster« das σιτηρέσιον vermehrt habe, die Beziehung auf die Löhnung aus, die seit Augustus schon mehrfach und erst kurz vorher durch Commodus erhöht worden war. Ich werde also daran festhalten dürfen, daß die Solderhöhung in den »χρήματα« einbegriffen ist. Wiederum, daß die Severe den Soldaten auch sehr viel bares Geld gaben, schließt doch nicht aus, daß gleichzeitig schon starker Mangel daran sich im Wirtschaftskörper fühlbar machte, denn nur durch die alleräußerste Gewalt, durch massenhafte Hinrichtungen und Konfiskationen brachte Severus die Mittel zusammen, und auch dann nur unter Zuhilfenahme weiterer Münzverschlechterung, die, wie man keinen Augenblick vergessen darf, unter diesem Kaiser bereits 50% erreichte.

Domaszewski bemerkt gewiß mit Recht146, die zahllosen Schatzfunde aus der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts seien nicht die Folge der Barbareneinfälle, sondern des barbarischen Regiments im Innern. »Die Menschen flüchteten vor der Steuerexekution ihr bares Geld in den Schoß der Erde.«

Meine Auffassung wird bestätigt durch Dio 78, 34, wo Macrin den Soldaten nicht bloß Geld gibt, sondern ihnen auch die volle »τροφή«, die er ihnen entzogen, wieder verspricht. Die für den einzelnen Mann nötige[240] Nahrung hat Macrin gewiß nicht heruntergesetzt; es wird sich also um eine größere, eine Familienportion, handeln. Da dieser Kaiser überhaupt als Gegenreformator nach den Severen auftritt, so dürfen wir kombinieren, daß er den Versuch gemacht hat, das ganze System mit der verstärkten Naturalverpflegung und dem Familienleben, das sich als verderblich erwiesen hat, wieder abzuschaffen.

Von Alexander Severus wird noch ausdrücklich berichtet (Vita cap. 15) »anonam militum diligenter inspexit«.

Über die Bedeutung des »γυναιξὶ συνοικεῖν« sind die Gelehrten noch verschiedener Ansicht, wie überhaupt über die Geschichte der römischen Soldatenehe. Ich habe diejenige Ansicht aufgenommen, die mir an probabelsten erschienen ist. Besonders auffällig bleibt mir der Umstand, daß bis auf Hadrian die Pregrinen eine vollgültige Ehe nach Peregrinenrecht sollen haben eingehen dürfen, also besser gestellt waren als die cives. In Ägypten hatten die Legionen besondere Privilegien. Vgl. G. WILMANNS, Die römische Lagerstadt Afrikas in den Comm. in. hon. TH. MOMMSENS, 1877, S. 200 ff. P. MEYER, Das röm. Konkubinat, 1895. P. MEYER, Zeitschr. d. Savigny-Stift., Bd. 18, S. 44 ff.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1921, Teil 2, S. 240-241.
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