Literatur und Zahlen-Berechnungen.

[188] Die Grundlage für eine klare, zahlenmäßige Vorstellung von der normannischen Kriegsverfassung bildet die »General Introduction of Domesday Book«; accompanied by Indexes etc. by Sir HENRY ELLIS. In two volumes. London 1833.

Das wahre Verständnis ist jedoch erst erschlossen durch J. H. ROUND in einer Reihe von Abhandlungen, die er 1895 in dem Bande »Feudal England« vereinigte. Hierauf haben weiter gebaut POLLOCK und MAITLAND »The history of the english law befor the time of Eduard I.« Zweite Auflage 1898. Dazu MAITLAND »Domesday Book and Beyond« 1897. Sehr wertvoll ist ferner »Domesday and Feudal Statistics« by A. H. INMAN. London 1900. GNEIST in seiner »Englischen Verfassungsgeschichte« 1882 operiert zwar noch mit unrichtigen und ungeklärten Grundbegriffen, macht aber doch, S. 103 ff.,[188] einige sehr nützliche, auf das richtige hinleitende Zahlberechnungen. Die neueste einschlagende Untersuchung enthält das erste Kapitel in den »Studien zur Kriegsgeschichte Englands im 12. Jahrhundert« von DOUGLAS DRUMMOND. Berliner Dissertation von 1905. Verlag: Georg Nauck, Berlin.

Nach der Zählung von ELLIS beträgt die Zahl der im Domesday Book erwähnten tenentetes in capite etwa 1400. Darunter sind jedoch eine so große Menge unklarer Besitzverhältnisse und kleiner Leute (Beamte und dergl.), daß Gneist (Seite 104) nur 600 wirkliche Kronvasallen annehmen will, während INMAN (S. 68) als »capital tenants by knight service« nur 300 rechnet. Gneist stellt an derselben Stelle fest, daß »unter den kleinen Kronvasallen noch eine Anzahl sächsischer Namen« unter den Aftervasallen »etwa die Hälfte sächsischer Namen« seien. Da unter den Aftervasallen viele sind, die nicht zum Kriegerstand gezählt wer den können, wiederum die angesiedelten Normannen zum weitaus größten Teil Krieger gewesen sein werden, so nehme ich an, daß die sächsischen Namen im Domesday Book in viel höherem Prozentsatz Nichtkriegern gehören als die normannischen. Die Gesamtzahl der Aftervasallen im Domesday Book ist 7871, mit den 1400 Kronvasallen zusammen gab es also damals 9000 bis 10000 tenentes im ganzen. Mit dieser Zahl, so wertvoll sie scheint, ist aber doch nur wenig anzufangen, da Krieger und Nichtkrieger darin nicht genügend geschieden sind, wozu dann noch kommt, daß ja im elften Jahrhundert der miles noch nicht der Ritter im späteren Sinne ist, sondern häufig auch den ganz untergeordneten Kriegsknecht einbegreift, wie ELLIS General Introduction, S. 60, ausdrücklich auch in den Eintragungen des Domesday Book konstatiert. Da das Domesday Book vom servitium debitum gar nichts enthält, so hat FREEMAN sogar schließen wollen, daß das Lehnsrittertum unter Wilhelm dem Eroberer überhaupt noch nicht existiert habe, sondern erst nach seiner Zeit in England geschaffen worden sei. Diese Vorstellung ist jedoch von Round widerlegt, der das servitium debitum aus anderwärts erhaltenen Nachrichten für einzelne Gegenden und Herren festgestellt und in Übertragung dieses Resultats auf ganz England auf gegen 5000 angeschlagen hat. Mit Recht hat jedoch DRUMMOND, Seite 18, zu dieser Berechnung bemerkt, daß diese Zahl praktisch gar nicht von so wesentlicher Bedeutung gewesen sei, wie sie auf den ersten Blick scheinen möchte, da das Feudalheer nur sehr selten in dieser Form aufgeboten worden sei. Weder stimmt die Zahl der servitia debita überein mit der Zahl der belehnten Vasallen, noch mit der Zahl der in England überhaupt vorhandenen Krieger, noch mit der Zahl eines auf dieser Grundlage aufgebotenen Heeres, da doch zu den von den Baronen herangeführten Kontingenten und den direkt belehnten Kriegern des Königs selbst immer ohne Zweifel noch eine erhebliche Anzahl unbelehnte Krieger im direkten Gefolge des Königs kamen.[189]

Die Zahl der belehnten Krieger in England scheint unter den ersten normannischen Königen überhaupt niemals festgestellt worden zu sein, da es den König gar nichts anging, ob ein Baron sein servitium debitum aus belehnten oder unbelehnten Kriegern beglich. Der erste, der die Zahl der belehnten Ritter amtlich feststellen ließ, war Heinrich II. im Jahre 1166; nach der Zählung DRUMMONDS ergibt diese Rolle etwa 6400 Mann, die wir nunmehr auch als wirkliche Ritter in dem engeren Sinne betrachten können, der sich im zwölften Jahrhundert durchgesetzt hat. Auch Heinrich II. aber läßt diese Zahl nicht feststellen, um demgemäß das Heer aufzubieten, sondern um daran eine bessere Grundlage für eine Steuerausschreibung zu schaffen, als sie das alte, ganz willkürliche servitium debitum und das Domesday Book bot.

Meine Annahme, daß es unter Wilhelm I. im ganzen etwa 5000 belehnte Krieger in England gegeben habe, gründet sich einerseits auf den Vergleich mit Drummonds Zählung, daß es im Jahre 1166 deren 6400 gegeben habe, andererseits darauf, daß nach Gneists Angabe von den 7871 subtenentes im Domesday Book etwa die Hälfte sächsische Namen seien: von diesen Sachsen war gewiß ein großer Teil und auch von den Normannen ein kleiner Teil Nicht-Krieger.

Daß ich so auf etwa 5000 belehnte Krieger im Jahre 1086 gekommen bin und Round das servitium debitum um dieselbe Zeit ebenfalls auf gegen 5000 berechnet hat, hat keinen innerlichen Zusammenhang, sondern ist eine bloß zufällige Koinzidenz, auch keine ganz vollständige, da Rounds Zahl als eine Höchstzahl anzusehen ist, die meine nicht. Immerhin unterstützen sich die beiden Berechnungen insofern gegenseitig, als sich daraus ergibt, daß die Abweichungen zwischen dem servitium debitum und den Ritter-Belehnungen, die die einzelnen Barone vornahmen, bald mehr, bald weniger, sich im ganzen ungefähr ausgeglichen haben.

Unter den mindestens 600 Kronvasallen, die GNEIST (S. 104) annimmt, statt der 1400, die ELLIS gezählt hat, sind 153 Geistliche und 30 Frauen.

Die Zahl 8471 tenentes, die DRUMMOND S. 8 angibt, sind die Addition von ELLIS' 7871 subtenentes und den 600 tenentes in capite nach Gneists Berechnung. Diese Addition gibt jedoch insofern kein richtiges Bild, als bei den tenentes in capite die nicht-ritterlichen schon abgezogen sind, bei den subtenentes noch nicht. Die Gesamtzahl der tenentes muß daher mit INMAN auf 9000 bis 10000 angegeben werden.[190]

Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1923, Teil 3, S. 188-191.
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