Roßkampf und Fußkampf der Deutschen.

[318] Über die Frage, ob und wie weit die deutschen Ritter vom neunten zum dreizehnten Jahrhundert zu Fuß oder zu Pferde kämpften, hat BALTZER S. 98 ff. eine Reihe von Zeugnissen gesammelt, die sich direkt widersprechen. Die Krieger König Arnulfs saßen ab 891, als sie die Normannen-Schanze erstürmten und 896, als sie die Mauern Roms erstiegen. Otto von Nordheim ließ einen Teil der sächsischen Ritter zu Fuß fechten in der Schlacht an der Elster, gegen Heinrich IV. 1080; dasselbe geschah in der Bleichfelder Schlacht 1086 und vor Damaskus unter Konrad III. 1147 »facti pedites, sicut mos est Teutonicis in summis necessitatibus bellica tractare negotia« sagt Wilhelm von Tyrus.312 In der Schlacht von Bouvines 1214 läßt Guilelmus Brito (Philippis X. v. 680) König Philipp August sagen: Teutonici pugnent pedites, tu, Gallice, semper eques pugna. Der Biograph Robert Guiscards sagt von den Deutschen, sei seien keine besonderen Reiter.313 Der Byzantiner Joh. Einnamus rühmt ihnen nach, daß sie im Fußkampf den Franzosen überlegen seien. (Baltzer S. 47 Anm. 5.) Zuzufügen ist noch, daß auch Kaiser Leo (886-911) in seiner Taktik von den Franken sagt, daß sie den Fußkampf liebten wie den Reiterkampf.314 Von einzelnen Rittern wird öfter berichtet, daß sie, um zu kämpfen, namentlich in der äußersten Not, vom Pferde springen.

Umgekehrt rühmten sich die Deutschen (Liutpr. antap. I 21; III 34), daß sie bessere Reiter seien als die Italiener. Der Fuldaer Annalist sagt gerade bei der Gelegenheit der Normannenschlacht 891, daß die Franken eigentlich zu Pferde kämpften. Der byzantinische Kaiser Nicephorus soll zu Luitprand gesagt haben, daß die Deutschen weder zu Pferde noch zu Fuß tüchtig seien, und der Böhme Cosmas (II 10) sagt von den Deutschen[318] direkt, daß sie des Fußkampfes nicht gewohnt seien. An einer anderen Stelle (S. 3) glaubt Baltzer aus Thietmar von Merseburg (976-1019) herauszulesen, daß diesem die Beteiligung von Fußvolk am Kriege als etwas Ungewöhnliches erschienen sei.

Baltzer wägt die Zeugnisse gegen einander ab und kommt zu dem Schluß, daß die Deutschen, auch nachdem längst der Reiterdienst bei ihnen üblich geworden, doch noch nicht völlig mit ihm vertraut gewesen seien. Es sei mit ihren kavalleristischen Leistungen nicht glänzend bestellt gewesen.

Dieser Schluß ist sachlich wie quellenkritisch zu verwerfen. Die Germanen sind schon zu Cäsars Zeiten vortreffliche Reiter gewesen, und im besonderen die Sachsen haben sich schon gegen Karl den Großen zu Pferde geschlagen. Auch die Friesen werden schon in einem karolingischen Kapitular (oben S. 40) als Reiter genannt. Es ist völlig ausgeschlossen, daß in einem Volk, in dem die Kunst des Reitens von je heimisch gewesen war, und in dem ein sich stetig übender Ritterstand existierte, die Geschicklichkeit des Kampfes zu Pferde nicht auf der Höhe gewesen sei. Baltzer meint, der Reiter, der sich zu Roß ganz in seinem Element fühlt, wird nur da, wo es ganz unumgänglich ist und je bedenklicher die Lage, desto schwerer sich dazu entschließen, abzusitzen und zu Fuß zu kämpfen. Das kann man durchaus nicht so im allgemeinen sagen. Die Überlegenheit des Reiters macht sich hauptsächlich in der Menge geltend; hundert Ritter zu Pferde sind unzweifelhaft sehr viel mehr als hundert Streiter zu Fuß auf ebenem Felde: ein großer Teil der Fußgänger wird sofort überritten werden. 100 Reiter sind so viel wert wie 1000 Mann zu Fuß, soll der Führer der Franzosen, der Graf von Artois, vor der Schlacht bei Cortray gesagt haben.315 Im Einzelkampf jedoch mag ein gewandter Fußgänger es ganz wohl mit einem Reiter aufnehmen, und daß Reiter im Kampf absteigen, wird, so merkwürdig es uns erscheint, in der Geschichte des Kriegswesens vielfältig, z.B. auch bei den Kosaken316 und auch im Altertum317 berichtet. Ist man vielleicht bei den Römern, von denen es unendlich oft erzählt wird, noch geneigt, das durch einen Mangel an Reitkunst zu erklären, so ist die Erklärung doch nicht quellenmäßig begründet, und sie muß völlig versagen, wenn wir, ganz umgekehrt, bei Polybius (III, 115) lesen, daß die Reiter Hannibals, deren kavalleristische Qualität keinem Zweifel unterliegen kann, in der Schlacht bei Cannä im Reitergefecht von den[319] Pferden sprangen und in dieser Barbarenart, wie Polybius sagt, statt regelmäßige Attacken zu machen, die Römer überwanden. Dasselbe berichtet Cäsar mehrfach (B. G. IV, 2 u. 12) von den als besonders tüchtige Reiter gerühmten Germanen, und es geschieht auch in der Sachsen-Schlacht im Nibelungenliede (Str. 212).

Vollends ein Mann, der sich als verloren ansieht, nicht mehr fliehen will oder kann und nur noch bis zum Äußersten fechtend zu sterben trachtet, springt zu dem Zweck gern vom Pferde und kämpft zu Fuß. Denn wenn er zu Pferde bleibt, kann er durch Verwundung des Rosses zu Fall gebracht und wehrlos gemacht werden, zu Fuß ist er nur von sich selbst abhängig. Die positivste aller Aussagen über unsere Zeit ist die der Annalen von Fulda über die Normannenschlacht. »Francis pedetemptim certare inusitatum est.« Baltzer sucht sie auf die Weise zu beseitigen, daß er meint, die Bemerkung gelte vielleicht nur für die Franken im engeren Sinne oder die Lothringer. Dieser Einwand ist durchaus willkürlich, denn der Verfasser spricht nicht von den Lothringern, sondern von den Franken, und warum in aller Welt sollen gerade die Lothringer besonders gut geritten haben?318 Durch solche Einschränkungen kann man natürlich jede Aussage in ihr Gegenteil verkehren. Trotzdem habe ich nichts dagegen: man muß sie nur auf alle solche Aussagen anwenden und erkennt dann, daß sie allesamt unzuverlässig sind. Bei jeder einzelnen ist es möglich, daß irgend eine uns nicht mehr erkennbare Tendenz, ein Irrtum, eine bloße Laune zu einem ganz falschen Urteil geführt hat. Daher die Erscheinung, daß man Zeugnisse von gleich guter äußerer Beglaubigung zusammenbringt, die sich schnurstracks widersprechen. Mit der bloßen Quellenkritik ist hier nicht durchzukommen. Die Sachkritik, die die Perioden im Großen ins Auge faßt, muß hinzukommen. Wie gefährlich es ist, auf vereinzelte Aussagen zu bauen, hat uns in concreto das Kapitel über den Ursprung des Lehnswesens gelehrt: auf einige solche vereinzelte Notizen hin hatte man sich die Ansicht gebildet, daß die Franken in der Völkerwanderung noch bloße Fußkämpfer gewesen seien, und hat sich dadurch in einer so kardinalen Frage, wie der Genesis des Feudalstaats auf eine falsche Fährte locken lassen.

Nicht auf Grund einzelner Zeugnisse also, die durchweg unzuverlässig sind und sich untereinander widersprechen, sondern auf Grund der kritischen Prüfung und Abwägung der Einzelzeugnisse in Zusammenstellung und Vergleichung mit dem gesamten Entwickelungsgang des Kriegswesens ergibt sich der Schluß, daß von der Völkerwanderung an bei den sämtlichen germanischen Völkerschaften die Kunst des Roßkampfes gepflegt war und sehr hoch stand. Allein bei den Angelsachsen scheint wirklich der Roßkampf niemals ausgebildet worden zu sein, was vielleicht damit zusammenhängt,[320] daß sie sehr wenige oder keine Pferde mit über das Meer gebracht hatten, und ein eigentlicher Kriegerstand bei ihnen ja nur in sehr beschränktem Umfange zur Entwickelung kam. Der wirkliche Ritter aber, der auf dem Festlande ausgebildet und von da durch die Normannen auch nach England überführt worden ist, ist sowohl Kämpfer zu Fuß wie zu Pferde, und wenn er zu Fuß kämpft, so ist das in keiner Weise ein Zeichen, daß er des Roßkampfes nicht genügend kundig sei. Von jedem echten Ritter muß gelten, was Widukind (III, 44) von Herzog Konrad dem Roten rühmt »dum eques et dum pedes iret in hostem, bellator intolerabilis«.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1923, Teil 3, S. 318-321.
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