Schlacht bei Carcano


Schlacht bei Carcano.

9. August 1160.

[351] Die Mailänder belagerten, nachdem die deutsche Mannschaft, die Crema zur Übergabe gezwungen, zum größten Teil in die Heimat abgezogen war, die Burg Carcano, etwa fünf Meilen von[351] Mailand, eine starke Meile östlich von Como; sie hatten ihre ganze Mannschaft und dazu Ritter von Brescia und Piacenza bei sich. Die Burg zu entsetzen, nahte sich der Kaiser mit seinen deutschen und italienischen Zuzügen und wollte sein Heer, das von entgegengesetzten Seiten heranzog, zwischen Carcano und Mailand vereinigen, so daß er die Belagerer von ihrer eigenen Stadt abschnitt. Noch ehe er all seine Kontingente beisammen hatte, rückte er tollkühn fast unmittelbar vor das mailändische Lager, offenbar, um den Feind auf keinen Fall ungeschlagen von dannen zu lassen. Aber er hatte die Gegner unterschätzt; sie erkannten, daß sie verloren seien, wenn sie sich so von ihrer Basis abschneiden ließen, und beschlossen, auf der Stelle ihrerseits das Entsatzheer anzugreifen.

Das mailändische Fußvolk, das den deutschen Rittern entgegen ging, hielt ihrem Ansturm nicht stand; es wurde auseinandergesprengt, erlitt große Verluste und verlor das Carroccio. Auf dem andern Flügel je doch, dem linken der Kaiserlichen, siegte, vermutlich noch von einem anderen Teile ihres Fußvolks unterstützt, die Ritterschaft der Mailänder und ihrer Verbündeten über die italienischen Ritter und Fußtruppen Friedrichs, und als die beiden siegreichen Flügel sich wieder sammelten, erkannte der Kaiser, daß er zu schwach sei, um es auf einen zweiten Kampf ankommen zu lassen. Ohne Zweifel waren die Mailänder von Anfang an der erheblich stärkere Teil gewesen, und der Kaiser soll am Schluß nur noch 200 Ritter um sich gehabt haben. Trotzdem wagten auch die Mailänder keinen neuen unmittelbaren Angriff, umsoweniger, da ein heftiger Regen niederging. Sie zogen sich in ihr Lager zurück und ermöglichten es dadurch dem Kaiser, ungefährdet ebenfalls den Rückzug anzutreten, den er nach Como, in welcher Richtung die geschlagenen Teile seines Heeres geflohen waren, nahm.

Durch diesen Rückzug freilich trennte er sich von Truppen, die ihm noch von Lodi und Cremona zuzogen, 280 Rittern, und die Mailänder benutzten die Gelegenheit, diese, als sie herankamen und dem Kaiser schon ganz nahe waren, zu überfallen und ihnen große Verluste beizubringen. Den Rest rettete Friedrich, indem er selber herbeieilte.

Trotz ihres Sieges hoben die Mailänder nach einigen Tagen[352] die Belagerung von Carcano auf (20. Aug.), da sie eine Wiederholung des Angriffs durch den Kaiser fürchteten. Carcano gehört also zu der Gruppe der im Mittelalter so häufigen Gefechte, wo der gefechtsmäßig geschlagene Teil dennoch seinen strategischen Zweck, das war hier für den Kaiser der Entsatz der Burg Carcano, erreicht. Vergleiche Melrichstadt, Flarchheim.

Als Warnung bei der Benutzung von Quellen-Aussagen sei noch der Bericht der Mailänder Annalen in der Bearbeitung des Codagnellus hinzugefügt, dem die Historiker bisher mehr oder weniger Vertrauen entgegengebracht haben. Der Autor, der etwa 70 Jahre nach der Schlacht schrieb, erzählt (SS. XVIII, 369 ff.), im Sommer 1160 seien die Mailänder mit Unterstützung der Placentiner einmal ausgerückt gegen den Kaiser, der ihr Land verwüstete; sie hätten mit sich geführt das Carroccio und 100 Wagen, von Meister Guilelmus konstruiert, die nach Form eines Schildes gebaut, vorn und ringsherum mit Sicheln versehen waren. In die erste Schlachtlinie stellten sie diese Wagen, in die zweite das Carroccio mit den Schützen, in die dritte (»Kohorte«) die Ritter (milites) mit den Fahnen und andren Feldzeichen, in die vierte (quarto loco) die Placentiner. Als der Kaiser das hörte, wurde er von Furcht ergriffen und zog in der Nacht ab.

In der Schlacht bei Carcano stellten die Mailänder in das erste Treffen (acies) alle Krieger bis zu 40 Jahren, es waren 1500. In das zweite alle bis zu 50 Jahren; das waren auch 1500. In das dritte alle Älteren, die besonders Kriegserfahrenen, das waren 1000. Die Placentiner und Brescianer stellten sie neben das Volk, um diesem einen Halt zu geben und das Carroccio zu verteidigen (juxta populum, qui confortarent et manutenerent populum et auxilium praestarent populo ad carocium manutenendum et defendendum). Die beiden ersten Treffen der Mailänder werden geschlagen, und der Kaiser bedrängt das um das Carroccio gedrängte Fußvolk (populus). Da kommt der Haufe der Alten, der sich so lange in einem Tal versteckt gehalten hat, und mit ihm ergreift auch das Volk mit dem Carroccio, das schnell wie ein Schlachtroß daherstürmte (populus cum caroccio qui impulsus a populo ita velocissime currebat ut destrarius,) die[353] Offensive, und der Kaiser mit den Seinigen ergreift die Flucht und wird geschlagen.360


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1923, Teil 3, S. 351-354.
Lizenz: