Allgemeines.

[255] Die ungeheuren Nachteile des Kriegsführens mit nur auf Zeit angenommenen Söldnern war von Anfang an den Staatsmännern wie den Theoretikern nicht verborgen. Kapitel. Wir haben gesehen, daß ein Denker wie Machiavelli und ein Politiker wie König Franz sich bemühten, Kriegsverfassungen besserer Art zu schaffen, und wie sie damit scheiterten. Der Fortschritt vollzog sich auf eine Weise, die kein Theoretiker vorgeschlagen, kein Philosoph konstruiert und Niemand vorausgesehen hatte. Die Soldbanden wurden nicht ersetzt durch ein Kriegertum anderen Ursprungs, sondern sie änderten ihren Charakter, indem sie dauernd unter den Fahnen blieben und zu stehenden Heeren wurden. Zuerst bei den Spaniern, dann bei den Niederländern, als Ergebnis des 30jährigen Krieges auch in allen größeren deutschen Territorien, bei den Engländern endgültig erst mit der Wende des 17. zum 18. Jahrhundert.

Karl V. hat bei seiner Thronentsagung schon ein Heer von 60000 Mann und 80000 Mann Garnisontruppen hinterlassen, und endlich wurde diese Praxis zum Prinzip erhoben. Die ungeheuren Nachteile der Entlassung der Truppen nach beendigtem Feldzug hatten sich von je bemerkbar gemacht; nunmehr begann man sich auch den Vorteil klar zu machen, den eine dauernde Rüstung, nicht nur politisch, sondern auch militärisch für den inneren Wert der Truppe bringen mußte.

Die Kriegsverfassung ist immer der Fundamental-Artikel im Völkerdasein. Der gesamte politisch-soziale Zustand Europas wandelt sich mit der neuen Heerordnung. Das stehende Heer ist der Streitpunkt in dem Kampf der Fürsten mit ihren Ständen,[255] der auf dem ganzen Festlande die Könige zu absoluten Herrschern erhebt, in England erst den Minister Strafford, dann König Karl I. selbst aufs Schaffot bringt. Das alte Vasallentum erscheint von neuem in der Gestalt der adligen Offizierkorps. Die Truppen aber verlieren den bösartig-wilden Charakter des Landsknechttums, werden immer schärfer diszipliniert, außer der Anwerbung auch durch Aushebung ergänzt und nehmen auf Grund dieser veränderten Grund-Struktur auch veränderte taktische Formen an.

Die geordnete Verwaltung für den mächtigen Heereskörper zu schaffen, ist den abendländischen Völkern überaus schwer geworden. Der Condottiere, die Verbindung von Kriegertum und geschäftlichem Unternehmertum hat sich vom Mittelalter bis in den 30jährigen Krieg erhalten und in ihm den Höhepunkt erreicht, weil der Staat noch keine Organe hatte, die die Tätigkeit und Tatkraft dieser Unternehmer hätte ersetzen können.

Die staatliche Verwaltung ist im Vergleich zu den Kriegsunternehmern so gut wie ohnmächtig. Wie groß und weit sind die Länder, Königreiche, Herzogtümer und Grafschaften, die Kaiser Ferdinand II. beherrscht, und doch ist er nicht imstande, aus ihnen auch nur eine Kriegsmacht aufzustellen, wie sie der heimatlose Abenteuer, Graf Ernst v. Mansfeld, immer wieder auf die Beine brachte und um seine Person versammelte, und die ungeheuren Reichtümer, mit denen Wallenstein arbeitete, waren zum geringsten Teil ererbter oder verheirateter Besitz, sondern stammten aus Güterkäufen und Münzoperationen, also aus Quellen, die eine rationelle und korrekte Staatsverwaltung selber hätte nutzbar machen können. Das Haus Habsburg brachte das nicht fertig. Ein Mann wie der Herzog Max von Bayern aber brachte es dahin, ein eigenes Heer ohne die Vermittelung eines Condottiere zu befehligen. Allmählich kamen dann auch die anderen größeren Fürstenhäuser damit zustande.

Als Vorbedingung oder sage man Nebenwirkung der großen Abwandlung in der Armee bildet sich eine neue Verwaltung des Staates, ein Beamtentum, dessen Aufgabe es ist, die Steuern aufzubringen, die die Erhaltung der Armee erfordert, und durch pflegliche Behandlung der wirtschaftlichen Verhältnisse und schließlich[256] der gesamten Wohlfahrt und Kultur das Land möglichst leistungsfähig zu machen.

Der Staat als besonderer Organismus, unterschieden vom Landesherrn, der das seiner Familie gehörige Territorium verwaltete, und auch unterschieden vom Volke, das für diesen Staat nur Objekt ist, tritt in die Erscheinung. Diese Trennung wirkt auch auf den Begriff des Krieges und die Kriegführung zurück. Hugo Grotius stellte den Grundsatz auf, daß der Krieg allein Sache der Soldaten sei und die Bürger nichts angehe.

Als den ersten Staat, der in großem Maßstab die Söldnerbanden tatsächlich dauernd im Dienst behielt, habe ich Spanien genannt, das selbst, wenn seine Kriege mit Frankreich pausierten, doch in den Niederlanden eine Kriegsmacht dauernd in Tätigkeit haben mußte. Der innere Charakter dieses spanischen Heeres blieb aber noch lange der der Söldnerbande. Erst bei dem Gegner, dem niederländischen Heer unter Moritz von Oranien, entwickelten sich, wie wir gesehen haben, die neuen Eigenschaften des Kriegswesens, die der Charakter des stehenden Heeres mit sich bringt. In dem schwedischen Heer Gustav Adolfs gewinnt diese neue Erscheinung eine höhere Stufe, ohne doch schon den Charakter der alten Soldbanden völlig abzustreifen. Mit dem Abschluß des 30jährigen Krieges ist auch diese Entwicklung abgeschlossen und bei allen Völkern einigermaßen gleichmäßig haben wir nunmehr die Erscheinung der auch im Frieden erhaltenen, regelmäßig besoldeten disziplinierten Armee.

Wir wollen das im einzelnen an den beiden prominentesten Beispielen, Frankreich und Preußen, kennen lernen278.

Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1920, Teil 4, S. 255-257.
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