Die Schlacht bei Malplaquet[370] 418.

11. September 1709.

Lille war eine Grenzstadt, die erst seit vierzig Jahren zu Frankreich gehörte. Nach ihrem Verlust aber fühlte Frankreich sich so erschöpft, daß Ludwig nicht nur auf das eigentliche Objekt des Kampfes, die spanische Großmonarchie für seinen Enkel, sondern sogar auf das Elsaß verzichten wollte. Aber die Alliierten verlangten so Ehrenrühriges von ihm, daß er sich entschloß, weiter zu kämpfen, und ein noch stärkeres Heer als im Vorjahr ins Feld stellte. Die strategische Aufgabe für dieses Heer konnte keine andere sein, als defensiv den Krieg hinzuhalten, und die Alliierten ihrerseits setzten sich auch nichts weiter vor, als, wie im vorigen Jahr Lille, so in diese andere Grenzfestungen zu nehmen. Sie eroberten erst Tournay und wandten sich dann gegen Mons, die beide, zu Belgien gehörig, noch im Besitze Ludwigs waren. Der Marschall Villars, der den Oberbefehl über die Franzosen übernommen hatte, hatte den Fall von Tournay nicht hindern können; als nun die Alliierten sich gegen Mons wandten, kam er schleunigst anmarschiert und hätte die Möglichkeit gehabt, Marlborough anzugreifen,[370] während Eugen, auf der anderen Seite der Festung stehend, zu entfernt war, um unmittelbar zu helfen. Aber Villars wußte natürlich nicht so genau, wie es drüben stand; Marlborough hatte die Kühnheit, ihm sogar noch ein Stück entgegenzurücken: sollte das letzte Heer Frankreichs aufs Spiel gesetzt werden? Das wäre ganz gegen den Sinn und die Absichten des Königs gewesen. Villars also begnügte sich, bei dem Dorfe Malplaquet eine Stellung zu besetzen, die der Festung so nahe war, daß die Alliierten ihn erst von da fortschlagen mußten, um die Belagerung durchzuführen. Die Stellung, von Natur allerdings nicht sehr günstig, wurde schleunigst befestigt und die Allierten ließen den Franzosen dazu zwei ganze Tage Zeit, um erst alle verfügbaren Kräfte zur Entscheidung heranzuziehen. Sie hatten auch schließlich eine Überlegenheit von etwa 110000 gegen 95000 Franzosen.

Die Schlacht wurde als Flügelschlacht angelegt; mit gewaltiger Überlegenheit sollte der linke Flügel der Franzosen angegriffen und umfaßt werden, während von dem Zentrum und dem rechten Flügel mit schwächeren Kräften ein hinhaltendes Gefecht geführt wurde. Am Nachmittag des vorhergehenden Tages sollen nach einigen Berichten mehrere Generale, dar unter der Kronprinz von Preußen (Friedrich Wilhelm I.) ein Gespräch mit französischen Generaln angeknüpft haben, das über eine Stunde währte und ihnen Gelegenheit gegeben haben soll, die feindlichen Befestigungen auszuspähen. Daß sie dabei etwas Wichtiges gesehen haben, ist kaum anzunehmen, aber die Zusammenkunft und das Gespräch selbst angesicht der zur Schlacht aufmarschierenden Heere ist charakteristisch für den soldatischen Geist der Epoche: der Krieg und die Schlachten sind ihnen eine Art potenzierter Turniere.

Der Schlachtgedanke hat nicht durchgeführt werden können. Die französische Stellung war eine drei Kilometer breite Lücke zwischen zwei Wäldern. Wälder vor der Front oder auf den Flanken behindern zwar den Angreifenden im Anmarsch, verbergen ihn aber auch. Die Alliierten hatten durch den nordwestlichen Wald eine große Umgehungskolonne angesetzt, die aber als solche nicht zur Wirksamkeit gelangt ist. Es scheint, daß sie sich im Walde verirrt hat und nur zum Schluß noch als Verstärkung dieses Flügels wirkte. So vermochte der Angriff auf diesem, dem linken[371] Flügel der Franzosen gegen die sehr starken Befestigungen, die diese aufgeworfen hatten, nicht durchzudringen, und als der Kommandierende des linken Flügels der Alliierten, der Erbprinz von Oranien, sich hinreißen ließ, statt des hinhaltenden Gefechts, das er führen sollte, mit seinen geringen Kräften einen scharfen Angriff zu machen, da wurde er derart zurückgeschlagen, daß es nur in der Hand der Franzosen gelegen hätte, ihn mit einem Gegenstoß völlig über den Haufen zu werfen. Aber dieselben Befestigungen, die die Verteidigung so vorteilhaft gestaltet hatten, behinderten das Vorrücken zum Angriff und der tapfere Marschall Boufflers, der hier kommandierte, fand zu einer derartigen Offensive aus der rein defensiv gedachten Schlacht heraus nicht den Entschluß. So ist es den Alliierten schließlich doch noch gelungen, die Franzosen allmählich zurückzudrücken, so daß sie endlich das Schlachtfeld räumten.

Aber nicht weniger als 30000 Tote und Verwundete hatte das fortwährende Anstürmen gegen die Verschanzungen den Allierten gekostet, und nicht weiter als eine Meile vom Schlachtfelde gingen die Franzosen, die nicht mehr als etwa 12000 Mann verloren hatten, zurück und bezogen eine neue Stellung. Die Belagerung und den schließlichen Verlust von Mons konnten sie nicht mehr verhindern, aber mit diesem Verlust hatten sie den Krieg ein ganzes Jahr weiter hingehalten und standen an seinem Schluß besser als am Anfang. Malplaquet war taktisch ein unzweifelhafter Sieg der Alliierten; strategisch aber waren, wie meiner Meinung nach mit Recht gesagt worden ist, wenn man auf den Feldzug im ganzen blickt, die Franzosen Sieger geblieben. Das ist ein innerer Widerspruch, aber das Leben ist widerspruchsvoll überhaupt und die Ermattungsstrategie noch besonders.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1920, Teil 4, S. 370-372.
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