1778.

[424] Die Preußen drangen in Böhmen ein, fast auf denselben Wegen wie 88 Jahre später im Jahre 1866, Friedrich aus Schlesien durch den Paß von Nachod, Prinz Heinrich von Norden her aus der Lausitz. 1866 führte dieser konzentrische Angriffe zur Entscheidungsschlacht bei Königgrätz; 1778 brachten die Österreicher die Preußen in Stellungen hinter der oberen Elbe und hinter der Iser zum Stehen. Es sind Stellungen, die auch 1866 die Österreicher einen Moment inne hatten. Der ganze Unterschied der Zeiten und der Abwandlung, die mittlerweile die Strategie erfahren hatte, zeigt sich in dem Gegensatz dieses Ergebnisses. 1866 vermochten die Preußen eine Entscheidung zu erzwingen, die den Krieg beendigte; die Kämpfe haben im ganzen sieben Tage in Anspruch genommen. 1778 lag man sich mit geringen Verschiebungen beobachtend einander gegenüber, und nach einem Vierteljahr gingen die Preußen über die böhmischen Grenzgebirge zurück und nannten den Feldzug den »Kartoffelkrieg«, weil er sich um das Ausbuddeln dieser jetzt erst in Massen angepflanzten Früchte gedreht hatte. Die Kräfte waren wie im Jahre 1866 auf beiden Seiten numerisch etwa gleich stark.

Das Bild des königlichen Feldherren, wie es sich der Nachwelt eingeprägt hat, ist naturgemäß beherrscht von den Eindrücken der Feldzüge, in denen er gegen eine gewaltige Überlegenheit zu ringen hatte, sich gegen sie behauptete und sie überwand. Seine Strategie zu verstehen, muß man natürlich auch diejenigen Feldzüge heranziehen, in denen er mit gleicher oder überlegener Zahl im Felde stand, und das ist die Mehrzahl. Von seinen zwölf Feldzügen sind vier, 1741, 1742, 1756 und 1762, mit positiver Übermacht geführt worden; bei dreieinhalb, 1744, 1745 und 1757 erste Hälfte darf man die Kräfte als etwa gleich annehmen; bei den übrigen, viereinhalb Feldzügen, 1757 zweite Hälfte, 1758, 1759, 1760, 1761, war die Übermacht auf der feindlichen Seite.[425]

Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1920, Teil 4, S. 424-426.
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