9. Kapitel. Die vorletzten davidischen Könige. (695-621.)

[248] Manasse's Regierung. Fanatischer Haß gegen Chiskija's Ordnung. Das scheußliche und unzüchtige Götzenthum wird eingeführt. Verhalten der Ahroniden dazu. Prophetenmord. Psalm aus dieser Zeit. Assar-Haddons Kriegszug gegen Aegypten. Die Chuthäer. Manasse's Gefangenschaft, Rückkehr und Tod. Die Könige Amon und Josia. Der Prophet Zephanja. Die Assyrer und Meder. Einfall der Skythen. Josia's Sinnesänderung. Ansatz zur Ausbesserung des Tempels. Der Prophet Jeremia. Seine eigenthümliche Beredtsamkeit. Die Bekehrung der Familie Schaphan. Das Gesetzbuch wird im Tempel gefunden.


Es war dem judäischen Volke nicht beschieden, auch nur einige Menschenalter hindurch glückliche Tage zu genießen, als sollte sich seine Kraft durch den raschen Wechsel von Gunst und Ungunst erproben. Auf die gedrungene Kraft und Einheit der zweiten Hälfte der chiskijanischen Regierung folgte rasch Zerfahrenheit und Schwäche, auf die behagliche Ruhe wildstürmende Unruhe, auf die Blüthenpracht geistiger Erzeugnisse ermattende Dürre. Unfälle politischer Natur sind zwar in den Tagen von Chiskija's Nachfolger nicht eingetreten; sie bedrohten das Land nur von Ferne, und die Gefahr ging schnell vorüber. Aber im Innern entstanden widerwärtige Zustände, welche eine Zerklüftung zu Wege brachten und dadurch eine dauernde Schwächung herbeiführten. Was kann es Schlimmeres für ein staatliches Gemeinwesen geben, als wenn die Glieder desselben in Eifersucht und Haß gegen einander entbrannt sind, und die Landbevölkerung eine tiefe Abneigung gegen die Hauptstadt desselben empfindet? Solche Zustände entwickelten sich unter Chiskija's Sohne, der zum Unheil für das Land über ein halbes Jahrhundert regierte (695-641). Einige Schuld an den eingetretenen Mißständen trug Manasse's Jugend. Unter einem Fürstenknaben von zwölf Jahren, der auf dem Throne sitzt, dessen Regierung aber in den Händen seiner Diener liegt, ist für den Ehrgeiz, die Habsucht und noch häßlichere Leidenschaften Thür und Thor geöffnet, wenn die Regierenden nicht sittlich hochstehen oder die Liebe zum Vaterlande über die Selbstsucht setzen. So hoch standen aber die Fürsten Juda's, welche den davidischen Thron umgaben, nicht. Sie waren vielmehr durch die Zurücksetzung, welche sie unter Chiskija erfahren hatten, von Ingrimm beherrscht und von dem Bestreben beseelt, ihre alte Stellung wieder [248] einzunehmen, die Eindringlinge daraus zu verdrängen und womöglich ihre Rachegelüste an ihnen zu kühlen. Wahrscheinlich hatte Chiskija vor seinem Tode einen Pa lasthauptmann oder Verweser nach seinem Sinne eingesetzt, welcher während der Minderjährigkeit des jungen Königs den Staat leiten sollte. Aber sei es, daß dieser durch die Ränke der Großen gestürzt wurde oder aus Rücksichten sich mit ihnen verbunden hatte, genug es kamen Hofdiener und Beamte an's Staatsruder, welche nichts Eiligeres zu thun hatten, als alles das umzustoßen, was Chiskija eingeführt hatte. Die von diesem König, man weiß nicht recht, ob man sagen soll, wiederhergestellte alte oder durchgeführte neue Ordnung wurzelte in der altisraelitischen Lehre von der Einzigkeit und Bildlosigkeit Gottes, von dem Abscheu gegen alles götzendienerische Wesen und von der Einheit des Cultus. Diese Ordnung wieder umzustürzen, war der Fanatismus derjenigen, welche unmittelbar oder mittelbar an der Spitze der Regierung standen. Es bildete sich eine götzendienerische Partei, welche nicht bloß aus Gewohnheit, Nachahmungssucht oder verkehrter religiöser Vorstellung, sondern aus leidenschaftlichem Hasse das Ur-Israelitische verfolgten und Fremdes bevorzugten. Es waren Diejenigen, welche schon unter Chiskija heimlich dem Götzenthum zugethan waren; durch Ueberredung suchten sie auch die Lauen dafür zu gewinnen1.

An der Spitze dieser Partei standen die Prinzen, entweder jüngere Söhne oder Vettern des Königs Achas, welche Chiskija's Werk als Neuerung oder gewissermaßen als Auflehnung des Sohnes gegen die Bestimmungen des Vaters verabscheut und mit Ingrimm ertragen hatten. Ihrem Einflusse und ihrer Leitung war der junge Manasse preisgegeben, aus ihrer Mitte war wohl der neue regierende Palasthauptmann. Den Kern der dem Götzendienste huldigenden Partei bildeten die Fürsten Juda's, theils auch Rachegefühl wegen der erfahrenen Zurücksetzung und theils aus Hang zum zügellosen Leben, welches das Götzenthum so sehr förderte2. Gewiß nicht lange nach Manasse's Thronbesteigung schritten die Großen, welche im Namen des Königs handelten, zur Ausführung der von ihnen entworfenen Systemänderung. Zuerst wurde bekannt gegeben, daß die Höhenaltäre, welche Chiskija [249] so streng verdammt hatte, wieder gestattet seien. Dadurch war das Volk im Großen für die Aenderung gewonnen, weil es Chiskija's Gebot für eine Beschränkung der Freiheit betrachtet hatte, die geheiligte Cultusstätte nicht missen mochte, und es überhaupt unbequem fand, mit den Opfern stets nach Jerusalem wandern zu müssen. In Jerusalem und im Tempel selbst vervielfältigten die Staatslenker die Gräuel des wüsten Götzendienstes. Nicht bloß der altkanaanitische Cultus, den Achab und Isebel im Zehnstämmereiche und Athalia in Jerusalem unter harten Kämpfen eingeschleppt hatten, und der unter Kämpfen wieder abgeschafft worden war, sondern auch die assyrisch- babylonische Götterverehrung wurde wie zum Hohne des Gottes Israels, dem der Tempel geweiht war, wieder eingebürgert. Altäre in den beiden Tempelvorhöfen für Baal und Astarte, kleine Altäre auf Dächern zur Verehrung der fünf Irrsterne wurden wieder eingeführt. Ueberhaupt wurden Achas' Werke wieder aufgefrischt, ein Sonnenwagen wurde dem Tagesgestirn geweiht und dazu Rosse unterhalten, um an gewissen Festen in Procession auszufahren. Im Tempelvorhofe wurde ein großes Bildniß (Ssêmel), wahrscheinlich das der assyrischen Göttin Mylitta (auch Aschera genannt), aufgerichtet, gewissermaßen um dem Gott Israels Kränkung zu bereiten3. Verderblicher noch als diese äußeren Abzeichen des gemischten wüsten Götzenthums waren die sittlichen Folgen. Für die Astarte oder Mylitta wurden Tempelbuhlen und Buhlerinnen (Kedeschot) unterhalten und Zellen für deren unzüchtiges, die Keuschheit höhnendes Wesen eingerichtet4. Auch die Scheiterhaufen [250] (Tôpheth) im schönen Thale Ben-Hinnom wurden wieder eröffnet, um bei Unglücksfällen zarte Kinder für den Moloch dem Feuer zu übergeben. Solche kaum glaubliche Scheußlichkeiten, welche das Zehnstämmereich unter den Omriden weit übertrafen, kamen unter Manasse wieder in Schwung; dieser König muß wohl sein Gefallen daran gefunden haben, da er sie im reifen Alter nicht abgestellt hat. Man legte es darauf an, den Gott Israels ganz und gar in Vergessenheit zu bringen. Die Partei der Götzendiener überredete sich und Andere, eben dieser Gott sei ohnmächtig, er könne weder Glück noch Unglück bringen5. Die Nachahmungssucht hatte ebenfalls Antheil an dieser religiösen und sittlichen Verkehrtheit. Die Führer des judäischen Gemeinwesens wollten durchaus den übrigen Völkern gleich sein und die Scheidewand hinwegräumen, welche sie von ihnen trennte, und ihre Vergangenheit auslöschen6. Durch Gewohnheit und durch Zwang, welcher auf die Widerstrebenden ausgeübt worden sein mag, verbreitete sich dieses Unwesen, von dem Hofe und den Fürsten ausgehend, über das Land. Die Priester aus ahronidischem Stamm mochten sich Anfangs dagegen gesträubt haben, zu diesem Abfall vom Gott Israels die Hand zu bieten. Es wurden daher Götzenpriester (Khemarim) in's Land gezogen, wie zur Zeit Isebel's und Athalia's; diese wurden selbst im Tempel zum Dienste zugelassen7. Im Verlaufe, als die Ahroniden mit dem Verluste ihrer Stellung auch ihrer Subsistenzmittel beraubt wurden, fanden sich nicht wenige unter ihnen, besonders die Nachkommen Abjathars, welche ohnehin eine gedrückte Stellung hatten, ein, um vielleicht unter Gewissensbissen, bei dem Götzendienste Priesterämter zu versehen8. Lügenpropheten fehlten auch nicht, dieser Scheußlichkeit das Wort zu reden. Welche noch so schlechte Sache, wenn sie die Gunst der Großen genießt, hat nicht beredte Zungen gefunden, die sie nicht bloß beschönigen, sondern auch rechtfertigen und als das einzig Wahre und Heilsame empfehlen? Dieser Zustand, der lange dauerte, hätte nichts weniger zur Folge gehabt, als das völlige Vergessen der ganzen Vergangenheit, den Untergang des Volkes als des Trägers der Segnungen, welche dem ganzen Menschengeschlecht zu Gute kommen sollten. – Denn was bedeutete Juda und Israel ohne diese Trägerschaft? [251] Sie wären zu den winzigen götzendienerischen Völkerschaften herabgesunken, welche ohne Juda's Geschichtsurkunden dem Gedächtnisse der Menschen unbekannt geblieben wären.

Glücklicherweise gab es bereits in Jerusalem wenigstens eine erstarkte Partei, welche die von der Hofpartei so verachtete und verhöhnte Lehre von einem geistigen Gotte und von sittlich-keuschem Wandel, und die alten Erinnerungen an die wunderbare Leitung des Volkes durch tausendfache Widerwärtigkeiten hoch hielt, einen schroffen Gegensatz gegen die Vertreter des Götzenthums bildete und entschlossen war, ihre Ueberzeugung mit dem Blute zu besiegeln. Jene »Gottesschüler«, welche der Prophet Jesaia wie seine Kinder belehrt und herangebildet hatte, jene Psalmisten, welche unter Chiskija Jubellieder über die Errettung des Volkes in schönen Weisen ertönen ließen, jene sanstmüthigen Dulder (Anawim), welche durch denselben König zu Ehren erhoben worden waren, und ganz besonders die Propheten, welche Jesaia's goldene Beredtsamkeit zu glühender Begeisterung für das ewige Erbe Ihwh's erweckt hatte, sie bildeten eine, wenn auch der Zahl und der Lebensstellung nach winzige, so doch durch ihre Festigkeit starke Partei. Man kann sie die Propheten- oder Anawiten-Partei nennen; sie selbst nannte sich »Gemeinde der Geradewandelnden« (Sod Iescharim w'Edah9).

In dieser Gemeinde war die Ueberzeugung lebendig: daß das Götzenthum aller Völker, auch der weisesten, eitel und nichtig, eine Thorheit und Verblendung sei, daß Gott nicht mit den Mächtigen und Starken, sondern mit den Schwachen sei, daß er sich der Wittwen und Waisen annehme und auch den Fremdling liebe10. Wenn in der früheren Zeit noch die dunkle Vorstellung vorhanden war, daß die Götter der Völker, allerdings dem höchsten Gotte untergeordnet, doch eine gewisse Bedeutung und Wesenhaftigkeit besäßen, so drang in dieser Zeit die Ueberzeugung von der völligen Hohlheit und Nichtigkeit der Götter in diesem Kreise durch. Sobald diese Wahrheit, wenn auch nur in einer kleinen Gemeinde Wurzel geschlagen hatte, war ihr endlicher Sieg gewiß.

An diesen Kreis traten durch die neue Wendung unter Manasse schwere Prüfungen heran. Das Geringste war, daß diejenigen aus demselben, welche Chiskija in Richter- und Staatsämter eingesetzt hatte, von der Hofpartei aus ihrer Stellung verdrängt wurden, daß Ahroniden aus der hohenpriesterlichen Familie Zadok, welche sich an [252] dem Götzendienste nicht betheiligen mochten, aus dem Tempel gewiesen und ihrer Einnahmen von den Opfern und Gaben verlustig gingen. Die Leviten, welche bei dem Opferdienst Hand anlegen mußten und den Priestern untergeordnet waren, wurden wohl gleich den Tempelsklaven (Nethinim, Gibeoniten) zum Götzendienst gezwungen. Es traf aber die Treuen noch Härteres. Durften sie schweigen zu dieser Umkehr aller Ordnung, durften sie die Entweihung des die Heiligkeit vertretenden Tempels durch unzüchtige Bildnisse und unfläthiges Treiben mit ansehen, ohne im innersten Herzen von Schmerz ergriffen und von Eifer hingerissen zu werden? Sie schwiegen keineswegs. Die Propheten dieser Zeit erhoben laut ihre Stimme dagegen, und andere Glieder dieses Kreises haben wohl auf andere Weise ihren Abscheu vor der Frechheit der Hofpartei und ihre Erbitterung zu erkennen gegeben. Aber die Fürsten Juda's und der König Manasse schreckten vor keinem Frevel zurück. Sie erstickten die Prophetenstimmen in Blut. Wie die verruchte Isebel ließen auch sie die Propheten durch's Schwert umkommen11. Die Namen dieser Märtyrer für die lautere Gottes- und Sittenlehre sind nicht bekannt geworden. Eine Sage erzählt, Manasse habe den großen, bereits in hohem Alter stehenden Jesaia zersägen lassen.

Jesaia hat indessen schwerlich die schändliche Regierung erlebt, aber seine Jünger sind ihr wohl zum Opfer gefallen. Manasse oder seine Diener oder Herren vergossen so viel unschuldiges Blut, daß (wie die Quelle es bezeichnet), Jerusalem bis über den Rand davon voll war12. Denn nicht bloß diejenigen, welche ihren Unwillen gegen die Frevel laut werden ließen, fielen durch's Schwert, sondern auch ihre Kinder. Auch die, welche stumm nur durch Mienen oder irgendwie durch ihre Gesinnung Unzufriedenheit mit dem neuen Regierungssysteme verriethen, entgingen der Strafe nicht. Wie leicht wird es parteiischen und entsittlichten Richtern die Unschuldigsten zu schweren Verbrechern zu stempeln?

Ein Klagepsalm aus dem Munde eines duldenden Sängers der ohne Zweifel in dieser Zeit zu Gott emporgeschrieen hat, verlebendigt [253] die Unthaten dieser Zeit und die Stimmung, welche in dem Kreise der Dulderpartei herrschte:


»O, Gott des Eifers, Ihwh,

Gott des Eifers, erscheine,

Zeig' Dich hoch, Richter der Erde,

Gieb Vergeltung den Stolzen!

Wie lange sollen Frevler, Ihwh,

Wie lange sollen sie jauchzen?

Hervorsprudelnd reden Trotziges,

Sichbrüsten Uebelthäter?

Dein Volk, Ihwh, zertreten sie,

Dein Erbe peinigen sie,

Wittwen und Fremdlinge tödten sie,

Und Waisenkinder morden sie,

Und sprechen: ›Ihwh sieht es nicht,

Jakob's Gott achtet es nicht‹.

Begreift es doch, ihr Dummen im Volke,

Ihr Thoren, wann werdet ihr einsichtig werden?

Wie, der das Ohr eingepflanzt,

Sollte nicht hören?

Der das Auge gebildet,

Sollte nicht sehen?

Der Völker züchtigt, sollte nicht rügen?

Der den Menschen Erkenntniß lehrt,

[sollte nicht wissen?]

Ihwh kennt der Menschen Pläne.

Denn sie gehören ihm an.

Glücklich der Mensch, den Du, Ihwh, züchtigst

Und durch Deine Strafen belehrst.

Um die Gewässer des Unglücks für ihn zu beruhigen,

Während für die Frevler die Grube gehöhlt wird.

Denn Ihwh verstößt sein Volk nicht,

Und sein Erbe verläßt er nicht.

Zum Gerechten wird das Recht zurückkehren,

Und ihm anhangen werden alle Herzensgraden.

Wer stände für mich auf gegen Frevler?

»Wer erhöbe sich für mich gegen Uebelthäter?

Wenn nicht Ihwh mir zur Hilfe wäre,

Um ein Kleines bewahrte das stille Grab meine Seele.

Wenn ich meinte, es wankte schon mein Fuß,

So unterstützte mich Deine Gnade.

Bei der Menge meiner Sorgen in meinem Innern

Erquicken Deine Tröstungen meine Seele

Kann Dir angenehm sein der Thron des Verderbens,

Der Unheil bildet zum Gesetze?

Mögen sie sich zusammenrotten gegen das Leben des Gerechten.

Mögen sie das Blut des Unschuldigen verurtheilen,

Ihwh wird mir zur Zuversicht sein,

Gott zum Felsen meines Schutzes,

[254] Er wird ihnen ihre Gewalt vergelten,

Und in ihrer Bosheit sie beschränken,

Beschränken wird sie Ihwh, unser Gott13.


Solche Klagepsalmen, welche dem Schmerz der Treuen und Dulder über die Entfremdung der Lehre, den Abfall zum unfläthigen Götzenthum, die Verruchtheit der Richter und die Verfolgung der Unschuldigen Ausdruck gegeben haben – deren es viele in der Sammlung giebt – mögen wohl in derselben Zeit entstanden sein.

Die bis zur Grausamkeit gegen Unschuldige gesteigerte Parteilichkeit der Richter, denen die Frommen preisgegeben waren, forderte auch den Spott der Sänger heraus, und es ist nicht zu verwundern, wenn auch Flüche gegen diese Rechtsverdreher in Psalmen aus dieser Zeit eingemischt wurden.


In Wahrheit, ihr Mächtigen, ihr solltet Recht sprechen,

In Unparteilichkeit die Menschen richten.

Indeß ihr alle übet Frevel im Lande,

Mit der Gewaltthat eurer Hände verdreht ihr.

Es freveln die Bösen vom Mutterschoße an,

Sind verwirrt vom Mutterleibe,

Gift ist ihnen, gleich dem Gift einer Schlange,

Gleich einer tauben Otter, die ihr Ohr verschließt,

Nicht hört auf die Stimme des Beschwörers,

Des erfahrensten Schlangenbanners.

Gott zertrümmere ihre Zähne in ihrem Munde,

Das Gebiß der jungen Löwen zerschmettre [Ihwh],

Zerfließen mögen sie wie Wasser und zergehen.

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Freuen wird sich der Gerechte.

Wenn er Rache wahrnehmen wird,

Seine Füße wird er in der Frevler Blut waten lassen.

»Und die Menschen werden sprechen:

›In Wahrheit, Frucht (?) wird dem Gerechten,

In Wahrheit, Gott ist noch Richter im Lande14.‹


[255] Solche Psalmen mit der Verbitterung gegen die Ruchlosigkeit der Machthaber wurden wohl geheim gehalten und dienten nur dazu, die Verfolgten unter einander zu trösten und zu stärken. Prophetische Reden haben sich aber aus dieser unglücklichen Zeit nicht erhalten. Den eifervollen Gottesmännern wurde nicht Zeit gelassen, ihre Reden aufzuzeichnen. Der gewaltsame Tod machte ihre Hand erstarren, ehe sie noch zum Griffel greifen konnte, oder sie mußten ihre Gedanken zweideutig verschleiern15. Als sollte die traurige Zeit der Vergessenheit anheimfallen, haben auch die Geschichtsschreiber sehr wenig von den öffentlichen Vorgängen aufgezeichnet. Eine Judäa tiefberührende Begebenheit fiel in Manasse's Regierung vor, und die Geschichtsbücher haben sie gar nicht oder nur andeutungsweise erwähnt.

Einer der Söhne Sancherib's, welche diesen hochmüthigen Eroberer im Tempel mit vatermörderischer Hand beseitigt hatten, Nergal-Scharezer, hatte sich auf den bereits wankend gewordenen Thron von Ninive gesetzt. Auch er starb eines plötzlichen Todes durch die Hand seines Bruders Assarhaddon16, (um 680 bis 668). Dieser benutzte die Verwirrung und den Bürgerkrieg, welcher in Babylonien ausgebrochen war und mehrere Jahre dauerte, das assyrische Mutterland wieder seinem Scepter zu unterwerfen. Dadurch gekräftigt, nahm Assarhaddon wieder den Kriegszug nach Aegypten aus, dessen Eroberung sein Vater hatte aufgeben müssen. Er scheint aber seine Heere nicht zu Lande durch das halbverödete Nordpalästina und durch Juda, dessen Unterwerfung ihm Zeit geraubt hätte, geführt, sondern auf Schiffen verfördert zu haben, welche ihm die in derselben Zeit bezwungenen Phönicier hatten stellen müssen. Einige seiner Feldherren scheinen indeß an der judäischen Meeresküste gelandet zu sein, um durch Drohungen Manasse zur Unterwerfung zu bewegen. Dieser begab sich wohl persönlich zu ihnen, um einen erträglichen Frieden zu erlangen, wurde aber, wie erzählt wird, lebend zum Gefangenen gemacht und in Ketten geschlagen nach Babel abgeführt17. Es war ein schlimmes Vorzeichen für das Haus David's, welches seinem Ursprung untreu geworden war und in verblendeter Vorliebe Fremdes gehegt hat. Der Sohn Sancherib's soll in derselben Zeit Gefangene der Länder, die er unterjocht hatte, aus den Städten Babel, Chutha, Sefarwa jim beide zum [256] babylonischen Gebiete gehörig – und aus Chamath in Syrien, nach dem Gebiete von Samaria verpflanzt haben. Dieses Ereigniß, das für den Augenblick für Juda bedeutungslos war, sollte in der Zukunft folgenreich werden. Diese Exulanten, welche von der Hauptbevölkerung »Chuthäer« und von ihrem Aufenthalte »Samaritaner« genannt wurden, nahmen allmählich israelitische Gebräuche an, vermuthlich von dem kleinen Rest der Israeliten, welcher nach dem Untergange des Zehnstämmereiches noch zurückgeblieben war. Die Chuthäer wallfahrteten nach der geheiligten Stätte von Bethel, wo noch israelitische Priester den Dienst verrichteten. Man erzählte sich später, die Fremden im Samaritanischen, von Löwen angefallen, die sich während der Verödung des Landes angesammelt, hätten von einem assyrischen König sich einen israelitischen Oberpriester ausgebeten, weil sie den Anfall der wilden Thiere dem Zorne des Landesgottes zugeschrieben hätten. Der König hätte ihren Wunsch befriedigt und ihnen einen Oberpriester gesandt, der seinen Sitz in Bethel beim alten Tempel Jerobeam's eingenommen habe. Die Chuthäer fuhren aber dabei fort, ihre Götzen zu verehren, einige unter ihnen Menschen zu opfern, und wurden solchergestalt Halbisraeliten18. – Assarhaddon unterwarf darauf ganz Aegypten, setzte eigene Befehlshaber über das Nilland und brachte Siegeszeichen, darunter auch steinerne Ungethüme der Sphinxe, nach Assyrien. Auf dem Rückzuge des assyrischen Königs, während er schlimme Pläne für Juda ausgedacht zu haben scheint, scheiterten die Schiffe in Folge eines heftigen Sturmwindes in der Nähe der judäischen Küste, und das Volk entging dadurch der Gefahr, der Heimat entrissen und nach den assyrischen Ländern verbannt zu werden. Die frommen Sänger erkannten in dieser Errettung ein neues Zeichen der göttlichen Fürsorge für seine heilige Stadt und seinen heiligen Berg und besangen sie in einem schwungvollen Psalm19. Manasse selbst wurde, wie erzählt wird, aus der Gefangenschaft entlassen und nach seiner Heimath zurückgesendet von Assarhaddon oder seinem Nachfolger. Gebessert kehrte er wohl nicht zurück. Der Götzendienst und die durch Unsittlichkeit und grausame Verfolgungssucht herbeigeführten Zustände dauerten bis an sein Lebensende20. Als er starb (641), wurde er nicht wie seine Vorgänger in der Davidsstadt, sondern in dem Garten bei dem Königspalaste, in der Unterstadt Millô, im Garten Uzza begraben21, [257] wahrscheinlich unter dem Schutz eines daselbst aufgestellten Götzenbildes. Er hat wohl selbst den Ort für seine Bestattung ausgewählt und damit zu erkennen gegeben, daß er unwürdig sei, in dem Grabmal seines Urahnen David beigesetzt zu werden.

Auf ihn folgte sein Sohn Amon (640-639), der zwar bei seiner Thronbesteigung älter als sein Vater war (zwei und zwanzig Jahre), aber auch nicht mehr Einsicht als sein Vater bei seinem Regierungsantritt gehabt zu haben scheint. Das götzendienerische Unwesen mit allen seinen sittenverderbenden Folgen bestand unter ihm fort, er scheint aber nicht, gleich seinem Vater, die Prophetenpartei verfolgt zu haben. Indessen er regierte eine so kurze Zeit, daß wenig von ihm, seinen Thaten und Gesinnungen kund geworden ist.

Aus welchem Grunde waren die Großen seines Palastes unzufrieden mit ihm? War Amon vielleicht nicht eifrig genug in der Verfolgung der Andersgesinnten? Oder hat er sonst ihre Wünsche und Erwartungen durchkreuzt? Oder wollten sie während der Minderjährigkeit seines Nachfolgers die Zügel der Regierung ganz allein in die Hand nehmen? Seine Diener, d.h. der Palasthauptmann und die übrigen ihm nahestehenden Hofbeamten, verschworen sich gegen Amon und tödteten ihn in seinem Palaste (639). Beim Volke scheint aber Amon beliebt gewesen zu sein; denn es rottete sich zusammen, warf sich auf die Verschworenen, tödtete sie und setzte dessen achtjährigen Sohn Josia zum König ein (638-608). Dieser Thronwechsel hat Anfangs keine Veränderung herbeigeführt. Im Namen des unmündigen Königs herrschten wieder die Fürsten Juda's und die Königssöhne, und diese verharrten in den unter Manasse angebahnten Verkehrtheiten und suchten sie zu verewigen. Als genügte der unzüchtige Baal- Astartencultus, die babylonische Sternenanbetung und der scheußliche Dienst des Moloch durch Kinderopfer noch nicht, führten sie götzendienerische Bräuche von anderen Völkern ein, um die unersättliche Nachahmungssucht zu befriedigen. Sie sprangen beim Eintritt in den Tempel über die Schwelle, wie die Anbeter des philistäischen Dagon, kleideten sich in fremde Trachten, die ebenfalls ihren Ursprung im götzendienerischen Wesen hatten22, [258] und, seitdem die Macht der Aegypter zunahm, begannen sie auch das ägyptische Wesen und Unwesen nachzuäffen. Nach Assarhaddon's Abzug von Aegypten erhoben sich nämlich Aufstände gegen die assyrischen Statthalter, die er zurückgelassen hatte. Die Sieger über die Assyrer warfen sich zu Königen auf, und es sollen zu gleicher Zeit zwölf Könige über einzelne Theile Aegyptens geherrscht haben. Einer derselben, Psammetich, besiegte sie sämmtlich, stellte das einheitliche Königthum über Unter- und Oberägypten wieder her und machte überhaupt das geschwächte Land wieder mächtig. Er schlug seine Residenz in Saïs auf, und die von ihm gegründete saïtische Dynastie hat bis zum vorletzten König von Aegypten geherrscht. Da Psammetich darauf ausging, die ägyptische Macht namentlich über die Küstenländer der Philiste rund Phönicier auszudehnen, mehrere philistäische Städte eroberte und die sich hartnäckig vertheidigende Stadt Azotus (Aschdod) lange belagerte, so buhlten die judäischen Fürsten um Psammetich's Gunst und glaubten diese durch Annahme des ägyptischen Wesens gewinnen zu können. Selbst der ägyptische Thiercultus fand in Jerusalem Eingang. Im Eingange der Stadt waren Altäre für Böcke aufgerichtet23. Gewaltthätigkeit und Ungerechtigkeit dauerten während Josia's Minderjährigkeit fort. Die Königssöhne, die Fürsten und die schamlosen Richter glichen brüllenden Löwen und Wüstenwölfen, unterdrückten die Schwachen, beugten das Recht, verhöhnten die Unschuld und, was sie nicht durch Gewalt erreichen konnten, erhaschten sie durch List. Aber die blutige Verfolgungswuth gegen die Prophetenpartei, wie sie sich unter Manasse geäußert hatte, scheint sich gemindert zu haben. Die [259] Zahl der sanftmüthigen Dulder, welche sich an den Gott Israels anklammerten und seine Gebote befolgten, hatte zugenommen24.

Aus diesem Kreise gingen unter Josia eine Reihe von Propheten hervor, welche der verhöhnten reinen Gotteslehre und dem geschmälerten Rechte ihren Mund und ihren Feuereifer liehen und eine günstige Wendung herbeiführten; es war das vierte Geschlecht der Propheten. Auch eine Prophetin erstand in dieser Zeit, deren Aussprüche, wie die Debora's, gesucht wurden. Der älteste unter dem späten Nachwuchs der Propheten war Zephanja. Er stammte aus Jerusalem aus einer angesehenen Familie, deren Ahnen bis zum vierten Geschlecht bekannt waren25. Freimüthig geißelte er die Gebrechen seiner Zeitgenossen, ihre sittliche Verderbniß und ihre götzendienerische Verkehrtheit, ganz besonders die der Großen und Königssöhne, welche in die Nachäffung des Ausländischen ihren Ruhm gesetzt hatten. Wie die alten Propheten Amos und Joël verkündete er das Hereinbrechen eines »furchtbaren Tages des Herrn«, »eines Tages der Düsterheit und des mitternächtlichen Dunkels, eines Tages des Gewölks und des dichten Nebels, eines Tages des Zornes und der Kriegsdrommete über die selten Städte und die hohen Zinnen«:


»Ich werde die Menschen einengen,

Daß sie wie Blinde wandeln.

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Ihr Silber und Gold wird sie nicht retten können

Am Tage des entbrennenden Zornes,

Und an seinem Feuereifer wird das Land entzündet werden26.


Auch über die andern Völker verkündete Zephanja Unheil, über das Philisterland, das von Phöniciern bevölkert war, über Ammon und Moab, welche stolz auf das Volk Gottes schmähten. Besonders aber dem stolzen Ninive prophezeite er einen schmählichen Untergang27.

Zur selben Zeit begann in der That das allmähliche Sinken Assyriens von seiner Höhe. Die Völker, die nicht schon früher abgefallen waren, lösten sich unter dem vorletzten assyrischen Könige (Samuges?) los, oder wurden von den Medern zum Abfall gezwungen, um von ihnen unterjocht zu werden. Der zweite medische König Phraortes (Frawartsch) unterwarf Volk auf Volk, zuletzt auch die Perser und mit diesen vereint unternahm er einen Feldzug gegen Ninive. Indessen waren die Assyrer, obwohl von Bundesgenossen verlassen, noch stark und kriegerisch genug, dem medischen Heere eine Niederlage beizubringen (635), wobei Phraortes [260] das Leben verlor. Aber sein Sohn Kyaxares, der noch unternehmender und kühner als sein Vater war, beeilte sich den Tod des Vaters zu rächen, sammelte ein zahlreiches Heer, das er nach den verschiedenen Waffengattungen eintheilte, fiel in Assyrien ein, schlug das feindliche Heer und rückte vor Ninive (634). Während er aber die assyrische Hauptstadt belagerte, ereilte ihn die Kunde, daß rauhe, wilde, häßliche Horden ohne Zahl aus den Steppen am Don, der Wolga, aus dem Kaukasus und der Nähe des Kaspisees, die wilden Scythen oder Saken slawischen Stammes, mit einem Gefolge unterjochter Völkerschaften, in Medien eingefallen waren und weit und breit zu Roß umherschweiften, raubend und plündernd, sengend und brennend und kein Menschenleben schonend. Kyaxares war dadurch gezwungen, die Belagerung von Ninive aufzuheben und sein Heer zur Sicherung seines eigenen Landes zurückzuführen. Er war aber nicht im Stande die Horden zu besiegen, sondern mußte sich ihnen unterwerfen und Tribut zahlen. Dies Wandervolk der Scythen, das auf Raub und Anhäufung von Schätzen ausging, begnügte sich aber nicht mit der Unterwerfung Mediens, sondern überzog auch Assyrien mit Verheerung. Auch der assyrische König mußte sein Reich mit den zahlreichen Schätzen seiner Paläste loskaufen. Von Assyrien aus wendeten sie sich wohl westwärts zu den reichen Städten Phöniciens, zogen dann die Meeresküste entlang in's Philisterland (um 632), in der Absicht auch Aegypten zu überschwemmen, dessen Reichthümer sie angezogen hatten. Der König Psammetich brachte ihnen reiche Schätze entgegen und bewog sie, durch flehentliche Bitten von seinem Lande abzustehen. Darauf verließ ein großer Theil der Scythen diese Gegend und zog wieder nach Norden; ein Theil derselben warf sich wohl auf Kleinasien. Ein anderer Haufen blieb noch im Philisterlande, richtete da Verwüstungen an und verbrannte den Tempel der assyrischen Göttin der Unzucht, der Mylitta. Von Philistäa aus schwärmten die Scythen auch in das benachbarte Judäa, richteten auch da Verheerungen an, schleppten die Herden der Hirten weg und verbrannten Städte und Dörfer28. Jerusalem scheinen sie aber nicht betreten zu haben, wahrscheinlich ging ihnen der junge König Josia mit seinem Palastaufseher entgegen und bewog sie durch Ueberreichung von Schätzen, die Hauptstadt zu verschonen.29

Diese Schreckenszeit, in welcher stets schauerliche Gerüchte von verbrannten Städten und grausam getödteten Menschen die Völker weit und breit mit Entsetzen erfüllten, machte in Judäa einen gewaltigen[261] Eindruck. Wenn nicht die Vorausverkündigungen der Propheten, so haben doch die Thatsachen selbst die Verkehrtheit des Götzenthums augenfällig als Thorheit erkennen lassen. Haben die Götter der Assyrer, Babylonier, Phönicier, der Philister diese Völker vor dem Anprall der wilden Scythen retten können? Eine Sinnesänderung trat in Folge dessen wenigstens unter der Bevölkerung Jerusalems ein und am tiefsten im Gemüthe des Königs Josia. Er war von Natur mild, fromm und empfänglich; nur aus Gewohnheit hatte er den götzendienerischen Unfug bestehen lassen, ohne davon mit ganzer Seele eingenommen zu sein. Die gewaltigen Ereignisse machten ihn aufmerksam, daß er und sein Volk auf verkehrten Wegen wandelten. Er wagte indeß, zu einer besseren Ueberzeugung. gelangt, nicht das Götzenthum aus der Hauptstadt und dem Lande, welches länger als ein halbes Jahrhundert seit der Regierung seines Großvaters eingeführt war, zu beseitigen. Die Fürsten Juda's, welche die Macht in Händen hatten und mit ihrem ganzen Wesen dem Götzenthum anhingen, mochte er nicht gegen sich reizen. Es gehörte dazu ein heldenhafter Entschluß, und dazu konnte sich Josia nicht aufraffen. Es galt also, ihn zur That, zur Geltendmachung seines königlichen Ansehens über seine Umgebung, die ihn umstrickte, aufzurütteln. Die Prophetenpartei arbeitete auf dieses Ziel hin, Josia zu bewegen, die Verehrungsweise des ureigenen Gottes und die Beseitigung der fremden Culte durchzusetzen. Indessen nur nach einer Seite that er einen Schritt; er unternahm es, den Ihwh geweihten Tempel seiner Vereinsamung und seiner Baufälligkeit zu entreißen. In Folge der Einführung der fremden Culte war der Haupttempel, wenn auch nicht ganz vernachlässigt, so doch weniger beachtet. Gab es doch so viele Stätten der Verehrung, die sämmtlich in höherem Ansehen standen, so viele Götter wie Städte. Die Mauern, Hallen und Gebäude des Tempels bekamen Risse und drohten einzustürzen, die Verzierungen waren verunstaltet30. Wer sollte sich darum kümmern? Die Ahroniden, denen die Obhut des Tempels anvertraut war, hatten sich für die fremden Culte verkauft, und die Treugebliebenen waren in Ungnade gefallen und aus dem Tempelumkreise verbannt. Diesem äußerlichen Verfall suchte Josia zunächst zu steuern. Er berief wieder die verbannten Ahroniden und Leviten zum Tempeldienste und trug ihnen auf (um 627) für die Sammlung der Spenden zur Ausbesserung des Tempels Sorge zu tragen. An die Spitze derselben stellte er den Hohenpriester Chilkija31, Sohn des Meschullam (oder Schallum), dessen Haus [262] vom Götzendienst unbefleckt geblieben war. Wie sollten aber die Kosten für die Ausbesserung zusammengebracht werden? So erkaltet war die Liebe der Reichen zum Tempel, oder so verarmt war die Bevölkerung durch die Räubereien der Scythen kurz vorher geworden, daß auf freiwillige Spenden, wie zur Zeit des Königs Joasch ungefähr zwei Jahrhunderte vorher (o. S. 55), nicht gerechnet werden konnte. So mußte förmlich um Gaben und Spenden für die Ausbesserung des Heiligthums gebettelt werden. Levitische Thorwärter gingen durch Stadt und Land von Haus zu Haus und baten um Beiträge dafür32.

Indessen so eifrig sich auch der König Josia um den Tempel kümmerte, so fehlte ihm doch die Entschlossenheit, gegen die Verkehrtheit [263] des Götzenthums vorzugehen, obwohl bereits eine geringe Rückkehr eines Theiles der Großen bemerkbar war, die bereits bei Ihwh schworen, wenn sie auch dem Götzenthume huldigten33. Es mußten erst andere Ereignisse auf Josia eindringen, ehe er sich dazu ein Herz faßte. Von zwei Seiten kam der Anstoß, der den König bewog, diesen letzten Schritt zu thun. Der Anstoß kam von der einen Seite von einem Propheten, welcher im zarten Jugendalter eine kräftige und überwältigende Sprache führte, und von der anderen Seite von einem Buche, welches dem König seine Halbheit augenscheinlich machte. Beide haben mit siegreicher Gewalt in einem größeren Kreise eine bessere Gesinnung herbeigeführt und der alten Lehre Jugendlichkeit und den Schmelz der Poesie verliehen. Der Jüngling war der Prophet Jeremia und das Buch eine neue Offenbarung oder vielmehr die neue Auslegung zur alten Offenbarung. Wie fruchtreich der alte Stamm Juda's trotz der mehr als ein halbes Jahrhundert dauernden Verkümmerungen unter Manasse, Amon und auch unter Josia's ersten Regierungsjahren noch immer war, beweist nichts augenscheinlicher, als die zwei duftenden Blüthen, welche sich daraus zum Lichte ringen konnten.

Jeremijahu (abgekürzt Jirmija, Jeremia), Sohn des Ahroniden Chilkijahu (geb. 645-640 st. 580-570) stammte aus der kleinen Stadt Anatoth (11/2 Stunden nordöstlich von Jerusalem) im Stamme Benjamin. Er war von Hause aus, wenn auch nicht mit Gütern gesegnet, so doch nicht arm. Sein Oheim Schallum und dessen Sohn Chanamel mütterlicherseits besaßen ein erbliches Grundstück in Anatoth34.

Reich und voll war aber Jeremia's Seele, klar gleich einem hellen Spiegel oder einer grundtiefen sprudelnden Quelle. Von Gemüth weich und zur Traurigkeit geneigt, machte der sittlich-religiöse Zustand seiner Umgebung schon in zarter Jugend einen wehmüthigen Eindruck auf ihn. Das Falsche, Verkehrte, Unwürdige war seiner Seele zuwider und erfüllte ihn, wo er es bemerkte, mit Trauer. Wie viel Antheil die Erziehung an seiner Seelenstimmung hatte, läßt sich nicht bestimmen Sein Vater Chilkija und seine Verwandten zeichneten sich durch nichts aus, waren Priester gewöhnlichen Schlages. Seine Landsleute, die Priester aus Anatoth, haben ihn, seitdem er zu wirken begann, mit so glühendem Haß verfolgt, daß sie unmöglich die Richtung seines Geistes vorgezeichnet haben können. Wohl aber haben die hinterlassenen [264] Schriften der älteren Propheten Einfluß auf seine Stimmung und Gesinnung geübt. Er vertiefte seine Seele so sehr in sie, daß er ihre Gedanken, Wendungen und Worte wie eigene gebrauchte35. Diese Beschäftigung mit der schriftlichen prophetischen Hinterlassenschaft gab seinem Geiste die Richtung, erfüllte ihn mit erhabenen Vorstellungen von Gott und der sittlichen Weltordnung, von Israels großer Vergangenheit und seiner Bedeutung für die Zukunft und lehrte ihn, das Niedrige und Unsittliche zu hassen, so wie das Thörichte und Nichtige des Götzenthums zu verachten.

Mit dieser erhabenen Anschauung erfüllt, fühlte er sich in seiner Umgebung, in der kleinen Stadt Anatoth wie fremd. Denn die dortigen Ahroniden huldigten ebenfalls der Tagesthorheit und, so oft er die kurze Strecke von seiner Geburtsstadt nach Jerusalem zurücklegte, erblickte er diese Thorheit in größerem Maßstabe und noch dazu Laster und Verbrechen. Dagegen anzukämpfen fiel ihm wegen seiner Jugend und seiner angeborenen Schüchternheit nicht ein. Mit einem Male kam der prophetische Geist über ihn. Deutlich vernahm er eine Stimme, wie einst Samuel im Zelttempel zu Schilo, die ihm zurief: »Ehe ich dich im Mutterleib gebildet, habe ich dich erkannt, und ehe du den Mutterschoß verlassen, habe ich dich geweiht, zum Propheten für die Völker habe ich dich bestimmt«. Schüchtern erwiederte er darauf: »O, weh, Herr, Ihwh! Ich verstehe ja nicht zu sprechen, denn ich bin jung«. Darauf die Stimme: »Sprich nicht, ich bin jung, sondern gehen sollst du, wohin ich dich senden und sprechen sollst du, was ich dir auftragen werde«. Zugleich fühlte er seinen Mund wie von einer Hand berührt und es sprach: »Ich habe meine Worte dir in den Mund gelegt. Sieh'! ich setze dich heute über Völker und Reiche, Zerstörung, Zertrümmerung, Vernichtung und Einsturz zu verkünden, aber auch Wiederaufbau und Anpflanzung«. Dann erblickte er einen Zweig mit Mandelblüthen und einen brodelnden Topf beim Feuer nach Norden gewendet. Das Eine bedeutete für ihn: »wachsam zu sein, das Wort auszuführen« und das andere, »daß das Unglück von Norden über die Bewohner des Landes kommen werde«. Zum Schluß wurde er ermahnt, stark zu sein, sich nicht zu fürchten, zu sprechen gegen die Könige, Fürsten, Priester und das Volk. Sie würden ihn zwar anfeinden, aber ihm so wenig beikommen können, wie einer Säule von Eisen oder einer Mauer von Erz.

[265] Solchergestalt war Jeremia's Weihe zum Propheten, und er theilte sie Andern mit, entweder in Anatoth oder in Jerusalem. Die Darstellung dieser seiner Berufung hält zwar keinen Vergleich aus mit der einfachen Erhabenheit und Tiefe, mit der sich Jesaia zuerst als Prophet bewährte (o. S. 110), und seine rednerische Begabung überhaupt nicht mit der künstlerischen Beredtsamkeit des Sohnes Amoz'. Aber was ihr an Schönheit und Schwung abgeht, das ersetzt sie durch Gemeinverständlichkeit und Bestimmtheit. Die Zeit erforderte eine andere Art Beredtsamkeit, als früher. Die sittlichen Schäden waren tief in das Volksleben eingedrungen, und es war Gefahr im Verzuge, wenn nicht schnelle Heilung versucht wurde. Jeremia sprach auch nicht mehr wie die früheren Propheten zu einem gebildeten, kleinen Kreise, sondern zu einer großen Volksmenge, zu den Fürsten, zu den Bewohnern Jerusalems und dem Volke Juda. Für solche waren künstlerische Feinheiten der Rede übel angebracht, deutlich und faßlich mußte gesprochen werden, damit die Rede wirken sollte, und so sprach Jeremia meistens in schlichter Prosa, nur hin und wieder flocht er rednerische Blumen ein. Noch eine andere Eigenthümlichkeit zeichnete Jeremia's prophetische Reden aus. Die meisten Propheten der früheren Zeit verkündeten im Halbdunkel von einer entfernten Zukunft, prophezeiten einen »fürchterlichen Tag des Herrn«, welcher eine völlige Umwälzung herbeiführen werde, und darauf werde eine ideale Zeit für Israel anbrechen. Die Strafandrohungen und die Heilsverkündigungen der alten Propheten mit alleiniger Ausnahme Jesaia's waren zumeist unbestimmt gehalten. Dadurch hatte die zu Spott geneigte Bevölkerung Jerusalems die prophetische Unheilsverkündigung in den Wind geschlagen. »Die Tage werden sich hinziehen und die Prophezeiungen werden sich nicht erfüllen« sprach sie, oder »sie prophezeien für entlegene Tage und entfernte Zeiten«36. Dieser spöttischen Gleichgültigkeit gegen die prophetische Verkündigung sollte Jeremia entgegenarbeiten. Er sollte das Strafgericht über Juda und Jerusalem für die nächste Zukunft vor Augen führen, es sollte sich noch zu seiner Zeit vollziehen. Mehr als seine sämmtlichen Vorgänger, selbst als Jesaia, war Jeremia mit einer unwiderlegbar wunderbaren prophetischen Vorschau begabt. Er verkündete zuerst von Jahr zu Jahr, später, als das tragische Verhängniß näher rückte, von Monat zu Monat die Ereignisse im Voraus, und seine Vorschau erfüllte sich mit staunenswerther Bewährung. Nicht in zweideutigen Traumgesichtern erblickte er die Zukunft, sondern am lichten Tage, mit wachen Sinnen und im Verkehr mit der Außenwelt. Darum sprach [266] er nicht in Räthseln, deutete nicht künstliche Anspielungen an, sondern nannte die Dinge beim rechten Namen.

Diese sonnenhafte Prophetenseele hatte von der ersten empfangenen Anregung an in Josia's dreizehntem Regierungsjahr (626), ein Jahr nachdem sich dieser König ein wenig aus der trägen Gewohnheit aufgerafft hatte, die schwere Aufgabe, fast ein halbes Jahrhundert hindurch das verirrte Volk auf den rechten Weg zurückzuführen. Sobald der Auftrag an Jeremia herangetreten war, ohne Menschenfurcht zu sprechen, schwand auch seine Schüchternheit und Weichheit. Er schilderte selbst die Empfindungen, welche der prophetische Geist in ihm hervorgerufen hatte. Es glühte in ihm wie Feuer und hämmerte in ihm wie mit einer eisernen Keule, welche Felsen zerschmettert37. »Es war aber in meinem Innern wie loderndes Feuer eingeschlossen, ich strengte mich an, es zu ertragen, vermochte es aber nicht«38. Seine erste Rede gegen den Abfall des Volkes von seinem eigenen Ursprung, gegen das götzendienerische Unwesen und gegen die unsittlichen Gräuelthaten ist von hinreißender Kraft: »Höret Ihwh's Wort, Haus Jakob's und alle Geschlechter des Hauses Israel! So spricht Gott: ›Was für Unrecht haben eure Vorfahren an mir gefunden, daß sie mich von mir hinweg entfernten und dem Nichtigen nachwandelten und selbst nichtig wurden? Sie sprachen nicht: »wo ist Gott, der uns aus Aegypten befreit, uns durch die Wüste geführt, durch ein Land der Steppe und Oede, durch ein Land der Dürre und Düsterheit, durch ein Land, welches Niemand durchwanderte und kein Mensch bewohnte?« Ich brachte euch in ein Land von Fruchtgefilden, um dessen Fett und Gut zu zehren, da kommt ihr hinein und verunreiniget mein Land, und mein Erbe macht ihr zum Abscheu. Die Priester sprachen nicht: »wo bleibt Ihwh«, und die Inhaber der Belehrung kennen mich nicht, die Hirten weichen von mir, die Propheten prophezeiten durch Baal und gehen den nichtsnutzigen (Götzen) nach ... Zieht zu den Eilanden der Cyprier und sehet euch um, sendet nach Kedar und merkt wohl auf und sehet zu: Ist je so Etwas geschehen? Hat ein Volk seine Götter vertauscht? Und sie sind doch Ungötter! Mein Volk hat aber meine Hoheit durch Nichtsnutziges vertauscht ... Zwei Uebel hat mein Volk gethan, mich, die Quelle lebendigen Wassers, haben sie verlassen, sich zerbröckelnde Cisternen zu graben, die das Wasser nicht halten. Ist Israel ein Knecht oder ein hausgeborener Sklave? Warum ist es zur Verachtung geworden, daß junge Löwen es anbrüllen und sein Land zur Wüste [267] gemacht, seine Städte verbrannt haben? ... Auch die Söhne von Memphis und Taphnai39 werden dir den Wirbel zerschmettern ... Was hast du von der Reise nach Aegypten? Wasser vom Schichor zu trinken? Und was hast du von der Reise nach Assyrien? Wasser vom Euphrat zu trinken? Denn vor Alters habe ich dein Joch zerbrochen, deine Bande zerrissen, da sprachst du: ›ihm will ich dienen‹. Aber auf jedem hohen Hügel und unter jedem frischen Baume bist du als Buhlerin gebettet. Ich habe dich als Edelrebe eingepflanzt, ganz echter Samen, und wie bist du verwandelt worden in Gifttrauben des fremden Weinstocks! Selbst wenn du dich mit Lauge wüschest und Reinigungsmittel kauftest, bleibt geröthet deine Schuld vor mir. Wie wagst du nur zu sprechen: »Ich habe mich nicht verunreinigt, bin dem Baal nicht nachgegangen! Siehe, das Treiben im Thale (Hinnom), erkenne, was du gethan, ein leichtfüßiges junges Kameel, das geschlängelte Pfade rennt ... (Ich sprach): »Schone deinen Fuß, unbeschuht zu werden und deine Kehle zu dürsten« Da erwiderst du: »aufgegeben! Nein, ich liebe Fremde, und ihnen will ich nachgehen!« Wie der Dieb erröthet, wenn er ertappt wird, so sollte das Haus Israel erröthen, seine Könige, Fürsten, Priester und Propheten, die da zum Holze sprechen: ›du bist mein Vater‹ und zum Stein: ›du hast mich geboren‹. Denn sie haben den Rücken und nicht das Gesicht mir zugewendet; aber zur Zeit ihrer Noth werden sie sprechen: ›Erhebe dich und hilf uns!‹ Wo sind aber deine Götter, die du dir gemacht hast? Mögen sie sich erheben, ob [268] sie dir helfen können in deiner Noth. Denn so viel deine Städte, so viel sind deine Götter, o Juda!‹

Nicht bloß gegen die verkehrte Götterverehrung sprach der junge Jeremia zermalmende Worte, sondern auch gegen die häufige Blutschuld: »Vergeblich habe ich eure Söhne gezüchtigt, sie nahmen keine Zucht an. Euer Schwert vertilgte eure Propheten wie ein reißender Löwe ... Vergißt eine Jungfrau ihren Schmuck, die Braut ihren Gürtel? Mein Volk aber vergaß mich Tage ohne Zahl. Wie machst du deinen Gang schön, Liebe zu suchen! Auch an Schlechtigkeit hast du deinen Gang gewöhnt. Auch an deinen Zipfeln findet sich das Blut von den Leichen unschuldiger Dulder. Nicht beim Einbruch hast du sie ertappt. Trotz alledem sprichst du: »Ja, ich bin unschuldig, möge sein Zorn nur von mir weichen.« So werde ich mit dir in's Gericht gehen, weil du sprichst: »Ich habe nicht gesündigt.« Wie sehr erniedrigst du dich, in deinem Weg wandelbar zu sein! Auch von Aegypten wirst du beschämt sein, wie du von Assyrien beschämt warst; auch von diesem wirst du gehen, die Hände über den Kopf zusammengeschlagen; denn Gott verwirft deine Stützen, und du wirst an ihnen kein Glück haben«40. In diesem Sinne und in dieser Art sprach Jeremia wahrscheinlich öfter unter Josia.

Solche Worte aus einem jungen Munde können ihren Eindruck nicht verfehlt haben. Einige edle Familien wendeten sich von dem wüsten Treiben ab und bekehrten sich zu dem von Jeremia und andern Propheten bekannten Gott. Die Familie Schaphan41, welche eine hohe Stelle einnahm, schloß sich der Prophetenpartei an und vertheidigte sie mit Nachdruck. Der König Josia selbst, als ihm die Kunde von dem Worte des jungen Propheten zu Ohren gekommen war, mag in seinem Vorhaben, die Ihwhverehrung durchzusetzen, bestärkt worden sein. Die Wiederherstellung des baufälligen Tempels betrieb er mit Ernst. Er gab (621) dreien seiner hohen Beamten, dem Listenführer Schaphan, Sohn Azaljahu's, dem Stadthauptmann Maaßejah und dem Kanzler Joach, Sohn Joachas'42 den Auftrag, den Hohepriester Chilkija zu bestimmen, die gesammelten Beiträge endlich zu ihrem Zwecke [269] zu verwenden, das Silber den höheren Beamten zu übergeben, welche dafür theils Baustoffe ankaufen und theils die Baumeister bezahlen sollten. Als Chilkija die Beiträge ablieferte, übergab er Scha phan zugleich eine große Rolle, mit den Worten: »Das Gesetzbuch habe ich im Tempel gefunden.« Schaphan las die ihm eingehändigte Rolle und war von dem Inhalte derselben so betroffen, daß er dem König bei der Berichterstattung über die gesammelten Beiträge zugleich von dem Fund desselben Mittheilung machte43. Dieses Buch hat eine außerordentliche Wirkung hervorgebracht. Was war der Inhalt dieses Buches?


Fußnoten

1 Vergl. Deuteron. 13, 7 fg.


2 Daß die Königssöhne, d.h. die Prinzen und die Fürsten, Anhänger des eingeführten Götzencultus waren, folgt aus Zephanja 1, 5-9 ךלמה ינב לעו םירשה לע יתדקפו. Zephanja hat zwar erst zur Zeit Josia's prophezeit; allein da der Götzendienst von Manasse an bis zum 18. Regierungsjahr Josia's gedauert hat, so gilt das, was Zephanja von der Josianischen Zeit vor der Reform schildert, auch von Manasse's Zeit. Dazu gehört noch das. 3, 3-4.


3 Was Könige II, 21, 7 הרשאה לספ und 23, 6 הרשאה genannt wird, heißt Chronik II, 33, 7 bestimmter לספ למסה. Es ist wohl identisch mit dem, was Ezechiel 8, 5 האנקה למס und V. 3, הנקמה האנקה למס genannt wird, nämlich הנקמה gleich אנקמה [hamekane], das Eifersucht erregen sollte. Das Wort למס kommt nur noch Deuteron. 4, 16 vor und ist wahrscheinlich assyrischen Ursprungs als Bezeichnung für Mylitta; daher wird es auch mit הרשא identificirt.


4 Könige das. 23, 7: הרשאל םיתב םש תוגרא םישנה ist unverständlich. Für מיתב zu lesen םידגב, etwa nach Peschito, macht es nicht verständlicher. LXX haben dafür Χεττιείμ und das Targum ןליכמ [mechilan]. Die ses Wort erinnert an אליכ und אתליכ, ursprünglich ein »Brautgemach« und dann »ein Bett mit Vorhängen«. Das Wort הבק Numeri 25, 8 giebt die P. durch אתליק wieder, was von κέλλα cella herkommt. Kurz םיתב bedeutet hier höchst wahrscheinlich Zellen, vielleicht für םיתבק. Es erinnert an die Relation Herodot's (I, 199), daß die babylonischen Weiber einmal im Jahre sich für die Mylitta dem ersten besten preisgaben, der ihnen zurief: »ἐπικαλέω τοὶ τὴν ϑεὸν Μυλίτταν«, und ihnen ein Silberstück in den Schoß warf. Diese religiöse Unzucht wurde getrieben nach Herodot ἔξω τοῠ ἱεροῠ »außerhalb des Tempels«, also gewiß in abgesonderten Zellen in der Nähe des Tempels, auf geweihtem Raume: ἐν τεμένει. Derselbe unzüchtige Gebrauch herrschte wohl auch bei den Assyrern: denn Herodot bemerkt das., daß Aphrodite von den Assyrern Mylitta genannt wurde.


5 Zephanja 1, 12 b.


6 Ezechiel 20, 32; Deuteron. 12, 30 fg.


7 Ezechiel 44, 7. 9; Zacharia 14, 21: דוע ינענכ היהי אלו תואבצ 'ה תיבב; vergl. folgende Note.


8 Könige das. 23, 5. 8. 9; Zephanja 1, 4 werden םינהכה םע םירמכה genannt, als Götzendienst treibend. Vergl. Ez. 44, 15; 48, 11, daß nur Nachkommen des Hauses Zadok sich davon frei gehalten haben.

9 S. Note 5.


10 Jeremia Kap. 10; Deuteron. 10, 17-18.


11 Könige II, 21; 10-16 ist eine lange Periode, welche durch םיאיבנה וידבע דיב 'ה רבדיו eingeleitet und mit דאמ הברה השנמ ךפש יקנ םד םגו abgeschlossen wird. Offenbar bezieht sich das »vergossene unschuldige Blut« auf die Propheten in der Einleitung. Darauf weist auch Jeremia 2, 30: היראכ םכיאיבנ םכברח הלבא תיחשמ, d.h. sie haben Propheten-Mord begangen. Vgl. Nehem. 9, 26. Die Nachricht im Talmud und Origenes, daß Manasse den Propheten Jesaia habe zersägen lassen, ist wohl nur eine Sage; vgl. o. S. 109, Note 2 über Jesaia's Lebensdauer.


12 Könige das. 21, 16.


13 Ps. 94. Man ist weit eher berechtigt, diesen Ps. als – mit Ewald – Ps. 10 u. 140-142 auf Manasse's Zeit zu beziehen. V 21 ועישרי יקנ םדו entspricht ganz ךפש יקנ םד םגו (o. S. 253), V. 7 אלו הי הארי אל ורמאיו בקעי יהלא ןיבי hat die Parallele an Zephanja 1, 12 b אלו ערי אל 'ה ביטיו. Kann Manasse's Mißregierung drastischer bezeichnet werden, als durch תווה אסכ V. 20: »Thron des Unheils« und durch קח ילע למע רצי »der Elend zum Gesetze bildet, stempelt«, das. b.? So erklären diesen Halbvers richtig Raschi und andere Komment. קח ילע = קחל oder קח לא. Ueber das Exege tische dieses Ps. an einem andern Orte, [jetzt im Ps.-Comm. S. 524 f.].


14 Ps. 58. Die Correctheit der Sprache und der poetische Gang weisen ihn in die ältere Zeit und die Erbitterung gegen die ungerechten und schamlosen Richter weisen ihn in Manasse's Zeit. Ueber das Exegetische d. Ps. s. Frankel-Graetz, Monatsschr. Ig. 1872, S. 386 fg.


15 Der Prophet Nahum ישקלאה hat wohl in Manasse's Zeit gesprochen, vgl. dies. Monatsschr. Ig. 1874, S. 542. 546, man findet aber in seiner Rede keine Anspielung auf die Mißstände der Zeit.


16 Vergl. das. S. 536 fg. [Die neuere Litteratur in Schraders Artikel »Asarhaddon« bei Riehm-Baethgen.]


17 Chronik II, 33, 11; s. Monatsschr. das. S. 539 fg., 545 fg.


18 Könige II, 17, 24 fg. Esra 4, 1-2. Vgl. Monatsschr. das. 540 fg.; aus Könige das. 23, 19-20 folgt übrigens, daß noch in Josia's Zeit israelitische Priester in Bethel waren.


19 Monatsschr. das. 540 fg. 546 fg.


20 Das. 540 fg.


21 Könige II, 21, 18 fg., auch für das Folgende.


22 Außer der Nachricht Könige II, 23, 4 fg. über die Vertilgung des Götzendienstes durch Josia, der also bis dahin bestanden hat, dient noch als Quelle für diese Zeit Zephanja 1, 4-9. In V. 5 םכלמב םיעבשנה [bamalkam] ist םכלמ gleich םכלמ [milkam] und ךלמ [molech], wie es das Targum richtig wiedergiebt. In V. 8 ירכנ שובלמ םישבלה und V. 9 ןתפמה-לע גלוד sind durchaus götzendienerische Bräuche genannt. Es ist wichtig für die historischen Verhältnisse, Zephanja's Reden chronologisch zu präcisiren. Die Erste (1-2) läßt sich ziemlich genau fixiren, nicht bloß im Allgemeinen als Josia's Reformation vorhergehend, sondern auch speciell und chronologisch dahin, daß sie den ersten Negierungsjahren Josia's angehört. 2, 4 wird Askalons und Aschdods (Azotus) blühender Bestand vorausgesetzt םירהצב דודשא הממשל ןולקשא הושרגי. Nun wurde Azotus von Psammetich erst nach 29 jähriger Belagerung eingenommen, wie Herodot mit dem Zusatz berichtet, daß, so viel er sich erinnere, keine Stadt eine so lange Belagerung ausgehalten habe (II, 157): τῶν τὰ ένὸς δέοντα τριἠκοντα Ἄζωτον τῆς Συρίƞς μεγάλƞν πόλιν προς καϑἠμενος ἐπολιόρκεε [ό Ψαμμἠτιχος] ἐς ο ἐξεῖλε. Nun hat Psammetich nach Herodot und nach Manetho's Dynastieenliste 54 Jahre regiert und zwar nach der Annahme der meisten Aegyptologen 665-611 v. Chr. Selbst wenn man annähme, daß er Azotus im letzten Jahre seiner Regierung erobert hätte, so muß die Belagerung um 640 begonnen haben, d.h. in Josia's ersten Regierungsjahren. Folglich sprach Zephanja noch vor Azotus' Belagerung. Es folgt auch aus Zephanja's Aeußerung 1, 9 המרמו םמח םהינדא תיב םיאלממה, daß der König Josia noch unselbstständig war, und nur die Fürsten den Palast durch Gewalt und List mit Schätzen gefüllt haben. [Vgl. Meyer a.a.O. I, S. 552 f. 562.]


23 Könige 23, 8b: םירעשה תומב oder nach LXX οἶκος τῶν πυλῶν hat keinen Sinn. Es scheint םיריעשה gelesen werden zu müssen. [Ebenso Klostermann, z. St]


24 Zephania 2, 3.


25 Das. 1, 1.


26 Das. 1, 14 fg.


27 Das. 2, 9 fg.


28 Das. Kap. 2, 10 fg. [Vgl. Meyer a.a.O. S. 555 ff.]


29 S. Note 8.


30 Folgt aus Könige II, 22, 5-6.


31 Dieser Hohepriester und seine Nachkommen sind historisch. An 4 Stellen kommt der Name der Ascendenz von mehreren Gliedern und der Descendenz bis zu dem Hohenpriester des Exils vor, Chronik I, 5, 39-40 היקלח םולש; 9, 11 םלשמ ןב היקלח; Esra 7, 2 םולש ןב היקלח; Nehemia 11, 10 םלשמ ןב היקלח. Daß diese Familie sich rein erhalten hat, folgt aus der Angabe bei Ezechiel (o. S. 251). Chilkija muß also bei der ersten Unternehmung zur Ausbesserung des Tempels von Josia eingesetzt worden sein. Könige das. 22, 4: ףסכה תא םתיו לודגה ןהכה והיקלח לא הלע muß übrigens gelesen werden ךתיו, wie das. V. 9 [Vgl. jedoch Klostermann z. St.]. Daraus folgt, daß Chilkija schon früher den Anfang gemacht hatte, Silberspenden zu sammeln. Wenn die Sammlung ausgiebig werden sollte, erforderte sie mehrere Jahre (vergl. Könige das. 12, 5-7). So muß Josia diesen Auftrag an Chilkija mehrere Jahre vor dem achtzehnten Regierungsjahr ertheilt haben. Wenn Chronik II, 34, 3-7 den Anfang der Reinigung des Tempels und des Landes vom Götzenthume im zwölften Jahre beginnen läßt, so scheint das Datum richtig zu sein. Auf der einen Seite heißt es, daß Josia noch vor dem achtzehnten Jahre Eifer für die Ausbesserung des Tempels gezeigt habe, was seinen Eifer für Ihwh voraussetzt, und auf der andern Seite, daß die Reform erst mit dem achtzehnten Jahre begonnen habe. Wie ist dieser Widerspruch auszugleichen? Die Chronik löst ihn durch die Annahme, daß die Reform bereits im zwölften Jahre begonnen habe: רהטל לחה הנש הרשע םיתשבו. Der Chronist muß jedenfalls das Datum 12 irgendwo gesunden haben – für den Beginn der Interessenahme Josia's am Tempel, und unter dieses Datum hat er das Faktum der Reform subsumirt.


32 Vergleicht man die Erzählung von der Ausbesserung des Tempels Könige II, 12, 5-6; 10 fg. unter Joasch mit der das. 22, 4 fg. unter Josia, so bemerkt man einen bedeutenden Unterschied, welcher den Auslegern entgangen ist. Hier nämlich heißt es: ףסכה םעה תאמ ףסה ירמש ופסא רשא 'ה תיב אבומה, die Schwellenhüter haben das Geld erst sammeln müssen, d.h. die Spenden sind nicht freiwillig eingegangen, sondern wurden erst durch eine Collecte zusammengebracht. Richtig hat die Chronik diesen Zug wiedergegeben, II, 34, 9 השנמ דימ ףסה ירמש םיולה ופסא רשא ןימינבו הדוהי לכמו לארשי תיראש לכמו םירפא. Gleichviel ob man zum Schluß daselbst liest םלשורי יבשיו nach dem Khetib, oder םלשורי ובשיו, nach dem Keri, so will die Stelle jedenfalls sagen, daß die Beiträge von Stadt zu Stadt gesammelt waren. Denn ףסה ירמש waren die, Leviten von der Abtheilung der Pförtner, der םירעש. Wenn König. das. 12, 10 angegeben ist ירמש םינהכה ףסה, so muß dafür gelesen werden ףסה ירמשו םינהכה.


33 Zephanja 1, 5; Jeremia 5, 2; 4, 2 vergl. 12, 16.


34 Jeremia 32, 7. Die Bezeichnung יכנא רענ 1, 6 bei der Berufung braucht nicht gerade das Knabenalter anzudeuten. Jünglinge unter zwanzig Jahren wurden auch als רענ bezeichnet; vergl. B. I, S. 491.


35 Entlehnungen aus älteren Propheten kommen bekanntlich sehr zahlreich bei Jeremia vor, mehr als bei andern Propheten, was eben voraussetzt, daß er deren Schriften fleißig gelesen und seinem Gedächtnisse eingeprägt haben muß.


36 Vergl. Ezechiel 12, 22. 25. 27-28.


37 Jeremia 23, 29.


38 Das. 20, 9.


39 Es wird allgemein angenommen, daß das zweite ebenso wie das dritte Kapitel in Josia's Zeit gesprochen wurde. Die Nennung von Assyrien 2, 18. 36-37 spricht dafür, daß jene Stellen den Bestand Assyriens voraussetzen, was nur für Josia's Zeit gelten kann. V. 16 דוקדק ךוערי סחנפחתו ףונ ינב weisen darauf hin, daß in dieser Zeit Juda mit Aegypten diplomatische Verbindungen angeknüpft haben muß. In Daphne (סחנפחת) war unter Psammetich eine Garnison aegyptischer Truppen gegen die Araber und Syrer (Herodot II, 30). Aus diese φυλακƞ ist hier angespielt, daß sie, statt Juda beizustehen, es mißhandeln werde. Uebrigens ist für ךוערי zu lesen ךעורי, sowie V. 6 für החוש zu emendiren האוש (lächerlich Ewald: »Höhlen«.) V. 14 für זבל זובל. Vor V. 16 muß Einiges ausgefallen sein, da von hier ab Juda in weiblicher Form angeredet wird. V. 20 giebt nur das Khetib דובעא einen Sinn, das Keri רובעא dagegen läßt sich gar nicht erklären. LXX haben dafür οὐ δουλεύσω σοι. Diese Uebersetzung scheint aus zwei Versionen zusammengeflossen. Man ist also berechtigt zu lesen דובעא ול [S. jedoch v. Orelli (bei Strack-Zöckler) zur Stelle]. – V. 21 b. ירוס ist ohne Analogie; LXX haben εἰς πικρὶαν, d.h. also ירורמ Nun ist םירורמ Gift (Thren. 3, 15) auch הרורמ (Hiob 20, 14), תרורמ תולכשא sind Gifttrauben (Deuteron. 32, 32).


40 Jeremia 2, 30-37.


41 Folgt aus Jeremia 26, 24, daß Achikam b. Schaphan Jeremia gegen die Wuth der Priester und falschen Propheten schützte. Sein Sohn, der berühmt gewordene Gedalja, gehörte der frommen Partei an.


42 Die zwei letzten Beamtennamen fehlen in K. II, 22, 3, finden sich nur Chronik II. 34, 8, scheinen aber in der ersten Stelle ausgefallen zu sein, da Schaphan in dem Bericht an den König von mehreren Beamten spricht, V 9 ןידבע וכיתה, was sich nur auf ihn selbst und seine Genossen beziehen kann.


43 Könige das. V. 8-10.



Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1902, Band 2.1, S. 271.
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