7. Kapitel. Salome Alexandra. 79-69.

[135] Ihr Verhalten gegen die streitenden Parteien. Macht der Pharisäer; der erneuerte hohe Rat; Juda b. Tabbaï und Simon b. Schetach. Einrichtungen und Verordnungen. Das Unterrichtswesen. Die antisadducäischen Halbfeiertage und Festlichkeiten. Die Tempelspende und der Tempelschatz. Parteihaß gegen die Sadduzäer. Hinrichtung des mächtigen Sadduzäerführers Diogenes. Gefährliche Verbannung der Sadduzäer. Politische Ruhe. Salomes Erkrankung und Tod.


Es war ein Glück für die judäische Nation, daß eine Frau von sanfter Gemütsart und aufrichtiger Frömmigkeit den Staat zu einer Zeit leitete, nachdem der Ungestüm eines Mannes ihn aus den Fugen gerissen hatte. Sie wirkte wie der erquickende Tau auf ausgedorrte, sonnenverbrannte Saaten. Die aufgeregten Leidenschaften und der blutige Haß der zwei Hauptparteien konnten sich während ihrer Regierung mäßigen und das Gemeinwesen sich von beengenden Parteiverhältnissen zu gemeinsamer Nationalwohlfahrt erheben. Wiewohl die Königin Salome1 – mit dem Herrschernamen Alexandra – mit ganzer Seele dem Pharisäertum zugetan war und ihm die innern Angelegenheiten überließ, so war sie doch weit entfernt, die Gegenpartei unduldsam zu verfolgen, schützte vielmehr diejenigen Sadduzäer, welche der Strenge des Gesetzes hätten verfallen können, und öffnete ihnen die Landesfestungen als Asyle. Ihr Ansehen imponierte den Nachbarfürsten so sehr, daß sie nicht wagten, Judäa mit Krieg zu überziehen, und ihre Klugheit hielt den mächtigen Eroberer Tigranes, der sich Syriens bemächtigt hatte, von den Grenzen Judäas ab. Der Himmel selbst trug dazu bei, während ihrer neunjährigen Regierung das Land mit Fruchtbarkeit zu segnen. Eine lange Zeit bewahrte man die erstaunlich großen Weizenkörner auf, welche zu ihrer Zeit auf den Feldern Judäas gesammelt wurden2. Der Wohlstand des Volkes hatte sich so sehr gehoben, daß Glasgeräte, damals noch ein Gegenstand des Luxus, [135] allgemein auf den Tafeln prangten3. Auch sie ließ während ihrer Regierung eigene Münzen prägen mit derselben Verzierung wie ihr Vorgänger und mit der hebräischen und griechischen Inschrift: »Königin Alexandra« und mit einem Anker als Symbol4. Im ganzen verlief ihre Regierung friedlich und glücklich; das Gesetz, bisher von der Parteileidenschaft verhöhnt, nahm einen regelmäßigen Gang, und wenn es auch zuweilen die an Gesetzesübertretung gewöhnten Sadduzäer traf, so fielen sie wenigstens nicht als Opfer der Willkür. Die von Alexander gefüllten Kerker öffneten sich, die flüchtigen Pharisäer kehrten aus ihrem Exile zurück5, und ihr enger Gesichtskreis hatte sich durch die im Auslande gewonnenen Erfahrungen erweitert. Salome Alexandra setzte ihren ältesten Sohn Hyrkan, ein schwaches Wesen voller Privattugenden, aber ohne Einsicht für öffentliche Angelegenheiten, zum Hohenpriester ein.

Sowohl aus persönlicher Neigung, als auch gemäß dem letzten Willen, welchen Alexander auf dem Totenbette ihr vorgezeichnet, bevorzugte Salome, wie angegeben, die bis dahin verfolgte pharisäische Partei und räumte ihr die wichtigsten Befugnisse, fast die Regierung der inneren Angelegenheiten ein. Simon ben Schetach, das Organ dieser Partei, war ihr Bruder und besaß ihre höchste Gunst. So mächtig war sein Eingreifen in die Geschichte dieser Zeit, daß seine Gesinnungsgenossen sie eben so nach ihm wie nach der Königin bezeichneten. Sie nannten sie »die Tage Simon ben Schetachs und der Königin Salome.« Diese hatte den Vorsitz im Rate der Siebzig, welchen bis dahin die regierenden Hohenpriester inne hatten, den Pharisäern überlassen. Das Amt war zu wichtig für die Gesetzgebung und Handhabung der Gesetze, als daß diese es in den Händen des unberechenbaren Hohenpriesters hätten lassen sollen. Hyrkan, dem es gebührte, war zu unselbständig oder zu wenig willensmächtig, als daß er Einspruch dagegen hätte erheben sollen. Seit dieser Zeit war in der Regel der Angesehenste unter den Pharisäern oder Gesetzeslehrern der Vorsitzende (Nasi) des hohen Rates. Selbstverständlich gebührte diese Würde, die dem Hohenpriester entzogen wurde, Simon ben Schetach. Allein dieser war nicht ehrgeizig und berief dafür den [136] in Alexandrien weilenden Juda ben Tabbaï, dessen Wissen und Charakter ihm so bedeutend erschienen, daß er ihm den Vorrang zu überlassen gesonnen war. Ein schmeichelhaftes Sendschreiben erging an Juda ben Tabbaï, ihn zur Rückkehr einzuladen; die Fassung des eigentümlichen Sendschreibens war so gehalten, als wenn Jerusalem die Gemeinde von Alexandrien beschwöre, ihr den exilierten Gatten wiederzugeben. »Von mir Jerusalem, der heiligen Stadt, an dich, Alexandrien; mein Ehegemahl weilt bei dir und ich bin verlassen«6. Vermutlich hatte die alexandrinische Gemeinde diesem berühmten palästinischen Gesetzeslehrer ein wichtiges Amt anvertraut. Juda ben Tabbaï säumte nicht, der Einladung nachzukommen, und übernahm mit Simon ben Schetach gemeinschaftlich, den Ratskörper zu reorganisieren, die Rechtspflege zu verbessern, das erschütterte Ansehen der Religionsgesetze wieder herzustellen, das Unterrichtswesen zu erweitern und überhaupt solche Anordnungen zu treffen, die dem Zeitbedürfnisse entsprachen. Diese beiden Männer, deren Gesinnungsadel aus ihrer Wirksamkeit hell hervorleuchtet, haben gleich Esra und Nehemia die Wiedergeburt des gesetzesstrengen Judentums befördert, und wenn sie, gleich diesen, oft zu Gewaltmaßregeln griffen und ein hartes Verfahren eintreten ließen, so ist dieses nicht ihrer persönlichen Leidenschaftlichkeit, sondern dem Ernste der Zeitlage entsprungen. Ebenso unnachsichtig strenge waren sie gegen sich selbst und die Ihrigen, wo es galt, das Ansehen des Gesetzes zu heben. Mit Juda ben Tabbaï und Simon ben Schetach beginnt die Herrschaft des gesetzlichen Judentums im pharisäischen Sinne, das von Geschlecht zu Geschlecht immer mehr bereichert und erweitert wurde. Sie werden daher die Wiederhersteller des Gesetzes genannt, welche »der Krone (des Gesetzes) ihren alten Glanz wiedergegeben haben«7.

Ihre Tätigkeit begann mit der Säuberung des Ratskörpers. Die sadduzäischen Mitglieder, welche infolge des Zerwürfnisses zwischen Alexander und den Pharisäern zum zweiten Male die Sitze inne hatten, wurden ihrer Stellen entsetzt, das Strafgesetzbuch, das sie als Ergänzung der biblischen Strafgesetze eingeführt hatten, wurde aufgehoben und dafür wurden wieder die durch Überlieferung überkommenen Normen zur Geltung gebracht. Das Volk hatte sich über diese Veränderung nicht zu beklagen, da die sadduzäischen Strafgesetze, so namentlich das »Aug' um Aug'« wegen ihrer Härte verhaßt waren. Der vierzehnte Tammus (Juli um 78) wurde als Siegestag zur Halbfeier erhoben, und auch sämtliche Tage, an welchen die sadduzäischen Normen [137] zum Weichen gebracht worden waren, sogar jener Tag, an welchem die vor Alexanders Verfolgung flüchtig gewordenen Pharisäer, »der kleine Rest der Schriftkundigen« (Pletat Saphraja), den sie umgebenden Gefahren entronnen waren8 (siebzehnte Adar, März). In dem neugebildeten hohen Rat nahm Juda ben Tabbaï anfangs den Vorsitz ein. Simon ben Schetach begnügte sich mit dem zweiten Range (Ab-bet-din9), und die übrigen Stellen wurden ohne Zweifel mit den aus der Verbannung heimgekehrten Gesetzeslehrern ausgefüllt. Das Prozeßverfahren wurde dahin erweitert, daß den Zeugen nicht bloß Fragen über Ort und Zeit des Verbrechens vorgelegt wurden, sondern auch über die nähern Umstände, damit der Richter in den Stand gesetzt sei, den Vorgang besser zu beurteilen und die Zeugen auf Widersprüchen zu ertappen10. Diese Maßregel scheint besonders gegen die Angebereien gerichtet gewesen zu sein, die häufig genug vorgekommen sein müssen, und die auch in einer Zeit, in der die Rolle von Siegern und Besiegten so oft wechselte, nicht ausbleiben konnten. Simon schärfte daher den Richtern ein, beim Zeugenverhör recht umständlich und in der Fragestellung recht vorsichtig zu sein, damit die Ankläger nicht aus den den Richtern entfahrenen Worten ihr Lügengewebe zu beschönigen vermöchten11. – Den häufig vorkommenden Ehescheidungen, welche die buchstäbliche Deutung des pentateuchischen Scheidungsgesetzes von seiten der Sadduzäer nicht hinderte, arbeiteten sie durch eine wirksame Maßregel entgegen. Es bestand zwar schon seit alten Zeiten eine gegen die Überhandnahme von Scheidungen gerichtete Bestimmung, daß der Mann seiner Ehefrau im Falle der Eheauflösung eine Summe zahlen sollte, wovon sie im Notfalle sich selber ernähren könnte, mindestens zwei Minen Silbers (etwa 150 M) für eine als Jungfrau und die Hälfte für eine als Witwe Geheiratete. Diese Summe sollte die zurückgebliebene Witwe auch von der Hinterlassenschaft des Ehemannes zu fordern haben. Der restaurierte hohe Rat erließ deswegen eine neue Verordnung, daß der Gatte die ausgesetzte Summe bei sich behalten und für seinen Geschäftsbetrieb verwenden dürfe, der Gattin aber eine Schuldverschreibung (Ketubbah, συγγραφἠ) ausstellen müsse, daß er mit seinem ganzen Vermögen für diese Schuld hafte12. Bei der Seltenheit des klingenden Geldes bei einem Volke, dessen Reichtum [138] größtenteils in liegenden Gründen bestand, war durch diese Bestimmung der Ehescheidung allerdings eine Schranke gesetzt, indem es einem unbemittelten Gatten oft schwer fiel, eine Summe aus seinem Geschäftsbetrieb zu ziehen, und er dadurch in die Notwendigkeit versetzt war, eine augenblickliche Aufwallung und Gereiztheit durch nüchterne Überlegung zu verwinden.

Eine andere Verordnung dieser Zeit, als deren Urheber ebenfalls Simon ben Schetach ausdrücklich genannt wird, hatte ein besseres Unterrichtswesen zum Ziele. Noch bestanden in Judäa keinerlei Schulen, sondern der Jugendunterricht war nach biblischer Norm dem Vater allein zugewiesen. In Jerusalem bestand zwar eine Art Hochschule zur Heranbildung von Gesetzeslehrern, aber sie kam nur den Nahewohnenden und den Bemittelten zustatten. Das Restaurations-Kollegium führte daher, um dem Bedürfnisse abzuhelfen, in allen größeren Städten, welche ebenso viele Mittelpunkte für kleinere Bezirke bildeten, höhere Schulen ein für erwachsene Jünglinge von sechzehn Jahren ab13. Die Unterrichtsgegenstände beschränkten sich ohne Zweifel bloß auf die heilige Schrift, besonders auf das Fünfbuch der Thora, und die überlieferte Gesetzeskunde. So hatte denn die Lehre des Judentums Pflanzstätten gefunden, von wo aus sie sich durch die stete Folge der Geschlechter stets wieder verjüngen konnte, und diese Einrichtung überlebte alle anderen Institutionen und war das wirksamste Mittel, das Judentum aus dem Schiffbruche der Zeiten zu retten.

Hatte der hohe Rat auf diese Weise für die Zukunft gearbeitet, so vergaß er auch nicht die vielfach getrübte Gegenwart und war bemüht, ihr den Stempel pharisäischer Richtung aufzudrücken. Alle diejenigen Gesetze, die während der langen Herrschaft des Sadduzäertums, seit Hyrkans Zerwürfnis mit den Pharisäern bis zu Salomes Regierungsantritt, beim Volke halb in Vergessenheit geraten oder vernachlässigt worden waren, sollten aufgefrischt und in das Leben des Volkes eingeführt werden. Geflissentlich legten es die pharisäischen Führer darauf an, so oft die Zeit herannahte, in welcher die streitigen Gesetze zur Anwendung kommen sollten, dieselben mit Pomp und feierlichen Vorkehrungen zu begehen, oder die Tage, an welchen sie in Wirksamkeit getreten waren, als Gedenktage alljährlich durch Unterlassung von öffentlicher Trauer oder öffentlichem Fasten feiern zu lassen. So wurde namentlich das Wassergußopfer am Hüttenfeste, das Alexander auf eine so höhnische Weise verletzt hatte, (o. S. 127) mit Jubel begangen, und es bildete sich mit der Zeit daraus ein eigentümliches [139] Volksfest (Simchat Bet ha-Schoëba), von dem man später sagte, wer diese Freude nicht gesehen, habe noch nie eine glänzende Volksfeier erlebt. In den Nächten vom ersten Festtage an war der Tempelberg so hell erleuchtet, daß die ganze Stadt wie von einem Feuermeer erglänzte, und die Nacht war zum Tage erhellt. Alles Volk drängte sich zum Tempelberge, um dem Schauspiele beizuwohnen oder sich dabei zu beteiligen. Die ernstesten Personen ließen sich herbei, Belustigungen zum besten zu geben und Fackeltänze aufzuführen. Dieses Freudengetöse dauerte die ganze Nacht; niemand dachte an den Schlaf. Für die Frauen wurde eine eigene Gallerie erbaut, damit sie, getrennt von den Männern, zuschauen könnten.

Die Lust wechselte mit dem feierlichen Gesang von Psalmen ab. Sämtliche Leviten, welche in Jerusalem anwesend waren, füllten die fünfzehn Stufen, welche vom Frauenvorhofe zum höher gelegenen Männervorhofe führten, sangen fünfzehn Psalmen in Begleitung von vielen Harfen und Nablien, unterstützt von hellen Knabenstimmen. In den letzten der fünfzehn davon genannten »Stufenpsalmen« forderten die Leviten das im Tempelvorhofe anwesende Volk auf, seinerseits den Herrn zu preisen. Dieser Psalm wurde damals zu diesem Zwecke gedichtet14.


»Nun preiset den Herrn, alle ihr Knechte des Herrn,

Die ihr stehet in dem Tempel des Herrn in den Nächten,

Erhebet eure Hände zum Heiligtum und preiset den Herrn,

Es segne dich der Herr von Zion aus,

Der Schöpfer des Himmels und der Erde.«


Darauf trat ein Vorbeter vor und forderte die Anwesenden auf, in zwei Psalmen Gott von Zion aus zu preisen; diese zwei Psalmen wurden ebenfalls damals gedichtet:


»Halleluja! Lobet den Namen des Herrn, lobet, ihr Knechte des Herrn,

Die ihr stehet im Tempel des Herrn, in den Vorhöfen unseres Gottes.

Lobet den Herrn, denn er ist gütig,

Lobsinget seinem Namen, denn er ist lieblich,

Denn Jakob hat sich der Herr auserkoren, Israel zu seinem Eigentum.«


Der erste dieser beiden Gemeindepsalmen erinnert an Gottes Allmacht in der Natur und an seine Wunder für Israel in der Vorzeit, bis er ihm das heilige Land zum Eigentum gegeben. Er erinnert auch an die Nichtigkeit der Götzen, das Händewerk von Menschen,[140] welche einen Mund haben und nicht sprechen, Augen und nicht sehen, Ohren und nicht hören. Er schließt mit den Worten:


»Haus Israel, preiset den Herrn,

Haus Ahron, preiset den Herrn,

Haus Levi, preiset den Herrn,

Ihr Gottesfürchtigen, preiset den Herrn,

Gepriesen sei der Herr von Zion aus, der in Jerusalem weilet.«


Die Gemeinde wiederholte dann bei jedem Absatze den Vers:


»Lobsinget dem Herrn, denn er ist gütig,

Lobsinget seinem Namen, denn er ist lieblich.«


In dem zweiten Psalm redet der Vorbeter die Gemeinde an:


»Halleluja! Danket dem Herrn, denn er ist gütig,

Denn ewig währet seine Huld.«


Er erinnert ebenfalls an Gottes Allmacht und Wundertaten für Israel und schloß:


»Wenn er uns erniedrigt, dachte er doch unser,

Erlöste uns von unsern Feinden,

Er gibt Brot aller Kreatur.

Danket dem Gott des Himmels!«


Das Volk fiel bei jedem Verse ein:


»Danket dem Herrn, denn er ist gütig, denn ewig währet seine Huld!«


Mit Tagesanbruch gaben die Priester mit den Posaunen das Zeichen zum Beginne des Wasserschöpfens. Bei jedem Haltpunkt ertönte Posaunenschall, bis das ganze Volk an dem Quell Siloah angelangt war, woraus das Wasser für das Gußopfer in einer goldenen Schale geschöpft wurde. In feierlichen Schritten brachte man das Gefäß mit dem Wasser bis zum Wassertore im Westen der inneren Tempelmauer, wo wiederum die Posaunen erschallten. Aus einem silbernen Gefäße wurde das Wasser auf den Altar gegossen, wobei die Flöte, welche nur bei außerordentlich freudigen Anlässen ertönte, ihre schmelzende Weise mit den andern Instrumenten vermischte.

Ein ähnliches Volksfest fand an dem zum Halbfeiertage erhobenen Holzfeste (ξυλοφορία), dem fünfzehnten Ab (August), statt, welches die jungen Mädchen besonders durch Gesang und Tanz zu begehen pflegten. Auf einem freien Platz in den Weinbergen fand sich eine Schar junger Mädchen ein; alle in weiß gekleidet, führten sie ihren Tanzreigen auf und sangen dabei strophische Lieder in der heiligen Sprache. Die anwesenden männlichen Zuschauer suchten sich oft bei dieser Gelegenheit ihre Lebensgefährtinnen aus. Sicherlich war dieses [141] Fest ebenfalls eine Demonstration gegen die Sadduzäer, die den Brauch des Holzopfers für den Altar (Korban Ezim) als unbiblisch nicht anerkannt zu haben scheinen. Es wird davon erzählt, ein König, vermutlich der sadduzäisch gesinnte Alexander Jannaï, habe einst ein Verbot gegen das Holzopfer erlassen und habe Wachen aufgestellt, die Holzspenden zurückzuweisen. Einige Familien, welche gewohnt waren, alljährlich an einem bestimmten Tage Holz zu weihen, sollen sich einer List bedient haben, um die Wachen zu täuschen, indem sie das Holz in Leiterform zusammengefügt in den Tempelvorhof zu bringen wußten. Wegen der also erwiesenen Treue genossen diese Geschlechter, die Nachkommen des Salma aus Bethlehem und Netopha, Gonbe-Ali und Koze-Keziot, das Vorrecht, daß das erste Altarfeuer am Schlusse der Holzspende von ihrem gespendeten Holze unterhalten, und daß der fünfzehnte Ab, ihr Holzspendetag, zum allgemeinen Halbfeiertag erhoben wurde15. In der religiösen Richtung der Zeit hatten auch die Ehrenspenden einen religiösen Charakter, und der Ehrgeiz fand sich befriedigt, wenn ihm die Erlaubnis erteilt wurde, den Tempel mit Weihgeschenken zu versehen.

Diesen opferwilligen Sinn benutzte der hohe Rat, um einen Akt zu erlassen, welcher mehr als alles andere den nationalen Gemeinsinn zu wecken imstande war und zugleich der sadduzäischen Ansicht entgegenwirken konnte. Die Sadduzäer hatten behauptet, die täglichen Opfer, wie überhaupt die Bedürfnisse des Tempels, brauchten nicht aus einem Nationalschatze bestritten zu werden, sondern sollten dem frommen Gefühle der Einzelnen überlassen bleiben. Der Rat unter Salome Alexandra bestimmte, daß jeder Israelite vom zwanzigsten Jahre an – Proselyten und freigewordene Sklaven mit eingeschlossen – alljährlich mindestens einen halben Sekel (ungefähr 1 1/4 M) zum Tempelschatz zu spenden habe. Dadurch war den täglichen Opfern ein nationaler Charakter verliehen, da sie aus den Spenden der ganzen Nation bestritten wurden. Es war damit keineswegs ein Zwang aufgelegt, denn der bei weitem größte Teil der Judäer des In- und Auslandes spendete diesen Beitrag freiwillig, um so mehr, als man ihn nach und nach als ein Sühnemittel (Kappara, λύτρον) betrachtete16. Die Ausländer überboten sich sogar an Freigebigkeit für den Tempel. Aber weil der Beitrag eines halben Sekels17 für eine religiöse Pflicht gehalten wurde, erkannte man den Schatzmeistern das Recht zu, die Säumigen zu pfänden18. Drei Sammlungen zu verschiedenen Zeiten [142] wurden dafür angesetzt, für Judäa im Beginn des Frühjahres. Am ersten Adar machten Herolde im ganzen Lande bekannt, daß die Einsammlung der Tempelspende herannahe, und am fünfzehnten desselben Monats nahm sie ihren Anfang; sie dauerte zehn Tage; wer bis dahin den Beitrag nicht abgeliefert, der konnte ihn nur dem Schatzmeister des Tempels überliefern19. Dann kamen die Spenden vom Auslande: aus den transjordanischen Ländern, Ägypten, Syrien, die erst gegen das Wochenfest einliefen, und aus den noch entfernteren Ländern: Babylonien, Medien, Kleinasien noch viel später, gegen das Hüttenfest20. Die letzten Sammlungen fielen wegen des Reichtums und der Freigebigkeit der ausländischen Judäer am reichsten aus; statt der silbernen oder kupfernen Sekel und Denare spendeten die Ausländer Goldstatern und Dariken21 (15 Markstücke). In jedem Lande, wo Judäer stark vertreten waren, wählten sie Mittelpunkte, wo sie die gesammelten Beiträge niederlegten, bis dieselben nach Jerusalem gebracht wurden. Die angesehensten Männer wurden dazu gewählt, die Spenden an den Tempel abzuliefern, und sie führten den Namen »heilige Gesandte« (ἱεροπόμποι22). In Mesopotamien und Babylonien waren in den zwei größtenteils von Judäern bevölkerten Städten Nisibis und Nahardea (Naarda) am Euphrat Schatzkammern für die Tempelspenden, von wo aus sie unter starker Bedeckung, wegen der räuberischen Parther und Nabatäer, nach Jerusalem geführt wurden23. Die kleinasiatischen Gemeinden hatten ebenfalls ihre Sammelplätze: Apamea und Laodicea in Phrygien, Pergamus und Adramyttium in der Landschaft Aeolis. Aus diesem Landstriche gingen etwa zwanzig Jahre nach der getroffenen Verfügung nahe an zweihundert Pfund Gold (165 000 M) ein24. Man kann daraus schließen, welche erstaunliche Einnahmen für den Tempel einliefen, und man begreift, wie die drei Sammlungen so viel brachten, daß man von jeder drei große Körbe (Kuppa), drei Saah (ungefähr 13 Liter) enthaltend, füllen konnte und doch noch einen Überschuß hatte25. Der Tempel zu Jerusalem galt daher als der reichste26 und war oft Gegenstand des Neides und der Raubgier. Das in den jedesmaligen drei gefüllten Körben vorhandene [143] Gold, welches in einer Zelle (Lischka) aufbewahrt wurde, diente für die laufenden Opferbedürfnisse. Auch die Lehrer, welche jungen Priestern Unterricht in dem Opferritual erteilten, die Tierärzte, welche die Leibesfehler der Opfertiere untersuchten, die Abschreiber des in dem Tempelvorhof aufbewahrten Musterexemplares des Gesetzbuches (o. S. 109), die kundigen Verfertiger der Schaubrote und des Räucherwerkes, die Frauen, welche Vorhänge webten, alle diese wurden von den Tempelspenden besoldet27. Der Überschuß der Spenden, welcher sich beim Füllen der Körbe herausstellte (Schejarê Terumat ha-Lischka), wurde für die Unterhaltung der Stadt Jerusalem, der Mauern, Türme und der Wasserleitung verwendet28. Aber alle diese Ausgaben konnten die großen Summen nicht aufzehren, und es wurde vom Reste ein Schatz angelegt, welcher, durch die freiwilligen Gaben noch vergrößert, mehr als einmal die Habgier der Eroberer reizte. Am ersten Nissan (April) fing man an, die Opfer von den neuen Spenden einzukaufen, selbst wenn die alten noch reichlich vorhanden waren, und dieser Tag, sowie die folgenden sieben Tage galten als Halbfeiertage, um den Sieg über die Sadduzäer alljährlich in Erinnerung zu bringen. Der Schatzmeister, welcher die gesammelten Gelder in die Körbe schüttete, mußte sich dabei einiger feierlichen Formeln bedienen, um die Wichtigkeit der Sache den Sadduzäern gegenüber recht hervorzuheben29. Als ähnliche gegensadduzäische Siegestage galt die Zeit vom achten Nissan bis zum Schlusse des Passahfestes, an denen keine öffentliche Trauer angestellt werden durfte, weil an denselben die pharisäische Ansicht von der Wandelbarkeit des Wochenfestes gegen die sadduzäische durchgedrungen war. Noch einige solche Halbfeiertage wurden begangen zur Erinnerung an den Sieg über die Sadduzäer.

Soweit hatte die von Juda ben Tabbaï und Simon ben Schetach ausgegangene Restauration noch einen harmlosen Charakter; sie frischte alte Gesetze wieder auf, schuf neue und suchte Mittel, um sie dem Gedächtnisse und der Aufmerksamkeit des Volkes einzuprägen. Die Königin Salome Alexandra hatte alle diese Anordnungen und Gesetzesbestimmungen der Pharisäer gut geheißen und sich ihnen gefügt. An sich waren alle diese Bestimmungen zwar nicht im Sinne der mosaischen Lehre, aber auch nicht über sie hinausgreifend. Aber in so gemäßigten Schranken kann sich keine Reaktion halten. Sie wird ihrer Natur nach ebenso zu Übergriffen geführt, wie auf jeden Stoß ein Gegenstoß folgt. Diejenigen Sadduzäer, welche sich der pharisäischen Auslegung des Gesetzes nicht fügen mochten, wurden vor den Richterstuhl geladen [144] und schonungslos verurteilt30. Der Eifer, das Ansehen des Gesetzes zu heben und die Opposition aus dem Herzen der Sadduzäer zu bannen, war so groß, daß Juda ben Tabbaï einst einen Zeugen, welcher bei einer Anklage auf den Tod des falschen Zeugnisses überführt worden war, hinrichten ließ, um die sadduzäische Ansicht tatsächlich zu widerlegen31, ohne zu bedenken, daß er damit gegen ein pharisäisches Gesetz fehlte, nach welchem die Bestrafung überführter Zeugen nur dann eintritt, wenn sie sämtlich überführt worden sind. Ein einziger Zeuge aber ist, weil er kein Zeugnis begründen kann, auch nicht straffällig. So lauter war aber die Gesinnung beider Häupter, daß Simon ben Schetach nicht unterließ, seinen Kollegen wegen der Übereilung eindringlich zu rügen, und Juda ben Tabbaï empfand eine so tiefe Reue über das unschuldig vergossene Blut des hingerichteten Zeugen, daß er sofort seine Würde als Vorsitzender niederlegte und seine Zerknirschung laut werden ließ32. Hingestreckt auf dem Grabe des Hingerichteten, stieß er ein Jammergeschrei aus und erflehte von Gott seinen Tod, um so den von ihm begangenen Justizmord zu sühnen. Überhaupt haben die beiden Männer trotz ihrer Strenge, zu der sie die Zeitlage trieb, die pharisäische Milde nicht verleugnet. Ein Gedenkspruch des Juda ben Tabbaï läßt seine milde Gesinnung erkennen: »Nur so lange«, pflegte er zu sagen, »betrachte die Angeklagten als Gesetzesübertreter, solange sie noch vor Gericht stehen; sind sie abgetreten, so sollen sie dir wieder als Unschuldige erscheinen«33.

Simon ben Schetach, der nach dem Austritte Juda ben Tabbaïs den Vorsitz im Rate eingenommen hatte, scheint in der Strenge gegen die Gesetzesübertreter nicht nachgelassen zu haben. Unter ihm kam auch die Seltenheit eines Hexenprozesses vor. Achtzig Weiber, die der Zauberei angeklagt waren, wurden in Askalon ans Kreuz geschlagen34. Seitdem der erste israelitische König Saul die Zauberei verfolgt hat, ist in der judäischen Geschichte von diesem wüst-mystischen Unwesen nicht mehr die Rede; es ist also höchst rätselhaft, wie diese Erscheinung plötzlich in einer Zeit wieder auftreten konnte, wo ihr die Grundbedingung, das mit Unsittlichkeit gepaarte Götzentum, durchaus fehlte. Es ist aber über diesen Hexenprozeß ein so dichter Schleier der Sagenhaftigkeit gebreitet35, daß sich der Vorfall gar nicht beurteilen und keinerlei Schluß auf die Sittengeschichte daraus [145] ziehen läßt. Wegen seiner rücksichtslosen Strenge hatte sich Simon ben Schetach einen so tiefen Haß von seiten seiner Gegner zugezogen, daß sie auf Rache sannen und ihm empfindlich zu schaden trachteten. Sie stellten falsche Zeugen auf, die seinen Sohn eines todeswürdigen Verbrechens bezichtigten, infolgedessen er zum Tode verurteilt wurde. Auf dem Wege zum Richtplatze beteuerte er aber auf so rührende Weise seine Unschuld, daß die Zeugen selbst davon betroffen wurden und ihr Lügengewebe eingestanden. Als die Richter darauf den unschuldig Verurteilten frei zu sprechen Miene machten, machte sie das Opfer selbst auf die Gesetzwidrigkeit ihres Verfahrens aufmerksam, indem gesetzlich den Zeugen, wenn sie ihre frühere Aussage wieder zurücknehmen, kein Glauben geschenkt werden dürfe. »Willst du«, sprach der Verurteilte zu seinem Vater gewendet, »daß das Heil Israels durch deine Hand befestigt werde, so betrachte mich als eine Schwelle, auf welche man ohne Bedauern tritt«36. Und Vater und Sohn zeigten sich der großen Aufgabe, Hüter des Gesetzes zu sein, würdig, der eine opferte sein Leben, der andere sein Vatergefühl für die Wahrung des Gesetzes. Simon, ein judäischer Brutus, ließ der Gerechtigkeit gegen seinen Sohn freien Lauf, obwohl er, wie sämtliche Richter, von seiner Unschuld überzeugt war.

Die Strenge des pharisäischen Gerichtshofes hatte, wie natürlich, die Häupter der Sadduzäer nicht geschont, ja diese zuerst und nachdrücklich getroffen, weil die Verfolgung Alexanders gegen die Pharisäer als ihr Werk betrachtet worden war. So hatte Alexanders sadduzäischer Günstling Diogenes und mit ihm mehrere andere, welche die Hinrichtung der achthundert Pharisäer angeraten oder gut geheißen hatten, dafür mit dem Leben gebüßt37. Durch diese Verfolgung ihrer Partei fühlten sich die angesehenen Sadduzäer beunruhigt; das Schwert des Gerichtes schwebte stets über ihrem Haupte, um bei dem geringsten religiösen Vergehen niederzufahren. In der Angst um ihr Leben wandten sie sich an Salomes zweiten Sohn Aristobul, der, ohne gerade dem Sadduzäertum zugetan zu sein, sich gern als ihr Beschützer aufwarf, weil er für seine kriegerischen Pläne die Kriegserfahrung und die Verwendbarkeit der Sadduzäer nicht hätte entbehren können. Er nahm sich daher ihrer warm an und empfahl sie der Gnade der Königin. Als die sadduzäischen Führer vor Alexandra erschienen waren, brachten sie ihre Verdienste um den verstorbenen König und den Schrecken in Erinnerung, den ihr bloßer Name den feindlichen Nachbarn Judäas einflößte, und drohten, ihre Dienste dem Nabatäerkönig [146] Aretas oder den syrischen Herrschern anzubieten. Sie baten um Sicherheit in irgend einer Festung des Landes, um vor Beaufsichtigung geborgen zu sein. Das weiche Herz der Königin konnte den Tränen der im Kriege ergrauten Männer nicht widerstehen und setzte die verdienstvollsten Sadduzäer zu Befehlshabern der meisten Landesfestungen ein38. Nur die drei stärksten Festungen mochte sie ihnen nicht anvertrauen: Machärus im Osten des toten Meeres, Hyrkania im Westen und Alexandrion auf dem Berg Sartaba. Diese drei Festungen waren die Schatz- und Waffenkammern der hasmonäischen Könige; darum mochte sie Alexandra nicht in den Händen der unzuverlässigen Sadduzäer wissen. Die Folge rechtfertigte ihren Argwohn gegen dieselben nur zu sehr.

Politische Veränderungen fielen während Alexandras Regierung in Judäa nicht vor. Nur einen einzigen Kriegszug ließ sie gegen Ptolemäus, Sohn des Mennaios, Tetrarch oder Beherrscher von Damaskus, welcher sich später mit dem makkabäischen Hause verschwägerte, unternehmen, weil derselbe die Grenzstädte Judäas belästigte. Den Oberbefehl über das aus Mietstruppen bestehende Heer übertrug sie ihrem jüngeren Sohn Aristobul, weil er mehr als sein älterer Bruder Hyrkan seinem Vater an Kriegslust glich. Allein der Zug fiel nicht glücklich aus39, hatte jedoch keine weiteren Folgen, weil für die Selbständigkeit Syriens die letzte Stunde geschlagen hatte. Dieses Land, das sich von der Niederlage Antiochos des Großen gegen die Römer, mehr noch von der Mißregierung des Antiochos Epiphanes nicht mehr erholen konnte und während eines ganzen Jahrhunderts von Thronstreitigkeiten und innern Unruhen bis zur Ohnmacht ermattet war, hatte einen armenischen Herrscher angenommen und wurde bald darauf die Beute der Römer. Tigranes, König von Armenien, dem auch fast ganz Syrien gehorchte, gedachte nämlich sämtliche Länder, die früher zu diesem Reiche gehört hatten, unter seine Botmäßigkeit zu bringen. Er richtete zunächst seine Angriffe auf Ptolemaïs, dessen Bewohner der letzten syrischen Königin, Selene-Kleopatra, zugetan gewesen waren. Die Fürstin, Tochter des körperlichen und moralischen Ungetüms Physkon und seiner würdig – sie war mit zwei Brüdern und dem Sohne eines derselben verheiratet – schmeichelte sich, Syrien für ihren in Blutschande gezeugten Sohn Antiochos Asiatikus wieder zu erwerben, ja sie trug sich mit dem Hirngespinst, selbst Ägypten zu erlangen, und bettelte deswegen beim römischen Senate [147] oder den damaligen Machthabern. Ihre nächste Hoffnung war indes auf Ptolemaïs gerichtet, das die Bewohner dem gegen sie heranrückenden Tigranes auf Selenes Rat verschlossen. Er mußte eine Belagerung gegen diese wichtige Hafenstadt eröffnen40. Die Nähe des mächtigen Armenierkönigs erschreckte mit Recht die Königin Alexandra, und sie versuchte, durch Geschenke und freundliche Worte einem Zusammenstoß mit demselben zuvorzukommen. Tigranes nahm den judäischen Gesandten und die Geschenke freundlich auf, hätte sich aber doch schwerlich von Eingriffen in Judäa ferngehalten, wenn ihn nicht die Gegnerschaft der Römer gezwungen hätte, die Belagerung von Akko aufzuheben und für die Sicherheit des eignen Landes Sorge zu tragen. Der römische Feldherr Lucullus war nämlich indessen in sein Land eingefallen (69)41. So war Judäa zwar für den Augenblick von der drohenden Nähe eines mächtigen Eroberers befreit. Bald aber stellten sich dafür andere Gefahren und Unglücksfälle ein, die es bis ins innerste Mark erschütterten.

Alexandra war nämlich hoffnungslos erkrankt, und diese Krankheit war die Veranlassung zu den traurigsten Verwickelungen. Der leidenschaftliche und ehrgeizige Aristobul verließ sofort in der Voraussicht, daß sein schwacher Bruder Hyrkan zum Nachfolger seiner Mutter bestimmt sei, heimlich die Hauptstadt, kam nach der galiläischen Festung Gabata, in der Nähe von Sepphoris, auf deren Befehlshaber, den Sadduzäer Galaistes, er zählen konnte, und ließ sie sich übergeben. In fünfzehn Tagen waren einundzwanzig ähnliche Festungen in seiner Gewalt, ihre sadduzäischen Gouverneure hatten sie ihm sämtlich übergeben42. Für die Schätze, die er daselbst gefunden, warb er Hilfstruppen von den kleinen syrischen und transjordanischen Fürsten und den räuberischen Trachoniten an und war dadurch in den Stand gesetzt, eine nicht unbedeutende Macht aufzustellen43. Vergebens baten Hyrkan und die angesehensten Ratsmitglieder, wozu wohl auch Simon ben Schetach gehörte, die Königin, etwas Entscheidendes zu tun, um die schwebende Gefahr eines Bürgerkrieges abzuwenden; sie verwies sie auf das Heer, die Schätze und die treugebliebenen Festungen, und überließ es ihnen nach eigenem Gutdünken für das Heil des Staates zu sorgen. Sie selbst beschäftigte sich nur noch mit ihrer letzten Stunde. Bald darauf starb sie (69) und hinterließ Land und Volk [148] der Wut des Bürgerkrieges, der es um die schwer errungene Unabhängigkeit bringen sollte. Salome hatte nur neun Jahre regiert und soll sehr alt geworden sein44; sie hatte die glücklichen Tage der Freiheit ihres Volkes gesehen und mochte wohl auf dem Totenbette die hereinbrechende Nacht der Knechtschaft in bekümmerter Seele geahnt haben. Wie sie die einzige Königin in der judäischen Geschichte war, deren Name von den Spätern mit Verehrung genannt wurde, so war sie auch die letzte selbständige Herrscherin Judäas.


Fußnoten

1 Abgekürzt von Salominon, Salomine; vergl. Note 11, Ende.


2 Sifra zum Abschnitt Bechukotai I, Leviticus rabba z. St. [III. M., 26, 4].


3 Jerus. Sabbat I, p. 3 d und Parallelen; Note 13.


4 Bei de Saulcy, a.a.O., 106. Außer diesem sind noch 2 Exemplare gefunden worden. Vergl. Madden, history, 70 ff.; coins, 91 ff. Auf der mit der griechischen Inschrift βασιλις Αλεξανδ. entgegengesetzten Seite bemerkt man noch die Spur eines hebr. ת, was darauf führt, daß sie auch eine hebr. Inschrift hatte. ת ist der Rest des Wortes תכלמ.


5 Josephus Altert. XIII, 16, 1-2.


6 Vergl. Note 13.


7 Kidduschin 66 a, s. Note 13.


8 S. Note 1, Nr. 33.


9 So ist das Verhältnis in Jerus. Chagiga II, p. 77 d und Parallelstellen aufzufassen.


10 Sanhedrin 40 a. Daß Simon dieses strengere Zeugenverhör eingeführt hat, folgt aus Abot 1, 9.

11 Abot 1, 9.


12 Über diese Verordnungen siehe Note 13.


13 Dieselbe Note.


14 Vergl. Graetz, Kommentar zu den Psalmen S. 48, 57, 77, 658 fg.


15 S. Note 23.


16 Philo de Monarchia, § 3 M. II, 224.


17 Machazit ha-Schekel.


18 Schekalim 1, 3.


19 Das. I, 3.


20 Das. Talmud 6 b.


21 Tosefta Schekalim c. 2.


22 Philo de virtutibus § 31, M. II, 578, vgl. de Monarchia das.


23 Josephus Altert. XVIII, 9, 1.


24 Cicero pro Flacco 28.


25 Schekalim 6 a.


26 Josephus Altert. XIV, 7, 2. Vergl. darüber Schwarz Berechnung, Frankel-Graetz Monatsschr., Jahrg. 1875, S. 361, daß selbst nur bei 2000 000 Bei tragsfähigen, und die Ausgaben zu der Einnahme wie 1:10 berechnet, jährlich ein Überschuß von 23 Zentner Silber geblieben sein müsse.


27 Schekalim 6a. Ketubbot 106b.


28 Schekalim 6 a.


29 Note 13.


30 Josephus Altert. XIII, 16, 2.


31 Maccot 5 b und Parallelstellen.


32 Das.


33 Abot 1, 8.


34 Sanhedrin 46 a.


35 Jerus. Chagiga II, p. 77 d und Raschi zu Sanhedrin 44 b.


36 Jerusch. Sanhedrin V, p. 23 b.


37 Josephus Altert. XIII, 16, 2.


38 Josephus Altert. XIII. 16, 3.


39 Das. und jüd. Kr. I, 5, 3, »ἀεὶ ϑλίβων τὴν πόλιν« ist nicht recht verständlich.


40 Altert. das. 16, 4. Vergl. Clinton fasti hellenici III, 340 fg.

41 Josephus das.


42 Das. 16, 5. Statt Ἄγαβα hat eine andere L.-A. Γαβαϑά, was wohl אתבבג ist, 3 röm. Mill. von Sepphoris entfernt.


43 Das.


44 Das. 16, 6. Diese Zahl 73 ist gewiß fehlerhaft. Vergl. o. S. 121, N. 2.



Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1905, Band 3.1, S. 150.
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