14. Kapitel. Agrippa II. und der Ausbruch des Krieges. 49-66.

[426] Gereizte Stimmung. Eingerissener Sittenverfall. Agrippas II. Charakter. Die letzten Hohenpriester. Die Zeloten und Sicarier. Eleasar ben Dinaï. Streit mit den Samaritanern. Reibungen in Cäsarea. Die Landpfleger. Florus' maßlose Frechheit. Aufstand in Cäsarea. Blutbad in Jerusalem. Friedens- und Revolutionspartei. Der Zelotenführer Eleasar ben Anania. Der Sicarierhäuptling Menahem. Aufstand und Sieg. Gemetzel zwischen Judäern und Heiden. Die zweite Niederlage der Römer. Stimmung in Jerusalem und Judäa. Das Synhedrion und sein Präsident Simon ben Gamaliel. Wahl der Statthalter und Feldherrn. Haltung des Synhedrion.


Welche Triumphe das Judentum auch durch den Zutritt von Proselyten und selbst durch Bekehrung der Heiden zum Christentume feierte, wie sehr auch das Morgenrot des von den Propheten geschauten schönen Tages angebrochen schien, an dem die Völker der Erde ihren Blick nach Zion wenden, und an dem von dort aus Licht für das Menschengeschlecht ausstrahlen werde: im Heimatlande, und ganz besonders in Jerusalem, empfand die Nation nur die schwere Fessel des Römertums, welche seit Agrippas I. Tode täglich drückender wurde. Der jammervolle und beengende Zustand in der Gegenwart ließ das freudige Gefühl über solche bedeutsame Ereignisse, welche die Weltherrschaft des Judentums in der Zukunft anzubahnen schienen, gar nicht aufkommen. Ein düsterer Trauerflor ist über die letzten zwanzig Jahre des judäischen Staates gebreitet, der auch nicht einen Augenblick eine frohe Stimmung aufkommen ließ. Es herrschte eine Beklommenheit darin, die den Betrachtenden nicht gleichgültig läßt und ihm unwillkürlich dieselbe Empfindung mitteilt. Die letzten Jahrzehnte zeigen das judäische Volk in dem ergreifenden Bilde eines Gefesselten, den seine Kerkermeister unaufhörlich peinigen und aufstacheln, daß er mit der Heftigkeit der Verzweiflung an seinen Fesseln solange rüttele, bis er sie zerbreche. Der blutige Kampf zwischen Rom und Judäa – jenes siegesgewöhnt durch unerschöpfliche Kriegsmittel und Arglist, dieses von äußern Mitteln entblößt und nur stark durch den Willen – erregt ein um so höheres Interesse, als die schwache Tochter Zions nach menschlicher Berechnung trotz des Mißverhältnisses der beiderseits aufgebotenen [426] Kräfte zuletzt gesiegt hätte, wenn sie nicht durch innere Parteiung zerrissen, von Verrat umgeben gewesen wäre und nur einen günstigeren Augenblick abgewartet hätte, d.h. nicht von der Vorsehung zum Untergange als Nation bestimmt gewesen wäre.

Dieser Riesenkampf, der in der Weltgeschichte nur wenige Seitenstücke hat, galt aber nicht bloß der Freiheit, wie ihn die Gallier, Germanen und Britannier ebenfalls gegen Rom führten, sondern hatte einen religiösen Charakter; das judäische Volk fühlte sich in seinen religiösen Gefühlen durch Roms Willkürherrschaft täglich gekränkt und wollte seine Unabhängigkeit nur zum Zwecke unbeengter Religionsübung erkämpfen und behaupten. Darum stumpfte sich das Freiheitsgefühl trotz öfteren Unglücks im Kampfe nicht ab, steigerte sich vielmehr mit jedem Tage zu einer Empfindlichkeit, die in dem geringfügigsten Anlasse Angriffe auf die heiligsten Überzeugungen erblickte. Rom hat zwar nur selten, wie unter Caligula, das Judentum bedroht, es schonte vielmehr im allgemeinen die religiöse Empfindlichkeit der Judäer, aber es verletzte sie doch unwillkürlich durch sein strenges Regiment und seine eifersüchtige Überwachung. Außerdem hatte es durch seine Verführungskünste den edelsten Teil der Nation vergiftet und ihn gegen Pflicht und Überzeugung taub gemacht. Die Wachsamen des Volkes fürchteten mit Recht, daß diese Erstorbenheit der edelsten Glieder bald den ganzen Nationalkörper ergreifen würde.

In der Tat herrschte in den aristokratischen Familien eine so tief eingewurzelte Sittenverderbnis, daß ihr vergiftender Einfluß auf die Mittelklassen nicht aus bleiben konnte. Das schlechte Beispiel ging von den letzten Gliedern des herodianischen Hauses aus, die, in Rom oder an den kleinen Höfen der römischen Vasallenfürsten erzogen, die Entartung der Römer nachahmten. Agrippa II. (geb. 27, gest. 91-93), Sohn des letzten edlen judäischen Königs Agrippa I., sog beim Tode seines Vaters als siebzehnjähriger Jüngling die verpestete Luft des römischen Hofes ein, wo die Messalinen und Agrippinen die scheußlichsten Laster offen zur Schau trugen. Nach dem Ableben Herodes II., des Titularkönigs, der das Recht hatte, die Hohenpriester abzusetzen und zu ernennen (o. S. 361) übertrug ihm Claudius dieses Recht und belehnte ihn auch kurz darauf mit dem winzigen Königreiche Chalkis (49 bis 50), dem Herrschergebiete eben dieses Herodes1. Man flüsterte sich heimlich zu, daß dieser Sproß des hasmonäischen und herodianischen Hauses mit seiner nur um ein Jahr jüngern, wegen ihrer Schönheit berühmten Schwester Berenice in Blutschande lebte2, [427] nachdem sie nach dem Tode ihres Gatten, Herodes II., Wittwe geworden war. Das Gerede muß wohl einen Grund gehabt haben, denn es zwang Agrippa, es verstummen zu machen. Er verlobte seine Schwester mit dem Könige von Cilicien Polemon, der von ihren Reichtümern mehr noch als von ihrer Schönheit angelockt, ihretwegen das Judentum annahm; aber bald darauf verließ sie Polemon wegen ihrer Unbeständigkeit wieder und war wieder für leichtsinnige Liebeleien frei. Agrippas zweite Schwester, Mariamne II. (geb. 34), welche, von ihrem Vater einem Judäer Julius Archelaus, dem Sohne seines Freundes Chelkias, (o. S. 353) versprochen, ihn auch geheiratet hatte, löste die Ehe auf, obwohl sie ihm eine Tochter geboren hatte, und verheiratete sich mit dem judäischen Arabarchen Demetrios aus Alexandrien, wahrscheinlich dem Sohne des Arabarchen Alexander und also Bruder des Apostaten Tiberius Alexander. Ausgelassener noch war die jüngste Schwester, die schöne Drusilla (geb. 38). Der Vater hatte sie als Kind dem Prinzen Epiphanes, Sohn seines Freundes Antiochos von Commagene, versprochen, aber nur unter der Bedingung, daß derselbe Judäer würde. Da Epiphanes aber nach Agrippas Tode mit einer schönen Frau das Judentum nicht in den Kauf nehmen mochte, so verheiratete der jüngere Agrippa seine Schwester Drusilla an den König von Emesa, Namens Aziz, der sich bereitwillig zeigte, Judäer zu werden. Trotzdem war Drusilla so pflichtvergessen gegen ihren Gatten, daß sie ihn verließ, einen heidnischen Römer, den Landpfleger Felix, heiratete, ihm zu Liebe das Judentum aufgab und Heidin wurde. Ein falscher Prophet, Namens Simon aus Cypern, spielte dabei den Kuppler. Der Neid Berenices auf die Schönheit der jüngsten Schwester soll der Beweggrund zu Drusillas Ehebruch und Religionswechsel gewesen sein3. – Obwohl Agrippa II. anfangs nur Fürst von Chalkis war, galt er doch als judäischer König. Rom hatte ihm den Titel gelassen, aber ihm die Macht genommen und gebrauchte ihn als gefügiges Werkzeug, die Bewegung der Nation überwachen zu helfen. Agrippa hing auch dem Kaiserhause mit Hingebung an, auch er nannte sich »Freund des Kaisers«. Schwach, wo es galt, die römische Anmaßung in Schranken zu weisen, zeigte er sich nur stark, wenn es darauf ankam, den Freiheitsbestrebungen seines Volkes entgegen zu treten. Und so waren auch die entferntesten Verwandten dieses Hauses, zwei Brüder, Kostobar und Saul, und ein Antipas, sämtlich entsittlicht, volksfeindlich, räuberisch4. Der [428] einzige Einfluß, den Kaiser Claudius oder vielmehr seine Räte, dem Titularkönig gelassen, und den sein Nachfolger bestätigt hat, war die Aufsicht über den Tempel und die Ernennung der Hohenpriester5. Rom konnte keinen ergebenern Geschäftsführer wählen. Agrippa sah auch bei der Ernennung der Hohenpriester nicht auf die sittliche und religiöse Würdigkeit, sondern einzig und allein auf deren Gesinnung gegen Rom. Derjenige, der am weitesten in der Kriecherei und Verleugnung des Nationalgefühles ging, oder der die größte Summe bieten konnte, erhielt den Vorzug. In kaum zwei Jahrzehnten setzte Agrippa mindestens sieben Hohenpriester ein, unter ihnen Anania (Sohn Eleasars?), der einen außerordentlichen Reichtum ererbt oder erworben hatte, damit die Bestechlichen für sich gewann und sich Gesetzlosigkeit und Gewalttätigkeit erlauben durfte6.

Seitdem das Hohepriestertum durch Herodes so entwürdigt war, daß es durch Käuflichkeit und niedrige Gesinnung erworben werden konnte, gab es Familien, die gewissermaßen ein Anrecht auf dasselbe hatten: die Familien Boëthos, Kantheras (Kathras), Phiabi7, Kamith und Anan; nur selten fiel die Wahl auf einen, der nicht einem dieser Geschlechter angehörte. Die Glieder dieser hohenpriesterlichen Familien wetteiferten meistens miteinander an Gesinnungslosigkeit und Niedrigkeit; öfter brach die gegenseitige Eifersucht in Tätlichkeiten aus, und die Straßen von Jerusalem sahen zuweilen, wie die Anhänger der feindlichen Häuser aufeinander losschlugen und sich mit Steinen warfen8. Jeder erwählte Hohepriester suchte für die Dauer seiner Tätigkeit sein Amt möglichst auszubeuten und beförderte seine Verwandten und Freunde zu einträglichen Tempelämtern, wobei er wenig auf deren Würdigkeit achtete. Mit solcher Frechheit verfuhren die regierenden Hohenpriester, daß sie ihre Sklaven, mit Knitteln bewaffnet, in die Tennen schickten, um die Zehnten, die jeder beliebig verteilen konnte, gewaltsam für sich einziehen zu lassen. Eine Folge davon war, daß diejenigen Priester, die nicht so glücklich waren, zur Verwandtschaft der Hohenpriester zu gehören, ihrer Nahrungsquelle beraubt wurden und in drückende Armut gerieten9. Habgier, Herrschsucht und Gesinnungslosigkeit waren die Triebfedern der Handlungen derer, welche berufen waren, das Ideal der Sittlichkeit zu verwirklichen10; der Tempel war durch seine Würdenträger geschändet, ehe [429] noch der Feind mit dem mörderischen Stahl eindrang. Seit dieser Zeit, so erzählte man sich, haben die sichtbaren Gnadenzeichen im Tempel aufgehört. Das eine Licht, das im Heiligtume auf dem heiligen Leuchter die ganze Nacht hindurch zu leuchten pflegte, sei dann regelmäßig noch vor Tagesanbruch erloschen. Der rote Streifen an dem Halse des Sündenbockes am Versöhnungstage, der als Zeichen der Sündenvergebung sonst die Unschuldsfarbe angenommen, habe das Rot, die Farbe der Sünde, behalten11. Seit dieser Zeit hörten die Priester auf, beim Segen im Tempel den heiligen Gottesnamen (Jhwh) auszusprechen; sie hielten sich und ihre Zeit nicht würdig dafür. Auch die Hohenpriester, deren Ehrenamt es war, den Gottesdienst am Versöhnungstage zu begehen und die Gottheit um Sündenvergebung zu bitten, sprachen diesen Namen so leise aus, daß kaum die Umstehenden ihn vernahmen12. Sie wurden wahrscheinlich von den strengen Pharisäern, welche das Volk hinter sich hatten, dazu angehalten und mußten sich fügen. Das Aussprechen des vierbuchstabigen Gottesnamens außerhalb des Tempels im gewöhnlichen Leben war wohl schon früher nicht mehr Brauch. Es war dafür der Name »Herr« (Adonaï) eingeführt. Der heilige Name schien den Frommen nicht mehr zur sittlichen Haltung der herodianischen Zeit zu stimmen.

Wie ein Krebsschaden griff diese Entsittlichung der fürstlichen und hohenpriesterlichen Geschlechter immer weiter um sich und erzeugte in den zunächst stehenden Ständen häßliche Auswüchse, die ein Zeitgenosse mit düstern Farben schildert. Der Richterstand war, seitdem die peinliche Gerichtsbarkeit im Namen des Kaisers geübt und von den Landpflegern überwacht wurde, in Abhängigkeit von den Römern und den Einflußreichen geraten. »Immer mehr nehmen Eigennutz, Bestechung, feige Rücksichtnahme, Einflüsterungen zu«, klagt diese Sittenschilderung bitter, »das Himmelsjoch werfen sie ab und legen sich dafür das Joch von Menschen auf, die Urteile fallen ungerecht aus, und die Handlungen sind verkehrt. Die Gesinnungslosen steigen und die Edlen sinken, und damit sinkt das Gemeinwesen immer tiefer. Engherzigkeit, Neid, Gewalttätigkeit nehmen überhand, die Vornehmtuerei (Jehirin) spreizt sich, und die Töchter Israels wollen sich nur mit Vornehmen verheiraten; denn in unserem Zeitalter sieht Alles nur auf das Äußerliche«13. Der Leichtsinn der Frauen und die Verführungskünste der Männer waren so sehr an der Tagesordnung, daß der angesehenste Gesetzeslehrer dieser Zeit, Jochanan ben Sakkaï, das Ritual für den[430] Verdacht des Ehebruchs abzuschaffen sich veranlaßt sah14. Die Edelgesinnten beklagten mit tiefer Wehmut einen Zustand, in welchem die äußerliche Frömmigkeit höher stand als die Sittlichkeit, und man sich im allgemeinen mehr über die Verunreinigung des Tempels, als über einen Totschlag ereiferte15. Unter den untern Volksklassen kam ein anderes, aber nicht minder schreckliches Laster vor. Die häufigen Aufstände, die seit dem Tage, als Rom die Vermessenheit hatte, Judäa als eine eroberte Provinz mit Siegerwillkür zu behandeln, durch die Zeloten angezettelt und gescheitert waren, erzeugten Freischaren, die im Lande wild umherschwärmten und, Freiheit mit Zügellosigkeit verwechselnd, Recht und Gesetz mit Füßen traten. Sie hausten in Bergesklüften und Grotten, an denen das judäische Gebirge so reich ist, und machten von da aus häufig Angriffe, um ihren Freiheitsdrang oder ihre Bedürfnisse nach Lebensmitteln zu befriedigen. Einige Zelotenscharen, welche von Eleasar ben Dinaï und Alexander geführt waren, gingen zwar von einem edlen Nationalgefühle aus – sie hatten den Römern Tod und Verderben geschworen – dehnten aber ihren Haß auch auf alle diejenigen aus, welche es mit den Römern hielten. Sie erkannten sie nicht als Judäer an und glaubten kein Unrecht zu begehen, wenn sie sich an ihrer Habe und an ihrem Leben vergriffen. Die Römlinge waren nach deren Ansicht und Schwur vogelfrei, und sie hielten ihren Schwur nur allzu gewissenhaft. So fielen sie die Vornehmen an, so oft sie ihnen in den Weg kamen, zerstörten ihre Besitzungen und fügten ihnen überhaupt jeden möglichen Schaden zu16. Galt es eine Unbill zu rächen, die von Seiten der Feinde ausgeübt worden war, so waren sie die ersten, dem verletzten Nationalgefühle ihr Racheschwert zu leihen. Eleasar ben Dinaï und seine Genossen waren keine Räuber und Meuchelmörder, wie sie die Römer und ihre Augendiener geschildert haben. Sie waren vielmehr von dem Gedanken des Zelotenstifters erfüllt und wollten die eingebüßte Freiheit ihrer Nation wiedererobern oder rächen17; allein [431] weil sie es zur Unzeit und mit unlautern Mitteln versuchten, brachten sie statt Erlösung nur noch größern Jammer über das Volk.

Eine andere Zelotenbande, die in ihrer Verwilderung den edlen Zweck der Befreiung vergaß, machte aus dem Angriff auf ihre Feinde ein Handwerk. Man nannte diese Zeloten Sicarier von dem kurzen Dolche (Sica), mit dem sie bewaffnet waren, und den sie unter ihren Kleidern verbargen, damit ihre Feinde anzugreifen und öffentlich oder meuchlings zu ermorden. Die Sicarier waren der Auswurf der Zelotenpartei, deren Führer später die Enkel des Galiläers Juda mit Namen Menahem und Eleasar ben Jaïr geworden sind. Im Beginne dieser Epoche standen diese Banden jedoch unter keiner Disziplin, sondern schwärmten planlos umher und liehen ihren Arm demjenigen, der ihnen Lohn oder Gelegenheit zur Befriedigung ihres Rachedurstes gab. Mit ihren Dolchen mischten sie sich unter dichte Gruppen, namentlich in den Säulengängen des Tempelberges an den Festzeiten, wenn große Menschenmassen hin und her wogten, und machten denjenigen unvermerkt nieder, der als ihr Opfer ausersehen war. Solche Mordtaten führten sie mit so großer Schnelligkeit und Geschicklichkeit aus, daß die Urheber eine lange Zeit unentdeckt blieben; aber gerade diese Dunkelheit erzeugte eine unheimlich bange Furcht in den Gemütern18. Jeder glaubte sich von unsichtbaren Feinden umgeben und ward des Lebens nicht froh; der Freund mißtraute dem Freunde, der Herr seinem treuesten Diener. Mordtaten kamen so häufig vor, daß die Gesetzeslehrer mit Jochanan ben Sakkaï das Sühnopfer für unschuldig vergossenes Blut abschafften19, es hätten deren zu viele für die gefallenen Menschenopfer geschlachtet werden müssen. Um diese Zeit mag das große Synhedrion, als es die überhandnehmende Zucht und Sittenlosigkeit mit blutendem Herzen wahrnahm, seine Funktionen eingestellt haben, es verlegte seinen Sitz aus der Quaderhalle des Tempels in die Kaufhallen (Chanujot) bei Bethanien20, ein Akt, der einer Vertagung ähnlich war.

In dieser immer wachsenden Zerrüttung scharten sich die Edelsten des Volkes, die sich von dem Getriebe fern hielten, mit noch größerer [432] Liebe um das geistige Gut des Judentums. Die Lehre zu erhalten, war ihnen die höchste Lebensaufgabe. Als Repräsentant derselben kann R. Jochanan ben Sakkaï gelten. Er war, nächst dem Synhedrialpräsidenten Simon ben Gamaliel von Hillelschem Geschlechte, und wohl noch mehr als dieser, der angesehenste Gesetzeslehrer dieser Zeit; Hillel selbst, dessen jüngster Schüler er keineswegs war, soll ihn den »Vater der Weisheit und den Träger der Zukunft« genannt haben. Infolge seiner tiefen Gesetzeskunde und seiner Würdigkeit war R. Jochanan ben Sakkaï Stellvertreter des Präsidenten. In dieser Stellung schaffte er diejenigen Gesetze ab, die in der sturmbewegten Zeit nicht mehr anwendbar waren. Seine Hauptbeschäftigung war indessen die Lehrtätigkeit. In dem Schatten der Tempelmauern saß er im Kreise seiner Jünger und überlieferte ihnen die überkommenen Gesetze und die Auslegung der Schrift21.

Zu den Übeln der Anarchie kam noch ein anderes hinzu, welches, an sich zwar unschuldiger Art, Blutvergießen und Jammer aber noch gesteigert hat. Je hoffnungsloser der Zustand war, um so mehr regte sich in den Herzen der Gläubigen die Sehnsucht nach dem erwarteten Befreier und Friedensbringer. Mehr noch als zur Zeit der ersten Landpfleger durchzuckten messianische Hoffnungen die Gemüter und erweckten Schwärmer, die sich als Propheten und Messiasse ausgaben und beim Volke Glauben fanden22. Alle diese Schwärmer stellten die Befreiung vom römischen Joche als letztes Ziel ihrer Unternehmungen hin, müssen daher ebenfalls als Zeloten angesehen werden und unterschieden sich von jenen handfesten Eiferern nur durch die Mittel. Was die Anhänger Judas mit Waffengewalt durchzusetzen gedachten, das wollten die Nachfolger des Theudas ohne Kampf, durch Zeichen und Wunder vollbringen23. Sie waren keine Betrüger, sondern glaubten selbst fest an ihre Sendung, das Werk der Befreiung zu vollziehen; nur der unglückliche Ausgang ihrer Unternehmungen stempelte sie zu falschen Messiassen und trug ihnen den Namen Zauberer (γόƞτες, μάγοι), ein. Als ein solcher Messias trat Simon aus Cypern auf24.

Ein Judäer aus Ägypten, der sich als Prophet ausgab, fand ebenfalls Gläubige (an 3000, nach einer andern Quelle gar 4000), [433] berief sie zum Ölberge und verhieß ihnen das Wunder, mit dem Hauche seines Mundes die Mauern von Jerusalem einstürzen zu machen und die römischen Soldaten zu bezwingen25. Wenn auch nur dieser namhaft gemacht wird, so war er doch nicht der Einzige, der, von Begeisterung getrieben, seinen Anhängern das Eintreffen besserer Zeiten prophezeit hat. Und warum hätte er keinen Glauben finden sollen? Ein Volk, das eine so reiche Vergangenheit hat, und dessen Herz von glänzenden Bildern einer schönern Zukunft erfüllt ist, ist nur zu leicht geneigt, einem schönen Traumbilde zu folgen und in der Schwärmerei den Jammer der Gegenwart zu vergessen oder gar zu überwinden.

Solche unschuldige Vorgänge erhielten erst durch den blutigen Ernst, mit dem die Landpfleger sie betrachteten, eine traurige Wichtigkeit. War das Volk auf seine religiösen Überzeugungen eifersüchtig, betrachtete es die unbedeutendste Verletzung derselben von seiten eines Römers in übertriebener Empfindlichkeit26 als einen Angriff auf das Judentum und machte dafür den Statthalter, den Kaiser, den römischen Senat verantwortlich, so waren die kaiserlichen Abgeordneten in Judäa nicht minder empfindlich, behandelten die bedeutungsloseste Volksbewegung als eine Majestätsbeleidigung gegen den Kaiser und verfolgten Schuldige und Unschuldige mit gleicher Grausamkeit. Vergebens zeigte der Kaiser Claudius und nach ihm Nero die wohlwollendste Gesinnung gegen die Nation; die Landpfleger überschritten jedesmal ihre Vollmachten und benahmen sich aus Habgier und Herrschsucht wie Tyrannen. Judäa hatte das Unglück, fast nur verworfene Kreaturen, die ihre Beförderung den bei Hofe herrschenden gesinnungslosen Günstlingen und Weibern zu verdanken hatten, als Landpfleger zu bekommen. Sie wetteiferten miteinander an Schlechtigkeit, Habgier und Blutdurst, vermehrten dadurch die Unzufriedenheit des Volkes und reizten es zum Äußersten.

Die Reihe dieser fünf Geld und Blut saugenden Landpfleger eröffnete Cumanus (um 48 bis 52), der auf Tiberius Alexander gefolgt war. Dieser war nur etwa zwei Jahre (47 bis 48) auf seinem Posten geblieben. Möglich, daß die judäischen Großen den Kaiser auf den Anstoß aufmerksam machten, den der vom Judentum abtrünnige Landpfleger dem Volke gab. Gleichviel, Tiberius wurde abberufen, [434] obwohl er bei dem Kaiserhause in großer Gunst stand. Er stieg zu immer höhern Würden auf, wurde später gar Statthalter von Ägypten und übte einen bestimmenden Einfluß auf eine Kaiserwahl aus. An seine Stelle wurde Cumanus als Landpfleger gesandt, doch soll er nur die Landesteile Judäa und Samaria zur Verwaltung gehabt haben, Galiläa soll Claudius dem Bruder seines Lieblings, des Freigelassenen Pallas, Schatzmeisters des Kaisers, Namens Felix, überlassen haben, der von der Kaiserin Agrippina begünstigt wurde; Cumanus und Felix waren Todfeinde27. Der Landpfleger Judäas stachelte zuerst die Volksempfindlichkeit auf. Von tiefem Argwohn gegen jede Versammlung im Tempel, der seit dem Aufstande wegen des Census für die römischen Statthalter Tradition geworden war, erfüllt, stellte Cumanus am Passahfeste eine bewaffnete Kohorte in den Säulengängen des Tempels auf, um das zahlreich anwesende Volk zu überwachen. Bei dieser Gelegenheit machte ein Soldat mit der den niederen römischen Soldaten eigenen Rücksichtslosigkeit eine unanständige Geberde gegen das Heiligtum, welche das Volk als Beschimpfung des Tempels und als Gotteslästerung auslegte. Die Judäer, von Eifer hingerissen, warfen Steine auf die Soldaten und beschimpften den Landpfleger, als wäre diese verächtliche Behandlung des Heiligtums mit seinem Willen geschehen. Infolgedessen entstand ein Tumult und schien in einen Aufstand übergehen zu wollen. Cumanus ließ neue Truppen anrücken, die Burg Antonia besetzen und nahm eine drohende Haltung an, welche die Menge auf dem Tempelberge so sehr in Schrecken setzte, daß jeder eilte, aus dem Bereiche des Angriffs zu kommen. An den Ausgängen entstand ein so heftiges Gedränge, daß mehr als 10 000 oder gar 20 000 Menschen dabei erdrückt oder zertreten worden sein sollen28.

Eine ähnliche Veranlassung hätte beinahe zu demselben Ausgange geführt, wenn nicht Cumanus diesmal besonnen genug gewesen wäre, den Volkswillen zu befriedigen. Eine Bande Sicarier hatte nämlich einen kaiserlichen Diener auf offener Straße unweit Bethoron überfallen und beraubt. Dafür ließ Cumanus die Dörfer in der Nähe des Schauplatzes hart büßen, sie von seinen Soldaten plündern und zerstören. In der Wut über den Angriff auf einen Römer zerriß ein Soldat ein ihm in die Hände geratenes heiliges Gesetzbuch und warf die Stücke ins Feuer. Neuer Stoff zur Aufregung des Volkes und neue Klagen über Verletzung der Heiligtümer. Massenhafte [435] Scharen strömten zu Cumanus nach seiner Residenz Cäsarea, schrieen neuerdings über Götterlästerung, »sie könnten weit eher ihren Untergang als die Entweihung ihrer heiligen Schriften ertragen«, und verlangten den Tod des Schuldigen. Der Landpfleger gab diesmal auf den Rat seiner Freunde nach und ließ den Soldaten in Gegenwart der Verletzten hinrichten29.

Einen ernstern Charakter nahm ein dritter Vorfall unter Cumanus an und führte zu blutigen Reibungen. Von den Galiläern, welche zum Feste nach Jerusalem durch Samarien zogen, wurden mehrere30 in der Stadt Ginäa (am südöstlichen Ende der Ebene Jesreel) von feindlichen Samaritanern in einem Handgemenge ermordet. War der Mord aus einer zufälligen Veranlassung oder infolge der herrschenden Gehässigkeit zwischen den Judäern und Samaritanern entstanden? In dem einen wie in dem andern Falle waren die Vertreter der galiläischen Gemeinden berechtigt, von dem Landpfleger strenge Gerechtigkeit gegen die Mörder zu verlangen. Aber Cumanus behandelte die Sache mit unerhörter Gleichgiltigkeit und zwang die Judäer zur Selbsthilfe. Die Zelotenführer Eleasar ben Dinaï und Alexander, von den Galiläern und auch von Felix, dem Landpfleger von Galiläa, aufgestachelt, nahmen die Sache in die Hand, überfielen mit ihrer Bande den von den Samaritanern bewohnten Landstrich Akrabatene und mordeten und plünderten ohne Schonung und Erbarmen. Auf die Klage der Samaritaner über den gestörten Landfrieden gestattete ihnen Cumanus sich zu bewaffnen und sandte ihnen römische Truppen, unter andern auch die judenfeindlichen Sebastener (o. S. 359), zu Hilfe, die wiederum unter den Zeloten ein Blutbad anrichteten.

Diese so offenkundige Parteilichkeit des kaiserlichen Abgeordneten regte das Volk von Jerusalem so sehr auf, daß es, von einem angesehenen Manne Dortos und andern aufgestachelt, auf dem Wege war, Cumanus' Truppen anzugreifen und Verwickelungen herbeizuführen, die vielleicht die Katastrophe um zwanzig Jahre beschleunigt hätten, wenn nicht die angesehensten Männer Jerusalems, erschreckt über die unabsehbaren Folgen einer solchen Widersetzlichkeit gegen die römischen Waffen, den Kampf zu hintertreiben gesucht hätten. In Trauergewänder gehüllt, beschworen sie die aufgeregte Volksmenge, die Zukunft nicht aus den Augen zu verlieren und lieber Unbill zu ertragen, als den unvermeidlichen Untergang des Gemeinwesens und des Tempels [436] heraufzubeschwören. Das Volk legte darauf die Waffen nieder. Aber weder die Judäer, noch die Samaritaner beruhigten sich über die Ermordung der Ihrigen; beide sandten vielmehr Abgeordnete an den syrischen Statthalter Ummidius Quadratus, klagten einander vor ihm an und baten ihn, die Streitsache zu untersuchen. Zu diesem Zwecke fand sich Quadratus in Samaria ein, handelte aber parteiisch und ließ die gefangenen Judäer ans Kreuz schlagen. Dann erst errichtete er in der Stadt Lydda ein Tribunal und lud beide Parteien vor seine Schranken. Allein die Streisache war durch die Folgen, die sie herbeigeführt, so verwickelt geworden – indem Felix für die Galiläer gegen die Samaritaner Partei nahm – daß Quadratus sie nicht zu schlichten vermochte und daher den Befehl gab, daß beide Parteien Abgeordnete an den Kaiser absenden und dessen Entscheidung entgegennehmen sollten. Von seiten der Judäer gingen der ehemalige Hohepriester Jonathan und der Tempelhauptmann Anan, Sohn des Hohenpriesters Ananias, mit noch anderen nach Rom. Auch Cu manus mußte auf Quadratus' Verfügung seinen Posten verlassen und sich zur Rechtfertigung nach Rom stellen.

Dieser Prozeß setzte in Rom das ganze Räderwerk der Hofintriguen in Bewegung; er hatte dadurch, daß der Landpfleger selbst als Angeklagter darin verwickelt war, eine größere Tragweite erhalten. Einerseits versuchte Cumanus auf Claudius' Günstlinge einzuwirken, daß sie den Kaiser für ihn günstig stimmten, und andererseits ließen es die judäischen Abgeordneten, Jonathan31 und der König Agrippa II., der noch immer in Rom weilte und bei Claudius beliebt war, nicht an Mühe fehlen, diesen für die Sache der Judäer zu gewinnen. Der Kaiser bestimmte eine Gerichtssitzung für diesen Prozeß; den Ausschlag gab aber nicht er, sondern seine ihn beherrschende verworfene Gemahlin, die berüchtigte Agrippina, deren Buhle Pallas, Felix' Bruder, war. Felix selbst war in das Tribunal berufen. Es war auch zwischen den judäischen Gesandten und Pallas abgemacht worden, daß, sobald Cumanus verurteilt würde, der Kaiser gebeten werden sollte, Felix an dessen Stelle zum Landpfleger Judäas zu ernennen. Daher fiel des Kaisers Entscheidung zu Gunsten der Judäer aus, nicht weil er erkannt hatte, daß die Samaritaner die Urheber des Streites waren. Mehrere schuldig befundene Samaritaner wurden hingerichtet und Cumanus in die Verbannung ge schickt32. Zur selben Zeit erhielt Agrippa, wahrscheinlich durch Fürbitte der Kaiserin, ein Königreich in der Nordostgegend Judäas, das aus den Landesteilen bestand, die einst [437] zu Philipps Tetrarchie gehört hatten: Batanäa, Gaulanitis, Auranitis, Trachonitis, auch Paneas und Abilene (53)33; dagegen verlor er sein Fürstentum Chalkis, mit dem er früher belehnt war. Das eigentliche Judäa hielt aber Rom so fest umklammert, daß es an der Spitze desselben einen judäischen Fürsten, wenn er auch noch so sehr gezähmt und gefesselt war, nicht dulden mochte.

Die Vorgänge unter Cumanus und die dadurch veranlaßte heftige Verbitterung der Samaritaner gegen das judäische Gemeinwesen nötigten das Synhedrion eine durchgreifende Veränderung in der Kundmachung des Festkalenders vorzunehmen. Die Hauptfestzeiten – das Passahfest im Beginne des Frühlings, das Wochenfest fünfzig Tage später und die drei Feste zu Ende des Sommers, (Posaunenfest, Versöhnungstag und Hüttenfest) – waren veränderlich und abhängig von dem Neumonde. Denn die Judäer zählten nach Mondjahren, und nur wenn der Frühling sich verspätete, wurde ein Monat zur Ausgleichung des Mondjahres mit dem Sonnenjahre eingeschaltet. Der Monat sollte mit der Sichtbarkeit des ersten Streifens des Mondwechsels beginnen, welche von Zeugen wahrgenommen und vor dem Synhedrion oder dem Vorsitzenden durch ein strenges Verhör sicher festgestellt wurde. War so der Tag des Neumondes bestimmt, so wurde er am Abend vermittelst Bergfeuer dem ganzen Lande und auch darüber hinaus kundgegeben. Von Bergspitze zu Bergspitze wurden mit Brennstoffen umwickelte lange Cedernstangen so lange hin und her geschwungen, bis das Zeichen auf der nächsten Spitze wahrgenommen und weiter gegeben wurde. So pflanzte sich das Feuerzeichen fort vom Ölberg bei Jerusalem bis zur Kuppe Sartaba (Alexandrion), von da bis zum Tabor, dann auf eine Höhe Gruphina, dann jenseits des Jordans zum Gileaditischen Gebirgszuge von Machärus im Süden, bis nach Gadara im Norden. Von diesen aus wurde das Bergfeuer auf dem hohen Gebirge Hauran wahrgenommen und für die nächste Anhöhe, Bet-Beltin (Bairam), angezeigt, die in der Nähe des Euphrat lag, wodurch auch die babylonischen Gemeinden den Monatsanfang zu gleicher Zeit mit den judäischen erfuhren und ihrerseits von Stadt zu Stadt durch helllodernde Fackelfeuer kundzumachen pflegten. Von diesen durch Bergfeuer angekündigten Monatsanfängen zählten die Gemeinden Judäas, Babyloniens und vielleicht auch Syriens die Tage bis zu dem bestimmten Tage, an welchem das Fest begangen werden sollte. Diese Zeichen für den Festkalender, welche die judäische Bevölkerung an der Scheide zwischen dem abgelaufenen und eintretenden [438] Monate jedesmal mit Spannung zu erwarten pflegte, vereitelten die Samaritaner in dieser Zeit infolge ihrer haßerfüllten Erregtheit. Um ihren Feinden einen Streich zu spielen, zündeten sie nämlich von ihren Bergen aus zur Unzeit Bergfeuer an und täuschten damit die nördlich von ihrem Landstriche wohnenden Gemeinden.

Um für die Folgezeit eine solche Täuschung und Verwirrung zu verhüten, hob das Synhedrion unter dem Vorsitz R. Gamaliels34 die Kundgebung durch Bergfeuer auf und ersetzte sie durch Boten, welche von Gemeinde zu Gemeinde den Monatsanfang bekannt machten. Es war ein mühsamer Weg und konnte nicht einmal immer zum Ziele führen, wenn nämlich die Sendlinge vor dem Beginne der Festzeiten ihre Reise nicht beendigen konnten. Die entfernten Gemeinden, denen die Kundmachung nicht zeitlich genug zukommen konnte, gewöhnten sich daran, zweifelshalber zwei Tage hintereinander feiertägig zu begehen. Um es aber den Boten zu ermöglichen auch die entferntesten Ortschaften zu erreichen, wurden sie schon an dem Abende, an welchem der Neumond astronomisch eintreffen mußte, mit der Ankündigung ausgesandt. Seit dieser Zeit wurde auf die astronomische Berechnung der Monatsanfänge mehr Wert gelegt als auf die Aussage der Zeugen, daß sie den Mondstreifen wahrgenommen hätten, und diese nur noch gewohnheitshalber beibehalten. Die astronomische Berechnung des Mondlaufs kannte die Familie der Patriarchen aus dem Hause Hillels durch ihren Stammvater, der sie höchst wahrscheinlich aus Babylonien mitgebracht hatte, wo sie seit alter Zeit bekannt war und angewendet wurde. So hatte die parteiliche Ungerechtigkeit des Landpflegers Cumanus oder seine Feindschaft mit Felix noch für die Folgezeit Nachwirkungen, und zwar neben dieser Änderung der Kundmachung noch die andere, daß die Galiläer, wenn sie sich zur Passahfeier nach Jerusalem begeben wollten, das samaritanische Gebiet vermeiden und einen Umweg jenseits des Jordans machen mußten, um nicht Mißhandlungen ausgesetzt zu sein.

Cumanus' Nachfolger in der Landpflegerschaft Judäas wurde Felix, der Bruder des am römischen Hof vielvermögenden Günstlings Pallas, den der ehemalige Hohepriester Jonathan35 vom Kaiser ausgebeten hatte. Daß die judäische Prinzessin Drusilla, die schöne Schwester des Königs Agrippa II., sich mit Felix verheiratete, wobei der Schwärmer Simon den Vermittler gespielt hat, und daß sie durch diese ehebrecherische Heirat zum Heidentume überging, ist bereits erwähnt. Felix übertraf in seiner mehrjährigen Verwaltung (53 bis 59) [439] seinen Vorgänger an Übermut und Frechheit. Diese Sklavenseele dachte an nichts als daran, sich in Judäa zu bereichern und ihre Gelüste zu befriedigen. Das Blutvergießen nahm unter Felix noch mehr zu, da er, auf den Einfluß seines Bruders bei Hofe gestützt, ungestraft jedes Verbrechen begehen durfte36. Diese Macht zu schaden, behielt er auch nach Claudius' Tode (54). Denn, obwohl der junge Kaiser Nero – oder seine Mutter Agrippina – dem herodianischen Hause ebenso wohlgesinnt war, wie Claudius, und den Sohn des Herodes von Chalkis, Aristobul, zum Könige von Kleinarmenien ernannte und für Agrippa vier bedeutende Städte mit ihren Bezirken, das wichtige Tiberias nebst Tarichea in Galiläa und Julias mit Abila in Südperäa zu dessen Gebiet hinzufügte (56)37, so ließ er doch gern Judäa unter dem Regimente eines Blutdürstigen. Felix gab sich das Ansehen, als verfolge er nur die ruhestörenden Aufwiegler; aber wie wenig Ernst es ihm damit war, bewies er dadurch, daß er sich sogar mit den verwilderten Sicariern in Verbindung setzte, um sich durch sie seiner Tadler zu entledigen. Unter ihm wurden zwar die Zeloten des Eleasar ben Dinaï zersprengt und der Häuptling selbst durch List gefangen und nach Rom gesendet, wo er ohne Zweifel seine wilde Freiheitsliebe mit dem Tode büßte, nachdem er eine lange Reihe von Jahren einen aberteuerlichen Guerillakrieg geführt hatte38. Auch auf die Propheten und Messiasse ließ Felix fahnden; die Anhänger des ägyptischen Propheten wurden teils niedergemacht, teils gefangen, aber der Führer selbst entkam glücklich39. Als daher später der Heidenapostel Paulus bei seinem Auftreten in Jerusalem von den kleinasiatischen Judäern als Gesetzesverächter angeklagt und einem römischen Hauptmanne überliefert wurde (59), hielt ihn derselbe für den verschwundenen ägyptischen Schwärmer40. Aber Felix ließ nur die Zeloten und Schwärmer verfolgen, die Sicarier dagegen begünstigte er. Wie viele Unschuldige muß er indessen unter dem Vorwande, daß sie Römerfeinde und Aufwiegler seien, mit dem Tode bestraft haben, wenn sogar der ehemalige Hohepriester Jonathan selbst, der ihn vom Kaiser ausgebeten hatte, sein Verfahren streng zu rügen wagte! Dafür ließ ihn der [440] Landpfleger meuchlings ermorden und bediente sich dazu der Sicarier, die gedungen waren, ihn am hellen Tage zu überfallen41. Zum Hohenpriester ernannte Agrippa abermals Ismaël II. aus dem Hause Phiabi (um 59). Unter diesem nahm die freche Gewalttätigkeit der hohenpriesterlichen Familien so überhand, daß sie mit gedungenem handfestem Gesindel den Zehnten von den Bodenbesitzern für sich eintreiben ließen, wodurch die niedern Priester ihrer Einnahmen beraubt wurden und aus Not umkamen42. Felix, durch Bestechung gewonnen, drückte zu diesen Gewaltstreichen die Augen zu.

Die rücksichtslose Anmaßung, mit der die Landpfleger die Nation zu behandeln sich gewöhnt hatten, blieb nicht ohne Wirkung auf das Benehmen der fremden Bevölkerung, die namentlich in den Seestädten zahlreich vertreten war. Die Syrer, Griechen und Römer, die in Judäa angesiedelt waren, durften ihren feindseligen Sinn gegen ihre judäischen Mitbewohner an den Tag legen und sich anmaßen, die Herren im Lande zu spielen. Der Zug in dem grausigen Strafgemälde des großen Propheten: »Der Fremde in Deiner Mitte wird immer mehr steigen, Du aber wirst immer tiefer sinken«, ging fast buchstäblich in Erfüllung. Am weitesten trieben die griechischen Syrer in Cäsarea die Unverschämtheit gegen die Judäer, indem sie ihnen die Gleichberechtigung in der Verwaltung der städtischen Angelegenheiten streitig machten. Um ihrer Anmaßung einen scheinbaren Rechtsgrund zu geben, beriefen sie sich darauf, daß Cäsarea, als es von dem judäischen Könige Herodes neuerbaut wurde, keinen judäischen Einwohner gehabt, ferner, daß der Erbauer nur deswegen heidnische Tempel und Bildsäulen darin aufgeführt habe, weil er die Stadt für heidnische Bewohner habe bestimmen wollen. Aber die Judäer, welche sich wahrscheinlich unter Agrippa I. daselbst angesiedelt hatten und durch Gewerbefleiß, Wohlstand und kriegerischen Mut ihren heidnischen Mitbürgern weit überlegen waren, ließen sich die Entziehung des Bürgerrechts nicht gefallen, und es kam dadurch fast täglich zu Reibungen und Straßenkämpfen. Als einst die judäische Jugend eine erlittene Beschimpfung mit blutigen Köpfen der Syrer rächte und ihre Gegner aus dem Felde schlug, mischte sich der Landpfleger Felix in die Händel, befahl den zusammengerotteten Judäern auseinanderzugehen, und ließ, als sie sich seiner Aufforderung widersetzten, die bewaffnete Macht einschreiten, die teilweise aus eingeborenen Griechen und Syrern bestand und daher mit ganzem Herzen Partei für ihre Stammesgenossen nahm. Viele Judäer kamen dabei um, andere gerieten [441] in Gefangenschaft; die Häuser der Reichen wurden geplündert und zerstört. Bei dem Anblicke des Blutbades und der Zerstörung beeilten sich die angesehensten Judäer Cäsareas, die um ihre Habe besorgt waren, Unterwürfigkeit gegen den Landpfleger an den Tag zu legen; darauf ließ derselbe die Truppen zurückziehen43. Die eigentliche Streisache war aber dadurch nicht entschieden; beide Teile waren durch das vergossene Blut nur noch erbitterter geworden und schickten Abgeordnete nach Rom, den Kaiser Nero als Schiedsrichter anzurufen. Da damals die cäsareensischen Syrer den Geheimschreiber des Kaisers, Burrus [oder Beryllus], durch Bestechung für sich zu gewinnen wußten, so entschied der Kaiser zum Nachteile der Judäer, und sie büßten ihre Gleichstellung ein44. Diese ungerechte Entscheidung vermehrte die Gereiztheit des Volkes gegen Rom und veranlaßte später den ersten Ausbruch des Aufstandes gegen die römische Gewaltherrschaft. Felix wurde indessen wegen seiner parteiischen Einmischung in die Streitsache der Cäsareenser abberufen (um 59).

Die Landpflegerschaft des Festus, Felix' Nachfolgers, dauerte nur kurze Zeit (um 59 bis 61). Die Lage hatte sich nicht verändert, womöglich noch verschlimmert. Die Sicarier trieben ihr Unwesen weiter fort, und der neue Landpfleger mußte einen Vertilgungskrieg gegen sie führen. Ein neuer messianischer Schwärmer weckte die Hoffnung auf Befreiung und Heil, sammelte Anhänger und teilte das Los seiner Vorgänger45. Die gegenseitige Beargwöhnung nahm immer mehr zu. Der König Agrippa II., der endlich seine Residenz in Jerusalem aufgeschlagen hatte, erhöhte den dem Tempel gegenüberliegenden Hasmonäerpalast noch mehr, um von diesem hohen Standpunkte aus die freie Aussicht auf Alles, was in den Tempelvorhöfen vorging, zu haben und von seinem Speisezimmer aus jede Bewegung überwachen zu können. Er mochte ahnen, daß eine Verschwörung im Anzuge sei, deren Herd der Tempel sein werde, und wollte sich nicht davon überraschen lassen. Die Vertreter des Tempels beklagten sich aber darüber, daß Agrippa sich Eingriffe in die Tempelprivilegien angemaßt habe; es sei keinem Laien gestattet, zu jeder Stunde seinen Blick in die Tempelräume zu werfen. Sie ließen daher an der Westseite eine hohe Mauer aufrichten, um die Aussicht vom Palaste zu verdecken. Damit waren wieder Agrippa und der Landpfleger nicht zufrieden und wollten die kaum vollendete Mauer wieder niederreißen lassen; es kam zum erbitterten Wortwechsel, bis beide Teile, besonnen genug, dem Kaiser [442] die Entscheidung überließen. Zwölf Abgeordnete, darunter der Hohepriester Ismaël und der Schatzmeister Helkia, wurden zu diesem Zwecke noch Rom gesendet. Aber nicht Kaiser Nero, sondern seine Buhlerin Poppäa Sabina legte den Streit bei. Dieses ebenso schamlose, wie schöne Weib hatte unbegreiflicher Weise eine Vorliebe für das Judentum, und da an Neros Hofe alle Staatsangelegenheiten durch Intriguen geleitet wurden, so bedienten sich die judäischen Abgeordneten dieses glücklichen Zufalles, um das Staatsoberhaupt für ihre Sache günstig stimmen zu lassen. Die heimkehrenden zehn Abgeordneten brachten die Weisung mit, daß die argwöhnische Überwachung des Tempels unterbleiben sollte46.

Zwei der Abgeordneten, Ismaël und Helkia, waren auf Poppäas Wunsch in Rom geblieben. Zu des erstern Nachfolger ernannte daher Agrippa Joseph, den Sohn Simons Kabi (Kamith um 6047), und nicht lange darauf Anan, den jüngeren, aus der Familie Anan ben Seth48. – Einige Jahre später verwendete sich Poppäa abermals zu Gunsten zweier Judäer, die von dem Landpfleger Felix als Verbrecher nach Rom gesandt worden waren, die aber so fromm lebten, daß sie im Kerker nichts Anderes als Früchte genießen mochten, wie Daniel und seine Freunde. Auf den Wunsch der nunmehr Kaiserin gewordenen Poppäa schenkte ihnen Nero die Freiheit (6349).

Als der Landpfleger Festus nach etwa zweijähriger Verwaltung starb, ernannte Nero Albinus zum Nachfolger, der im Vergleiche zu seinen Vorgängern und Nachfolgern gerecht erschien. Ehe er in seiner Provinz ankam, nahm sich der damalige Hohepriester Anan heraus, das halb erstorbene Sadducäertum wieder zu beleben.

Die Anhänger dieser Sekte hatten sich seit dem Untergange der ihrer Theorie huldigenden makkabäischen Fürsten in den Schmollwinkel zurückgezogen. Weil sie im Volke keinen Anhang hatten, ordneten sie sich in der Ausübung der Religionsgesetze und der Rechtsverhältnisse der Auslegung der Pharisäer völlig unter und wagten nicht, ihren [443] Widerspruch dagegen geltend zu machen, selbst wenn sie mit einem Amte oder der Hohenpriesterwürde bekleidet waren. Nur dieser Hohepriester Anan hatte den Mut, den Pharisäern zu trotzen und die sadducäische Theorie furchtlos zu betätigen. Am Versöhnungstage gleich nach seiner Wahl wagte er es, den Gottesdienst im Tempel nach sadducäischer Gesetzauslegung auszuüben und rühmte sich seinen Anhängern gegenüber seiner herausfordernden Selbständigkeit. So brach der alte Streit um die Gesetzauslegung, welcher unheilvoll die Einmischung der Römer in das judäische Staatswesen und Herodes' Mißregierung herbeigeführt hatte, von neuem aus. Er hatte aber diesmal nicht die unglücklichen Folgen wie früher. Der Streit über vielfache Punkte der Ritualien und des Erbrechtes, ob z.B. das Pfingstfest jedesmal an einem Sonntag oder nur sieben Wochen nach dem Passahfeste gefeiert, wie das Räucherwerk mit Wohlgerüchen am Versöhnungstage im Heiligtume angezündet werden solle, über levitische Reinheitsbestimmungen, über die Erbberechtigung der Töchter oder über einige andere Gegenstände wurde auf schulmäßigem Wege behandelt. Anan und die ihm anhängenden sadducäischen Schriftgelehrten rechtfertigten ihre Ansicht, gestützt auf das Schriftwort oder durch andere Gründe; der sie widerlegte, war der angesehenste Gesetzeslehrer unter den Pharisäern, R. Jochanan ben Sakkaï50. Als aber Anan vor dem Eintreffen des Landpflegers einen Gerichtshof zusammentreten ließ, der Unschuldige als Gesetzesübertreter vor sein Tribunal zog und verurteilte51, waren die Pharisäer mit diesem ungesetzlichen Synhedrion und dessen strengem Verfahren so unzufrieden, daß sie den König Agrippa aufforderten, dem Hohen priester das Amt zu nehmen.

Einige gingen gar dem auf der Reise begriffenen Landpfleger Albinus entgegen, um Anan anzuklagen, er habe in die römische Strafbefugnis eingegriffen, und brachten es dahin, daß der sadducäische Hohepriester abgesetzt wurde; seine angemaßte Macht dauerte nicht länger als drei Monate52. Sein Nachfolger war Josua ben Damnaï (um 61 bis 63), der nach kurzer Zeit Josua ben Gamala (Gamaliel um 63 bis 64) Platz machen mußte53. Diese Hohenpriester [444] mußten vor ihrer Funktion im Tempel am Versöhnungstage einen Eid leisten, daß sie nicht im sadducäischen Sinne vom Hergebrachten abweichen würden. Sie und ihr Nachfolger wurden bei Dem, welcher seinen Namen auf den Tempel hat nennen lassen, beschworen, daß sie nicht wie Anan dem Sadducäertum huldigten54. Ben Gamala hatte eine wegen ihres Reichtums berühmte Witwe geheiratet, Martha, Tochter aus dem hohenpriesterlichen Hause Boëthos, die den König Agrippa II. für zwei Maß Denare gewonnen haben soll, ihrem Gemahle die Hohenpriesterwürde zu übertragen55. Dieser Schacher mit dem Heiligsten benahm dem Volke die Hochachtung vor Königtum und Priestertum zugleich, und es schritt, sobald es die Macht erlangt hatte, über den bestechlichen König und die bestechenden Hohenpriester mit Verachtung hinweg. Die Würdenträger trugen selbst dazu bei, sich verächtlich zu machen. Zwischen Josua ben Damnaï und seinem Nachfolger herrschte eine solche Gehässigkeit, daß ihre Leute sich einander in den Straßen mit Schimpfwörtern und Steinwürfen befehdeten56.

Erstaunlich ist es, daß manche Hohenpriester nicht einmal im stande waren, aus der heiligen Schrift zu lesen. Ein beständiger Vorleser wurde den letzten vor dem Untergange beigegeben, ihnen in der Nacht des Versöhnungstages vorzulesen, um sie wach zu erhalten. Dieser Vorleser Zacharias b. Kabutal pflegte ihnen aus dem apokalyptischen Buche Daniel vorzulesen und auszulegen, weil darin Andeutungen gefunden wurden, daß das frevelhafte vierte Reich Rom ebenso dem Untergange geweiht sei, wie die vorangegangenen Reiche57. Die Hohenpriester wurden damit gewarnt, sich nicht auf Rom zu stützen. Es war ein Wink von seiten der Zelotenpartei.

Josua ben Gamala gehörte übrigens nicht einmal zu den schlimmsten Hohenpriestern. Die Verbesserung des Unterrichtswesens, die von ihm ausging, zeugt, daß er für gemeinnützige Anstalten Sorge trug. – Bis zu seiner Zeit bestanden nur die von Simon ben Schetach eingeführten Schulen für erwachsene Jünglinge von sechszehn Jahren aufwärts (S. 139), Kinderschulen für Knaben von fünf Jahren ab in jeder Stadt rief erst Ben Gamala ins Leben, und sein Name wurde deswegen von den Spätern mit Segen genannt58. Auch er blieb nicht lange in seiner Würde, er mußte sie Matthia b. Theophil abtreten (um 65), dem letzten der achtundzwanzig Hohenpriester durch römische und herodianische Wahl59. Die Entwürdigung des Hohenpriestertums [445] reizte die den Priestern untergeordneten Leviten, eine gewisse Gleichstellung mit denselben zu beanspruchen. Von den drei Klassen Leviten: den Sängern (Meschorrerim, ὑμνῳδοί), den Türhütern (Schoarim, πυλωροί) und den Gehilfen (Mescharetim, λειτουργοῠντες), waren die ersten am meisten bevorzugt, da sie vermöge ihrer musikalischen Fertigkeit den Priestern, wie den Leviten der übrigen Klassen überlegen waren und den gefälligsten Teil des Tempelkultus ausführten. Nach einem alten Brauche mußten die Levitenabteilungen bei den ihnen erblich zugefallenen Funktionen verbleiben und durften nicht in die einer andern übergreifen. In dieser Zeit verlangte aber die Sängerklasse, den Priestern gleich linnene Obergewänder beim Gottesdienste zu tragen, und ein Teil der Gehilfenklasse beanspruchte, auch zu den Chören zugelassen zu werden. Agrippa entschied zu gunsten der Bittsteller, vielleicht aus Groll gegen die priesterlichen Geschlechter, welche seine Beaufsichtigung des Tempels durch die Klage am römischen Hofe vereitelt hatten. Die Aharoniden fühlten sich aber über diese Begünstigung der Leviten tief gekränkt, weil es den Anschein hatte, als seien diese ihnen völlig gleichgestellt. Es scheint, daß der priesterliche Adel deswegen Rache an den Leviten genommen und ihnen den ihnen gebührenden Zehnten entzogen hat60. An Mitteln zur Vergewaltigung fehlte es ihm nicht.

Der Landpfleger Albinus, der etwa drei Jahre herrschte (um 61 bis 64), ließ sich besonders angelegen sein, die zelotischen Sicarier zu vertilgen, und seine Kohorten gegen sie auszusenden, um sie massenweise niederzumetzeln oder einzufangen. Aber es gelang ihm nicht, diese verwegenen Freischaren aufzureiben. Sie schlichen sich verkleidet zu den Festzeiten unter der großen Menschenmenge in Jerusalem ein und befreiten durch kühne Streiche ihre eingekerkerten Genossen. Das Volk erbitterte Albinus durch unerträgliche Steuern, von denen ein Teil in seine Tasche floß61. Als er vernahm, daß ihm ein Nachfolger bestimmt wurde, ließ er die gefangenen Sicarier, welche schwerer Verbrechen angeklagt waren, hinrichten und die um leichterer Vergehen willen eingesperrten für ein Lösegeld in Freiheit setzen62. Die aus dem Kerker befreiten Sicarier gaben später dem Volksaufstande Nachdruck und befleckten die gerechte Sache durch Grausamkeiten. Der letzte Landpfleger Gessius Florus, ein Klazomenier von Geburt, von Poppäa zu diesem Amte befördert, beschleunigte durch seine schamlose [446] Parteilichkeit und Habgier und durch seinen Blutdurst den längst gehegten Plan der Unzufriedenen, das Joch der römischen Tyrannei abzuschütteln. Florus war eines jener entsittlichten Geschöpfe, denen nichts heilig ist, und die sich nicht einmal durch ein beschworenes Versprechen gebunden halten. Was seine Vorgänger unter dem Scheine gesetzlicher Formen oder im Geheimen taten, das führte er mit frecher Stirn und mit Verhöhnung des Gesetzes vor Aller Augen aus. Unzugänglich für Erbarmen, hatte er nur Nachsicht mit den Sicariern, die ihm einen Anteil von dem Geraubten gaben63. Es fehlte nur noch, daß er durch Herolde verkünden ließ, jede Art Gewalttat sei gestattet, wenn dem Landpfleger nur ein Teil des Gewinnes zufließe. Während seiner Verwaltung (64 bis 66) wurden viele Städte völlig ausgeplündert, da die Sicarier ungestraft ihr Handwerk treiben durften64. Viele, die um ihre Habe und um ihr Leben besorgt waren, wanderten aus und suchten in der Fremde den ruhigen Lebensgenuß, der ihnen in der Heimat verkümmert war65. Die Furcht vor der Habgier der Landpfleger war so groß, daß man den Tempelschatz nicht mehr für sicher hielt und ihn daher lieber gut angewendet wissen wollte. Als 18 000 Arbeiter, welche bis dahin mit dem Ausbau des Tempels beschäftigt waren, nach Vollendung aller Werke entlassen wurden, stellte das Volk an Agrippa das Verlangen, daß ein neuer Bau an dem östlichen Säulengange unternommen werde, um diesen bis zum Kidrontal zu erweitern; es war dabei zugleich von Mitleid für die brotlos gewordenen Arbeiter geleitet. Agrippa erfüllte aber den Wunsch nicht, erlaubte jedoch, daß für das Geld die Straßen Jerusalems mit Marmor gepflastert werden durften66. Florus wußte einen solchen Schrecken um sich zu verbreiten, daß Niemand wagte, Klagen über ihn bei dem ihm übergeordneten Statthalter von Syrien, Cestius Gallus, zu führen67.

Der Zustand war so unerträglich geworden, daß auch einem feigen Volke die Geduld ausgegangen wäre. Der Mut der judäischen Nation aber war trotz der tausend Unfälle, trotz des schwerlastenden Joches und der täglich sich wiederholenden und häufenden Gewalttätigkeiten nicht gebrochen; sie fühlte in sich noch die Kraft, und die Verzweiflung verdoppelte sie, diesem unaufhörlichen Elende ein Ende zu machen. Kaum blieb ihr ein anderer Ausweg übrig. Sollte sie etwa durch [447] Abgeordnete den Kaiser Nero um Mitleid anflehen, diesen Menschenschlächter und Muttermörder, diesen Brandstifter und wahnsinnigen Wüstling, der nur noch daran Vergnügen fand, für sein elendes Schauspielertalent, sei es auch nur durch Furcht, erzwungenen Beifall hervorzurufen? Rom glich damals einem Toll- und Lotterhause, in welchem der Kaiser Torheiten über Torheiten beging und Verbrechen auf Verbrechen häufte in der Zuversicht, daß Senat und Volk ihm den Beifall nicht versagen würden. Sollten die Schwergeprüften ihren Titularkönig Agrippa als Vermittler anrufen, ihn, der sich in Schmeicheleien gegen Nero erschöpfte und die mit Glanz neuerbaute Stadt Cäsarea Philippi Neronias nannte, ihn, der gleich seinem Ahn Herodes mit dem Schweiße seiner Untertanen auswärtige Städte ausschmückte und ihnen heidnische Bildsäulen schenkte?68. War er doch so zaghaft, daß er vor Florus zitterte, und so unempfindlich gegen die Leiden des Volkes, daß er diesem systematischen Blutsauger das Wort redete! Es gab also keinen andern Ausweg als Selbsthilfe; das fühlten die Bessergesinnten, alle diejenigen, welche nicht an Rom verkauft, von seinem falschen Glanze geblendet oder von seiner Macht betäubt waren. Die Kühnen dachten damals schon an einen Aufstand. Sie hatten sogar schon Vorkehrungen dazu getroffen und sich mit den Stammesgenossen in Babylonien und mit dem dem Judentume begeistert anhänglichen adiabenischen Fürstenhause in Verbindung gesetzt, damit sie ihnen für einen ausbrechenden Unabhängigkeitskrieg Unterstützung zusendeten69. Von der Gärung und Spannung im judäischen Volke hatte indes der Statthalter Cestius Gallus, wahrscheinlich durch Agrippa und die übrigen Herodianer, Kunde erhalten. Er berichtete darüber auch an den Hof und ließ es nicht an Warnungen fehlen, daß Judäa an Aufstand und Abfall dächte, und daß möglicherweise die Parther vermittels des judäisch-adiabenischen Königshauses ihm zu Hilfe eilen würden. Er fand aber kein Gehör. Nero hatte keine Zeit, sich um solche Kleinigkeiten zu bekümmern; er mußte die Zither spielen, Theaterstücke aufführen, Orgien feiern und Mordbefehle erlassen. Die Kaiserin Poppäa, die Gönnerin der Judäer, war tot. Ihr Gatte hatte ihr mit einem Fußtritte das Leben geraubt (65). Die Kreaturen des Hofes, der Präfekt Tigellinus, ein roher, herzensverhärteter Lustmensch, Anicetus, Nymphidius sie glichen alle dem entmenschten Gessius Florus, verachteten die Judäer und mögen über Gallus' Gespensterfurcht gelächelt haben.

[448] Da schlug dieser ein Mittel vor, um dem Neronischen Hofe zu beweisen, wie zahlreich bevölkert Judäa und wie diese Bevölkerung nicht zu unterschätzen sei. In Verabredung mit Agrippa und dem damaligen Hohenpriester Matthia sollte zum Passahfeste eine großartige, aber stille Volksdemonstration durch eine eigentümliche Volkszählung stattfinden70. Ein Rundschreiben wurde – wahrscheinlich von dem Vorsitzenden des Synhedrion, Simon II., Sohn Gamaliels, und dem Hohenpriester – an die Gemeinden in und außerhalb Judäas erlassen, sich zahlreich zum bevor stehenden Feste einzufinden; es handle sich darum, das Joch der Römer zu erleichtern und das Ungeheuer Florus loszuwerden. Darauf strömte eine so große Menge, wie nie vorher, zur Passahfeier (Frühjahr 66) aus Städten und Dörfern Judäas, aus Syrien, wohl auch aus den Euphratländern und Ägypten nach Jerusalem, daß die Stadt sie kaum fassen konnte. Es kamen im Gedränge derer, die sich zum Tempelberg begaben, Erdrückungen vor, und man nannte dieses Fest: das Passah der Erdrückungen. Bei der Zählung wurde derart verfahren, daß von jedem Passahopfer eine Niere den Priestern verabreicht wurde. Dann wurden die empfangenen Nieren gezählt, und es wurde berechnet, daß bei jedem Lamme, das nur in Gesellschaft verzehrt wurde, mindestens zehn Personen beteiligt waren. Es ergab sich, daß damals beinah drei Millionen Menschen in Jerusalem anwesend waren. Cestius Gallus war selbst nach Jerusalem gekommen, um sich von der Tatsache zu überzeugen. Die Anwesenden flehten ihn an, Mitleid mit ihren unsäglichen Leiden zu haben und sie von der »Pest des Landes« zu befreien. Der anwesende Florus lächelte dabei. Der Statthalter versprach zwar, den Landpfleger milder gegen das Volk zu stimmen. Er mag auch nach Rom über die gewaltige und nicht zu unterschätzende Volksmenge, die er mit eigenen Augen gesehen hatte, berichtet haben. Er hatte sich aber entschieden über die Wirkung der von ihm angeregten Volkszählung und der Anklage gegen Florus getäuscht. Nero stand damals auf der Höhe seines Übermutes! Tiridat, der stolze Nachkomme der Arsaciden, der Bruder des Königs der Parther, Vologeses, welche zusammen kurz vorher in Rom Schrecken erregt hatten, war aus dem fernen Osten nach Rom gekommen, hatte vor Nero das Knie gebeugt, sich dessen Sklaven genannt und von ihm die Krone Armeniens empfangen. In seinem Gefolge waren die Söhne des judäisch-adiabenischen Königs Monobaz71, der die Parther kräftig unterstützt hatte, um [449] Rom zu demütigen. Auch er hatte Roms Macht sich unterwerfen müssen, das von dem Wollüstling und Feigling Nero beherrscht war. Sollte dieser, dessen Triumphe scheinbar diejenigen Pompejus', Cäsars und Augustus' übertrafen, sich vor den Judäern fürchten? Cestius Gallus' Bericht über die Volksmenge in Jerusalem zur Passahfeier wurde wahrscheinlich von Nero gar nicht gelesen, und wenn er gelesen wurde, jedenfalls von ihm in den Wind geschlagen.

In Judäa und besonders in der Hauptstadt wurden die Jugend und die Männer der Tatkraft täglich ungeduldiger, Roms Fesseln zu brechen. Die Geduld war erschöpft72. Sie warteten nur auf einen günstigen Augenblick, der dem Wagnis Erfolg verhieße. Ein geringfügiger Vorfall, oder vielmehr die dabei an den Tag gelegte beispiellose Frechheit des Landpfleger Florus spornte die Ungeduld an und ließ die Besonnenheit nicht zu Worte kommen. Es war von der Vorsehung beschlossen, daß Israel zum zweiten Male seinen nationalen Mittelpunkt verlieren und in die Fremde hinausgestoßen werden sollte.

Der Vorfall, durch den die ganze Nation wie von einem Taumel ergriffen und veranlaßt wurde, die Waffen zu ergreifen und die Fahne des Aufstandes aufzupflanzen, war im Verhältnis zu dem tragischen Ausgange unbedeutend: neue Reibungen zwischen den Judäern und Griechlingen in Cäsarea. Jene konnten es nicht verschmerzen, daß Nero ihnen ohne Fug und Recht die Gleichstellung entzogen hatte, und diese, wegen des errungenen Sieges übermütig geworden, ließen die Judäer die erlittene Niederlage empfinden. Aber diese Reibungen, wie sie in Städten von gemischter Bevölkerung häufig vorkamen, hatten deswegen eine so große Tragweite, weil unter der Oberfläche ein tiefer gegenseitiger Religionshaß und eine eingewurzelte Rassenfeindschaft schlummerten, die der geringste Anlaß entfesselte. Um den Judäern Kränkung auf Kränkung zu bereiten, ließ ein heidnischer Cäsareenser einen ihm gehörigen Platz vor der Synagoge durch Werkstätten so bebauen, daß nur ein enger Zugang zu derselben geblieben war. Die heißblütige judäische Jugend versuchte die Arbeit zu stören, Florus mischte sich hinein, bis er durch eine große Geldsumme gewonnen ward, den Absichten der Judäer nicht hinderlich zu sein. Um nicht Zeuge des zu befürchtenden Auftrittes zu sein, entfernte sich der Landpfleger nach Samarien und überließ die gegen einander erbitterten Parteien der ganzen Wut ihres gegenseitigen Hasses. Daß die Judäer sich zuerst leidend verhalten haben, wie die Quelle andeutet, ist unwahrscheinlich; denn dann hätten sie ganz umsonst Florus bestochen, daß er ihrem [450] Vorhaben durch die Finger sehe. Gewiß haben sie vielmehr ihre Feinde herausgefordert, und diese haben mit einer Beschimpfung geantwortet, welche die heiligsten Gefühle der Judäer verletzte. An einem Sabbat (Ijar, Mai 66), während die Judäer dem Gottesdienste beiwohnten, stellte ein Grieche ein Gefäß auf dem Synagogenplatze auf und opferte darauf Vögel, was bedeuten sollte, die Judäer stammten von vertriebenen Aussätzigen her. Diese Verunglimpfung des Ursprunges der judäischen Nation, die von dem ägyptischen Geschichtsschreiber Pseudo-Manetho erfunden und von judenfeindlichen Schriftstellern verbreitet war (o. S. 322 f), nahm die judäische Jugend nicht ruhig hin, sondern bewaffnete sich und fiel ihre sie verhöhnenden Feinde an. Vergebens suchte der Stellvertreter des Landpflegers, der Reiteroberst Jucundus, dem Streite Einhalte zu tun; beide Teile setzten den Straßenkampf so lange fort, bis die Judäer unterlagen. Darauf verließen sie sämtlich mit den heiligen Büchern am Sabbat die Stadt, begaben sich nach dem nahegelegenen Städtchen Narbata und schickten eine Gesandtschaft von zwölf Männern, darunter den reichen Zollpächter Jonathan, nach Samarien zu Florus. Die Gesandten erinnerten ihn an die empfangene Geldsumme und an sein Versprechen, ihnen dafür Schutz zu verleihen. Anstatt ihnen Gehör zu geben, fuhr der Landpfleger sie hart an, machte ihnen zum Vorwurf, daß sie die heiligen Bücher aus Cäsarea entfernt hätten, und warf sie in den Kerker73.

Sobald die Nachricht von dieser neuen Gewalttätigkeit nach Jerusalem gedrungen war, regte sie die ganze Bevölkerung auf; aber ehe sie noch Zeit hatte, einen Entschluß zu fassen, trat Florus mit einer neuen Herausforderung auf, als wenn er es darauf angelegt hätte, das Volk zum Äußersten zu treiben. Er schickte einen Befehl an die Tempelvorsteher, daß ihm siebzehn Talente aus dem heiligen Schatze eingehändigt werden, deren er für des Kaisers Interesse bedürfe. Dieser Befehl, dessen Endabsicht die Bewohner von Jerusalem durchschauten, rief sie zum Tempelplatz zusammen, als wenn sie das bedrohte Heiligtum schützen müßten. Die Mutlosen brachen in Klagen aus, die Entschlossenen beschimpften den Namen des römischen Landpflegers und trugen eine Büchse umher, als wenn sie für den armen Florus eine Geldsammlung veranstalten wollten. Dieser kam aber selbst nach Jerusalem in der Voraussicht, er werde Gelegenheit haben, seine Habgier und seinen Blutdurst zu befriedigen, und schürte durch seine Anwesenheit das Feuer noch mehr. Am Tage seiner Ankunft [451] hielt sich die Menge in banger Erwartung dessen, was da kommen werde, still in den Häusern. Tags darauf setzte sich Florus vor dem herodianischen Palaste in der Oberstadt zu Gerichte, lud den Hohenpriester und die angesehensten Männer vor sich und verlangte von ihnen, daß sie ihm diejenigen ausliefern sollten, welche gewagt hätten, ihn zu beschimpfen. Als diese die Vorgänge zitternd zu entschuldigen suchten und um Verzeihung baten, befahl er den römischen Soldaten, den Obermarkt, das Quartier der Reichen, zu plündern. Wie Dämonen stürzten sich die wilden Soldaten auf den Platz und in die angrenzenden Straßen, alles niederhauend, was ihnen in den Weg kam, Männer, Weiber, Kinder. Sie zerstörten die Häuser und trugen den Raub davon. Es kamen an diesem Tage (16. Ijar) mehr als 3600 Mann um; die Gefangenenen ließ Florus geißeln und ans Kreuz schlagen, obwohl sich mehrere darunter befanden, welche die römische Ritterwürde besaßen und als solche vor entwürdigenden Strafen geschützt sein sollten. Vergebens hatte die Prinzessin oder Königin Berenice, welche gerade in Jerusalem anwesend war, um ein Nasiräergelübde zu erfüllen, Florus' Kniee umfaßt und um Einhalt des Blutvergießens und der Zerstörung gebeten; Florus hörte nicht auf sie. Sie geriet sogar in Gefahr, mißhandelt zu werden, und mußte in ihrem Palaste Schutz suchen74.

Tags darauf versammelte sich die Menge in der halbverwüsteten Oberstadt (Zion), stieß Wehklagen über die Ermordeten und Schimpfreden über den Massenmörder Florus aus, und nur mit Mühe gelang es den angesehenen Männern deren Unmut zu beschwichtigen. Florus aber steigerte seine Frechheit und verlangte als Beweis für die friedfertige Gesinnung der Vornehmen und des ganzen Volkes, daß sie den einziehenden Truppen entgegengehen und sie freundlich begrüßen sollten. Es kostete den Vertretern des Heiligtums Mühe, die Menge dazu zu überreden, weil die Patrioten vor dieser neuen Demütigung warnten und Vielen ihre Überzeugung einflößten75. Dennoch gelang es dem Hohenpriester Matthia und andern ehemaligen Hohenpriestern, die mit Asche auf dem Haupte und zerrissenen Kleidern und im Vereine mit den übrigen Priestern, die heiligen Gefäße aus dem Tempel in Händen, und mit den Levitischen Sängern samt ihren Zithern und Lauten erschienen waren und sämtlich das Volk bei dem ihm Teuren beschworen, die Masse zu bewegen, den Bruch zu verhüten und die [452] römischen Cohorten freundlich zu empfangen. Bald zeigte sich aber die arglistige Absicht des Landpflegers. Die Entgegenziehenden brachten das schwere Opfer und begrüßten die anrückenden Soldaten in erzwungener Freundlichkeit; allein diese, von Florus vorher bedeutet, blickten sie finster an und beantworteten den Gruß nicht. Sobald die römische Truppe aber den ersten Laut unzufriedenen Murrens vernahm, hieb sie auf die Menge ein und trieb sie vor sich her, und die Reiter überritten die Fliehenden. Ein furchtbares Gedränge entstand an den Toren, da sich jeder beeilte, vor den wütenden Soldaten Sicherheit in der Stadt zu suchen. Der Weg in die Stadt bis zur Vorstadt Bezetha war besäet von Zertretenen, Verwundeten und Erschlagenen, die niemand aufzunehmen und zu bestatten wagte. Als die Vorsichtigen bemerkten, daß die Soldaten ihre Schritte nach der Burg Antonia und dem Tempel richteten, konnte es ihnen nicht verborgen bleiben, daß es Florus auf den Tempelschatz abgesehen und daß er deswegen Verstärkung herbeigerufen hatte. Sie beeilten sich daher ihm zuvorzukommen. Von den Dächern warfen sie Steine auf die Soldaten und hinderten sie, die engen Gassen zu passieren. Die Säulengänge, welche die Burg Antonia mit dem Tempel verbanden, brachen sie ab (17. Ijar) und betrogen den Landpfleger um die Hoffnung, ein zweiter Crassus zu werden76. Damit hatten die Einwohner Jerusalems, ohne daß sie es gewahrten, den Aufstand begonnen.

Sobald Florus das Volk in entschlossener Haltung sah, verließ ihn der Mut; er verkündete den Vertreten der Hauptstadt, er wolle, um die Ruhe wiederkehren zu lassen, mit den meisten Truppen Jerusalem verlassen und nur eine kleine Besatzung zurücklassen. Auf ihre Vorstellung, daß die meisten Truppen wegen ihres unmenschlichen Benehmens dem Volke verhaßt seien, stellte er ihnen frei, diejenigen auszuwählen, die am wenigsten bei dem Gemetzel beteiligt waren. Die judäischen Vertreter gaben den Soldaten des Führers Metilius den Vorzug, weil dessen schwächlicher Charakter ihnen eine Bürgschaft schien, daß er die Unruhen nicht fortsetzen werde77. Sobald Florus abgezogen war, klärte sich die wilde Gährung zu festen Entschlüssen. Die Einwohner Jerusalems zerfielen in eine Revolutions- und eine Friedenspartei. Die erstere bestand größtenteils aus den jungen, kräftigen Männern, die den Grundsätzen des Zelotenstifters huldigten; sie wollten mit Aufopferung ihres Lebens endlich das Joch des heidnischen und tyrannischen Roms abwerfen und die eingebüßte Freiheit wieder erringen. Die unbezwingliche Macht des Römerreiches erschreckte [453] sie nicht. Sie setzten ihre Hoffnung auf den Gott Israels, der die judäische Nation schon so oft auf wunderbare Weise errettet hatte78. Sie gedachten die ganze Nation mit ihrem Feuereifer zu entflammen, alle Bedenklichkeiten und Schwächen durch die Hinweisung auf das schöne Ziel hinwegzuräumen und aus jedem Manne einen Krieger, aus jedem Krieger einen Helden zu bilden. Nächstdem war diese Revolutionspartei nicht ohne staatsmännische Einsicht; sie hatte bereits Verbindungen mit dem, dem Judentume so warm ergebenen adiabenischen Fürstenhause angeknüpft und die parthisch-babylonischen Gemeinden für ihre gerechte Sache interessiert. Die Hilfe, die von dieser Seite versprochen wurde, bot Aussicht auf eine kräftige materielle Unterstützung79. Wohl mögen manche aus unedlen Beweggründen die Umkehr der Ordnung gewünscht haben, allein ganz ungereimt ist es, die zelotische Revolutionspartei mit den zuchtlosen Sicariern zu verwechseln und sie durchweg als Ehrgeizige, Habgierige und Räuber zu schildern. Schon die warme Sympathie, die das Volk für diese Partei zeigte, beweist, wenn es eines Beweises bedürfte, daß eine solche Schilderung der Ausfluß der Parteilichkeit ist. Der größte Teil der Revolutionspartei bestand vielmehr, wie sich zeigen wird, aus hochsinnigen, hingebungsvollen Männern, die auf die Engherzigkeit der Alltagsmenschen herabblickten, aus Männern des Ideals und der Tatkraft, die nicht eher Befriedigung finden wollten, bis sie der Wirklichkeit den Stempel ihres Ideals aufzudrücken vermöchten. Sie schwuren einen feierlichen Eid, lieber zu sterben als sich den Römern zu ergeben, und hielten diesen Schwur im brausenden Schlachtengewühl, unter dem Hagel der Wurfgeschosse, unter Folterqualen und in den aufgezwungenen Kämpfen mit den wilden Tieren80. Beruhte auch das Bestreben der Zeloten, ein vom Judentum durchwehtes republikanisches Gemeinwesen zu gründen, dessen Oberhaupt Gott allein sei, vielleicht auf einer Selbsttäuschung, so war es darum nicht minder berechtigt. Die Seele der Revolutionspartei in Jerusalem war Eleasar ben Anania aus einem hohenpriesterlichen Geschlechte. Über seine persönliche Geschichte ist wenig bekannt; aber er muß wohl frühzeitig einen reifen, männlichen Geist gezeigt haben, da man ihn in noch jugendlichem Alter zum Tempelhauptmann ernannte81 und ihm hiermit eines der wichtigsten Ämter anvertraute. Sein Vater Anania, wie es den Anschein hat, ein [454] Sohn Eleasars aus der Familie Garon, hatte durch außergewöhnlichen Reichtum, hohe Stellung und Einsicht einen großen Einfluß auf das Volk, wie auch auf den König Agrippa und die Landpfleger82, war aber mit seinem Bruder Ezekias ein Römerfreund oder mindestens ein Feind von aufständischen Bewegungen. Eleasar war gesetzkundig und gehörte zu der strengen schammaïtischen Schule, die größtenteils zelotisch gesinnt war. In wie hohem Grade muß er sich das Vertrauen der zelotischen Partei erworben haben, wenn sie ihn nicht nach den Gesinnungen seines Vaters beurteilte. Eleasars Feuereifer hat die Nation mit Nachdruck in die Revolution hineingetrieben und die ersten Waffentaten gegen die Römer angefacht.

Für den Frieden waren die Besonnenen und Erfahrenen, die bei der Winzigkeit Judäas gegenüber der Riesenmacht Roms den schmählichen Ausgang des Aufstandes ahnten, die Hilleliten, die grundsätzlich den Krieg verabscheuten und Blutvergießen vermieden wissen wollten, die Vornehmen, die sich in Roms Glanz sonnten, die Reichen, die durch eine so gewaltige Veränderung für ihren Besitz fürchteten83. Sie alle wünschten den Fortbestand des damaligen Zustandes unter römischer Herrschaft, ohne darum minder ergrimmt gegen den frechen Florus zu sein. Die ehrlichen Friedensfreunde sahen aber nicht ein, daß das Übel, an dem das judäische Gemeinwesen siechte, nicht in der zufälligen Persönlichkeit, sondern an dem System der Bevormundung und Ausbeutung, an der Grundverschiedenheit der herrschenden Fremden und der beherrschten Einheimischen lag. Auch die besten Landpfleger mit dem ernstesten Willen für die Erhaltung der Ordnung und eines gesicherten Rechtszustandes hätten es kaum vermeiden können, die erregbare Empfindlichkeit der Nation, die in ihrer Hingebung an ihre Religion wurzelte, zu verletzen und da durch stets Reibungen zu erzeugen. Personenwechsel ohne Systemwechsel hätte wenig an der gegenseitigen Erbitterung ändern können, und einen Systemwechsel den Kaisern abzuzwingen, wäre ohne Revolution nicht möglich gewesen. Die Selbsttäuschung der Friedenspartei war demnach nicht geringer als die der Revolutionspartei, wenn sie glaubte, daß durch Florus' Entfernung Ruhe und bessere Zustände einkehren würden.

An der Spitze der Friedenspartei standen der König Agrippa und die Verwandten seines Hauses, die Herodianer Kostobar, Saul und Antipas und endlich die aus hohenpriesterlichem Geschlechte stammenden Vornehmen, die alles aufboten, um den Bruch nicht unheilbar [455] zu machen. Da das Volk, wiewohl tief erbittert, noch unentschieden war, wenigstens noch nicht den äußersten Schritt getan hatte, so suchten beide Parteien es auf ihre Seite zu ziehen. Die Friedensfreunde gaben sich alle erdenkliche Mühe, einerseits den Volksunwillen wegen der letzten Vorgänge zu mäßigen und andererseits dem syrischen Stadthalter Cestius den Widerstand des Volkes gegen Florus ins rechte Licht zu setzen und die Schuld für die ausgebrochenen Unruhen auf den Landpfleger zu schieben. Sie beeilten sich, Cestius von allem in Kenntnis zu setzen, und baten ihn, nach Jerusalem zu kommen, die von dem Landpfleger ausgegangenen Verwüstungen in Augenschein zu nehmen und sich von dem freundlichen Verhalten des Volkes zu überzeugen. Cestius, zu träge, die Streitsache zu untersuchen, schickte einen Kriegstribunen, Neapolitanus, an seiner Stelle84. Die Führer der Revolutionspartei hatten es indessen doch soweit gebracht, daß die Steuern an die Römer zurückgehalten wurden85, und daß das Volk dem Abfalle von Rom immer günstiger gestimmt wurde. Dieser Volksstimmung entgegenzuwirken, gab sich der König Agrippa die erstaunlichste Mühe. Während der in Jerusalem vorgefallenen Metzeleien war er in Ägypten86 gewesen, um den abtrünnigen Tiberius Alexander zur Übernahme der Statthalterschaft von Ägypten, die ihm Nero verliehen hatte, zu beglückwünschen. Dieser abtrünnige Arabarchensohn, der Rom und den Kaisern völlig ergeben war, wurde dafür mit Ehren und Ämtern belohnt. Claudius hatte ihn zum Landpfleger Judäas ernannt, Nero hatte ihn zum römischen Ritter erhoben, ihn als Zivilverwalter dem Feldherrn Corbulo gegen die Parther beigegeben und jetzt eben ihm den hochwichtigen Posten der Statthalterschaft von Ägypten anvertraut87. Um ihn zu dieser Ehrenstellung zu beglückwünschen, war der König Agrippa nach Alexandrien geeilt; er war mit ihm sowie mit dem Arabarchenhause innig befreundet. Tiberius Julius Alexander sollte in dem judäischen Revolutionsdrama eine einflußreiche Rolle spielen. Auf seiner Rückreise traf Agrippa mit Neapolitanus zusammen, und beide zogen in Jerusalem ein. Die scheinbare Ruhe, von welcher der römische Abgeordnete sich hatte täuschen lassen, schien aber dem Könige so wenig dauerhaft, daß er das Volk zusammenrufen ließ, um ihm die Augen über die Gefahren [456] zu öffnen, in die es sich zu stürzen bereit schien. Auf der Erhöhung einer Gallerie (Xystus), dem Tempel gegenüber, redete er das Volk an; die Prinzessin Berenice, welche sich so warm für die Gemißhandelten verwendet hatte, war in seiner Nähe, um ihn mit dem Schilde ihrer Volksbeliebtheit zu decken.

Agrippas Rede setzte alles auseinander, was sich vernünftiger Weise oder sophistisch gegen einen Krieg mit den Römern vorbringen ließ. Er suchte zuerst Klarheit in die verwickelten Empfindungen zu bringen, um die von den Landpflegern erduldeten Bedrückungen nicht als Vorwand gelten zu lassen. Wenn die Landpfleger ihre Vollmacht überschritten hätten, so sollte man doch nicht sämtliche Römer und nicht den Kaiser dafür büßen lassen, der doch nicht überall seine Augen haben könne. Es sei überhaupt jetzt zu spät, das Joch abschütteln zu wollen. Damals, als Pompejus zuerst den Fuß auf den Nacken der Nation gesetzt, sei es an der Zeit gewesen, für die Freiheit einzustehen; aber was die mächtigern Vorfahren mit reicheren Mitteln nicht vermocht hätten, das werde das schwächere, von allem entblößte Geschlecht noch weniger durchsetzen können. Es sei übrigens keine Schande, den Römern zu dienen. Mächtigere, weisere und edlere Nationen lassen sich die römische Oberhoheit gefallen, Athener und Spartaner, Macedonier und Asiaten, Syrer und Ägypter, Karthager und Numidier, Briten und Araber, Gallier und Deutsche und so viele, viele andere Völker. Die Revolutionsführer sollten ihre Blicke nicht über den Euphrat schweifen lassen und nicht auf die Unterstützung der Religionsgenossen von dorther zählen. Die Parther, die mit Rom in Frieden lebten, würden einen solchen Angriff auf Bundesgenossen nicht zugeben. Auf den Schutz des Himmels könnten sie noch weniger rechnen, denn dieser sei entschieden auf Seiten der Römer; ohne den göttlichen Willen hätten die Römer eine solche Machtfülle nicht erreichen können. Ohnehin würde die judäische Nation durch einen Krieg weit eher den Zorn des Himmels auf sich laden, da sie dann weder den Sabbat, noch die übrigen Religionsgesetze würden beobachten können. »Recht ist es o Freunde«, so schloß die Rede, »Recht ist es, so lange das Schiff noch im Hafen ist, den heranziehenden Sturm vorauszusehen, ehe es von den Wogen zerschellt wird.« Die über den Aufstand siegenden Römer würden nicht nur die heilige Stadt zerstören, sondern auch den ganzen judäischen Stamm zum warnenden Beispiel für die übrigen Völker völlig ausrotten. Die Übriggebliebenen würden nirgends eine Zufluchtsstätte finden, da der größte Teil der bewohnten Erde entweder den Römern gehöre oder von den Römern freundlichen Völkern beherrscht werde. Agrippa beschwor endlich das Volk unter Tränen, [457] Mitleid mit Frauen und Kindern, Mitleid mit der heiligen Stadt und dem Tempel zu haben, den die Römer nicht zum zweiten Male schonen würden. Er beteuerte bei dem Tempel und den »heiligen Engeln«, er werde alles aufbieten, um den gerechten Beschwerden Abhilfe zu verschaffen88.

Agrippas Rede verfehlte nicht durch die Tränen, die er und seine Schwester dabei vergossen, einen tiefen Eindruck auf die Zuhörer zu machen. Die meisten riefen aus, sie hätten nichts Feindliches gegen die Römer im Sinne, sondern wollten sich nur Florus vom Halse schaffen. Darauf ermahnte Agrippa das Volk, wenn es wirklich friedlich gesinnt sei, die abgebrochene Säulenhalle wieder herzustellen und die zurückgehaltenen Abgaben, 40 Talente, an den Kaiser abzuliefern, da weder das Eine noch das Andere Florus gehöre. Es schien für den Augenblick, als wenn alles wieder beim Alten bleiben sollte. Man ging an die Ausbesserung der abgebrochenen Säulengänge und zerstreute sich in die nahegelegenen Städte und Dörfer, um die Steuern zu sammeln. Als Agrippa seinen Einfluß befestigt sah, ging er einen Schritt weiter und suchte das Volk zu überreden, Florus so lange Gehorsam zu leisten, bis sein Nachfolger ernannt sein würde. Allein diese Zumutung verdarb wieder alles. Die Revolutionspartei gewann in der öffentlichen Meinung wieder die Oberhand. Man warf Steine auf Agrippa und zwang ihn, Jerusalem zu verlassen89. Die so oft Getäuschten fürchteten, von dem Manne, der Florus, dem Inbegriffe aller Ungerechtigkeit und Schamlosigkeit, das Wort redete, von neuem betrogen und zum Spielball von Intriguen gemacht zu werden. Nach Agrippas Abzug war von Steuerzahlen nicht mehr die Rede. Jeder war froh, den Steuerdruck los zu sein; die Zöllner wagten wohl nicht, in der aufgeregten Zeit die Eintreibung zu erzwingen. Man feierte den Tag, an dem die Steuerpächter (demosnai δƞμοσιῶναι) beseitigt waren, als Siegestag (25. Siwan, Juni)90. Inzwischen hatten sich auch die Sicarier geregt. Für sie war der Zeitpunkt gekommen, eine Rolle zu spielen. Sie sammelten sich unter Anführung Menahems, der ein Verwandter des Zelotenstifters Juda war, überfielen die Festung Masada, töteten die römische Besatzung darin, eigneten sich den Waffenvorrat an und erschienen wohlgerüstet auf dem Kampfplatze91.

Die der Revolution geneigte Volksstimmung ließ der Zelotenführer Eleasar nicht vorüberstreichen. Er trieb sie vielmehr zum [458] völligen Bruche mit Rom. Er wußte die unter seiner Aufsicht stehenden Priester zu bewegen, daß fortan kein Geschenk und kein Opfer von Heiden angenommen werde. Und ein solches Ansehen hatte dieser kühne Mann, daß die diensttuenden Priester sofort das tägliche Opfer für den Kaiser Nero einstellen wollten. Das war der Wendepunkt des Aufstandes; dem Kaiser wäre damit der Gehorsam aufgekündigt worden. Die Friedenspartei sah auch die Tragweite dieses Schrittes wohl ein und gab sich Mühe, ihn nicht ausführen zu lassen. Angesehene Gesetzeslehrer, sicherlich aus der Hillelschen Schule, erklärten in einer großen Volksversammlung, die in dem innern Vorhofe vor dem Nikanortore abgehalten wurde, daß es ungesetzlich sei, die Heiden von Opfergaben an das Heiligtum auszuschließen. Betagte Priester überlieferten, daß es von Alters her Brauch gewesen sei, Weihgeschenke von Heiden anzunehmen. Eine fieberhafte Aufregung muß damals in den höhern Kreisen Jerusalems geherrscht haben, ehe der Schritt zum Bruche erfolgte. Ein Priester aus der strengen Schammaïtischen Schule, Namens Zacharia ben Amphikalos (Abkalos), wurde angegangen, seine Meinung darüber kundzugeben. Und da er sich nicht gegen Eleasars Vorschlag aussprach, so kümmerten die diensttuenden Priester sich nicht um die Warnung der Friedliebenden, sondern wiesen das Opfer für den Kaiser Nero zurück und entschieden sich damit ohne Rückhalt für den Aufstand. Als dann später dieser erste Schritt die traurigsten Folgen nach sich zog, gaben die Hilleliten diesem Priester Zacharia die Schuld an dem Unheil92. Der Tempel gehorchte von jetzt an dem Führer Eleasar, der Hauptmann desselben war, und wurde der glühende Herd des Aufstandes.

Die Friedenspartei sah mit Schmerz den Fortschritt der kriegerischen Stimmung und wollte die Flamme der Unruhe dämpfen, ehe sie verderblich zusammenschlug; aber die Mittel, die sie zur Dämpfung anwandte, fachten das Feuer noch mehr an. Sie sandten Abgeordnete an Florus und Agrippa und baten beide dringend, sofort eine hinlängliche Truppenzahl in Jerusalem einrücken zu lassen. Florus ging auf die Aufforderung nicht ein, aus Zaghaftigkeit oder Rachsucht, um die ihm verhaßten Judäer sich immer mehr verstricken zu lassen. Agrippa dagegen sandte dreitausend Reiter, Auraniten, Batanäer und wilde Trachoniten, unter Anführung des Bathyreners Philipp und eines Reiterobersten Darius, der Friedenspartei zu Hilfe. Als diese Truppen ankamen, fanden sie den Tempelberg und die Unterstadt bereits von Zeloten besetzt; es blieb ihnen nur noch die Burg Antonia und das vornehme Quartier der Oberstadt. Zwischen den Parteien entspann sich ein heißer Kampf, an dem die königlichen Truppen [459] und die zurückgebliebene römische Besatzung sich beteiligten. Sieben Tage dauerte der erbitterte Kampf (8.–14. Ab, August), wobei auf der einen Seite mit Kriegsgeschicklichkeit, auf der andern mit dem Ungestüme der Begeisterung gekämpft wurde; der Kampf blieb aber unentschieden. Am Holzfeste (15. Ab) änderte sich die Lage93. Die Zeloten schlossen die Friedlichgesinnten vom Tempelbesuche aus, gewannen die Menge, die zum Feste mit Holzspenden gekommen war, für ihre Sache und nahmen auch die Sicarier auf, die sich mit der Volksmenge eingeschlichen hatten. Durch diesen Zuwachs verstärkt, verdrängten sie ihre Gegner und wurden Herren der Oberstadt. Die Volkswut ergoß sich gegen die Römischgesinnten, verbrannte in der Oberstadt die Paläste des Königs Agrippa und der Prinzessin Berenice, das Haus des reichen Priesters Anania und endlich das Archiv, worin die Schuldverschreibungen lagen. Das Rachegefühl der geschundenen Volksklasse machte sich gegen die Vornehmen und Reichen Luft. Die erschrockenen Römlinge, namentlich diejenigen, welche als Gesandte gedient hatten, versteckten sich in den Kloaken oder schlossen sich mit den Truppen in Herodes' Palast im Westen ein. Tags darauf belagerten die Zeloten die römischen Wachen der Antonia94, besiegten sie nach zweitägiger Anstrengung und ließen sie über die Klinge springen (17. Ab). Darauf griffen sie den Herodespalast an, worin sich die römischen und agrippinischen Truppen befanden; da dieser aber befestigt war, und die Besatzung alle Kriegskunst aufbot, die Belagerer müde zu machen, gelang es ihnen erst, einen Erfolg zu erzielen, als sich die Sicarierbande des Menahem mit ihnen vereinigte. Nach achtzehntägiger angestrengter Belagerung, wobei der Kampf Tag und Nacht nicht aufhörte, kapitulierte die Besatzung. Die judäischen Truppen unter Philipp95 [460] erhielten freien Abzug, die Römer hingegen, die das Schamgefühl verhinderte, um Gnade zu flehen, verließen den Palast und suchten Schutz in den drei Türmen der Mauer, Hippikos, Phasael und Mariamne. Die Sicarier, die nach Abzug der Römer in das Lager eindrangen, machten alle nieder, die sich nicht durch die Flucht gerettet hatten (6. Elul, August oder September)96.

Bald genug gewahrten die patriotischen Zeloten unter Eleasar, wie nachteilig ihnen die Gemeinschaft mit den zuchtlosen Sicariern werden konnte, indem ihre gerechte Sache, für die sie die Waffen ergriffen hatten, durch jene befleckt zu werden drohte. Menahem und seine Trabanten, aufgebläht von dem Siege über die agrippinischen Truppen, die vor ihnen die Waffen gestreckt hatten, benahmen sich mit empörender Unmenschlichkeit. Sie töteten Anania und Ezekia, die sich aus dem Verstecke der Kloaken hervorgewagt hatten97, obwohl oder weil sie nahe Verwandte Eleasars waren. Auch Philipp, den Anführer der agrippinischen Truppen, wollte Menahem trotz der Kapitulation aus dem Wege räumen; allein die Babylonier unter den Zeloten, die mit Philipp verwandt waren, widersetzten sich einer solchen Untat, so daß dieser Jerusalem glücklich verlassen konnte. Außerdem verlangte Menahem, der ein gewandter Krieger war, die Führerschaft und betrug sich überhaupt mit verletzendem Hochmut. In königlichem Gewande und stolzer Haltung schritt er nach dem Siege in den Tempel. Es scheint, daß er sich als Messias geberdete und als solcher Verehrung und Gehorsam verlangte, weil sein Name Menachem (der Tröster) nach der damaligen mystischen Schriftdeutung eine höhere Beziehung andeute98. Es kam zum Wortwechsel zwischen Eleasar und Menahem; jener warf diesem seinen Hochmut vor und äußerte, es lohne sich der Mühe nicht, für die Freiheit zu kämpfen, wenn man dahin gebracht werde, einem Manne wie dem Sicarierhäuptling gehorchen zu müssen. Vom Wortwechsel kam es zum Kampfe. Die Sicarier wurden besiegt; Menahem, der nach dem Stadtteile Ophla (südlich vom Tempelplatze) entflohen war, wurde eingeholt und hingerichtet. Nur ein kleiner Rest der Sicarier unter Eleasar ben Jaïr, einem Nachkommen des Zelotenstifters Juda, entkam in die von ihren Genossen besetzte Festung Masada99.

[461] Nach dieser blutigen Episode, die der Vorbote ähnlicher Vorgänge war, schritten die Zeloten unter Eleasar zur Belagerung der römischen Truppen. Der Hauptmann Metilius wurde am Ende doch gezwungen, um Gnade zu flehen. Die judäischen Abgeordneten, die mit ihm unterhandelten, Gorion ben Nikomed (oder Nikodem), Anania ben Zadduk und Juda ben Jonathan, versprachen den Römern freien Abzug ohne Waffen und Gepäck. Sobald diese aber Schwert und Schild abgelegt hatten, fiel Eleasars Schar, von Römerhaß getrieben, über sie her und machte sie sämtlich nieder. Nur Metilius blieb verschont, weil er in der Todesangst versprochen hatte, zum Judentum überzugehen100. Er blieb eine lebendige Trophäe von dem Siege der Judäer über die Römer. Welch ein Jubel muß in Jerusalem geherrscht haben, als die Römer verschwunden waren, deren Anblick den Bewohnern so lange zugleich Schrecken und Ingrimm eingeflößt hatte! Der Tag, an dem Jerusalem von den Römern gesäubert war (17. Elul), wurde daher unter die Zahl der Siegestage aufgenommen101. Wie edel die Bestrebung Eleasars und seiner Partei war, beweist nichts mehr als die Mäßigung, die sie nach dem Siege beobachteten. Die Stadt war in ihren Händen, die Gegner ihnen hilflos preisgegeben, und doch weiß die parteiische Quelle keine Spur einer Verfolgung von ihnen zu berichten. Um das Andenken an die Römer zu tilgen, wurden die umlaufenden Münzen mit dem Namen des verhaßten Kaisers Nero beseitigt und dafür eigene Geldstücke mit althebräischer Schrift und mit dem Namen Jerusalem eingeführt. Darauf wurde eine neue Zeitrechnung geprägt: »Das erste Jahr zur Erlösung Israels«. Es war nah am Hüttenfeste, und so wurden auf der neuen Münze Symbole dieses an Freude erinnernden Festes angebracht: auf der einen Seite der Feststrauß, der bei den Lobgesängen an diesem Feste geschwungen zu werden pflegte (Palme mit Myrthe und Weidenzweig nebst der zitronenartigen schönen Frucht Ethrog) und auf der andern Seite das Bild einer schön gebauten Festhütte, ein Portal mit vier Säulen und andern Verzierungen102.

Bisher blieb der Aufstand auf Jerusalem beschränkt; das übrige Judäa, wiewohl in nicht geringerer Spannung, verhielt sich während der Vorgänge in der Hauptstadt ruhig und erwartete die Dinge, die daraus folgen würden. Florus, der ebenfalls ruhig in Cäsarea geblieben war, sorgte aber dafür, daß sich die Revolution wie ein Feuerstrom mit verheerender Gewalt über das ganze Land und über die Grenze hinaus verbreitete. Bei der Nachricht von dem Kampfe der[462] Zeloten gegen die römische Kohorte in Jerusalem überfielen die Griechen und Syrer Cäsareas, ohne Zweifel auf seine Weisung, die Judäer, welche wieder dahin zurückgekehrt waren. Es muß ein grauenerregendes Gemetzel dabei vorgekommen sein, da mehr denn 20 000 Judäer umgekommen sein sollen, und diese sich wohl nicht ohne Gegenwehr haben abschlachten lassen. Cäsarea behielt nicht einen einzigen Judäer. Die Flüchtlinge ließ Florus einfangen, in Fesseln schlagen und als Galeerensklaven auf Schiffe verteilen103. Diese Stadt bildete auch diesmal das Vorspiel für das Los, das der Hauptstadt bereitet werden sollte. Das beispiellose Gemetzel versetzte die ganze Bevölkerung Judäas in fieberhafte Aufregung und steigerte ihren Haß gegen die Heiden bis zum Wahnsinne. Es bildeten sich überall wie auf gemeinsame Verabredung Freischaren, welche die heidnischen Bewohner überfielen, niedermachten, ihre Häuser verbrannten und ihre Güter zerstörten104. Solche blutige Streifzüge forderten wiederum die Heiden in Judäa und Syrien zur Selbstverteidigung und Rache heraus. Von Tiberias aus machten judäische Jünglinge Einfälle in die Nachbarstädte Gadara, Hippos und andere, die zur Dekapolis gehörten, töteten die Griechen, die in ihre Hände gefallen waren, verbrannten die Dörfer und drangen racheschnaubend bis Skythopolis105 vor. So überfielen ihrerseits die Heiden ihre judäischen Mitbewohner, wo diese in der Minderzahl waren, und machten sie nieder. Mehrere judäische und syrische Städte waren infolgedessen in zwei Parteien gespalten, die sich am Tage unerbittlich befehdeten und bei Nacht in Furcht vor einander auf der Lauer lagen. Auch die dem Judentume Zugeneigten (die Judaisierenden) wurden den Feinden verdächtig. In manchen Städten waren Leichen angehäuft, die unbeerdigt blieben106. Es war ein Religionskampf, wie er in dieser Ausdehnung im Altertume sonst nicht vorgekommen ist. Die Beute, die der syrische und griechische Pöbel aus den Häusern der Judäer wegschleppte, reizte seine Habsucht zu immer neuen Plünderungen. Auf diese Weise wurden die Judäer in Askalon, Ptolemaïs und einigen peräischen Städten Hippos und Gadara beraubt, getötet oder zu Sklaven gemacht. Nur die heidnischen Einwohner von Sidon, Apamea und Antiochia ließen ihren judäischen Mitbürgern Ruhe, weil sie ihnen an Zahl weit überlegen waren und nichts von ihnen zu fürchten hatten107.

[463] Einige Monate später reizte jedoch ein abtrünniger Judäer mit Namen Antiochos die Heiden in der syrischen Hauptstadt zu Feindseligkeiten gegen seine Stammesgenossen auf. Antiochos war der Sohn des Vorstehers der antiochensischen Gemeinde, und sein Abfall vom Judentume erfüllte ihn mit Haß gegen seine Stammesgenossen und sogar gegen seinen eigenen Vater. Er rief das Volk von Antiochien ins Theater und log ihm vor, daß sein Vater und sämtliche Judäer damit umgingen, die Stadt in Brand zu stecken. Sollten die Heiden einer von einem Judäer gegen seine Religionsgenossen erhobenen Anschuldigung nicht Glauben schenken? Nachdem er das Volk gegen die Judäer aufgestachelt hatte, überredete er es, alle diejenigen als Feinde zu behandeln, die den heidnischen Göttern nicht opfern würden. Ungeachtet der Todesgefahr entschlossen sich indes nur Wenige zum Opfern, die übrigen blieben standhaft, und viele von ihnen büßten ihre Standhaftigkeit mit dem Tode. Die dem Blutbad Entkommenen zwang Antiochos mit der Bosheit eines Abtrünnigen am Sabbat zu arbeiten und dehnte seine Wut gegen den Sabbat auch auf die Judäer der Umgegend aus108. In der Stadt Bethsan fiel infolge des Rassenkampfes eine Scene vor, welche die Reihe der haarsträubenden Selbstzerfleischungen, an denen die Geschichte der Tempelzerstörung so reich ist, eröffnet. Die heidnischen Einwohner dieser Stadt hatten mit ihren judäischen Mitbürgern ein Bündnis geschlossen und ihnen versprochen, mit ihnen in Frieden zu bleiben, wenn sie ihnen behilflich sein wollten, die Angriffe der judäischen Streifscharen zurückzuschlagen. Das taten die Judäer von Bethsan redlich, bekämpften ihre Brüder schonungslos und vertrieben sie aus der Nähe der Stadt. Dabei zeichnete sich ein Judäer von riesiger Kraft und hohem Mute, Simon ben Saul, am meisten aus. Sobald aber die Heiden von dieser Seite beruhigt waren, überfielen sie die sorglosen Judäer in der Nacht, töteten nahe an 13,000 und richteten ein furchtbares Blutbad an. Nur Simon mit seiner Familie blieb noch übrig, da er die Feinde, die sich ihm näherten, mit der Geberde der Verzweiflung und gezückter Waffe in Schrecken setzte. In zerknirschter Selbstanklage wegen des Kampfes gegen seine Stammesgenossen für die Heiden wollte er nur durch seine eigene Hand sterben. Nachdem er dann seine greisen Eltern, seine Frau und seine Kinder getötet hatte, stieß er sich das Schwert in die Brust und brach auf den Leichen der Seinigen zusammen109.

[464] Die zwischen Judäern und Heiden ausgebrochene Feindseligkeit, die in Cäsarea ihren Anfang genommen hatte, wälzte sich bis nach Alexandrien110 fort und veranlaßte unter den Judäern der ägyptischen Hauptstadt ein Gemetzel, welches um so betrübender war, als es auf den Befehl eines Abtrünnigen erfolgte. Die alexandrinischen Griechen, deren Eifersucht auf ihre judäischen Mitbürger nicht erloschen war, wollten den Kaiser Nero angehen, den Judäern die Gleichstellung zu entziehen, obwohl Claudius sie ihnen bestätigt und besiegelt hatte (o. S. 344). Sie versammelten sich zu diesem Zwecke im Amphitheater der Stadt, um eine Gesandtschaft auszuwählen. Als die aufgeregte Volksmenge einige Judäer bemerkte, die sich in die Versammlung eingeschlichen hatten, um Kunde von dem sie so nahe angehenden Beschlusse zu haben, fielen sie über dieselben her, beschimpften sie als Spione und schleiften drei davon durch die Straßen, um sie lebendig zu verbrennen. Aufs tiefste durch die Mißhandlung ihrer Brüder erregt, setzten sich die Judäer zur Wehr, ergriffen Fackeln und drohten, das Amphitheater, wo die Griechen noch versammelt waren, in Brand zu stecken. Als sie aber schon Miene machten es auszuführen, mischte sich der Statthalter Tiberius Alexander ein, um dem Umsichgreifen eines verheerenden Bürgerkrieges zu steuern. Aber er goß noch mehr Öl in die Flamme; die Judäer Alexandriens haßten ihn als einen Abtrünnigen und warfen ihm seinen Abfall vor. Tiberius Alexander verlor dabei so sehr alle Besonnenheit, daß er seine Legionen auf das Quartier der Judäer losließ und ihrer nur mühsam zurückgehaltenen Wildheit die Zügel löste. Sofort ergossen sich die blut- und raubgierigen Soldaten gleich wilden Tieren auf das schöne Quartier Delta, ermordeten jeden, der ihnen in den Weg kam, verbrannten die Häuser und füllten die Plätze mit Blut und Leichen. 50 000 Judäer verloren in diesem Gemetzel ihr Leben, und der Mann, der diesen Mordbefehl erteilt hatte, war der Brudersohn des für seine Nation so begeisterten judäischen Philosophen Philo.

So hatte die von dem Zelotenführer Eleasar ben Anania angefachte Bewegung die erschrecklichste Ausdehnung gewonnen. Das vergossene Blut wirkte verhängnisvoll. Die Revolution ergriff bald selbst die Gleichgültigsten und verwandelte fast die ganze Nation in Zeloten. Die Zahl der mutigen Kämpfer vermehrte sich von Tag zu Tage; die erwartete Unterstützung aus Adiabene und Babylonien traf ein. Die Glieder des adiabenischen Königshauses, Brüder und Söhne des Königs Izates, die zum Teil in Jerusalem erzogen waren, von denen zwei [465] dem Namen nach bekannt geworden sind, Monobaz und Kenedaï111, stellten sich zur Verfügung und hielten bis zum letzten Augenblicke aus. Drei Helden waren in Jerusalem eingetroffen, welche eine ganze Armee aufwogen: Niger von jenseits des Jordan, Silas der Babylonier, und Simon bar Giora112, der wilde Patriot, der seit seinem ersten Zusammentreffen mit den Römern bis an das Ende des Krieges ihnen furchtbar war. Die Revolutionsführer in Jerusalem unternahmen indessen nach der Besiegung der Römer und ihrer Gegner nichts Bemerkenswertes. Nur eine Tatsache wird erwähnt, daß sie die von Herodes angelegte Festung Kypros unweit Jericho überfallen, die Besatzung niedergemacht und die Stadt zerstört haben. Zur selben Zeit verließ die römische Besatzung die starke Festung Machärus, weil der Posten sehr entlegen war113. Machärus blieb sechs Jahre in den Händen der Zeloten.

Cestius Gallus, der Statthalter von Syrien, dem die Ehre der römischen Waffen und die Erhaltung der römischen Oberherrlichkeit über die ihm anvertrauten Länder oblag, durfte das Umsichgreifen des Aufstandes nicht länger geduldig mit ansehen. Er sammelte daher seine Legionen und die Hilfstruppen der benachbarten Fürsten, die bereitwillig ihre Truppen gegen die Juden zur Verfügung stellten. Selbst Agrippa ließ 3000 Fußtruppen und 2000 Reiter zu der römischen Armee stoßen und bot sich als Wegweiser für das durch Berge und Schluchten gefährliche Terrain an. Cestius führte über 30,000 Mann erfahrener Krieger aus Antiochien gegen Judäa und zweifelte nicht, daß er die judäischen Aufständischen mit einem Schlage vernichten werde. Auf seinem Zuge längs der Meeresküste ließ er in allen Städten Blutspuren und Brandstätten zurück. Die schön gebaute Stadt Chabulon114 wurde ein Raub der Flammen. In Joppe wurden über 8000 Juden hingeschlachtet und die Stadt verbrannt; ebenso erging es den Einwohnern des Landstriches Narbata unweit Cäsarea und denen von Antipatris. Lydda fand das römische Heer fast menschenleer, weil die Bevölkerung sich zum Hüttenfeste nach Jerusalem begeben oder sich den Freiheitskämpfern zur Verfügung gestellt hatte. Es wurde ebenfalls angezündet, und die darin angetroffenen fünfzig Wehrlosen und Altersschwachen wurden getötet. Widerstand fand nur [466] ein von dem Hauptheer detachierter Truppenteil unter dem Hauptmann Gallus, der einen Teil von Galiläa durchstreifte. Sepphoris, der Hauptort dieser Gegend, nahm die römischen Truppen mit Freudenrufen auf; die Bewohner haben sich die ganze Zeit hindurch römerfreundlich gezeigt. Die judäischen Freischaren Galiläas hatten sich indes auf einem Berge Asamon (?) Sepphoris gegenüber gesammelt, leisteten den römischen Angriffen hartnäckigen Widerstand und töteten zweihundert römische Soldaten. Als sie aber von allen Seiten umzingelt und von der Reiterei verfolgt wurden, ließen 2000 ihr Leben auf dem Kampfplatze115.

Sobald die Zeloten Jerusalems Nachricht von dem Anzuge des römischen Heeres erhielten, griffen sie zu den Waffen, obwohl es Sabbat war, und zeigten, daß sie die römischen Legionen nicht fürchteten, und sich im Kriege von den Sabbatgesetzen nicht gehindert fühlten. Cestius hatte bei Gabaot, eine Meile von Jerusalem, Halt gemacht und erwartete vielleicht reuige Unterwerfung. Aber die Zeloten griffen das römische Heer mit solchem Ungestüm an, daß sie die Reihen desselben durchbrachen und im ersten Anlaufe über 500 töteten, während sie selbst nur zweiundzwanzig Mann einbüßten (26. Tischri, Oktober). In diesem ersten Treffen zeichneten sich die adiabenischen Fürsten aus. Wäre nicht die römische Reiterei den Fußtruppen zu Hilfe gekommen, so wären letztere an diesem Tage aufgerieben worden116. Cestius mußte seine Truppen den Rückmarsch auf Bethoron zu antreten lassen. Simon bar Gioras fiel den Römern in den Rücken, zersprengte die Nachhut und brachte Beute nach Jerusalem. Während die Sieger Hosiannalieder anstimmten, blieb Cestius im Lager müßig und wagte nicht vorzurücken. Zwei Männer, die Agrippa abgesandt hatte, um die Einwohner Jerusalems aufzufordern, die Waffen zu strecken, wurden mit Geschossen empfangen; der eine wurde getötet, der andere schwer verwundet.

Am nächsten Tage näherte sich das römische Heer wieder der Hauptstadt, ließ aber drei Tage ohne Angriff verstreichen. Die Zeloten hatten die äußern Stadtteile, die keinen hinlänglichen Schutz boten, verlassen und sich auf die durch feste Mauern geschützte innere Stadt und den Tempel zurückgezogen. Endlich rückten die Römer ein, zerstörten die erste Vorstadt Bezetha, die Neustadt und den sogenannten Holzmarkt, dann drangen sie weiter bis zu dem Punkte im Westen, der dem Herodespalaste gegenüber lag (auf Zion), und schlugen dort ihr Lager auf (30. Tischri). Dies erschreckte aber die Zeloten nicht, [467] sie warfen die Verräter, die auf den Rat des Anan ben Jonathan dem Feinde die Tore öffnen wollten, über die Mauer und rüsteten sich zur Verteidigung der eingenommenen Plätze. Fünf Tage hintereinander stürmten die Römer gegen die Mauern, wurden aber stets von den Geschossen der Judäer zum Weichen gebracht. Erst am sechsten gelang es ihnen, die nördliche Mauer gegen den Tempel zum Teil zu unterminieren117. Aber Cestius verfolgte den erlangten Vorteil nicht. Er hielt es nicht für ratsam, mit begeisterten Helden einen Kampf fortzusetzen, der den Feldzug in die Länge gezogen haben würde. Die Regenzeit des Herbstes nahte heran und war schon eingetreten und verhinderte die Zufuhr von Lebensmitteln. Bei einer fortgesetzten Belagerung hätte sich das römische Heer der Gefahr ausgesetzt, in einer gebirgigen Gegend auf allen Seiten von Plänklern angegriffen, beunruhigt und einzeln aufgerieben zu werden. Deswegen mochte es Cestius für klüger halten, den Rückzug anzutreten118. Schwerlich aber hat ihm Feigheit den Entschluß eingegeben.

Sobald der unerwartete Abzug der Römer den Einwohnern von Jerusalem bemerkbar wurde, setzten sie ihnen nach und griffen sie von den Gebirgskämmen aus im Rücken und in den Flanken an, da das römische Heer nur die gebahnten Wege in den Tälern und Pässen einhalten konnte. Eine große Zahl getöteter Römer, darunter selbst hochgestellte Führer, bedeckte die Wege. Als das Heer das Lager in Gabaot erreichte, sah es sich von judäischen Scharen umschwärmt; Cestius hielt sich nicht mehr für sicher, beschleunigte den Rückzug und ließ das beschwerliche Gepäck zurück. Im Engpaß von Bethoron erging es dem römischen Heere noch viel schlimmer; von allen Seiten angegriffen, wurde es in Unordnung gebracht und konnte sich wegen der Bergwände, von wo aus die Judäer Pfeile auf sie regnen ließen, nicht zur Wehr setzen. In wilder Flucht eilten die Römer auf Bethoron zu und wären völlig aufgerieben worden, wenn sie nicht die hereinbrechende Nacht vor weiterer Verfolgung geschützt hätte119. Um mit dem anbrechenden Tage nicht denselben verderblichen Kämpfen entgegen zu gehen, führte Cestius eine Kriegslist aus, um die Judäer, welche die Gegend von Bethoron die ganze Nacht besetzt hielten, zu täuschen. Er ließ 400 tapfere Soldaten im Lager zurück und das ganze übrige Heer geräuschlos weiter marschieren, so daß es bei Tagesanbruch, als die Judäer die List bemerkten, bereits einen Vorsprung gewonnen hatte. Die 400 zurückgelassenen Soldaten, die lange Stand hielten, machten die Judäer nieder und verfolgten das römische [468] Heer bis Antipatris, ohne es jedoch erreichen zu können. Aber sie fanden reiche Beute an Waffen und Belagerungswerkzeugen, die sie als Trophäen nach Jerusalem brachten, und deren sie sich später gegen ihre Feinde bedienten. Cestius' Kriegskasse, die in ihre Hände gefallen war, vermehrte den Tempelschatz. Nahe an 6000 Römer und Bundesgenossen hat Cestius' Heer in diesem ersten Feldzuge gegen die verachteten Judäer eingebüßt, und die Legion, die Cestius aus Antiochien als Kerntruppen gegen Jerusalem geführt hatte, verlor ihren Adler, was bei den Römern als die größte Schmach und einer schimpflichen Niederlage gleich galt120.

Unter jubelnden Kriegsliedern kehrten die Zeloten nach Jerusalem zurück (8. Marcheschwan, Oktober), und frohe Hoffnungen auf Freiheit und Selbstregierung erfüllten ihre Brust. Die glückliche Hasmonäerzeit schien wiedergekehrt und noch übertroffen. War nicht das auf der ganzen Erde gefürchtete römische Heer geschlagen und zu schimpflicher Flucht gezwungen worden? Welche Veränderung in kaum sechs Monaten (17. Ijar bis 8. Marcheschwan)! Damals zitterte noch Alles vor dem Feigling Florus und seiner geringen Mannschaft, jetzt waren die Römer geflohen! Hatte sich ihnen die Hilfe Gottes nicht ebenso gnadenvoll erwiesen, wie den Vorfahren? Und das Herz der Zeloten beschlich keine Bangigkeit um die Zukunft. »Wie wir die zwei Feldherrn (Metilius und Cestius) geschlagen haben121, so werden wir ihre Nachfolger besiegen«. Diese Zuversicht beseelte sie für die bevorstehenden Kämpfe. Die Zeloten glaubten sich im Rechte, wenn sie alle Diejenigen, die noch von Unterhandlung mit den Römern und Unterwürfigkeit sprachen, als Vaterlandsverräter und Feinde des Judentums betrachteten. Die Friedenspartei hatte für den Augenblick den Boden verloren, das ganze Volk war, von dem wunderbaren Siege berauscht, mit ganzer Seele den zelotischen Führern zugetan, und die Römlinge wagten nicht, ihre innere Gesinnung laut werden zu lassen. Viele von ihnen verließen heimlich Jerusalem, andere heuchelten zelotischen Römerhaß und Freiheitsliebe122. Während die Herodianischen Brüder Kostobar und Saul, die bereits nach dem ersten Siege der Zeloten Jerusalem verlassen hatten, auf Cestius' Anregung, sich zu Nero nach Griechenland begaben, um den Ausbruch des Aufstandes zu entschuldigen, die Schuld dafür auf Florus zu wälzen und den Kaiser der treuen Ergebenheit der judäischen Nation – mit Ausnahme [469] einiger Brauseköpfe – zu versichern123, prägten die siegestrunkenen Zeloten nach diesem Siege neue Münzen mit der Inschrift: »Das erste Jahr zur Erlösung Israels« auf den Namen »Eleasar der Priester«, wahrscheinlich Eleasar, Sohn Simons, der Schatzmeister des Tempels und von den Zeloten als Haupt angesehen war124.

So gewaltig und hinreißend war die Bewegung für die Befreiung von der Fremdherrschaft, daß selbst einige friedliche, blut- und berührungsscheue Essäer ihr nicht widerstehen konnten, sondern, ihre Peinlichkeit überwindend, in die Reihen der Kämpfer traten125. Selbst die Samaritaner verbannten ihren alten Groll gegen die Judäer und machten aus Haß gegen die Römer gemeinschaftliche Sache mit ihren Gegnern von gestern126. Nur die Judenchristen waren der Nationalsache schon so sehr entfremdet, daß die jerusalemische Gemeinde, auf eine höhere Mahnung sich berufend, Jerusalem verließ und nach der heidnischen Stadt Pella jenseits des Jordan auswanderte127.

Eine Rührigkeit war in der Hauptstadt eingetreten, die ihr einen veränderten Anblick gewährte. Überall sah man Waffen schmieden und Kriegswerkzeuge anfertigen, um für erneute Angriffe gerüstet zu sein. Die Mauern Jerusalems wurden befestigt und so widerstandsfähig gemacht, daß sie dem Feinde lange Zeit Trotz bieten konnten, besonders die Mauer im Norden um die Vorstädte Bezetha, welche Agrippa I. hatte unvollendet lassen müssen. Die Jugend hielt täglich kriegerische Übungen128 und die Begeisterung ersetzte den Mangel an Kriegserfahrung. In allen Teilen Judäas erhoben die Römerfeinde und Patrioten ihr Haupt und bildeten provisorische Ausschüsse für Vorbereitungen zum Riesenkampfe. Auswärtige Judäer beteiligten sich bei dieser Erhebung mit glühendem Eifer.

Von den inneren Einrichtungen, die infolge der gewaltigen Erhebung und des Sieges über Cestius ein geführt wurden, sind nur unbestimmte Andeutungen vorhanden. Es hat dem römerfreundlichen Geschichtsschreiber der den Abfall von Rom nicht genug anschwärzen [470] konnte, nicht gefallen, darüber zu berichten. Ganz ohne Zweifel erhielt das große Synhedrion wieder seine unbeschränkte. Machtvollkommenheit und hatte die Befugnis über die politischen und kriegerischen Angelegenheiten129. An der Spitze des hohen Rates stand Simon ben Gamaliel, aus dem Hillelschen Hause, ein Mann, selbst nach der Schilderung seines Gegners, voller Einsicht und Tatkraft, der, wenn sein Rat immer befolgt worden wäre, die Schilderhebung zu einem ersprießlichen Ende geführt haben würde130. Diese Besonnenheit empfahl er auch seinen Anhängern in einem Spruche. »Alle meine Tage bin ich unter Weisen aufgewachsen und habe gefunden, daß nichts dienlicher ist als Schweigen, und wer viel spricht, veranlaßt Sünde.« Gegen diejenigen pharisäischen Lehrer beider Schulen, welche sich auf Deutungen der Gesetzesbuchstaben verlegten, neue Bestimmungen daraus folgerten und sich dieses als Verdienst anrechneten, bemerkte Simon ben Gamaliel: »Nicht das Auslegen ist Haupttugend, sondern die Betätigung«131. Er gehörte zwar nicht zu den übertriebenen Zeloten, dennoch war er für energische Mittel der Kriegführung und unterstützte mit dem ganzen Gewicht seines Ansehens diejenigen, welche die Revolution zur Wahrheit machen wollten132. Auf Münzen aus dem ersten und zweiten Jahre seit der errungenen Selbständigkeit findet sich die Inschrift: »Simon, der Fürst (Vorsitzender) von Israel«133, was sich höchstwahrscheinlich auf den Patriarchen Simon, Sohn Gamaliels, bezieht. Daß die peinliche Gerichtsbarkeit wieder unbeschränkt in die Hände der judäischen Tribunale übergegangen war, versteht sich von selbst; es findet sich auch ein Beispiel, daß das Synhedrion wie vor der Einmischung der Römer Verbrecher bestraft hat. Die unzüchtige Tochter eines Priesters wurde nach der Vorschrift des Gesetzes dem Feuertode übergeben134. Der tiefe Haß der Heiden in Palästina und Syrien gegen die Judäer scheint in dieser Zeit judäischerseits Maßregeln der Strenge hervorgerufen zu haben, welche die Schammaïten, die Ultrazeloten, mit aller Rücksichtslosigkeit eingeführt haben.

Nach Cestius' Niederlage machte sich nämlich die Erbitterung der Heiden gegen ihre judäischen Nachbarn noch mehr Luft. Aus Vorsicht, um einem Überfall der Judäer begegnen zu können, oder aus [471] Rachsucht wegen der den Römern zugefügten Niederlage rotteten sich die Heiden zusammen und mordeten schonungslos die Judäer in ihren Städten mit Weibern und Kindern135. Die Einwohner von Damaskus trauten sich nicht, ihren Anschlag auf die Judäer laut wer den zu lassen und aufzuschieben, weil fast sämtliche damascenische Frauen dem Judentume anhingen. Darum lockten sie sie in das Gymnasium und töteten in den eingeschlossenen Räumen über 10 000 von ihnen mit einem Male136. Solche Metzeleien mußten die Patrioten um so mehr mit Entsetzen erfüllen, als die Wut öfter ganz unschuldige judäische Gemeinden traf, die nicht im entferntesten an Aufstand gedacht hatten. Selbstverständlich nahmen die Judäer, soweit ihre Macht reichte, Wiedervergeltung an den benachbarten Heiden. Solche Wiedervergeltung suchten wieder die Heiden zu rächen. So steigerte sich ein Rassenhaß zwischen Judäern einerseits und Römern und Griechen andererseits, der weit über die engen Grenzen Palästinas hinausging. Da nun alle Völkerschaften im Umkreise Judäas: Syrer, Griechen, Römer, Alexandriner, die Sache des römischen Kaisers zu der ihrigen machten, so glaubten die Ultrazeloten berechtigt zu sein, ihre Feindschaft gegen Rom auf sämtliche Heiden übertragen zu dürfen. Infolgedessen scheinen die Anhänger der schammaïtischen Schule in einer Synode einen Antrag eingebracht zu haben, eine Scheidewand zwischen Judäern und Heiden aufzurichten, jede Gemeinschaft mit diesen auszuschließen, jeden Verkehr mit ihnen zu hemmen. Bereits längere Zeit vorher wurde es untersagt, Öl von den Heiden zu genießen. Jetzt wurde diese Absonderung noch verschärft. Judäer sollten künftighin von Heiden weder Wein, noch Brod, noch andere Speisearten kaufen, auch nicht Gaben für den Tempel von ihnen annehmen, nicht ihre Sprache sprechen, noch sie zur Zeugenschaft zulassen, noch überhaupt mit ihnen verkehren. Diese Bestimmungen sind unter dem Namen der »achtzehn Dinge« bekannt geworden. Religiöse Strenge und politischer Zelotismus gingen in diesen sturmbewegten Zeiten Hand in Hand. War ja die Hochflut des Freiheitsdranges aus der tiefsten Religiosität hervorgegangen. Die politisch und religiös gemäßigten Hilleliten waren aber mit diesen tief in die Einzelverhältnisie eingreifenden Absonderungsmaßregeln nicht einverstanden. Sie mochten teils die Schwierigkeit der Ausführbarkeit teils die auswärtigen Judäer berücksichtigt haben, die dadurch in den Strudel der Feindseligkeit hineingerissen werden würden. Sie waren daher mit dem Antrage unzufrieden, mußten sich aber der Mehrzahl der Synode, die [472] aus Schammaïten bestand, fügen. Bei der Zusammenberufung der Synode war es recht zelotisch zugegangen. Eleasar ben Anania – wahrscheinlich der Zelotenführer –, der selbst Gesetzeslehrer war, hatte die Anhänger beider Schulen in seinem Hause versammelt. Bewaffnete Trabanten standen am Eingange und hatten die Weisung, jedermann hinein- und niemanden herauszulassen. Viele Hilleliten sollen bei der hitzigen Debatte den Tod gefunden haben. Der Tag, an welchem die Schammaïten ihre strengen Bestimmungen zum Beschluß durchgesetzt haben (9. Adar, Febr.), galt daher den Spätern, wegen der gewalttätigen Art dieser Synode als ein Unglückstag137. Auch andere schammaïtische Erschwerungen erhielten in dieser Synode Gesetzeskraft.

Derselbe Eleasar ben Anania, auf dessen Veranlassung diese Beschlüsse zu Stande gekommen waren, hat zu derselben Zeit noch andere Mittel in Bewegung gesetzt, um die Nation mit dem Feuer hingebender Vaterlandsliebe zu erfüllen. Die Hasmonäergeschichte, die vielleicht nur stückweise im Umlaufe war, ließ er sammeln, zu einem Ganzen verbinden und übergab die Rolle dem Volke zum Nacheifer der hasmonäischen Heldentaten (Megillat Bet - Chaschmonaim). Glänzendere Muster konnte man der Nation nicht vorführen. Das noch vorhandene erste Makkabäerbuch scheint aus dieser Sammlung hervorgegangen und mit Zusätzen aus jener Zeit bereichert worden zu sein. Die Worte, die dem sterbenden hasmonäischen Stammhaupte Matthatia in den Mund gelegt werden: »Und nun, Kinder, eifert fürs Gesetz und gebet euer Leben für den Bund eurer Väter hin«, spiegeln den Feuereifer der Zeloten deutlich ab. »Pinehas, unser Vater, als er eiferte fürs Gesetz, erhielt den Bund ewiger Priesterschaft. Elias eiferte fürs Gesetz und wurde dafür zum Himmel erhöht«. Der Eifer fürs Gesetz gegen die Heiden wird darin als die höchste Tugend gepriesen. Eleasar ben Anania ließ auch die Gedenktage seit der ältesten Zeit bis auf den letzten Aufstand in kurzen, dem Gedächtnisse einprägbaren Sätzen zusammentragen und in chaldäischer Sprache niederschreiben (die Fastenrolle, Megillat Ta'anit)138. Die Nation sollte sich an den Siegestagen erinnern, daß sie oft in großer Gefahr geschwebt, und daß der Gott Israels sie stets auf wunderbare Weise vom Rande des Abgrundes gerettet hatte. Die Geschichte sollte das Feuer der Begeisterung entzünden und unterhalten. Wie es scheint, wurde in dieser Zeit auch der Kanon der heiligen Schrift nochmals zur Sprache gebracht. Die beiden Bücher, in [473] denen nicht der Geist der judäischen Überzeugung weht, das Hohelied und der Prediger Kohelet, deren Heiligkeit schon früher beanstandet wurde, sollten nach dem Vorschlag der Schammaïten dem Gebrauch entzogen und verborgen werden. Selbst der Prophet Ezechiel sollte aus der Reihe der heiligen Schriften gewiesen werden, weil manche gesetzliche Bestimmungen darin der Thora widersprechen. Eleasar ben Anania ließ es sich aber angelegen sein, diesen Propheten zu retten und die Widersprüche – gut oder schlecht – auszugleichen. Und so wurde Ezechiel als kanonisches heiliges Buch beibehalten139.

Die kriegerische Rührigkeit, die mit der innern Bewegung Hand in Hand ging, ruhte dabei nicht einen Augenblick. Vor allem war man darauf bedacht, Feldherren und Statthalter für den bevorstehenden Krieg zu wählen. Wie es scheint, ging die Wahl vom Volke selbst aus, das auf dem Tempelberge versammelt wurde und seine Stimme abgab. Irgend etwas muß aber vorgegangen sein, wodurch eine den Ultrazeloten ungünstige Stimmung erzeugt wurde. Eleasar ben Anania, der den ersten Anstoß zu der gewaltigen Bewegung gegeben hat, wurde nur zum Statthalter der ganz unwichtigen Landschaft Idumäa eingesetzt und mußte seine Befugnis noch mit einem andern, Josua ben Sapphia, teilen. Von ihm ist auch im weitern Verlaufe des Krieges nicht mehr die Rede. Ein Ultrazelote, Eleasar ben Simon, wurde bei der Wahl ganz übergangen, obwohl er von edlem Geschlechte war und die Aufsicht über den Tempelschatz hatte. Er war in den Augen derer, die das Regiment an sich gerissen hatten, ein zu eifriger Freiheitsfreund. Dafür erhielten gemäßigte Männer, ja selbst solche, welche früher Römerfreunde waren, den Vorzug. Joseph ben Gorion und Anan, Sohn Anans, welcher eine kurze Zeit Hohepriester war, (o. S. 445), erhielten wichtige Posten, die Aufsicht über Jerusalem und die Befestigung. Außer diesen wurden noch fünf Statthalter über verschiedene Landesteile ernannt: Joseph ben Simon über den Landstrich von Jericho, Manasse über Peräa, der Essäer Johannes über die Gegend von Thamna, wozu Lydda, Emmaus und Joppe gehörten, und Johannes ben Anania über Gophnitis und Akrabatene, nordöstlich von Jerusalem. Den allerwichtigsten Posten erhielt Joseph ben Matthia140. Das Volk war noch immer von dem Zauber der adeligen Familien geblendet und konnte sich nicht entschließen, mutige und hingebungsvolle Männer von unbekannter Herkunft an die Spitze zu stellen. Sein Vertrauen zu dem zweideutigen priesterlichen Adel hat es hart genug [474] büßen müssen. Die Statthalter waren zugleich mit unbeschränkter Vollmacht für die ihnen zugeteilten Landesteile versehen, doch waren sie der Zentralregierung verantwortlich. Der Schwerpunkt der Regierung lag im großen Synhedrion und demnach in dessen Vositzenden Simon ben Gamaliel und den Beiräten Anan und Joseph ben Gorion. Obwohl Simon Oberhaupt der Pharisäer war und der ehemalige Hohepriester Anan aus seiner sadducäischen Gesinnung kein Hehl machte (o. S. 443), so hat diese religiöse Scheidung sie nicht verhindert, Hand in Haud miteinander zu gehen141. Die Vaterlandsliebe überwog den Parteizwist. Indessen war die Einheit doch trügerisch, da hohe Adelige und heimliche Römerfreunde Sitz und Stimme im Synhedrion hatten und durch ihre Meinungsverschiedenheit öfters Schwankung in die Beratungen brachten. Aus der Verschiedenheit der Ansichten entstand Halbheit in den Unternehmungen, welche die Tatkraft lähmte. Ohnehin wurde das Synhedrion öfter von der wechselnden Volksstimmung beherrscht, die in der Revolutionszeit sich stets Geltung verschafft. So regierte das Synhedrion ohne Tatkraft kaum zwei Jahre, bis es, durch Haltlosigkeit gestürzt, den Ultrazeloten die Zügel überlassen mußte.


Fußnoten

1 Jos. Altert. XX. 5, 2. Vgl. o. S. 344.


2 Das. XX. 7. 3. Juvenal Sat. 6, 153 fg.


3 Jos. das. XIX, 9, 1; XX, 7, 1-3.


4 Das. 9, 4; jüd. Krieg II. 17, 4; 20, 1.


5 Jos. Altert. XX, 9, 7.


6 Das. 6, 2; 9, 2-4. Vgl. Note 19.


7 Tosephta Menachot XIII, 21, und b. Pesachim 57 a.


8 Jos. Altert. XX. 8, 8; 9, 4.


9 Das. 8, 8; 9, 2. Vergl. Note 19.


10 Josephus jüd. Krieg VII. 8, 1.


11 Joma 39 b jerus 43 c. Vergl. Note 19.


12 Dieselbe Note.


13 Tosephta Sota c. 14. b. Sota 47 b.


14 Sota 47 a.


15 Joma 23 a.


16 Josephus Altert. XX, 6, 1; jüd. Krieg II, 12, 4; 13, 6; VII. 8, 1.

17 Vergl. die interessante Stelle im Midrasch zum hohen Lied z.V. 3. 5. Hischbati p. 16: תורוד 'ד דגנכ ימיב דחאו םרמע ימיב דחא ןה ולאו ולשכנו ץקה לע וקחדש ייניד. Über Amram vergl. o. S. 360. Neben ben Dinaï wird noch ein gesinnungsgenössischer Führer in der Mischna Sota IX, 9, (8) genannt, wenn die richtige L.-A. beachtet wird, welche bereits Lippmann Heller (in ט"י תופסות) richtig erklärt hat. Diese lautet: וברשמ הניחתו יאניד ןב ןב רזעלא תמשמ ,הפורע הלגע ולטב םינחצרה ןחצרה ןב ותורקל ורזח ארקנ היה השירפ ןב .השירפ-ןב

(Siphre Deut. N. 205: :םינחצרה ןב.) Als Mordeshauptleute, wegen deren Treibens das Sühnopfer aufgehoben wurde, werden zwei genannt: ben Dinaï und Tachina ben Parischa, diesem letzteren gab man den Schimpfnamen: Sohn des Mordes (nicht des Mörders); das will auch die lakonische Erklärung in Jerus. z. St. (24 a) besagen: ןחצורה ןב אלוטק(ד) הירב, Sohn des Mordes, nicht אלטקד הירב.


18 Jos. jüd. Krieg II, 13, 3.


19 Sota 47 a.


20 Note 22.


21 Pessachim 26 a. Jerus. Nedarim 6, 6, p. 39 b. Diese Stelle ist authentischer als die Nachricht in Babli Succa 28 a. Hillels Jünger kann Jochanan nicht gewesen sein, da jener etwa um 5 der vorchr. Zeitr. starb, und dieser den Untergang Jerusalems überlebte, also, selbst wenn er 80 Jahre alt geworden wäre, Hillel unmöglich gehört haben könnte.


22 Josephus Altert. XX, 8, 6.


23 Josephus jüd. Krieg II, 13, 4.


24 Altert. XX, 7, 2.


25 Josephus das. XX, 8, 6; jüd. Krieg II, 13, 5. Apostelgesch. 21, 38. Ungenau wie diese Quelle ist, läßt sie die Anhänger des ägyptischen Propheten aus Sicariern bestehen.


26 Bezeichnend sind Tacitus' Worte (Annales 12, 54): Manebat metus (in Judaea), ne quis principum eadem imperitaret (ac C. Caesar de statua erigenda).


27 Vergl. Note 19.


28 Josephus Altert. XX, 5, 3; jüd. Krieg II, 12, 1.


29 Jos. Altert. das. 5, 4; jüd. Kr. das. 12, 2.


30 Die Angabe, daß nur ein einziger Galiläer ermordet worden sei (jüd. Kr. II, 12, 3) berichtigt Josephus selbst in den Altert. XX, 6, 1, wo er von vielen ermordeten Galiläern spricht.


31 Note 19.


32 Josephus XX. 6, 3; Tacitus Annalen 12, 54.

33 Jos. das. 7, 1; jüd. Krieg II, 12, 8.


34 Note 17, II.


35 Oben S. 437.


36 Tacitus Annalen 12, 54. Historien 5, 9.


37 Josephus Altert. XX, 8, 4; jüd. Krieg II, 13, 2.


38 Das. Altert. XX. 8, 5; jüd. Krieg II. 13, 2. Nach der letzten Stelle soll Eleasar sein Unwesen zwanzig Jahre getrieben haben; die Zahl scheint aber ungenau, sonst müßte er bereits unter Agrippa I. und noch vor ihm als Häuptling existirt haben.


39 Das. Altert. 8, 6; jüd. Krieg II, 13, 4-5.


40 Apostelgeschichte 21, 38.


41 Josephus Altert. XX, 8, 5.


42 Das. 8, 8.


43 Josephus Altert. XX, 8, 7; jüd. Krieg II, 13, 7.


44 Das. Altert. 8, 9.


45 Das. XX, 8, 10.


46 Josephus Altert. 8, 11.


47 Das. Da es unter den vorangegangenen Hohenpriestern nur drei des Namens Simon gab, nämlich S. b. Boëthos, b. Kantheras und b. Kamithos, so ist Καβί wohl ein Corruptel statt Καμεί wie XX, 1, 3 und Beide verschrieben statt Κάμιϑος nämlich תיחמק ןב [Vgl. Schürer II3, S. 220, Anm. 19].


48 Das. Note 19.


49 Das. Vita 3. Für Poppäas Hinneigung zum Judentum scheint auch die Art ihrer Bestattung zu sprechen; ihre Leiche wurde, wie Tacitus (Annalen 16, 6) berichtet, nicht nach römischem Brauche verbrannt, sondern nach fremder Sitte beerdigt: Regum externorum consuetudine differtum odoribus conditur.


50 Vergl. Note 19.


51 Josephus Altert. XX, 9, 1. Der Passus, daß Anan auch Jakobus, Jesu Bruder, habe hinrichten lassen, ist entschieden unecht, da Josephus nirgends etwas von Jesus erwähnt hat, und nur die Kirchenväter ihm einen derartigen Bericht zuschreiben. Er ist vielmehr eben so interpolirt, wie der über Jesus und Johannes, o. S. 277 N. [u. die Bemerkungen dazu].


52 Josephus Altert. XX, 9, 1. Note 19.


53 Josephus das. XX, 9, 4.


54 Mischna Joma I, 4. Tosefta das. I, 8. Vergl. Note 19.


55 Jebamot 61 a.


56 Josephus das.


57 Vergl. o. S. 264.


58 Baba Batra 21 a.


59 Josephus das. 9, 7. Vergl. Note 19.


60 Josephus das. 9, 6. Vergl. Monatschr. 1886, S. 97.


61 Josephus jüd. Krieg II, 14, 1.


62 Jos. Altert. XX. 9, 5. Hier hat Josephus die übertriebene Schilderung von Albinus' Raubgier, die er im jüd. Krieg entworfen, vielfach gemildert.


63 Jos. Altert. 11, 1; jüd. Krieg II, 14, 2.


64 Das.


65 Das. Altert. XX, 11, 1; jüd. Kr. II, 14, 2.


66 Das. Altert. 9, 7. Im Widerspruch damit scheint die Relation im jüd. Krieg V, 1, 5 zu stehen.


67 Jüd. Kr. II, 14, 3.


68 Jos. Altert. XX, 9, 4.


69 Das. Eingang zum jüdischen Krieg 2; jüdischer Krieg II, 16, 4 in Agrippas Rede.


70 Das. VI, 9, 3; II, 14, 3. Vgl. Note 28.

71 Dio Cassius 63, 1. Über Monobaz' Verhalten im parthisch-römischen Kriege unter Nero vgl. Tacitus Annalen XV, 1, 14. Dio Cassius 62, 20.


72 Tacitus historiae V, 10. Duravit tamen patientia Judaeis usque ad Gessium Florum procuratorem.


73 Jos. jüd. Krieg II, 14, 4-5.


74 Jos. jüd. Kr. II, 14, 6-9. 15, 1.


75 Das. 15, 2-3. Es ist wohl zu beachten, daß es damals schon, im ersten Stadium, eine entschlossene, wenn auch geringzählige Revolutionspartei gab, Josephus bezeichnet sie als στασιῶδε$ und weiter unten als οἱ στασιασταί.


76 Jüd. Kr. II, 15, 4-6.


77 Das. 15, 6.


78 Folgt aus Agrippas Rede das. 16, 4.


79 Das.


80 Vergl. jüd. Kr. VI, 6, 3; VII, 10, 1. Vergl. das. VII, 8, 1. Καίτοι τὴν προσƞγορίαν αὐτοῖς ἀπὸ τῶν ἐπ᾽ ἀγαϑῷ ζƞλουμένων ἐπέϑεσαν ... τελευτῆς, ἣν ὑπέμειναν ἐν πολυτρόποις αἰκίαις ἀποϑανόντες.


81 Das. II, 17, 2. Altert. XX, 9, 3. Vergl. Note 26.


82 Jüd. Kr. Altert. XX, 9, 2-4. Vergl. Note 18.

83 Vergl. jüd. Krieg II, 16, 2.


84 Vergl. jüd. Krieg II, 16, 2.


85 Folgt aus Josephus jüd. Kr. II, 16, 5. Vergl. Note 1, N. 24.


86 Das. 15, 1.


87 Tacitus Annalen 15, 28. Vergl. Leon Renier, mémoires de l'institut, académie des inscriptions et belles lettres T. 26, 1. Jahrg. 1867, p, 294 ff. [Weitere Literatur bei Schürer I3, S. 568, Anm. 9.]


88 Jos. Jüd. Krieg II, 16, 3-4.


89 Jüd. Kr. II, 16, 5; 17, 1.


90 Vergl. Note 1, Nr. 24.


91 Josephus jüd. Krieg II. 17, 2; 8. An der letzten Stelle muß der Passus: κἀν τούτῳ Μανάƞμός τις ... ἀνεχώρƞσεν εἰς Μασάδαν als Plusquamperfekt genommen werden.


92 Jüd. Krieg II, 17, 2. Vergl. Note 29.


93 Jüd. Kr. II. 17, 4-6 und Note 1.


94 Jüd. Kr. II, 17, 7. Josephus erzählt, daß die Aufständischen auch τὸ φρούριον verbrannt hätten. Darunter kann unmöglich die Antonia verstanden sein, da diese Festung noch 4 Jahre intakt geblieben ist, und die Römer sie erst unter Titus nach vieler Anstrengung genommen und zerstört haben; vergl. weiter unten. Unter φρούριον kann daher nur das Gefängnis verstanden werden. Unverständlich ist daher, was Josephus (das. VI, 5, 4.) referiert: es sei eine üble Vorbedeutung gewesen, daß infolge der Zerstörung der Antonia von seiten der Judäer der Tempel eine viereckige Gestalt erhalten habe, ὅπου γε Ἰουδαῖοι καὶ τὸ ἱερὸν μετὰ τὴν καϑαίρεσιν τῆς Ἀντωνίας τετράγωνον ἐποιἠσαν; die Judäer haben ja gar nicht die Antonia zerstört. Oder soll darunter das Abbrechen der Verbindung und des Zusammenhanges der Antonia mit dem Tempel zu verstehen sein?


95 Ergänzt ist die Relation in Vita § 11. Hier nennt er den Führer der Sikarier richtig Μανάƞμος = םחנמ, in jüd. Kr. dagegen Μαναϊμος [Niese hat auch an letzterer Stelle Μανάƞμος in den Text gesetzt].


96 Jüd. Kr. II. 17, 7-8.


97 Jüd. Kr. II, 17, 9.


98 A. Geigers Kombination (jüd. Ztschr. für Wissenschaft, Jahrg. 8, 1870, S. 39), daß in der sagenhaften Erzählung, jerus. Berachot p. 5 a und Midrasch zu Klag. 1, 16 היקזח יובאה הימשו םחנמ הימשו אחישמ אכלמ auf diesen Menachem anspiele, ist recht plausibel. םחנמ hat gleichen Zahlenwert mit חמצ, und dieses war der mystische Name für Messias.


99 Das. jüd. Krieg II, 17, 9; VII, 8, 1.


100 Jüd. Kr. II, 17, 10.


101 Note 1, Nr. 25.


102 Note 30.


103 Jüd. Krieg II, 18, 1.


104 Das.


105 Vita 9. 12. 65. 74.


106 Jüd. Krieg II, 18, 1-2. 5.


107 Josephus' Darstellung über die Gemetzel von und an Judäern in einigen Städten das. 18, 1 und 5 ist sehr verworren.


108 Jüd. Kr. VII, 3, 3. Der Zeitpunkt ist gegeben durch die Nachricht, daß Vespasian eben zu Schiffe in Syrien gelandet war, d.h. Febr. oder März 67.


109 Das. II, 18, 3.


110 Jüd. Kr. II, 18, 7-8.


111 Jüd. Kr. II, 19, 2; VI, 6, 4.


112 Das. II, 19, 2.


113 Das. II, 18, 6.

114 So muß es überall heißen, anstatt der sinnlosen Lesart Zabulon, wie vita 43. [So auch Buhl, a.a.O., S. 221.] Was das. j. Kr. II, 18, 9 ἡ καλεῖται ἀνδρῶν bedeuten soll, ist zweifelhaft. Möglich, daß die Stadt den Namen führte ירבג לובכ, wie Meron den Beinamen hatte, איברסמ ןורימ (o. S. 158 N.).


115 Jüd. Kr. II, 18, 9-11; 19, 1.


116 Das. 19, 1-2.


117 Jüd. Kr. II, 19, 2-6.


118 Das. 19, 7.


119 Das. 19, 8.


120 Jüd. Kr. II, 19, 9. Sueton Vesp. 4. Vergl. Josephus vita 7.


121 Josephus vita 6; jüd. Krieg III, 2, 1; darauf spielt auch die echthistorische Stelle in Abot di R. Nathan c. 6 an. Vergl. Note 27.


122 Josephus jüd. Krieg II, 20, 1, 3; vita 6.


123 Josephus, jüd. Krieg II, 20, 1.


124 Vergl. Note 30. [S. jedoch Schürer I3, S. 770 f.].


125 Folgt aus Jos. jüd. Krieg II, 8, 10, wo angegeben ist, daß die gefangenen Essäer Folterqualen gleichmütig erduldet haben; das. II, 20, 4 und III, 2, 1 wird der Essäer Johannes als Anführer genannt.


126 Folgt aus Jos. das. III, 7, 32; vergl. auch Vita 52.


127 Eusebius Kirchengeschichte III, 5, 3. Ganz zuverlässig ist diese Nachricht keineswegs, denn diese dekapolitanische Stadt bot damals, wie die anderen, keine Sicherheit (vergl. oben).


128 Jos. jüd. Krieg II, 22, 1.


129 Folgt aus jüd. Krieg II, 20, 5. Es wird gewöhnlich als τὸ κοινόν, das Gemeinwesen, bezeichnet, vita 12, 13, 38, 49, 52, 60, 65, 70, einmal aber auch als συνέδριον τῶν Ιεροσολυμιτῶν das. 12.


130 Josephus vita 38. Vergl. Note 30.


131 Traktat Abot I, 17.


132 Folgt aus Josephus vita 38-39.


133 S. Note 30 [und dazu Schürer a.a.O.].


134 S. Note 22. Ende.


135 Josephus vita 6.


136 Das. jüd. Krieg II, 20, 2.


137 Vergl. über alles Note 1, 24 und 26.


138 Note 1 und 26.


139 Note 26..


140 Josephus jüd. Krieg II, 20, 3-4.


141 Folgt aus vita 38-39, 44, 60. Vergl. dazu Erubin VI, 2, woraus hervorgeht, daß ein Sadduzäer in die nächste Nachbarschaft des S. b. Gamaliel gezogen ist, ohne daß dieser es verhindert hätte (לאילמג ןבר רמא 'וכו אבא ונל רמאו יובמב ונמע רד היהש דחא יקודצב השעמ). Dieser Sadduzäer war vielleicht Anan b. Anan.



Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1906, Band 3.2, S. 476.
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