I. Die Septuaginta.

[577] Meine Ansicht über die Abfassungszeit der sogenannten Septuaginta und die Veranlassung, der sie ihr Entstehen verdankt, weicht durchgehends so sehr von der Auffassung ab, welche man seit Scaliger, Richard Simon, Humphrey [577] Hody und in jüngster Zeit durch Frankels »Vorstudien zu der LXX.« von dieser Frage hatte, daß es mir unerläßlich wird, sie ausführlich zu erhärten. Zwei Punkte sind es besonders, die im folgenden, wie ich hoffe, bis zu hoher Wahrscheinlichkeit erwiesen werden sollen: 1) daß die Septuaginta wohl auf den Wunsch eines Lagiden ins Leben gerufen wurde; 2) daß dieser Lagide aber nicht Ptolemäus II. mit dem Beinamen Philadelphus, sondern der VI. mit dem Beinamen Philometor war, und daß folglich, die Entstehung der LXX. nicht dem Anfang des dritten, sondern der Mitte des zweiten Jahrhunderts der vorchristlichen Zeitr. angehört. Ich bin daher genötigt, nach zwei Seiten hin Front zu machen; einmal gegen die unvertilgbare Annahme, daß Philadelphus der Pate der Septuaginta gewesen sei, und dann gegen die von Frankel aufgestellte Behauptung, daß die Septuaginta ein naturwüchsiges Entstehen aus der Verdolmetschung der Perikopen in den Synagogen gehabt habe. Nach dieser kurzen Einleitung gehe ich an die Verteidigung der ersten These: Der Pentateuch ist auf den Wunsch eines Lagiden ins Griechische übersetzt worden. Dafür sprechen folgende Momente:

1) So sehr man auch allen Grund hat, die aristeäische Darstellung von der Entstehung der LXX. als Fiktion, richtiger als Tendenzschrift zu betrachten und ihr allen historischen Wert abzusprechen, zumal der Aristeasbrief erst um 20 d. nachchrist. Zeitr. entstanden sein kann [vergl. II und die Bemerkung dazu S. 599], so muß ihr doch irgend ein faktischer Kern als Ausgangspunkt gedient haben. Wäre die LXX nicht gewissermaßen auf höheres Verlangen, sondern allmählich durch die Arbeit der alexandrinischen Meturgemanim ins Leben getreten, wie Frankelin den Vorstudien behauptet, so wäre schwerlich ein Schriftsteller darauf verfallen, das Hauptfaktum nicht nur zu erfinden, sondern es solchen Lesern vorzuführen, die gerade am besten imstande waren, es als ein Phantasiestück zu beurteilen. Das aramäische Targum des Pentateuch stand bei den Palästinensern und Babyloniern in noch höherem Ansehen als die LXX, und doch ist es niemandem eingefallen, sein Entstehen durch den Pomp eines königlichen Mäcenats zu verherrlichen. Nur die syrischen Christen ließen die in ihrer Kirche kanonisierte Peschito fast auf dieselbe Weise durch den König Abgar von Edessa entstehen, der sich dazu Übersetzer aus Judäa hätte kommen lassen (Bar-Hebraeus Praef. zu seinem Horreum mysteriorum und Scholia zu Ps. X); aber dieses ist offenbar eine schlechte Kopie des Aristeasbriefes. Es ist vielmehr wahrscheinlich, daß der Verfasser des Aristeasbriefes die Sage, die unter den ägyptischen Judäern über die griechische Übersetzung zirkulierte, benutzt und vielfach ausgeschmückt hat und besonders in Eigennamen, wo ihn die Sage im Stiche ließ, erfinderisch verfahren ist.

2) Philo, der zwar im ganzen die Aristeassage vor Augen hatte, hat den bedeutsamen Zusatz, daß die Judäer Ägyptens den Tag, an welchem die Übersetzung vollendet war, noch zu seiner Zeit alljährlich auf der Insel Pharos festlich zu begehen pflegten (Vita Mosis II, 7 M I, 1400 [ed. Cohn-Wendl § 41]): διὸ καὶ μέχρι νῠν ἀνὰ πᾶν ἔτος ἑορτὴ καὶ πανἠγυρις ἄγεται κατὰ τὴν Φάρον νῆσον, εἰς ἣν οὐκ Ἰουδαῖοι μόνον ἀλλὰ καὶ παμπλƞϑεῖς ἕτεροι διαπλέουοι, τό τε χωρίον οεμνυνοῠντες, ἐν ᾧ πρῶτον τὸ τῆς ἑρμƞνείας ἐξέλαμψε κ. τ. λ. Als einen Gewährsmann über Vorkommnisse seiner Zeit wird man Philo wohl gelten lassen müssen. Wenn also unter den alexandrinischen Judäern die Erinnerung an die Übersetzung so lebendig war, so muß sie wohl an einem bestimmten Tage vollendet oder übergeben worden sein. Wäre sie allmählich aus der synagogalen Verdolmetschung entstanden, so hätte sie weder [578] Wichtigkeit genug gehabt, einen Erinnerungstag zu hinterlassen, noch ließe sich überhaupt ein Tag für die Feier fixieren.

3) Diese Voraussetzung wird auch von einer andern Seite bestätigt. Eine, wie sich zeigen wird, für diese Frage wichtige palästinensische Nachricht erzählt, daß man in Judäa den Tag der griechischen Übersetzung für einen Unglückstag gehalten, gleich jenem, an dem das goldene Kalb als Gottheit substituiert worden, weil der Sinn der Thora nicht genügend in eine andere Sprache übertragen werden könne. Ihrer Wichtigkeit wegen setze ich die Stelle ganz hierher: תינוי הרותה תא ךלמה ימלתל ובתכש םינקז השמחב השעמ םויכ לארשיל השק םויה היהו Massechet Sepher Thora (הכרצ לכ םגרתהל הלוכי הרותה התיה אלש לגעה וב השענש ed. Kirchheim I, Soferim I, 7). Ich halte diese Nachricht durchweg für sehr alt und darum auch für historisch10. Sie stammt aus einer alten Boraita. Alt ist sie, weil sie im grellsten Widerspruch steht zu der Apotheose der Septuaginta, welche R. Juda b. Ilaï in der zweiten Hälfte des zweiten christlichen Jahrhunderts, offenbar auf Grund der Aristeassage, aus Alexandrien gebracht hat (Megilla 6, vergl. Frankels Vorstudien 27). Nachdem einmal durch R. Judas Autorität die wunderbare Entstehung der LXX anerkannt war, würde niemand gewagt haben, einen Tadel an ihr zu finden; folglich ist jene Nachricht älter als R. Juda. Ohne den Widerspruch zu ahnen, stehen in dieser Quelle beide Relationen von der Entstehung der LXX, die verdammende und die apotheosierende, dicht neben einander. Ferner ist der Umstand zu erwägen, daß nach jener Nachricht fünf Übersetzer daran gearbeitet haben, eine Zahl, die im Vergleich zu den zweiundsiebzig Übersetzern der Aristeassage sich von vornherein als historisch empfiehlt. Die Zahl zweiundsiebzig ist offenbar aus der Voraussetzung von dem Vorhandensein der zwölf Stämme entstanden, von denen je sechs Dolmetscher zum Geschäft der Übersetzung abgeordnet worden sein sollen, damit gewissermaßen das ganze δωδεκάφυλον dabei vertreten sei und ihr eine nationale Sanktion sichere. Hier zeigt sich die Sage in ihrer ganzen Kraßheit, und der Verf. des Aristeasbriefes war so unbesonnen, oder hat so wenig auf Kritik gerechnet, daß er sämtliche 72 Namen aufführt und die 12 Stämme angibt, denen die je 6 Dolmetscher angehört hätten. Fünf Übersetzer hingegen, wie sachgemäß! Der aus fünf Büchern bestehende Pentateuch konnte, ja man könnte fast sagen, mußte bei Verteilung der Arbeit gerade fünf Übersetzer beschäftigen. Außerdem weist der uns vorliegende Text der LXX, trotz der vielfachen Verunstaltung, auf fünf verschiedene Übersetzer hin. Frankel hat in seiner Schrift (Einfluß der palästinischen Exegese auf die alexandrinische Hermeneutik S. 228) diesen Punkt durch eine ins Einzelne eingehende Beweisführung zum Abschluß gebracht: daß fünf Männer von verschiedener Begabung und Kenntnis des Hebräischen an dem griechischen Pentateuch gearbeitet haben. Endlich ist nicht zu übersehen, daß die Frommen in Palästina nach der ganzen Richtung, die der Geist dort genommen hatte, die Übertragung der Thora allerdings als ein Nationalunglück betrachten mußten. Und erst später, viel später, als man den [579] mächtigen Einfluß bemerkte, den die griechische Bibel auf die Verbreitung judäischer Lehren unter den Heiden hatte, konnte man sich mit ihr befreunden und sie als durch ein Wunder entstanden anerkennen. Hat nun die Nachricht in der alten Boraita durch diese drei Umstände, nämlich durch den Widerspruch gegen die Aristeassage, durch die Zahl der fünf Hermeneuten und durch die Mißliebigkeit der Übersetzung in Judäa, einen historischen Charakter, so wird auch das vierte Moment darin bedeutsam, daß man den Tag der Übersetzung in Judäa für einen Unglückstag gehalten habe. Eine zwar nur in einer jüngeren Schrift erhaltene, aber traditionell scheinende Notiz setzt diesen Tag unter die andern dies nefasti auf den achten Tebet an (Halachot Gedolot, Ta'anit, abgedruckt zu Ende der Megillat Ta'anit): – תינוי הרותה הבתכנ תבטב הנומשב םימי 'ג םלועל ךשוח אבו ךלמה ימלת ימיב11. Galt der Tag der Übersetzung, der von den ägyptischen Judäern feiertägig begangen wurde, in Judäa als ein Trauertag, so setzt dieser Umstand ein mit einem Male eingetretenes, für wichtig gehaltenes Faktum voraus.

4) Endlich ist auch einiges Gewicht auf die Umschreibung des Wortes תבנרא durch δασύπους, »der Rauchfuß«, anstatt λαγώς (Lev. 11, 5) zu legen. Die talmudischen Nachrichten erklären, diese Umschreibung sei durch die Rücksicht gekommen, die man auf die Lagiden genommen hat, um sie nicht durch einen Ausdruck, als würde auf Lagos, den Stammvater der mazedonisch-ägyptischen Könige, angespielt, zu verletzen. Nur wußten die Spätern das eigentliche Motiv nicht und rieten herum, man habe deswegen תריעש םילגר anstatt תבנרא gesetzt, weil die Mutter oder Frau des Ptolemäus so geheißen. In einer harmlosen, bloß für die Synagoge bestimmten, sozusagen keiner Zensur unterworfenen Übersetzung, die auf den Hof keinerlei Rücksicht zu nehmen brauchte, wäre man gar nicht darauf gefallen, in dem Worte Lagos etwas Verfängliches und Verletzendes zu finden. Es ist durchaus noch nicht ausgemacht, daß für »Hase« in der κοινἠ der mazedonischen Zeit δασύπους gebraucht worden sein sollte. Es folgt also daraus, daß die griechische Übersetzung ursprünglich für einen der Lagiden angelegt worden ist.

Sprechen diese Momente deutlich dafür, daß die Septuaginta durch eine äußere Veranlassung, und zwar, wie sich teils aus dem Vorangegangenen ergeben hat, teils aus dem Folgenden noch ergeben wird, durch die Teilnahme eines der ägyptischen Herrscher vollendet wurde, so kommt zunächst die Frage an die Reihe, welcher der Lagiden diese Teilnahme bewiesen hat. Nach dem Verfasser des Aristeasbriefes und denen, die ihm gefolgt sind: Philo, Pseudo-Aristobul, Josephus und den meisten Kirchenvätern, war es Ptolemäus Philadelphus, der durch das Verlangen, seine Bibliothek zu vervollständigen, die Übersetzung des Pentateuchs – die Kirchenväter fügen hinzu: des ganzen alten Testaments – veranlaßt habe. Es ist aber in der Tat merkwürdig, daß, obwohl die Kritiker den ganzen Aristeas mit Recht als fabelhaft verwerfen, sie noch immer – doch nur aus dieser sagenhaften Quelle des Aristeas – das Faktum festhalten, die LXX sei zur Zeit des Philadelphus entstanden! Aber während man nicht den Schatten eines Beweises weder für die Judenfreundlichkeit dieses Königs, noch überhaupt für eine einem solchen Unternehmen günstige Zeitlage unter ihm hat, übergeht man einen andern König, dessen Zuneigung [580] zu den Judäern und dessen Bekanntschaft mit dem Judentum historisch beurkundet ist. Es geht mit diesem Faktum wie mit der Freundschaft des Antoninus mit dem Patriarchen R. Juda; man sucht mühsam unter den Antoninen einen judenfreundlichen Kaiser und übergeht Alexander Severus, dessen Judenfreundlichkeit konstatiert ist. Ich stelle daher die zweite These auf. Die Septuaginta ist auf Veranlassung des Ptolemäus Philometor übersetzt worden. Folgende Gründe werden diese These zweifellos machen:

1) Philometor war ein warmer Anhänger der Judäer, weil sie ihn in seinen Kriegen gegen die Seleuciden und gegen seinen Bruder Physkon aufs kräftigste unterstützt haben. Nicht nur Josephus erzählt, daß er die zwei judäischen Priester Onias und Dositheos zu seinen Feldherren ernannt und ihnen sein ganzes Reich überlassen habe, sondern auch der Judenfeind Apion hat in seiner Schmähschrift gegen die Judäer die Tatsache als bekannt vorausgesetzt (Josephus contra Apionem II, 5). Vergl. Note 4.

2) Philometor hat einen Religionsstreit zwischen den Judäern und Samaritanern Alexandriens über die Heiligkeit des Tempels in Jerusalem oder auf Garizim mit lebhaftem Interesse angehört, woraus eben seine Teilnahme an den religiösen Streitfragen der Judäer hervorgeht. Vergl. Note 5.

3) Philometor hat in seinem Reiche den Oniastempel erbauen lassen.

4) In dem ersten Sendschreiben aus Jerusalem an die ägyptischen Judäer wird ein Priester, Juda Aristobulos, Lehrer des Königs genannt (vergl. Note 10). Nun kann dieser Judäer nur Lehrer Ptolemäus des VI. Philometor gewesen sein. Dieser König konnte demnach einzig und allein Interesse für das Buch haben, für dessen Inhalt sich die Judäer in Palästina geopfert hatten.

In den ersten Ausgaben habe ich als Argument für die Entstehung der LXX in Philometors Zeit auch die Nachricht der kirchenväterlichen Literatur angeführt, daß der judäische Peripatetiker Aristobul zur Zeit dieses Königs gelebt und demselben eine »Exegese« oder »Hermeneia« der heiligen Schrift gewidmet habe und endlich zu den 70 Dolmetschern gezählt worden sei. Das Chronicon Paschale z.B. berichtet: Ἀριοτόβουλος Ἰουδαῖος Περιπατƞτικὸς ἐγνωρίζετο, ὃς Πτολεμαίῳ τῷ Φιλομἠτορι ἐξƞγἠσεις τῆς Μωϋσέως γραφῆς ἀνέϑƞκεν (ed. Bonn I, 337).

Diese Angabe stammt aus Eusebius' Chronicon. In der Kirchengeschichte (VII, 32, 16) zieht Eusebius aus Anatolius' Paschal-Kanon folgende Notiz aus: Ἀριστόβουλος. ... ὃς ἐν τοῖς ἑβδομἠκοντα κατειλεγμένος τοῖς τὰς ἱερὰς καὶ ϑείας Εβραίων ἑρμƞνεύσαοι γραφὰς Πτολεμαίῳ τῷ Φιλαδέλφῳ καὶ τῷ τούτου πατρὶ, καὶ βίβλους ἐξƞγƞτικὰς τοῠ Μωϋσέως νόμου τοῖς αὐτοῖς προςεφώνƞσε βαοιλεῠσι. Infolge dieser Notiz gerieten die Kirchenväter Clemens Alexandrinus und Eusebius in arge Konfusion. Sie litten an dem Widerstreit zweier Relationen, der ihnen über den Kopf gewachsen war. Hier die Aristeassage, daß die Septuaginta unter Philadelphus und Eleasar entstanden seien, dort die Nachricht des Anatolius, daß Aristobul zur Zeit des Philometor einer der Übersetzer gewesen sei. Darum machten sie Aristobul zum Zeitgenossen des Philadelphus und Eleasar. Diesen durch Kritiklosigkeit noch mehr verwirrten Knäuel suchten die Forscher zu lösen. Eine besondere Monographie darüber schrieb Valckenaër, diatribe de Aristobulo Judaeo; vergebliche Mühe. Es läßt sich schlechterdings nichts damit machen, weil der judäische Peripatetiker Aristobul ebenso wie der Aristeasbrief ein Kind der Phantasie ist. Es hat wohl einen [581] Judäer Aristobul gegeben, welcher Lehrer des Königs Ptolemäus gewesen und eine Stellung unter den Judäern Alexandriens eingenommen haben mag. Aber einen judäischen Peripatetiker dieses Namens, der ein σύγγραμμα oder προςπεφωνƞμένα für Ptolemäus VI. Philometor oder für Philadelphus geschrieben haben soll, hat es entschieden nicht gegeben. Die einem solchen vindizierte Schrift, seine quasi-philosophische Auslegung, sowie die von ihm stammenden orphischen Verse und Homerica über den Sabbat, sind Pseudepigraphien, vergl. darüber Note 3 Schluß und M. Joël, Blicke in die Religionsgeschichte I, 80 f. Dieses Argument von Aristobul, einem der Dolmetscher unter Philometor, muß ich nach reiflicher Erwägung aufgeben. Aber es beweist denn doch etwas, daß ein Pseudepigraphist die griechische Übersetzung mit Philometor in Beziehung gebracht hat.

Fassen wir alle Momente zusammen, so spricht für das Entstehen der Septuaginta unter Philadelphus nur das Aristeasbuch, ferner Philo und Josephus, die von der Aristeassage beherrscht sind, und endlich die Kirchenväter, welche aus dogmatischen Gründen jene Sage aufrecht erhielten und weiter ausschmückten. Für die Zeit des Philometor hingegen spricht die ganze Situation der Zeit12.

Was den Wert dieser ersten griechischen Übersetzung betrifft, des Pentateuchs nämlich, so läßt sich nach der jetzigen Beschaffenheit des Textes kein sicheres Urteil darüber fällen. Sie hat durch so viele Einwirkungen eine so durchgehende Veränderung erfahren, daß man nicht mehr imstande ist, ihre ursprüngliche Gestalt zu rekonstruieren. Abschreiber haben Vieles daran geflissentlich oder unabsichtlich geändert, Überarbeiter haben zwei oder mehrere Übersetzungen von derselben Stelle zusammengeworfen. Schon zur Zeit des Verfassers des Aristeasbriefes um 20 post hatte die LXX Veränderungen erfahren; darum läßt dieser einen Fluch über solche, welche an dem Texte etwas ändern sollten, aussprechen. Nichtsdestoweniger ist später nicht bloß von christlicher Seite bewußt und unbewußt Manches hineingetragen worden, was ursprünglich nicht darin stand, sondern auch von judäischer Seite ist manche Stelle verändert worden. Origenes, der sich Mühe gegeben hat, einen guten Text wiederherzustellen, hat durch seine Hexapla dazu beigetragen, daß der Text noch mehr verdorben wurde, indem Spätere Vieles aus andern Übersetzungen in die Septuaginta gebracht haben. Über den relativen Wert der Septuaginta zum Pentateuch hat Frankel ein lichtvolles Urteil dahin begründet, daß der Übersetzer des einen Buches mehr, der andere weniger Kunde des Hebräischen hatte, der eine mehr dem Genius des Griechischen, mehr frei, der andere dem des Hebräischen folgend, mehr strikte übersetzt hat. Vergl. Frankel: Vorstudien 62 ff. und Einfluß usw. S. 228 ff. und das Schlußurteil, das auf eine eingehende Beweisführung begründet ist. Keineswegs darf man aber aus der Verschiedenheit der Übersetzung in den verschiedenen Büchern des Pentateuchs schließen, daß ein größerer oder geringerer Zeitintervall, z.B. zwischen den 4 ersten Büchern und dem Deuteronomium liege. Wenn z.B. der Übers. des Deuteron. הקדצ durch ἐλεƞμοούνƞ, der der Genesis dagegen es richtiger durch δικαιοσύνƞ wiedergibt, so beweist diese Verschiedenheit nur, daß die LXX keiner einheitlichen Redaktion unterlag, [582] sondern die Übersetzungen so aufgenommen hat, wie sie ausgefallen waren. Man darf sich auch nicht daran stoßen, daß manche hebräische Wörter pure wiedergegeben sind, wie πάσχα, σάββατα oder gar das Verbum ותבשת (Levit 23, 32) σαββατιεῖτε, ich sage, man darf sich daran nicht stoßen; denn einmal war der Sabbat auch den Griechen bekannt, wie Philo behauptet (de Vita Mosis II, 3 ed. Mangey I 137 fg.), und wohl auch Pascha, und zwar aus dem judäischen Leben. Dann ist öfter ein erklärendes Wort hinzugefügt: zu σάββατα das Wort ἀνάπαυοις und zu πάσχα: ἐπίβασις, und endlich können diese Wörter später hineingebracht worden sein. Daraus läßt sich also keineswegs folgern, daß die Übersetzung ursprünglich nicht für einen griechischredenden König angelegt worden sei. Freilich, war sie einmal vorhanden, so diente sie selbstverständlich auch für den synagogalen Gebrauch.


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1906, Band 3.2, S. 577-583.
Lizenz:
Faksimiles:
577 | 578 | 579 | 580 | 581 | 582 | 583
Kategorien:

Buchempfehlung

Reuter, Christian

Der ehrlichen Frau Schlampampe Krankheit und Tod

Der ehrlichen Frau Schlampampe Krankheit und Tod

Die Fortsetzung der Spottschrift »L'Honnête Femme Oder die Ehrliche Frau zu Plissline« widmet sich in neuen Episoden dem kleinbürgerlichen Leben der Wirtin vom »Göldenen Maulaffen«.

46 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon