9. Der Ehrentitel Rabbi.

[398] Vor der Tempelzerstörung kommt der Titel Rabbi nicht vor, wie überhaupt keine Ehrenbenennung üblich war. Mit richtigem historischen Takt stellt daher Scherira auf, daß dieser Titel erst seit R. Jochanan ben Sakkaï in Jabne in Gebrauch kam: תורודבו ןברב אל םב רבדל ןיכירצ ויה אל דואמ ןילודג ויהש םינשארה יאכז ןב ןנחוי 'ר ידימלתמ רבדה טשפו - ברב אלו יברב אלו ךליאו (Aruch, Artikel ייבא). Selbst die Benennung Rabban für die Patriarchen, die mit Gamaliel dem Ältern beginnen soll, ist zweifelhaft und scheint vielmehr erst später, als Ehrentitel überhaupt in Mode gekommen waren, übertragen worden zu sein. Jedenfalls irrt Hill., de Hebraeorum Rabbinis s. magistris, daß die Zeit sich nicht bestimmen lasse, wann der Titel Rabbi aufgekommen ist. Man wird daher die Benennung Rabbi, welche in den Evangelien (mit Ausnahme des Lukasevangeliums) Johannes dem Täufer und Jesus beigelegt werden, als einen Anachronismus anzusehen haben. Anachronismus ist auch jene Jesu in den Mund gelegte Rüge gegen den Ehrgeiz der jüdischen Gesetzlehrer, sich gern mit diesem Titel nennen zu lassen, und die Warnung, daß sich seine Jünger nicht Rabbi nennen lassen sollten: καὶ φιλοῠσι (οἱ γραμματεῖς) – καλεῖσϑαι ὑπὸ τῶν ἀνϑρώπων ῥαββὶ ῥαββὶ. Ὑμεῖς δὲ μὴ κλƞϑῆτε ῥαββὶ (Matthäus 23, 7-8). Dieses Moment gibt ebenfalls einen Fingerzeig, wann die Evangelien niedergeschrieben wurden, nämlich zu der Zeit, als der Titel Rabbi in so hohem Ansehen stand, daß die Kirchenlehrer nicht umhin konnten, ihn auch auf Jesus zu übertragen.


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1908, Band 4, S. 398.
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