16. Eine messianische Apokalypse mit historischem Hintergrunde.

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Während Abu-‛Isa mit dem Schwerte in der Hand messianische Propaganda machte, erschien in Palästina eine apokalyptische Schrift, welche die Ankunft des Messias in nächster Zeit prophezeite. Diese Apokalypse ist nach vielen Seiten hin höchst interessant. Sie beschreibt die Reihenfolge der Kalifen bis zum Untergange der Omejjaden und gibt individuelle Züge von ihnen an, so daß sie als eine historische Urkunde gelten kann. Sie offenbart ferner die Stimmung der jüdischen Frommen in betreff des herrschenden Islam. Sie eröffnet die Reihe der mystischen Schriften, gibt einen Schlüssel zum Verständnis der verwandten Literatur und ist auch in stilistischer Beziehung beachtenswert. Diese merkwürdige Schrift führt den Titel »Geheimnisse des R' Simon ben Jochaï« ('רד תורתסנ יאחוי ןב ןועמש), erschien zuerst in einem Sammelwerke Saloniki 1743, aus dem sie Jellinek abgedruckt hat in seiner Agadasammlung Bet-ha-Midrasch T. III, S. 78ff. (Leipzig 1855). Fragmentarische Parallelen liefert zu dieser Apokalypse eine ähnliche Schrift unter dem Titel R' Simon ben Jochaïs Gebet: ןועמש 'ר תליפת יאחוי ןב (abgedruckt aus einer Handschrift von Jellinek Bet-ha-Midrasch IV, T. 120f.), die aber einer viel späteren Zeit angehört. Daß die Apokalypse, die תורתסנ, einen historischen Hintergrund hat, ahnte auch Dr. Jellinek, der in den einleitenden Worten dazu bemerkt: »Unstreitig liegen uns hier bestimmte historische Anspielungen vor, die noch der Untersuchung bedürfen«; er bezieht sie aber auf die Geschichte des ersten Kreuzzuges. Dem ist aber nicht so. Es wird sich zeigen, daß der Verfasser der Apokalypse mit der Kalifengeschichte der Omejjaden sehr vertraut war, und man kann bis auf Jahr und Monat bestimmen, wann er sie verfaßt hat. Wir wollen aber dabei analytisch zu Werke gehen, damit der Leser sich selbst von der Richtigkeit der Resultate überzeugen kann.

Die Einkleidung der Apokalypse ist folgender Art. Der Tanna R' Simon ben Jochaï fastete 40 Tage, um das Ende des Exils zu erfahren. Darauf wurden ihm »die Geheimnisse des Endes« offenbart in dem Verse ינקה תא אריו (Numeri 24, 21), worunter die Herrschaft der Araber oder Ismaels verstanden wird91. Darüber grämt sich R' Simon und klagt: »Ist es nicht genug, was uns Edom (Byzanz, Christentum) getan hat, nun soll noch das Reich Ismael kommen? השעש המ ונייד אל לאעמשי תוכלמ ףא אלא םודא תוכלמ ונל. Darauf erscheint der Engel des Angesichts, Metatoron (der in der Agada Partei für Israel nimmt), und tröstete ihn: durch das ismaelitische [464] Reich wird Israel von Edom befreit werden. Gott stellte für die Ismaeliten einen Propheten nach seinem Willen auf, der ihnen das heilige Land unterwerfen soll, und sie, die Araber, werden es Israel zurückerstatten. Große Feindschaft wird zwischen ihnen und den Söhnen Esaus (Byzantinern, Christen) sein: םדא ןב ארית לא םינפה רש ןורטטמ ול הנע ידכ אלא לאעמשי תוכלמ איבמ אוה ךורב שודקה ןיאש איבנ םהילע דימעמ אוהו (םודא) העשרה) תאזמ םכעישוהל (לארשיל) הוריזחיו םה םיאבו ץראה תא םהל שובכיו ונוצרכ ושע ינב ןיבו םהיניב היהת הלוגד (הביאו 1.) המיאו הלודגב. Der Apokalyptiker spricht hier deutlich genug von Mohammed und erkennt ihn als Propheten an, den Gottaufgestellt hat. Dann werden Beweise in agadischer Manier aufgestellt, daß schon Jesaia von den Kamelreitern (Arabern), für Israel als hilfebringend, prophezeit habe. Auch Bileam habe prophezeit, »daß die Keniten (Araber) nur von Abraham zehren werden«.

Darauf geht die Apokalypse die Reihe der omejadischen Kalifen durch bis auf Merwan, den letzten Omejaden. Weggelassen sind diejenigen Kalifen, die nur kurze Zeit regiert haben. Über die älteren Kalifen sind die Angaben unbestimmt, die letzten dagegen werden mit ganz deutlichen Zügen geschildert, und die Schilderung bewährt sich als echt historisch. Der Text ist nicht ganz erhalten, hin und wieder machen sich Lücken bemerkbar. – Mit Übergehung des Kalifen Abu-Bekr wird 1. Omar deutlich geschildert und der zweite genannt. Er wird durch den Bau der Moschee auf dem Tempelberge kenntlich: ינשה ךלמה תוצרפו םהיתוצרפ רודגיו לארשי בהוא היהי לאעמשימ דומעיש םש ול הנובו ולכ רושימ ותוא השועו הירומה רה בצוחו לכיהה ךנק עלסב םישו רמאנש היתש ןבא לע היוחתשה. Das hebräische Wort היוחתשה ist sehr glücklich dem arabischen Worte דגסמ = Moschee nachgebildet92. Omars glückliche Kriege gegen das byzantinische Reich werden ebenfalls erwähnt; dann wird von seinem Tode in Frieden gesprochen: לודג דובכבו םולשב תומיו. Dem Apokalyptiker war nicht bekannt, daß Omar durch einen Meuchelmörder umkam.

2. Darauf wird ein Kalife geschildert als großer Herrscher aus Hadramauth, der nur kurze Zeit regieren und von den Helden der Araber erschlagen werden wird: ודמעיו םיטעומ םימי השעיו תומ רצחמ לודג ךלמ דמעי והוגרהיו רדק ינב ירובג וילע. Darunter kann nur Othman gemeint sein, der 11 Jahre regierte und von den Verschworenen aus Ägypten, Baßra und Kufa, erschlagen wurde. Daß er aber aus Hadramauth gewesen sein soll, weiß die Geschichte nicht.

3. Dann heißt es: ואירמ ומשו רחא ךלמ ודימעיו. Statt ואירמ, lese ich ואיועמ oder היואעמ, d.h. Moawija93, der nach Othmans Tod von den Syrern zum Kalifen ausgerufen wurde. Hier ist offenbar eine Lücke, denn die Schilderung dieses Kalifen fehlt, und, was darauf folgt, gehört einem folgenden Kalifen an, wozu aber auch der Eingang רחא ךלמ םקיו fehlt.

4. Denn die Schilderung: »Man wird ihn von hinter der Herde und den Eseln hinwegführen und auf den Thron setzen: והולעיו תונותאהו ןאצה ירחאמ והוחקיו הכולמל, spielt ganz unzweideutig auf den Kalifen Jezid I., Moawijas Sohn und Nachfolger, an. Das wird [465] durch Abulfedas Bericht klar. Misun, eine von Moawijahs Frauen und Jezids Mutter war eine echte Araberin aus dem Stamme Kelbi. Einst pries sie in einem Gedichte das idyllische Hirtenleben und sprach ihre Verachtung gegen den Luxus des Palastes aus. Moawija fühlte sich dadurch beleidigt und wies sie aus dem Palaste zu den Herden ihres Stammes. Sie nahm ihren Sohn Jezid mit: ינב הידאב ילא (ןוסימ) תצמפ אהעמ דיזיו בלכ. (Sie kehrte zurück zur Trift der Kelbiten und Jezid mit ihr): יפ אהלהא ןיב שהעמ דיזי םאקא הידאבלא (Jezid blieb mit ihr zwischen ihren Stammesgenossen auf der Trift); Abulfeda, annales, ed. Adler, I, 399, 402. Der Apokalyptiker durfte also mit Recht von Jezid sagen: (ןאצה ירחאמ והוחקיו (רחא ךלמ םקיו) הכולמל והולעיו.

5. Nach der Anspielung auf Jezid ist offenbar eine große Lücke; denn die Worte עברא תועורז הנממ ודמעיו, »es werden vier Nachkommen von ihm (als Kalifen) aufstehen, d.h. regieren«, passen nicht auf Jezid, der nur zwei unmündige Söhne hinterließ, Moawija II., der nur 5 Monate nach seinem Vater regierte, und Chalid, der gar nicht zur Regierung gelangte. Umsomehr paßt der Zug von den vier Söhnen und Nachfolgern auf Abdulmalik, als eine Sage zirkulierte, Abdulmalik habe einen Traum gehabt, vier seiner Söhne würden ihm auf den Thron nachfolgen (vgl. d'Herbelot, bibliothèque orientale, p. 7 b, Artikel Abdulmalik). Überhaupt wäre es auffallend, daß die starke und 21 Jahre dauernde Regierung Abdulmaliks in dieser Apokalypse nicht erwähnt sein sollte. Man muß daher nach Jezid eine große Lücke annehmen, welche von Abdulmalik handelte, und darauf passen die Worte: לכיהב ורדגיו עברא תועורז ונממ ודמעיו. Schon dieser Zug, sie werden den Tempel, d.h. die Moschee auf der Tempelstätte, vergrößern, paßt auf Abdulmaliks ersten Sohn und Nachfolger, Welid I., von dem der Geograph Khondemir erzählt (bei d'Herbelot p. 898), daß er die Moschee in Jerusalem vergrößert hat: Le géographe persan Khondemir touche aussi aux bâtiments du même Welid et à l'agrandissement de la Mosquée dans la ville de Jérusalem.

6. Im folgenden ist die Regierung des Kalifen Suleiman so genau gezeichnet, daß die Schilderung einen zeitgenössischen Verfasser voraussetzt. Das Original lautet: דחא ךלמ דומעי תועורז עברא תוכלמ ץקלו הולשב םינש שלש השעיו תולקשמהו תודמהו תופאה טעמיו תומי םשו םימודא לע םילודג םילייח חלשיו םלועב הטטק היהיו 1.) ןיא םהל ענומ אוהו הברה ןוזמ םהמע היהיו בערב (ותומי 1.) םתוא וגרהיו לאעמשי לע םודא ינב ודמעיו םהל ןתונ (ןיאו ואציו וחרבי םיראשנהו ןוזמה ופרשיו לאעמשי ינב ודמעיו. Die dreijährige Regierungszeit paßt auf Suleiman, der nach arabischen Nachrichten 2 Jahr 8 Monate regierte. Noch mehr aber die Kriegsereignisse, die umsomehr historisch erscheinen, als der ganze Passus ohne den geschichtlichen Hintergrund rätselhaft und unverständlich aussieht. Tabaris Nachricht (bei Weil, Kalifen I, 567, Note 1) wirft ein helles Licht zum Verständnis desselben. Es heißt dort: »Als Suleiman Kalife wurde, zog er gegen die Griechen und sandte seinen Bruder Muslama voraus. Da kam Iliun (Leo) der Isaurier aus Armenien und forderte von Muslama einen Mann (Unterhändler). – Die Patrizier sagten zu Iliun: »Wenn du Muslama von uns entfernst, schwören wir dir, daß wir dich zum Kaiser wählen«. Iliun begab sich zu Muslama und sagte zu ihm: »Die Leute (Konstantinopels) wissen, daß, so lange du Lebensmittel hast, du keinen Sturm auf die [466] Stadt unternehmen wirst; darum verbrenne deinen Vorrat, dann wird sich die Stadt dir ergeben«. Muslama verbrannte alle Lebensmittel, aber dies erhöhte den Mut des Feindes und versetzte die Muselmänner in Not«. Eine andere Tradition lautet: »Iliun kam zu Muslama und versprach ihm die Stadt zu überliefern, wenn er ihm die Lebensmittel schickte, damit die Griechen sähen, daß er mit ihm befreundet sei, und sich ihm ohne Furcht vor Plünderung und Gefangenschaft ergebe. Muslama erlaubte ihm, Früchte in Schiffen zu holen. Iliun hinterging ihn aber und bekämpfte ihn am folgenden Morgen. Die Muselmänner gerieten in Not und konnten keine Hilfe bekommen, doch blieben sie bis zu Suleimans Tod.« – Jedes Wort in der Apokalypse ist durch diese Notizen historisch beurkundet. »Er (der Kalife) wird große Heere gegen die Edomim (Byzantiner) senden, sie werden aber in Hunger umkommen, obwohl sie viel Vorrat haben, weil er, der Feldherr Muslama, ihnen nichts verabreicht. Die Byzantiner werden gegen die Ismaeliten aufstehen und sie erschlagen; die Ismaeliten werden ihren Vorrat verbrennen, und die übrigen werden entfliehen.« Von der Hungersnot im arabischen Heere berichtet auch der byzantinische Annalist Theophanes (Chronographia I, 611): λιμοῠ δὲ μεγάλου γεγονότος ἐν τοῖς Ἄραψι πάντα τὰ ἀποϑνἠσκοντα ζῶα αὐτῶν κατἠσϑιον. – Der Passus vom Verkleinern des Gewichts paßt aber nicht auf Suleiman, sondern auf seinen Vater Abdulmalik, der die ersten arabischen Münzen, die er schlagen ließ, und zwar von einem Juden Sumair, von schlechtem Gehalte machen ließ. Suleiman dagegen hat die Münzen verbessern lassen durch den Barmekiden G'afar, von dem diese Münzen den Namen G'afaria führten (vgl. Reiskes Abhandlung im Repertorium der biblischen und morgenländischen Literatur T. IX, p. 257). Möglich, daß dieser Passus' im Texte der Apokalypse an unrechter Stelle steht und in die Lücke über Abdulmaliks Regierung gehört94.

7. Noch deutlicher als Suleimans Regierung ist die seines Bruders Hischam geschildert (die Regierung des Fanatikers Omar II. und des Schwelgers Jezid II. ist als kurz und unerheblich übergangen). Hischams Person und andere Umstände seiner Regierung sind ganz nach dem Leben geschildert, wie sie nur ein Augenzeuge kennen konnte: לודגה ךלמ דומעי ךכ רחאו ול שיו ןיעה ןופיש םדמדא :ויתותוא םה ולאו םינש טי ךולמיו ועורזב תחאו תינמיב ודיב תחאו וחצמב תחא תומוש שלש תומוהתה עקביו תוברח םירע הנביו תועיטנ עטונו תילאמשה ינבו וינבו 1.) וינב ונב ינבו ויתועיטנ תוקשהל םימה תולעהל תטקוש ץראהו ודיב ןתני וילע דומעיש ימ לכו לכאל ןיבורמ (וינב םולשב תומיו וימיב. Auf Hischam angewendet, ist jeder Zug in dieser Schilderung historisch. Hischam regierte 19 Jahre 9 Monate. Er schielte außerordentlich. So schildert ihn Abulfeda und andere לוחא םאשה ןאכו לוח ןיב95 (Annales I. c. 456). Seine drei Male an Stirne, Hand und Arm werden wohl auch richtig sein. Von seinen Bauten erzählt [467] Theophanes: Er fing an, Paläste in den Provinzen und Städten zu bauen (Chronographia I, p. 650): καὶ ἀμƞρεύει (wurde Emir = Kalife) Ἰσάμ: καὶ ἤρξατο κτίζειν κατὰ χώραν καί πόλιν παλάτια, καὶ κατασπορὰς ποιεῖν, καὶ ὕδατα ἐκβάλλειν: fast wörtlich wie in der Apokalypse. – Daß ein Kalife viel Kinder und Enkel hatte, braucht eigentlich gar nicht bewiesen zu werden. Indessen berichten auch die arabischen Annalisten, daß Hischam eine große Nachkommenschaft hinterlassen hat: ףלחו וינב הדע (Abulfeda l.c.) So ist auch dieser Zug in der apokalyptischen Schilderung historisch. – Hischams Feldherren führten glückliche Kriege.

8. Darauf folgt ein Schilderung, daß ein Kalife aufstehen wird, der Wasserbauten am Jordan vornehmen wird, die aber einstürzen werden, und, daß der Kalife von seinen Großen erschlagen werden wird. Die Züge lassen nicht lange raten, daß hier von Welid II. die Rede ist: איביו ןדריה ימימ תורכל שקביו רחא ךלמ דמעיו ןדריה ימימ תולעלו לחנ תושעלו רופחל תוירכנ תוצראמ םיקוחר ועמשיו םגרהיו ץראה תריפח םהילע לופתו ץראה תוקשהל והוגרהיו ךלמה לע ודמעיו םהיאישנ. Der Zug von seinen Bauten am Jordan paßt auf Welid II., da dieser vor seiner Thronbesteigung sich in Palästina aufgehalten und dort ein schwelgerisches Leben geführt hat. Von den Bauten selbst und von dem Einsturze erzählen, meines Wissens, die arabischen Chroniken nicht. Ob der Erdeinsturz am Jordan identisch ist mit dem Erdbeben in Palästina, von dem Theophanes aus dieser Zeit berichtet (a.a.O. S. 651) kann nicht entschieden werden. Jedenfalls paßt der gewaltsame Tod nur auf Welid, da der vorletzte omejadische Kalife, Jezid III., in seinem Bette starb.

9. Der letzte omejadische Kalife, der unglückliche Merwan II., wird in unserer Apokalypse nicht bloß genannt, sondern die Vorfälle während seiner Regierung werden Zug für Zug geschildert, und an dessen Untergang wird die messianische Hoffnung angeknüpft: םלועב הטטקו המחלמ שיאו הרובגב רחא ךלמ דמעיו 'ה רבש רמוא אוה םהילעו לופת לאעמשי תוכלמ ףאו ... וימיב ינב ירובג ויה ולצא (דעש 1.) רעש ןאורמ הז הזיאו םיעשר הטמ ולפיו וילע ולעיו תינופצ תיחרזמ תניפ וילע עשפתו םימייק רדק חרוב אוהו (תרפבו 1.) סרפבו לקדיחב םילודג םילייח 'ג ונממ ץעה לע ולתי וינבו גרהנו דכלנו םהינפמ96. Merwans Tapferkeit und Kriegslaufbahn, die Unruhen unter seiner Regierung, der Aufstand im Nordosten (Chorasan) unter Abu-Muslim für die Abbassiden, die Niederlage seiner Heere bei Kerbela am Euphrat (29. August 749) und am Zab (25. Januar 750), seine Flucht, sein gewaltsamer Tod und die Hinrichtung seiner Kinder und sämtlicher Omejaden von seiten der siegreichen Abbassiden, alles ist geschichtlich treu. Innerhalb dieser Schilderung wird ein Wahrzeichen angegeben, daß Merwan und mit ihm der Islam untergehen wird, wenn ein Teil der Moschee bei Damaskus einstürzen wird. ברעמבש יברעמה ןוריג לפנש האור התאשכ תואה ךל הזו ןיאצויו ןיסנכנו ןתוכלמ הלפנ קשמדב לאעמשי ינב לש היוחתשה סמב. Dieser Passus kommt noch einmal in diesem Stücke zum Schlusse vor (er gehört aber einer andern Apokalypse an): ןוריג לפנש האור התאשכ תואה ךל הזו חרזמ ינב תוכלמ הלפנ קשמדבש וחרזמ. In der Apokalypse (bei Jellinek, Bethhamidrasch, 7, IV, S. 120) kommt auch dieses Wahrzeichen [468] vor, dort lautet es: תעבו לופת קשמדב לאעמשי ינב (לש 1.) לע ברעמבש ןודריגה לופיש למעמשי תוכלמ97. Das Wort ןוריג, oder ןורינ oder ןודריג ist wohl G'ubair bei Damaskus98. Der Satz will jedenfalls aussagen: »Wenn etwas bei der Moschee einstürzen wird, dann wird das islamitische Reich untergehen«. Da wir den Verf. so unterrichtet sehen, namentlich über die Regierungszeit der Kalifen Suleiman, Hischam, Welid II. und Merwan II., so ist kein Zweifel, daß der Einsturz der Moschee ein Faktum war, und, daß er zurzeit als ein ungünstiges Omen betrachtet wurde.

Ich rekapituliere nun. Nur ein Zeitgenosse konnte mit solcher Ausführlichkeit und mit so viel Detail, wie es nicht einmal die mohammedanischen Quellen haben, über die Omejaden-Dynastie referieren. Da so manches über Vorgänge in Palästina tradiert wird, so scheint der Verf. ein Palästinenser gewesen zu sein. Darum weiß er überhaupt so viel von den Omejadischen Kalifen zu schildern, weil die meisten von ihnen in Damaskus residiert und deren Prinzen sich öfter in Palästina aufgehalten haben. Daher ist es auch begreiflich, daß der Verf. von jenen Kalifen, die in Medina residiert haben, entweder gar keine oder nicht ganz zutreffende Schilderungen macht. Den historischen Hintergrund dieser Apokalypse erkannte ich auf den ersten Blick; um aber nicht fehlzugehen, wandte ich mich brieflich um Auskunft an den gründlichsten Kenner der Kalifenzeit, an Herrn Professor Weil in Heidelberg. Derselbe hatte die Güte, in einem freundlichen Schreiben meine Vermutung zu bestätigen. Seine Worte lauten: »Das Fragment [469] gründet sich gewiß auf historische Tatsachen; doch macht es die wortkarge Form schwierig, alle Einzelheiten zu bestimmen, welche dabei angedeutet werden«. Bei manchen Punkten verwies mich Herr Prof. Weil auf seine Kalifengeschichte. Ich habe mir aber Mühe gegeben, die meisten Einzelheiten als beurkundet nachzuweisen.

Wir haben also an diesen »Geheimnissen des R' Simon ben Jochaï« eines jener vaticinia ex eventu, die durch die Gruppierung der Vergangenheit die Verkündung der Zukunft bewahrheiten wollen. Gleich im Anfang ist darauf hingedeutet, daß das Heil Israels, die messianische Erlösung, durch die Entstehung des Islam gefördert werden soll. Zunächst wird sich die Förderung darin zeigen, daß Edom (Byzanz) von dem islamitischen Reiche gedemütigt werden wird. Die messianische Zeit wird aber erst ihren Anfang mit dem Untergang des letzten Omejaden nehmen. Der Apokalyptiker sah in dieser Katastrophe den Untergang des Islam überhaupt. Er fährt fort: Nach Merwan wird ein frecher König aufstehen, aber er wird nur drei Monate regieren; םינפ זע ךלמ דומעי ךכ רחאו םישדח השלש. Dieser freche König kann nun, nach dem Vorausgeschickten, kein anderer sein als der Stifter der Abassidendynastie, Abdalah Assaffah. »Er wird drei Monate regieren«, also hatte er damals noch nicht so lange regiert. Merwans II. Tod fällt (nach Weils Berichtigung Kalifen I, 702) auf den 5. August 750. Die Apokalypse ist also geschrieben zwischen 5. August und Oktober 750. – Das ןב ןועמש 'רד תורתסנ יאחוי ist demnach, so viel bekannt, als älteste Schriftdenkmal aus der gaonäischen Zeit und die älteste mystische Schrift99. Sämtliche Messianologien der späteren Zeit, nicht bloß die mystischen, sondern auch die quasi rationalistischen, wie die Saadias und Haïs, haben von unserer Apokalypse Elemente aufgenommen. Es ist daher wichtig zu erkennen, wie der Apokalyptiker und mit ihm seine Zeitgenossen sich das Eintreffen der messianischen Zeit gedacht haben. 1. Nachdem der freche König drei Monate regiert haben wird, wird Edom (Byzanz) über Israel 9 Monate herrschen. Der Verf. erwartete also damals eine Eroberung Palästinas von seiten der Byzantiner. Der byzantinische Kaiser Constantinus Kopronymos, in fortwährenden Reibungen mit den Bilderverehrern, der Geistlichkeit und den Bulgaren, dachte wohl schwerlich daran, Palästina wieder zu erobern; aber der Apokalyptiker folgerte dies nicht aus den Tatsachen, sondern aus der agadischen Auslegung eines Verses im Propheten Micha (5, 2): Gott wird sie, die Israeliten, preisgeben, bis eine Gebärerin gebären wird (9 Monate).

2. Dann wird der messianische Vorläufer, der Messias aus dem Stamme Joseph oder Ephraim (ןב חישמ ףסוי), auftreten, der die Israeliten nach Jerusalem führen, den Tempel erbauen, den Opferkultus wiederherstellen wird.

3. Darauf wird der Antimessias erscheinen unter dem Namen Armilaos. Diese Figur ist in den messianischen Schilderungen stehend geworden. Da er hier zum erstenmal eingeführt wird, so ist es nicht überflüssig, die Schilderung wiederzugeben, zumal sie als Kriterium zur Beurteilung der einschlägigen Literatur dienen kann. Armilaos hat einen Kahlkopf, [470] einen Aussatz an der Stirne, kleine Augen und ein taubes Ohr. Er ist der Sohn des Satans und des Steines100: תערצו תונטק ויניעו חרק אוה סואלימרא ומשו עשר ךלמ דומעיו םדא ול רבדי םאו החותפ תילאמשהו המותס תינמי ונזאו וחצמב ונזא ול הטמ הער םדא ול רבדי םאו המותס ונזא ול הטי הבוט אנבאדי אנטסד הירב אוהו החותפ. Wenn Hitzig (im Kommentar zum Daniel) behauptet hat, der Kaiser Cajus Caligula habe als Modell zu Armilaos' Bild gesessen, weil jener als armillatus in publicum processit, von schwachem Haarwuchse (capillo raro), hoher Statur, zarten Beinen, hohlen Augen geschildert wird, so ist diese Vermutung durch unsere Apokalypse widerlegt. Die letzten drei Eigentümlichkeiten kommen in dieser Schilderung gar nicht vor. Sie gehören späteren Anschauungen an, als man die Karrikatur noch mehr karrikiert hat. Da Armilaos schon im Targum zu Jesaias vorkommt (11, 4), so mag einer der judenfeindlichen byzantinischen Kaiser als Vorbild dazu gedient haben. – 4. Armilaos wird mit dem Ephraimitischen Messias Krieg führen und Israel in Wüsteneien vertreiben. Dort wird der Messias umkommen und Israel durch Leiden geläutert werden. 5. Dann wird der wahre Messias, der Davidide, erscheinen; Israel wird aber nicht an ihn glauben, da ein Messias schon umgekommen war, und wird ihn steinigen wollen. 6. Dann wird sich Gott offenbaren, der Messias wird auf den Wolken erscheinen, Armilaos töten, Israel nach Jerusalem führen, und das zweitausendjährige messianische Reich wird beginnen. Darauf das jüngste Gericht. So weit geht diese Apokalypse. Was weiter folgt, anfangend mit den Worten: דיתע רמוא ןועמש 'ר הרובדל קורשל ה"בקה, gehört einer anderen Apokalypse an, die unter dem Namen יאחוי ןב ץעמש 'ר תליפת (bei Jellinek, Beth-Hamidrasch, Bd. IV.) Züge aus der Zeit der letzten Kreuzzüge enthält.


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1909, Band 5, S. 464-472.
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