22. Die Judenverfolgung unter dem deutschen Kaiser Heinrich II. und der Retter der deutschen Gemeinden Simon ben Isaak.

[543] Die Bußlieder (Selichot) des R' Gerschom ben Jehuda, der Autorität der deutschen Judenheit, klagen über harte Verfolgung und Taufzwang zu seiner Zeit: רוכז הי ... רצונ לילאב רימהל הרבס רצה ררוצ קחוד ךתלוגס ילעב ונילע םוקב ... םיטחשנ םויה לכ ךילעו םיטרמנו םיכמל תוארקלמ ןודאו ידוד ילע םירזוג הרעבנ הצע דחי םדסוהב הראמ .הלא לבקל ןיא םירמואה .תואלהל ותואו תוזבהל ורבד ... חלסל הברמה שידקה יתלבלו חלפל וינפל תווחתשה. Sein Zeitgenosse259 und Mitrabbiner Simon ben Isaak ben Abbun (der Große oder ältere) aus Mainz hat ebenfalls Buß- und Klagelieder über erlebte Verfolgung gedichtet: Selichot-Sammlung ed. Fürstenthal, S. 568) [543] םישק םינודא דיב ונרכס ... ךשדק םש לע ונגרוה םויה לכ תינרודק הרוסו הלוג רכעהל ונמד ךפשב ונייה םיתממ ... הממהל הירצמ התמלכ הדגנל ... הכושנ החונג הטועב הסורד ... הכושח תולגב םתסאמנ סואמ לבכמ תאצל םתשאונ רומאל לבנתהל רמאי ןפ יתוליא שחהל הנפ ... ץורחו ןוילכ ךילע לובס ... הדנל יללחב ושעש הממ ... ךמיעזמ םודאמ ךיצח רכש ... יתלוכי םודא ץפח הלגס םע ץפנל ודי הללוח ... סמחה םקנו םדה םקנ ... ךימע הלזא סיכמ הטורפ (das. 557 ff.). Es war eine förmliche Religionsverfolgung260, wobei einige zum Christentum übergingen. Denn R' Gerschom hat eine Bann verordnung (םרח) erlassen, daß den später Zurückgetretenen ihre Apostasie nicht vorgeworfen werden dürfe (Responsum Raschis, Ozar Nechmad, II, S. 176): םיפורח) ריכזמה לכש ךכ לע םושרג 'ר רזגש עדונ ושכעי יודנב אהי (דמשה ימיב אמטנש ימ לע. Bekannt ist, daß R' Gerschoms Sohn die Taufe empfangen hat. Aus der Fassung in der ersten Quelle geht aber hervor, daß es eine Zwangstaufe war: אניומ קחצי 'ר יפמ עמש ריאמ 'רו ןיאש רמימל אכיא םנמא דמתשנש ונב לע לבאתנ םושרג 'רש הבושתב בושל הכז אלש דבעד אוה ארעצ ישופאלד ונממ דומלל (bei Mardochai Moed-Katon III, Nr 886).

Rapoport hat diese Momente auf den ersten Kreuzzug bezogen (Biographie des Nathan Romi, Note 46). Da aber aus Urkunden bekannt ist, daß R' Gerschom im Jahre 1028 starb (Kerem Chemed. VIII, S. 107), so ist dieser Pragmatismus unhaltbar geworden. Man suchte einen anderen dafür und glaubte ihn in der Verfolgung zu finden, von welcher Rudolph Glaber (bei Bouquet, recueil X, p. 34) zum Jahre 1010 berichtet. Allein dieser Bericht ist so vage gehalten, daß man nicht recht weiß, ob die Verfolgung die Juden zu Orleans oder die in Frankreich oder auch andere getroffen hat.261 Die ganze Darstellung des Mönches Glaber hat einen verschwommenen und historisch unfaßbaren Charakter. Die Juden bei Orleans (apud Aurelianum) hätten einen Klosterdiener Robert bestochen, einen Brief mit hebräischen Schriftzügen an den König von Babylonien zu überbringen, die Grabeskirche in Jerusalem zu zerstören, da die Christen den Plan hegten, einen Kreuzzug zur Eroberung Jerusalems zu unternehmen. Als dann die Kirche wirklich zerstört wurde, sei die Untat der Juden ruchbar geworden, und sämtliche Christen des Erdkreises (!) hätten beschlossen, die Juden aus ihren Ländern zu vertreiben. Unde divulgatum est per orbem universum, communi omnium Christianorum consensu decretum est, ut omnes Judaei ab illorum terris vel civitatibus funditus pellerentur. Sicque universi odio habiti, expulsi de civitatibus, alii gladio trucidati, alii fluminibus necati, nonnulli etiam sese diversa caede interemerant ... ita ut vix pauci illorum in orbe reperiantur Romano. Man weiß nicht, was an dieser übertriebenen Darstellung geschichtlich [544] ist. Zudem steht Glaber mit diesem Berichte vereinzelt. Die übrigen zeitgenössischen Chronikschreiber wissen durchaus nichts von einer so allgemeinen Judenverfolgung im ganzen römischen Reiche. Diejenigen, welche nach Wilken eine Verfolgung der französischen Gemeinde in dieser Zeit daraus machen (Zunz und andere), haben gar keinen Anhaltspunkt dafür, da Wilkens Bericht auf Glaber basiert, und dieser, wie wir gesehen, von einer Verfolgung der Juden per orbem universum, oder in orbe Romano spricht.

Allein die Verfolgung, über welche N' Gerschom und Simon ben Isaak klagten, ging sie näher an; sie traf ihre eigene Gemeinde262. Die Quedlinburgischen Annalen referieren von einer Austreibung der Juden aus Mainz im Jahre 1012, bei Pertz monumenta Germaniae II, 81: 1012 expulsio Judaeorum facta est a rege (Henrico) in Moguntia. Also in Mainz selbst, wo R' Gerschom und R' Simon lehrten, war eine Judenverfolgung, ausgegangen von dem Kaiser Heinrich II., den die Kirche heilig gesprochen hat. Es war aber, wie die Klagen der beiden genannten Selichot-Dichter bezeugen, nicht bloß eine Verbannung aus Mainz, sondern ein Zwang zur Taufe. Die Tatsache wird auch von einer anderen Seite bestätigt. In einem handschriftlichen Memorbuche der Mainzer Gemeinde, das ein Synagogenfunktionär im Jahre 1296 aus einer älteren Schrift kopiert hat (im Besitz des Herrn Carmoly, dessen Gefälligkeit ich die folgende Notiz verdanke), werden (S. 44) Namen frommer Märtyrer dem Gedächtnis geweiht, und zwar im Anfange: רמ .תוריזג ולטבו אצנגמב תורבקה תיב ונקש לחר תרמו המלש חרטש לודגה ןועמש 'ר .ויתונקתב הלוג יניע ריאהש םושרג וניבר הלוגה יניע ריאהש המלש וניבר .תוריזג לטבו תוליהקה רובע 'וכו וישוריפב. Es waren also zu R' Simons Zeit Verfolgungen in der Mainzer Gemeinde, und derselbe hat sich bemüht, sie einstellen zu lassen. Erinnern wir uns, daß die Quelle bei Salomon Luria ihn als einen reichen Mann schildert. – Aus der Notiz der Quedlinburgischen Annalen ist das Datum der Verbannung der Juden aus Mainz von seiten Heinrichs II. angegeben: 1012. Wenn dieses Datum richtig ist, so hat die Verfolgung nicht allzulange gedauert. Denn am 16. Schebat = 30. Januar 1013 ließ R' Gerschom seiner Frau Bona eine Urkunde in Mainz ausstellen, daß ihr ihre Ketubbah abhanden gekommen ist (Kerem Chemed a.a.O.). אנינמל ג"עשת "ד תנש טבשד אחריל ןימוי ו"יב רב םושרג 'ר ךיא אתמ אצנגמב אנמימב אנמימל ןיליגר אנחנאד אנד תמדק ןמ אתתניא תביסנ אנא רמא ךכו אנמדקל לע הדוהי סכריא הבותכ רטש אוהה אתשהו ... דוד 'ר תב אנוב המשו 'וכו אקירחב אנירחא הל בתכימל אניעבו. Also im Anfang des Jahres 1013 waren bereits wieder die Juden in Mainz. Man könnte vermuten, daß R' Gerschoms Frau das Instrument ihrer Ehepakten während der Verbannung verloren hat, und daß er darum bei der Rückkehr nach Mainz ihr ein neues ausstellen ließ. Jedenfalls ist die Verfolgung der Juden in Mainz und wohl auch in anderen Städten Deutschlands unter Heinrich II. historisch gesichert263.


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1909, Band 5, S. 543-546.
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