11. Kapitel. Die Juden in Italien vor der Vertreibung der Juden aus Spanien. (1474-1492.)

[238] Lage der Juden in Italien. Die jüdischen Banquiers, Jechiel von Pisa und Abrabanel. Die jüdischen Aerzte: Guglielmo di Portaleone. Pflege der Wissenschaft unter den italienischen Juden. Die ersten hebräischen Druckereien in Italien. Messer Leon und Elia del Medigo; sein Verhältniß zu Pico di Mirandola. Jochanan Aleman und die Schwärmerei der Christen für di Kabbala. Del Medigo's Religionssystem. Aaron Alrabi. Obadja da Bertinoro. Die Juden auf der Insel Sicilien. Die nach Italien eingewanderten deutschen Rabbinen: Joseph Kolon, sein Charakter und seine Fehde mit Messer Leon. Juda Menz gegen Elia del Medigo. Der Letztere muß Italien verlassen. Die Mönche feindselig gegen die italienischen Juden. Bernardinus von Feltre und seine giftigen Predigten gegen die Juden.


Die spanischen Juden hätten die angeborne Scharfsicht und die aus der Erfahrung gewonnene Klugheit verleugnen müssen, wenn sie nicht eingesehen hätten, daß ihre Lage für die Dauer unerträglich sein werde. Viele von ihnen richteten daher zeitig ihren Blick auf diejenigen Länder, deren Bewohner zu jener Zeit in ganz Europa am günstigsten für die Juden gestimmt waren. Italien und das dem Kreuze entrissene byzantinische Reich waren damals die duldsamsten Länder. In Italien, wo man die Verworfenheit der Päpste und der Priesterschaft am besten kannte und täglich von deren selbstsüchtigen Bestrebungen zu leiden hatte, waren die Kirche und ihre Diener ohne nachhaltigen Einfluß auf die Bevölkerung. Der Weltverkehr der blühenden und reichen Handelsrepubliken, Venedig, Florenz, Genua, Pisa und anderer, hatte die gläubige Beschränktheit zum Theil überwunden und den Blick erweitert. Die Interessen der Börse hatten die Interessen der Kirche in den Hintergrund gedrängt. Geld und Einsicht waren auch an denen geschätzt, welche nicht das katholische Glaubensbekenntniß ableierten. Nicht blos der Handelsstand, sondern auch die ihm fernstehenden Dynasten brauchten Geld, um Condottieren mit ihren Söldnerschaaren zu den täglich sich erneuernden Fehden unterhalten [238] zu können. Die Juden als Inhaber von Capitalien und als kluge Rathgeber waren daher in Italien wohlgelitten. Als ein Beispiel mag Folgendes angeführt werden. Als die Stadt Ravenna sich der Republik Venedig anschließen wollte und Bedingungen für ihren Anschluß stellte, verlangte sie unter Anderm: Daß reiche Juden dahin geschickt werden sollten, um eine Leihbank zu eröffnen, damit der Armuth der Bevölkerung aufgeholfen werden könnte1.

Die jüdischen Capitalisten erhielten daher in vielen Städten Italiens von den Fürsten oder dem regierenden Senate ausgedehnte Privilegien, Banken zu eröffnen, Geldgeschäfte zu machen und sogar hohe Zinsen zu nehmen (20 Procent)2. Der Erzbischof von Mantua erklärte (1476) im Namen des Papstes, daß es den Juden gestattet sei, auf Zins zu leihen3. Die kanonischen Gesetze gegen den Wucher konnten sich gegen das allgemeine Interesse nicht halten. Wie die regierenden Herren, so schützten auch die Gemeindestatuten die jüdischen Banquiers vor Concurrenz. Die Rabbinen verhängten den Bann über diejenigen Gemeindeglieder, welche ohne obrigkeitliche Erlaubniß Geld auf Zins ausliehen4. Eine Jude Jechiel in Pisa (1470– 1490) beherrschte den Geldmarkt von Toscana. Er war aber keineswegs ein herzloser Geldmensch, wie die Kirchlichen ihn verlästerten, sondern ein Mann von edler Gesinnung und weichem Herzen, der mit seinem Golde den Armen beistand und Unglückliche mit Wort und That tröstete. Jechiel von Pisa war auch kundig in der hebräischen Literatur, nahm warmes Interesse an ihr und stand in freundschaftlichen Beziehungen zu dem letzten jüdischen Staatsmanne auf der pyrenäischen Halbinsel, zu Isaak Abrabanel. Als der König von Portugal, Alfonso V., die afrikanischen Hafenstädte Arzilla und Tanger ein genommen und unter den Gefangenen auch Juden jedes Alters und Geschlechts nach Portugal gebracht hatte, war es für die portugiesischen Gemeinden, eine Herzensangelegenheit, sie auszulösen. Abrabanel stellte sich an die Spitze eines Comité, welches Gelder dafür sammelte. Da aber die Mittel der portugiesischen Juden nicht dazu ausreichten, die Ausgelösten zu verpflegen, bis sie einen Erwerbszweig gefunden, so wendete sich Abrabanel an Jechiel von Pisa, um ihm anzudeuten, in Italien eine Geldsammlung zur Unterstützung der Unglücklichen zu [239] veranstalten. Die portugiesische Gesandtschaft an den Papst, bei der ein Freund Abrabanel's war, überbrachte das Schreiben an den Capitalisten in Pisa, zugleich auch einige gelehrte Schriften von Abrabanel für ihn, und eine treue Sclavin von seiner Frau für dessen Frau als Geschenk5.

Die Juden waren übrigens im Lande der Lombarden nicht die einzigen, welche Geld auf Zins ausliehen6. Aber nicht blos als Bankinhaber und Geldmänner, sondern auch als Aerzte waren Juden in Italien gesucht. Trotz der alten medizinischen Schule in Salerno gab es wenig geschickte christliche Aerzte, und da selbst Kirchenfürsten – und gerade die am meisten – auf die Erhaltung des Leibes mehr gaben, als auf Läuterung der Seele, so standen den jüdischen Heilkünstlern die Häuser der Großen offen7. Ein berühmter jüdischer Arzt Guglielmo (Benjamin?) di Portaleone aus Mantua war zuerst Leibarzt des Königs Ferdinand von Neapel und wurde von ihm in den Adelstand erhoben; dann stand er im Dienste des mailändischen Herzogs Galeazzo Sforza, und zuletzt (1479) wurde er Leibarzt des Herzogs Ludovico Gonzaga8. Er wurde Stammvater eines edlen Hauses und geschickter Aerzte in Italien. Die in dieser Zeit beginnende Schwärmerei in Italien für die Alterthümer der griechischen und römischen Zeit, um in das enge Gehäuse der Kirche [240] und der scholastischen Lehrstätten frische Luft einströmen zu lassen, weckte auch das Interesse an dem biblischen und jüdischen Schriftthum. Tonangeber der höheren italienischen Kreise verlegten sich darauf, sich in die hebräische Sprache, wie in die griechische einführen zu lassen. Sie suchten dazu jüdische Literaturkundige auf. Auch um sich in die Philosophie einweihen zu lassen, brauchten strebsame Personen jüdische Lehrer und Uebersetzer. Der wunderliche Graf Pico de Mirandola, der nicht minder wunderliche Cardinal Egidio de Viterbo und der kluge Cardinal Domenico Grimani, welcher ein gewichtiges Wort in einer die Judenheit betreffenden brennenden Frage zu ihren Gunsten gesprochen hat, und mehrere andere von klangvollen Namen, welche sich in das jüdische Schriftthum vertieften, mußten zu den Füßen jüdischer Meister sitzen. Diese Erscheinung bahnte die Annäherung der italienischen Kreise an jüdische an und vermittelte ein trautes Verhältniß zwischen den Anhängern der Kirche und denen der Synagoge. Als ein reicher Jude, Leo in Crema, zur Hochzeit seines Sohnes glänzende Festlichkeiten veranstaltete, die acht Tage dauerten, betheiligten sich sehr viele Christen dabei, tanzten und belustigten sich zum Aerger der Kirchlichen9. Vergessen schien die Bulle, welche erst jüngst der Papst Nicolaus V. erlassen hatte, worin er sämmtliche Privilegien seiner Vorgänger zu Gunsten der Juden aufgehoben, sie der allerdemüthigsten Beschränkung unterworfen und namentlich jeden Umgang, jedes Zusammenleben und die Zuziehung jüdischer Aerzte aufs strengste verpönt hatte. Statt der kanonisch vorgeschriebenen Judenflecken trugen die jüdischen Doctoren ein Ehrenkleid, eine Art Ornat, ganz gleich den Christen dieses Standes, und die den Höfen nahestehenden Juden trugen goldene Ketten und andere Ehrenzeichen10. Das Verhältniß der Stellung der Juden in Italien zu der anderer Länder vergegenwärtigen zwei ähnliche Vorfälle zu gleicher Zeit in Italien und Deutschland, die einen verschiedenen Ausgang nahmen. – In Pavia hatte eine Familienmutter aus Unzufriedenheit mit ihrem Gatten den Willen kund gegeben, zum Christenthum überzutreten. Sie war bereits in einem Kloster untergebracht, wo sie die Täuflingsvorbereitung empfangen sollte. Der Vikar des Bischofs, so wie andere Geistliche, waren schon sehr geschäftig, ihr das Seelenheil beizubringen, als sie plötzlich Reue [241] empfand. Der Bischof von Pavia, weit entfernt, sie dafür zu bestrafen oder sich ihrem Schritte zu widersetzen, verwendete sich vielmehr für sie bei ihrem Gatten, redete ihm zu, sie eilends aus dem Kloster abzuholen und legte für sie ein günstiges Zeugniß ab, damit sie von ihrem Manne, der ein Ahronide war, nicht nach dem jüdischen Gesetze geschieden zu werden brauchte11. In demselben Jahre hatte in Regensburg ein boshafter Mensch, der Vorbeter Kalmann, das Gelüste Christ zu werden. Er verkehrte viel im Kloster, besuchte die Kirche und wurde endlich vom Weihbischof ins Haus genommen und in der christlichen Religion unterrichtet. Um sich bei den Christen beliebt zu machen, verleumdete er seine Glaubensgenossen, daß sie lästerliche Schriften gegen das Christenthum besäßen. Aber auch Kalmann bereuete später den Schritt, besuchte wieder heimlich die Synagoge, verließ endlich während des Weihbischofs Abwesenheit dessen Haus und kehrte zu den Juden zurück. Die Geistlichen von Regensburg spieen Feuer und Flammen gegen ihn, stellten ihn vor das Probstgericht, und er wurde angeklagt, daß er so lange die Kirche, Gott und die Gottesmutter habe lästern wollen. Namentlich wurde ihm eine Aeußerung zur Last gelegt: er würde, wenn getauft, nur so lange Christ bleiben, bis er auf freien Fuß gesetzt werde. Darauf hin wurde Kalmann12 zum Tode verurtheilt und ertränkt.

Ueberall, wo den Juden nur ein wenig Luft und Licht gelassen war, regte sich die in ihnen schlummernde Triebkraft, und die italienischen Juden konnten sie um so eher entfalten, als sie bereits früher, zur Zeit des Immanuel und des Leone Romano, einige Culturstufen erklommen hatten. Sie nahmen daher regen Antheil an dem geistigen Aufschwung und an der Wiederverjüngung der Wissenschaften, welche das Zeitalter der Medicäer so sehr verklärt haben. Jüdische Jünglinge besuchten die italienischen Universitäten und eigneten sich eine höhere Bildung an13. Von der neuerfundenen Kunst Gutenbergs machten die italienischen Juden zuerst Gebrauch14, und es entstanden [242] bald Druckereien in vielen Theilen Italiens, in Reggio, Mantua, Ferrara, Pieva di Sacco, Bologna, Soncino, Iscion, Neapel. Allerdings an den damaligen Kunstschöpfungen, Malerei und Bildhauerkunst, hatten die Juden keinen Antheil, sie lagen außer ihrem Bereiche. Aber wohl haben einige gebildete Juden zur Hebung und Ausbreitung der Wissenschaft in Italien beigetragen. Zwei verdienen besonders hervorgehoben zu werden: Messer Leon und Elia del Medigo; der letztere hat nicht blos empfangen, sondern auch gespendet.

Messer Leon (oder mit seinem hebräischen Namen Jehuda b. Jechiel) aus Neapel (blühte um 1450-149015) war zugleich Rabbiner und Arzt in Mantua, kannte neben der hebräischen Literatur auch sehr gut die lateinische und hatte Geschmack an Cicero's und Quinctilian's stylistischen Feinheiten. Der aristotelischen Schule angehörend, erläuterte er einige Schriften dieses in der Synagoge und Kirche so hochgeachteten Philosophen, verfaßte eine Grammatik und Logik, Alles in hebräischer Sprache für einen jüdischen Kreis. Wichtiger als diese Schriften ist Messer Leon's hebräische Rhetorik (Nófet Zufim16), in welcher er die Gesetze, auf denen die Anmuth, Eindringlichkeit und Wirkung der Beredtsamkeit des höheren Styles beruht, erforschte und nachwies, daß dieselben Gesetze auch der heiligen Literatur zu Grunde liegen. Er war der erste Jude, welcher die Sprache der Propheten und Psalmisten mit der Cicero's im Vergleich brachte, gewiß in jener Zeit eine kühne That, weil die meisten Juden und Christen die heilige Schrift so überschwänglich hoch stellten, daß ein Vergleich mit der profanen heidnischen Literatur schon als eine Art Lästerung galt. Freilich war das nur möglich in dem medicäischen Zeitalter, wo die Liebe für das griechische und lateinische Alterthum sich bis zur Schwärmerei verstieg. Messer Leon, der gebildete Rabbiner von Mantua, war überhaupt freisinnig. Er konnte die Stockfrommen nicht genug tadeln, daß sie fremde Einflüsse vom Judenthum fern halten wollten, als wenn es dadurch entweiht würde. Er war vielmehr der Ansicht, daß das Judenthum durch Vergleichung [243] mit der Cultur der alten klassischen Literatur nur gewinnen könne, weil erst dadurch dessen Schönheit und Erhabenheit ans Licht träten17.

Elia Del-Medigo oder Elia Cretensis (b. Mose Abba), geb. um 1460, gest. um 149718 aus einer deutschen nach Creta (Candia) eingewanderten Familie, war eine bedeutende Erscheinung, die erste Größe, welche die italienische Judenheit erzeugt hat. Er hatte kaum das reife Mannesalter erreicht, als er schon wegen seines Geistes und seines Charakters die Aufmerksamkeit von Juden und Christen auf sich gezogen. Elia del Medigo war ein klardenkender Kopf, der aus dem Nebel seiner Zeit lichtvoll hervorragt, ein Mann von vielen [244] und gründlichen Kenntnissen und von klassischer und philosophischer Bildung. In den lateinischen Styl hatte er sich so hineingelebt, daß er nicht blos Schriften in dieser Sprache verfassen konnte, sondern auch den hebräischen Satzbau in lateinischer Fügung darstellte. Von den Verwüstungen, welche der neuaufgefundene, durch Ficinus eingeführte neuplatonische Schwindel in den Köpfen der italienischen Halbdenker angerichtet, hielt sich Del-Medigo fern und schloß sich an die gesunden Denker, Aristoteles, Maimuni und Averroes, welche seine Führer in der Philosophie waren. Mit diesen Systemen machte er die christlichen Forscher in Italien mündlich und schriftlich durch Uebersetzungen und selbstständige Arbeiten bekannt. Der Wunderjüngling seiner Zeit, der Graf Giovanni Pico di Mirandola, lernte seinen Altersgenossen Del-Medigo kennen und wurde sein Jünger, Freund und Beschützer. Di Mirandola, welcher zu seiner Zeit wegen seines eisernen Gedächtnisses, seiner umfassenden Gelehrsamkeit und seiner dialektischen Fertigkeit angestaunt wurde und mit dem regierenden Hause der Medicäer in Toskana befreundet war, lernte von seinem jüdischen Freunde nicht blos hebräisch, sondern auch die aristotelischarabische Philosophie. Er hätte auch von ihm Klarheit im Denken lernen können.

Als einst an der Universität Padua ein gelehrter Streit ausbrach, die Professoren und die Studenten sich deswegen in zwei Parteien spalteten und – nach christlichem Brauch – die Frage mit Rappier und Stoßdegen lösen wollten, berief die Universität in Uebereinstimmung mit dem Senat von Venedig, welcher die Streitigkeit beendigen wollte, Elia del Medigo als Schiedsrichter. Man erwartete von seiner Gelehrsamkeit eine endgültige Entscheidung und auch Unparteilichkeit. Del-Medigo disputirte über das Thema öffentlich in Padua und verschaffte durch das Gewicht seines Urtheils der einen Partei den Sieg. Dafür wurde er aber von der besiegten gehaßt. In Folge dieses Vorfalls wurde er öffentlicher Lehrer der Philosophie und hielt in Padua und Florenz vor zahlreicher Zuhörerschaft Vorträge19. Wunderbar genug! Unter den Augen des Papstthums, welches an der Demüthigung und Knechtung der Juden arbeitete, sogen christliche Jünglinge Weisheit von den Lippen eines[245] jüdischen Lehrers. Gegen die Gönner der Juden in Spanien schleuderte es Bannstrahlen, und in Italien mußte es die Begünstigung der Juden von Seiten der Christen mit ansehen.

Pico di Mirandola, mehr Gelehrter als Denker, empfand auch das Gelüste, in die Abgründe der kabbalistischen Geheimlehre zu steigen. Er ließ sich in die Irrgänge der Kabbala von einem nach Italien eingewanderten Mystiker Jochanan Aleman20 einführen, der, selbst ein wirrer Kopf, ihm weis machte, die Geheimlehre sei uralt und enthalte die tiefste Weisheit. Pico di Mirandola, der eine außerordentliche Fassungsgabe hatte, wurde in den kabbalistischen Formeln heimisch und fand darin eine Bestätigung der christlichen Dogmen, überhaupt mehr Christenthum als Judenthum. Die Afterlehre der Kabbala bewahrheitete ihm die Glaubenspunkte der Dreieinigkeit, der Menschwerdung, der Erbsünde, des Falles der Engel, des Fegefeuers und der Höllenstrafen. Pico hatte nichts Eiligeres zu thun, als einige kabbalistische Schriften aus dem Hebräischen ins Lateinische zu übertragen, um christliche Leser mit dieser geheimen Weisheit bekannt zu machen. Unter den 900 Streitsätzen, welche der vierundzwanzigjährige Pico zu vertheidigen sich anheischig machte – wozu er alle Gelehrten der Welt nach Rom einlud und ihnen die Reisekosten versprach – war auch die These: Daß keine Wissenschaft mehr Gewißheit über Christi Gottheit gebe, als die Magie und [246] die Kabbala21. Selbst der Papst Sixtus IV. (1471-1484) wurde dadurch für die Kabbala so sehr eingenommen, daß er großen Eifer entfaltete, zum Nutzen des Kirchenglaubens kabbalistische Schriften ins Lateinische übertragen zu lassen22.

Von diesem Geistesdusel, dieser kindischen Schwärmerei für die Afterlehre der Kabbala, hielt sich Elia del Medigo fern, und es ist ein schlagender Beweis für seinen nüchternen Sinn und sein gesundes Urtheil. Er verachtete den kabbalistischen Spuk gründlich und hielt nicht damit zurück, ihren Unwerth bloszulegen. Er hatte den Muth, es auszusprechen: Daß die Kabbala auf sumpfigem Grunde beruhe, daß im Talmud keine Spur von dieser Lehre nachweisbar sei, daß die anerkannten Autoritäten des Judenthums älterer Zeit nichts von ihr gewußt, und daß ihr für heilig und alt ausgegebenes Grundbuch, der Sohar, keineswegs das Werk des gefeierten Simon b. Jochai, sondern das eines Fälschers sei. Del Medigo fand die Annahme der Kabbala lächerlich oder gar lästerlich: als vermöge der Mensch, der Jude, mittelst gewisser religiös vorgeschriebenen Handlungen oder Gebete auf die höhere Welt und auf die Gottheit einzuwirken. Die Menschen seien ja kaum im Stande, auf sich selbst zur Besserung einzuwirken, und sie sollten gar die höhere Welt bestimmen können! Die Kabbala sei durch einige Lappen und Plunder der neuplatonischen Schule entstanden23. Del Medigo hatte überhaupt sehr gesunde Ansichten über die Religion. Obwohl ein warmer Anhänger des Judenthums und ein Verehrer auch der talmudischen Elemente darin24, war er doch weit entfernt, Alles, was im Talmud vorkommt, als Wahrheit anzuerkennen. Von einem seiner jüdischen Jünger, Saul Kohen Aschkenasi aus Candia, aufgefordert25, sein jüdisches Glaubensbekenntniß abzulegen und überhaupt seine Ansichten über die Merkmale einer wahren Religion zu entwickeln, arbeitete Elia Cretensis eine [247] kleine, aber inhaltsreiche Schrift »Prüfung der Religion« (Bechinat ha-Dat26) aus, welche zugleich einen tiefen Einblick in seinen Gedankengang gewährt.

Del-Medigo, obwohl ein Bewunderer Maimuni's, ging von einem andern Grundsatze aus, als dieser große Religionsphilosoph. Nach seiner Annahme beruhe das Judenthum keineswegs auf Glaubenslehren (Dogmen), vielmehr auf religiösen Handlungen. Dadurch unterscheide es sich wesentlich einerseits von andern Religionsformen und andererseits von der Philosophie27. Die Religionsgesetze, welche das Judenthum vorschreibt, seien entweder an sich sittlicher Natur oder haben zum Zwecke, eine sittliche Gesinnung zu erzeugen und zu erhalten, wovon eben das Glück des Einzelnen wie das der Familie und des Staates bedingt sei28. Da der gesetzliche Theil des Judenthums einen selbstständigen (nicht, wie die Religionsphilosophen annehmen, blos untergeordneten) hohen Werth besitze, so habe auch das mündliche Gesetz oder die talmudische Ueberlieferung ihre Berechtigung. Denn selbst menschliche Gesetze bedürfen der Erläuterung und Auslegung, um wie viel mehr göttliche, die doch jedenfalls dunkler gehalten sind29. Der Einwand: Wenn die Ueberlieferung göttlicher Natur wäre, wie denn eine so große Meinungsverschiedenheit darüber denkbar sei, wie sie im Talmud über jede einzelne Gesetzbestimmung vorliegt, dieser Einwand erschien del Medigo nicht erheblich. Denn die Meinungsverschiedenheit sei eine Folge des Unglücks, welches den jüdischen Stamm betroffen hat, weil dadurch die Einheit der gesetzgebenden und gesetzauslegenden Behörde (eines Synhedrin) zersprengt und das Gedächtniß der Ueberliefernden getrübt worden sei. So lange ein solches berechtigtes Collegium vorhanden war, sei keine so weit auseinandergehende Meinungsverschiedenheit vorgekommen30. Indessen sei nicht Alles, was im Talmud in Form der Ueberlieferung auftritt, als solche zu nehmen: denn öfter werden Gesetze durch eigenthümliche Schriftauslegung abgeleitet, was eben nicht Tradition, sondern menschliche und darum fehlbare Erklärung sei31. Noch weniger können die im Talmud enthaltenen agadischen Elemente als Offenbarung betrachtet werden; es seien vielmehr lediglich Aussprüche solcher Männer, die zugleich auch Träger der Ueberlieferung waren. Insofern die Agada der Vernunft widerspricht, habe sie[248] keinen Anspruch auf Glaubwürdigkeit. Denn selbst an die Worte eines Propheten, wenn er sich nicht als solcher, sondern als Mensch und Weiser ausgesprochen hat, dürfe man den Prüfstein der Haltbarkeit anlegen, ob sie begründet, d.h. mit der Vernunft übereinstimmend seien oder nicht, um wie viel mehr dürfe die Agada der Prüfung unterworfen werden32. Die agadischen Sentenzen mögen einen tiefen Gedankenkern bergen, aber maßgebend für den Glauben seien sie keineswegs. Wolle man Glaubensartikel aufstellen, so dürfe man auf die Agada, als etwaigen Ausfluß der Tradition, keine Rücksicht nehmen. Noch viel weniger Werth habe die sogenannte Geheimlehre der Kabbala; sie habe erst den Beweis zu führen, ob sie wirklich das sei, d.h. Ueberlieferung und uralten Ursprungs, was ihr sehr schwer fallen dürfte.

Das Judenthum enthalte allerdings neben den Gesetzen auch gewisse Glaubenslehren, wie die Einheit und Unkörperlichkeit Gottes, seine vergeltende Gerechtigkeit, der Glauben an Wunder, welche Gott für die Offenbarung seiner Lehre und das israelitische Volk gethan, die Hoffnung auf einen zukünftigen Erlöser und an die Auferstehung (oder Unsterblichkeit). Durch den Inhalt dieser Grundgedanken des Judenthums unterscheide es sich von andern Religionen, namentlich vom Christenthume. Denn diese Glaubenslehren enthalten keinen logischen Widerspruch in sich, wie etwa die Dreieinigkeit, noch thun sie den menschlichen Grundanschauungen oder gar der Sinneswahrnehmung Gewalt an, wie der Kirchenglaube von der Hostienwandlung. Die Grundlehren des Judenthums seien vielmehr der Art, daß sie einerseits dem schlichten Menschenverstande einleuchten und andererseits auch den philosophisch gebildeten Geist befriedigen, ihm wenigstens keinen Anstoß geben33. Del-Medigo tritt der bis dahin unter den denkenden Juden gangbaren Ansicht entgegen, als sei es religiöse Pflicht, sich der Grundwahrheiten des Judenthums durch philosophische Erkenntniß zu vergewissern, damit der Glaube feste Ueberzeugung werde. Höhere Erkenntniß zu erwerben, meinte er, könne nicht Jedermann zur Pflicht gemacht werden, und auch der jüdische Denker soll nicht die Grundlehren beherzigen, weil sie wahr, sondern weil sie geoffenbart seien34. An den Geistesbegabten ergehe allerdings die Anforderung, sich seinen Glauben klar zu machen, und der jüdische Glaube sei der Art, daß er das philosophische Denken nicht zu fürchten habe. Zwar sei jene Annahme nicht richtig, daß Judenthum und Philosophie sich nach allen Seiten hin deckten und [249] denselben Inhalt hätten. Dem sei nicht so. Man könne nur sagen: Der jüdische Glaube werde von dem philosophischen Denken nicht erschüttert, weil derselbe auf einem andern und sichern Wege durch eine andere Methode gewonnen werde. Kein wahrhaft gebildeter, geistig gehobener Jude, ja kein Denker, könne dem Judenthume seine Anerkennung versagen35. Nur die Halbgebildeten seien es, welche ebenso das Judenthum, wie die Philosophie in Mißkredit bringen. Diese Halbwisser suchen einen Mittelweg zwischen den zwei Gegensätzen anzustreben, aber lassen weder das Eine, noch das Andere zu seinem Rechte kommen36.

Man kann nicht behaupten, daß Elia Del-Medigo in dieser »Prüfung der Religion« neue Gedanken angeregt hätte. Es war den Italienern überhaupt nicht beschieden, das Judenthum mit neuen Ideen zu befruchten. Er hielt auch mehr den gläubigen, als den denkmäßigen Standpunkt fest und verfuhr mehr abwehrend als begründend. Allein in der Gedankenöde jener Zeit erscheint seine gesunde Ansicht wie eine Oase in der Wüste. Es muß ihm auch als Verdienst angerechnet werden, daß er wenigstens die Entstellungen, welche die Kabbalisten und die Afterphilosophen dem Judenthum beigebracht hatten, als fremdartige Zusätze erkannt und zu beseitigen gewünscht hat.

Seine Bedeutung tritt noch mehr hervor, wenn man einen Blick auf Halbwisser seiner Zeit wirft, die ihm ein Gräuel waren. Ein solcher war Ahron b. Gerschon Alrabi (Arrabi37) aus Catanca in Sicilien. Schwiegersohn des Don Mose Gabbai (der aus Mallorca nach Nordafrika ausgewandert war), wahrscheinlich selbst ein Verbannter, hatte Alrabi weite Reisen gemacht, die Türkei, Aegypten, das ganze heilige Land besucht und war selbst bis nach Kaffa und noch weiter gedrungen. Auf seinen Reisen hatte er viele Kenntnisse gesammelt und besaß auch Verständniß und Prüfungssinn. In Italien hatte er Zutritt zum päpstlichen Hofe und Unterredungen mit dem Papste und einigen Kardinälen. Allein Alrabi hatte von der Weisheit nur gekostet und war nicht in ihr Wesen eingedrungen. Daher kam er auf allerlei Schrullen in Betreff des Judenthums. Er behauptete unter anderen Ungereimtheiten: die mosaischen Bücher seien nur die Uebersetzung aus einer arabischen Urschrift. Alrabi verfaßte viele und verschiedene Schriften, deren Verschollenheit nicht sehr zu bedauern ist.

[250] Die gebildeten Juden Italiens, selbst solche von Alrabi's Schlage, bildeten, wie überall, nur eine geringe Minderzahl; die meisten derselben dagegen verhielten sich gleichgültig, manche sogar feindlich gegen die Wissenschaften. Selbst ein milder Mann, von liebenswürdigem Charakter, Obadja da Bertinoro aus Citta di Castello (in der Romagna, blühte um 1470-152038), dem die finstere, fast mönchische Ueberfrömmigkeit der deutschen Juden und der Wahnglaube zuwider waren, selbst dieser war dem philosophischen Forschen abgeneigt. Bertinoro, der in der Schilderung seiner Reise von Italien nach dem heiligen Lande einen offenen Blick zeigt, so viel Bildung besaß, daß er die morgenländischen Juden für Barbaren hielt und Bemerkungen machte, in welchen Ländern und Städten er schmutzig oder reinlich gekleidete Juden antraf, und wo es schöne Frauen gab, der so duldsam war, daß er nicht blos Karäer, sondern auch Samaritaner als Juden betrachtete, er hatte nur Verwünschungen gegen Aristoteles, die Philosophen und alle diejenigen, welche sich mit Philosophie beschäftigen39. – Am tiefsten in Unwissenheit versunken waren die Juden Siciliens, wo sie das schwerste Joch tragen mußten und sogar zur Frohnarbeit beim Hafenbau und in den Schiffswerften herangezogen wurden. Vermöge ihres Bildungsmangels und ihres gemüthlichen Verkehrs mit den Christen in duldsamen Zeiten hatten sie Vieles von den Christen angenommen, und ihre Religion hatte einen katholischen Anstrich. Die Juden von Palermo – damals ungefähr 850 Familien zählend – hielten mit äußerster Strenge auf die Ritualien, waren aber keineswegs so gewissenhaft in Betreff der Sittlichkeit und Keuschheit. Wein von Christen zu trinken, galt in ihren Augen als eine Todsünde, die meisten Bräute pflegten aber in schwangerem Zustande unter den Brauthimmel zu treten. Obadja da Bertinoro, dessen Predigten bei seiner Anwesenheit in Palermo sie in Begeisterung versetzte, zollten sie eine Verehrung, wie die Katholiken ihren Heiligen, [251] die aber ihm, dem bescheidenen, demüthigen Manne, überlästig war. Die niedrigen Juden rissen sich um ein Kleidungsstück von ihm; eine Frau, welche so glücklich war, sein Hemd zu waschen, glaubte ihrer Seligkeit sicher zu sein40.

Eine entschieden feindselige Stellung gegen die philosophische Forschung und ihre Träger in Italien, gegen Elia Del-Medigo und Messer Leon, nahmen die aus Deutschland dahin ausgewanderten Rabbinen ein. Mit ihrer aufrichtigen, aber einseitigen und übertriebenen Frömmigkeit warfen diese, wohin sie das herbe Geschick zersprengt hat, einen düstern Schatten. Neue Stürme, welche über die deutschen Gemeinden hereingebrochen waren, hatten viele deutsche Juden, die Unglücklichsten ihres Stammes, in das Land jenseits der Alpen geschleudert. Unter dem Kaiser Friedrich III., der ein halbes Jahrhundert hindurch die frechste Reichsverletzung von Seiten der herrschsüchtigen reichsunmittelbaren Fürsten, der räuberischen Junker, der entsittlichten Geistlichen, der selbstsüchtigen kleinlichen städtischen Patricier mit erstaunlichem Gleichmuthe ansah, unter diesem unempfindlichen Kaiser mußten viele deutsche Gemeinden zum öftern den Leidenskelch kosten. Er war den Juden keineswegs feindlich gesinnt, er erließ im Gegentheil öfter Dekrete zu ihrem Schutze. Allein seine Befehle blieben meistens todte Buchstaben, und seine Lässigkeit in Handhabung der Regierung ermuthigte die Bösen nur zu den grausigsten Schandthaten. Auch nur die Mauern ihrer Stadt zu verlassen, war für die deutschen Juden mit Gefahren verbunden41. Jedermann war ihr Feind und lauerte ihnen auf, um entweder seinen Fanatismus oder seine Habsucht an ihnen zu befriedigen. Jede Fehde, die in dem angefaulten deutschen Reichskörper bald hier, bald da ausbrach, brachte den Juden Unglück. Der Streit zweier Erzbischöfe um die Kurwürde von Mainz, des Diether von Isenburg und des Adolph von Nassau, der von beiden Seiten und von dem päpstlichen Hofe mit frechster Gemeinheit geführt wurde, hatte auch für die deutschen Juden traurige Folgen. Obwohl der Erstere sie launenhaft behandelte, das eine Mal sie begünstigte, das andere Mal die strengsten Gesetze, wie »gegen hartnäckige Teufel« erließ und dann – für große Summen – seine feindseligen Befehle wieder zurücknahm, so hingen die Mainzer Juden doch mehr an Diether als an seinem Gegner. Als nun Adolph durch Verrath in die Stadt [252] gelassen wurde, büßten die Juden mit den Bürgern, welche Diether anhänglich waren, schwer. Sie wurden aus der Stadt gejagt42. Unter den Ausgewiesenen waren zwei gründliche Talmudisten, zwei Vettern, Juda Menz und Mose Menz, von denen der erstere nach Italien wanderte und in Padua das Rabbinat erhielt, der letztere zuerst in Deutschland blieb und dann nach Posen übersiedelte43. Auch aus andern Gegenden Deutschlands strömten Rabbinen in Folge von Ausweisungen oder Bedrückungen nach Italien, so R' Liwa (Juda) Landau und sein Sohn Jakob nach Pavia, Abraham der Deutsche (aus Sachsen) nach Bologna und mehrere Andere44. Wegen ihrer überlegenen talmudischen Kenntnisse erhielten die eingewanderten Deutschen die bedeutendsten Rabbinatssitze in Italien und verpflanzten ihre Einseitigkeit und Beschränktheit unter die Juden des Landes, welches damals alle Anstrengungen machte, sich von den mittelalterlichen Fesseln zu befreien.

Die angesehensten Rabbinen Italiens wurden damals Juda Menz und Joseph Kolon, und gerade diese beiden waren der freien Regung in der Denkweise über Judenthum am feindseligsten und traten den Trägern der freien Richtung nachdrucksvoll entgegen. – Joseph Ben-Salomo Kolon (blühte um 1460-148045) war zwar der Abstammung nach ein Franzose – dessen Vorfahren aus Frankreich ausgewiesen worden waren – war aber in der deutsch-talmudischen Schule herangebildet46. Er wohnte mit seinen Verwandten in Chambéry, bis die Juden auch aus Savoyen verjagt wurden47. Mit Vielen seiner Leidensgenossen wanderte Joseph Kolon nach der Lombardei und verschaffte sich seine Subsistenzmittel durch Unterricht für Knaben48; dann wurde er Rabbiner von Bologna und Mantua. Mit einem [253] außerordentlichen Scharfsinn begabt und an gründlicher Talmudkunde den deutschen Rabbinen ebenbürtig, hatte Kolon vor ihnen voraus die Bekanntschaft mit den Auslegungen und Entscheidungen der Toßafisten-Schule, die sich im Kreise der französischen Juden durch Ueberlieferung und seltene Schriften erhalten hatten. Joseph Kolon wurde daher zu seiner Zeit als eine rabbinische Autorität erster Größe gefeiert, und sein Lehrhaus wetteiferte mit der deutschen Schule49. Aus italienischen und sogar deutschen Gemeinden ergingen Anfragen an ihn. Aber von den Dingen außerhalb des Talmud und von Wissenschaften hatte Joseph Kolon eben so wenig Kunde wie seine deutschen Fach- und Standesgenossen. Eine entschiedene willensstarke Natur, machte Joseph Kolon seine Ansichten auf religiösem Gebiete mit aller Rücksichtslosigkeit geltend. Dieses schroffe Wesen verwickelte ihn in unangenehme Händel mit Mose Kapsali in Konstantinopel50 und in einen hitzigen Streit mit dem gebildeten Messer Leon in der eigenen Gemeinde. Wie wohl sie eine Zeit lang mit einander verkehrten, so waren Joseph Kolon und Messer Leon, der Eine Stocktalmudist, der Andere Aesthetiker, nicht geartet, sich für die Dauer mit einander zu vertragen. Als sie sich entzweiten, nahm die ganze Gemeinde von Mantua an ihrer Fehde Theil und spaltete sich in zwei Parteien, in Anhänger des Einen oder des Andern. Der Streit nahm zuletzt einen so heftigen Charakter an, daß der Herzog Joseph von Mantua sie beide aus der Stadt verbannte (um 1476-7751). Kolon wurde darauf Rabbiner von Pavia. – Noch schroffer war das Verhältniß zwischen dem Rabbinen Juda Menz und dem Philosophen Elia Del-Medigo. Jener (geb. 1408, gest. 1509), ein Mann von altem Schrote, von umfassender Gelehrsamkeit auf talmudischem Gebiete und von erstaunlichem Scharfsinn, war jeder wissenschaftlichen Forschung und freiern Bewegung auf religiösem Boden aufs entschiedenste abhold und verpflanzte [254] den einseitigen Geist der deutschen Rabbinen nach Padua und Italien überhaupt. Da Elia Del-Medigo aus seinen freien Ansichten über Judenthum und Geheimlehre kein Hehl machte, so wurde er von den Rabbinen der deutschen Gemeinde in Padua verketzert, vielleicht in Folge seines religionsphilosophischen Werkes »Prüfung der Religion«. Es entspann sich eine heftige Fehde zwischen beiden, die ihren Ausdruck in Streitschriften fand. Juda Menz mußte bei der Handhabung literarischer Waffen gegen seinen Widersacher den Kürzeren ziehen; denn er war, wie die deutschen Juden überhaupt, schwerfällig im Ausdrucke und nicht einmal im Stande, in talmudischen Sachen seine Gedanken klar und verständlich auseinanderzusetzen. Es scheint, daß er dann zum Bannstrahl gegriffen und Elia Del-Medigo aus Padua verdrängt hat52. Der letzte geistvolle Vertreter des gedankenmäßigen Judenthums mußte, von jüdischen und christlichen Gegnern verfolgt, Italien verlassen und nach seiner Heimath Kandia zurückkehren.

Die theilweise sichere und geehrte Lebensstellung der Juden in Italien mißgönnten ihnen die fanatischen Mönche, welche ihren ausschweifenden Lebenswandel oder ihre ehrgeizige Einmischung in weltliche Angelegenheiten mit dem Mantel des Feuereifers für die Religion decken wollten. Je lauer die christliche Welt gegen Ende des fünfzehnten Jahrhunderts gegen die kirchlichen Institutionen wurde, desto mehr eiferten namentlich die Klostergeistlichen gegen die Juden. Die Predigermönche ließen die Kanzel von fanatischen Capuzinaden gegen die Juden wiederhallen und predigten geradezu deren Ausrottung53. Ihr schlimmster Feind war in dieser Zeit der Franciskaner Bernardinus von Feltre, ein würdiger Jünger des blutdürstigen Capistrano. Ein stehender Text seiner Predigten war: christliche Eltern mögen ein wachsames Auge auf ihre Kinder haben, damit sie die Juden nicht stehlen, mißhandeln oder kreuzigen54. Er [255] pries den Mönch Capistrano, den Judenschlächter, als Musterbild eines wahren Christen55. Der freundnachbarliche Verkehr mit Juden war in seinen Augen ein Gräuel, die höchste Versündigung gegen die kanonischen Gesetze. Die christliche Liebe befehle zwar, meinte er, auch gegen Juden Menschlichkeit und Gerechtigkeit zu üben, da auch sie der menschlichen Natur theilhaftig sind; allein die kanonischen Gesetze verbieten, Umgang mit ihnen zu haben, an ihren Mahlen Theil zu nehmen und sich von jüdischen Aerzten behandeln zu lassen. Da die Großen überall aus Vortheil auf Seiten der Juden standen, so hetzte Bernardinus die niedrigen Volksklassen gegen die Juden und ihre Gönner. Er schildert die Juden wegen einiger Kapitalisten unter ihnen, die glückliche Geldgeschäfte machten, sammt und sonders als Blutsauger und reizte den Unwillen des Volkes gegen sie. »Ich, der ich von Almosen lebe, und das Brod der Armen esse, sollte ein stiller Hund sein und nicht bellen, wenn ich sehe, daß die Juden das Mark armer Christen aufzehren? Ich sollte nicht für Christus bellen?« Von der Art waren seine Predigten56. Um die Kapitalien der jüdischen Bankhäuser entbehrlich zu machen, ließ es sich Bernardinus angelegen sein, in den italienischen Städten, die er bettelnd und predigend durchzog, Summen zusammenschießen zu lassen, um Vorschußkassen zu gründen, von denen die Aermeren auf fünf Prozent Darlehn erhalten sollten (Mons pietatis). Aber, wie schwer hielt es, die christlichen Geldmänner dazu zu bewegen! Wenn nicht damals schon ein gesunder Sinn in der italienischen Bevölkerung geherrscht hätte, so wäre der Franciskaner Bernardinus für die Juden Italiens das geworden, was im Anfang desselben Jahrhunderts der Dominikaner Vicente Ferrer für die Juden Spaniens und Capistrano für die Gemeinden Deutschlands und der Slavenländer gewesen waren. Allein die Machthaber erschwerten ihm das Handwerk der Judenverfolgung, und seine blutigen Predigten verhallten oft in den Wind. Als er in Bergamo und Ticini seine Judenpredigten hielt, verbot es ihm der Herzog Galeazzo von Mailand57. In Florenz und im Toskanischen überhaupt nahmen sich der Wissenschaften fördernde Fürst und der Senat der Interessen der Juden mit Nachdruck an. Der giftige Mönch verbreitete aber: sie hätten sich von Jechiel von Pisa und andern reichen Juden durch große Summen bestechen lassen. Als daher Bernardinus die Jugend gegen die Juden hetzte und ein Volksaufstand gegen sie im Anzuge war, bedeuteten ihm die Machthaber, Florenz und das Land zu verlassen, und er mußte sich fügen [256] (148758). Auch der Herzog von Calabrien und der König Ferdinand von Neapel nahmen sich der Juden warm gegen den fanatischen Franciskaner an59. Dieser aber benutzte jede Gelegenheit, die Juden zu schädigen. Er fanatisirte die Tochter des Königs Ferdinand, Gemahlin des Herzogs von Ferrara, daß sie den Vater umstimmen möge60. Es gelang ihm auch nach und nach durch unermüdliches Wiederholen derselben Anklagen die öffentliche Meinung gegen sie einzunehmen, so daß sie selbst der Senat von Venedig nicht immer zu schützen vermochte61. Bernardinus bewirkte am Ende doch eine blutige Judenverfolgung, wenn auch nicht in Italien, so doch in Tyrol, die sich bis nach Deutschland wälzte.


Fußnoten

1 Rubeus in Acta Sanctorum (Bollandisten) Sept. T. VII. p. 925. No. 318.


2 Acta Sanctorum das. Nr. 312.


3 Wolf, Aktenstücke zur Geschichte der Juden in der bibliographischen Zeitschrift Maskir (hebr. Bibliographie) I. S. 17.


4 Joseph Kolon Respp. No. 187; Meïr von Padua Respp. No. 41.


5 Bernardinus von Feltre referirt von einem hochangesehenen Juden von Pisa: Advolavit etiam huic rei evertendae (monti pietatis) Judaeus Pisanus, omnium hujus gentis foeneratorum, qui per Tusciam erant dispersi, primarius et director ac clam distributis viginti millibus auri Florenorum, consules (Florentiae) corrupit (Acta Sanctorum a.a.O. No. 216). Dieser Judaeus Pisanus ist ohne Zweifel identisch mit Jechiel von Pisa. Vergl. den höchst interessanten Brief Isaak Abrabanel's an Jechiel von Pisa, ausgestellt Adar 1472, von Carmoly mitgetheilt zu Abrabanel's Biographie, Ozar Nechmad II. p. 65 ff. S. auch Maskir V. p. 146. הברמו רישעו םכח היהש אסיפמ לאיחי 'ר לע דפסהו תוניק יתש לאיחי 'ר תמו לאומשו קחצי ... םידבכנ םינב ינש חינהו ביטהל ן"ר תנשב 'א רדא ט"י.


6 Der Fanatiker Bernardinus spricht öfter von Hebraei et Christiani usurarii, Acta Sanctorum a.a. O Nr. 152 und öfter.


7 Bernardinus a.a.O. Nr. 65. Wadding, annales Minorum T. XIV. p. 132. Domos penetrabant et Christianorum consiliis se ingerebant Tobias medicus et Brunetta, femina ejusdem gentis vaferrima, Acta Sanctorum l.c. No. 219: Et hodiedum quilibet ad suas curandas infirmitates Hebraeos libere adhibet medicos; das. No. 323; Impium Hebraeum Lazarum toti urbi auctoritate, pecunia et doctrina dominantem, ut expelleretur, effecit Faventia (Bernardinus).


8 Urkunde bei Wolf in Maskir Jahrg. 1863 S. 66. Carmoly, histoire des medecins juifs p. 130. Revue des Etudes Juives T. XII. p. 114 das Verzeichniß seiner Nachkommen.


9 Bernardinus in Acta Sanctorum l.c. No. 210. Leo Hebraeus propter sui filii nuptias publicum convivium hic Cremae per octoduum celebravit et tum multi (Christiani) ad ejusdem epulas – ad choras ad jocos conveniunt.


10 Joseph Kolon Respp. No. 88, 149.


11 Das. No. 160; die Zeit 1470.

12 Gemeiner, Regensburgische Chronik III. p. 456, ebenfalls 1470.


13 Schreiben des Jacob Provenzali im Sammelwerke Dibre Chachamim p. 73.


14 Ueber die ersten hebr. typographischen Officinen vergl. de Rossi Annales Hebraeo-typographici. Die bis jetzt bekannten ersten hebr. Druckwerke sind von 1475-76. Ein hebr. Gedicht auf die Erfindung der Typographie trägt das Jahr 1474-5: תכאלמ חכשב ריש תרכזמל ד"לר םיפלא 'ה לארשי ינב רפסמל ,תרבדמ סופדה (vergl. Orient. Litbl. Jahrg. 1840 col. 414). Der erste jüdische Typograph war Abraham Ben-Garton in Reggio, vergl. ר"שי תודגא I. p. 94.


15 Sein logisches Werk: יפוי ללכמ hat er verfaßt Tebet-Schebat 5214 = 1454 (de Rossi Codex No. 114: falsch bei Wolf III. p. 333). Messer Leon gab eine Approbation zur Princeps-Edition des רוגא, die zwar sine anno et loco ist, aber von de Rossi (annales Hebraeo-typographici p. 146) als ein Druckwerk von 1487-91 Neapel erkannt wurde.


16 Ueber seine Schriften vergl. die Bibliographen. Nachzutragen sind noch: Theses academicae (in lateinischer Sprache?) de Rossi Codex No. 145, 9, und zwei Sendschreiben an die Juden von Bologna und Florenz 1474, das. 145, 12.

17 Nófet Zufim (wahrscheinlich bereits 1476 in der ersten Mantuaner Officin von Abraham Cunat oder Conat gedruckt) III. 13. Eine Jubelausgabe davon zu Ehren Mannheimers veranstaltete Jellinek, Wien 1860.


18 Die Bibliographen haben Del Medigo's Todesjahr irrthümlich 1493 angesetzt und damit auch sein Geburtsjahr verfrüht. Sie ließen sich dabei von einer Notiz des Saul Kohen leiten, der in seinem Schreiben an Abrabanel vom Jahre 1506 bemerkt: sein Lehrer del Medigo sei seit ungefähr 13 Jahren todt: ירחאו חקול (האידנקב) ותיב לא וגידמלד הילא ובושב ... םימי םיתנש הנש הרשע שלשכ ול הז ישאר לעמ ינודא; also 1506-13 = 1493. Allein aus einem andern Momente hätten die Bibliographen ihren Irrthum einsehen können, daß Del-Medigo mindestens nach 1494 gestorben sein müsse. Denn Joseph Del-Medigo berichtet in ףרצמ (p. 3): Elia del M. habe nach dem Tode seines Jüngers Pico di Mirandola wegen Quälereien Italien verlassen und nach Kandia zurückkehren müssen: רשה םג ודעב ןגמ היהש םהה םימיב רטפנ ודימלת ונאלודנארימ וקיפ ןאוי ןמ תדדונ רופצכ (וגידמלד הילא) תויהל ךרצורו ... ושאר םירמו ותדלומ ץרא האידנק יאל אבו לגלגתנו הנק . Nun starb Pico di Mirandola, wie bekannt ist, 1494. Wie kann nun sein Lehrer ein Jahr früher gestorben sein? Nach Joseph del Medigo starb E. del Medigo erst zwei oder drei Jahre nach seiner Rückkehr nach Kandia: אל יכ ותוא חקל (ובוש רחא) םינש שלש וא םיתש רחאש םימי ךיראה םיהלא. Saul Kohen bestimmt es auf zwei Jahre. Also blieb E. d.M. noch bis um 1496 in Italien, noch zwei Jahre nach Pico's Tod. Daß er jung gestorben, referirt Mose Metz (Elim p. 29): 'ררהמכ) הזה הלועמה שיאה םדאה תונש יצחב תמו ךיראה אל (ודילא, d.h. im 35 ten Lebensjahre. Was N. Brüll gegen diese Combination einwendet, ist nicht von Belang (Jahrbücher für jüd. Geschichte und Litteratur III. 194). – Del Medigo schrieb lateinisch: quaestiones de primo motore, de creatione mundi, et deesse, Essentia et Uno und einen lateinischen Commentar zu Aristoteles' Physik auf Pico's Verlangen. Er übersetzte Averroes' Commentar zu Aristoteles' Metaphysik aus dem Hebr. in's Lateinische, der noch bei seinem Leben (Venedig 1488) gedruckt wurde; ferner: Averrois quaestio in librum priorum (Analyticorum) de Hebraeo in Latinum traducta per Heliam Hebraeum. Der Schluß lautet: Has nobiles quaestiones ... transtuli domino Johanni Pico Mirandolano. Seine Traktate: de creatione, vollendet Venedig 1480 (Wolf B. IV. 873), de intellectu = ינאלויה לכשה תודחא, vollendet Schebat 1482 und de substantia orbis = ל?ל?ה םצע, vollendet in Bassano Marcheschwan 1485, sind größtentheils auf Pico's Anregung entstanden. Es sind noch handschriftliche Briefe von ihm an Pico vorhanden (in der Pariser Bibliothek). Vergl. darüber die Bibliographen und besonders Munk: Mélanges p. 513. Jules Dukas Recherches sur l'histoire litteraire du XVème siècle 1876 und ריכזמה hebräische Bibliographie B. XXI. 1881-82, S. 71.


19 Saul Kohen, Sendschreiben an Abrabanel p. 10 a. (ed. Venedig); Joseph Del-Medigo Mazref p. 3.


20 Gedalja Ibn-Jachja berichtet: ... ןאמלא ןנחוי 'ר ברה הלודנרימלד וקיפ ןוד דמלמ (Schalschelet 50 a). Gaffarelli theilt die Titel von drei kabbalistischen Werken mit, welche in Pico's Besitz waren, und die er ins Lateinische übersetzt und mit Anmerkungen versehen hat (bei Wolf, Bibliotheca Hebraea I. zum Schluß). Diese Bücher hatte Pico von einem Juden, der ihm bei der Uebertragung behilflich war. Diese drei Bücher waren: 1) Menahem Recanati's kabbalistischer Commentar zum Pentateuch (falsch das. R'Levi de Recineto); 2) de scientia animae d.h. שפנה תמכח, von Elieser Katon, dem deutschen, d.h. Elieser von Worms, gedruckt Lemberg 1875; 3) Schem-Tob Falaquera's '? תולעמה, das hin und wieder kabbalistische Sentenzen hat. Diese drei Werke sind Pico von einem Juden zugeführt worden, und es liegt um so mehr nah, daß es Jochanan Aleman war, als dieser in seiner Einl. zum Hohenliede-Comment. (דמלש קשח), genannt רעש קשחה, ein Sammelsurium von Quasi-Philosophie und Mystik zusammengestoppelt hat. Ueber Aleman vergl. Reggio in Kerem Chemed Jahrg. 1829 p. 3 und seine Briefe (רשי תורגא) II. p. 63 ff. Perls a.a.O. S. 191 f. Aleman's geistlose, confusionsvolle Schriften aufzuzählen, lohnt das Papier nicht. Ueber Pico's Schwärmerei für die Kabbala vergl. die Auszüge Gaffarelli's aus dessen Schriften (bei Wolf l.c.p. 9).. vidi in illis (libris cabbalisticis) religionem non tam mosaicam, quam Christianam; ibi trinitatis mysterium, ibi verbi incarnatio etc. Es ist ein großes Compliment für das Judenthum, daß die Kabbala mehr Verwandtschaft mit dem Christenthume, als mit Mose's Lehre hat.


21 Apologia p. 42 in dessen opera I.: Nulla est scientia, quae nos magis certificet de divinitate Christi quam magia et Cabbala.


22 Gaffarelli bei Wolf a.a.O. p. 9: Hi libri (Cabbalistarum) Sixtus IV. pontifex maximus ... maxima cura studioque curavit, ut in publicam fidei nostrae utilitatem latinis litteris mandarentur, jamque cum ille decessit, tres ex illis (scil. Recanati oracula in Pentateuchum, Elieseris de animae scientia et Schem-Tob Falaquerae liber graduum) pervenerant ad Latinos. Es sind die oben S. 246 Note genannten.


23 Bechinat ha-Dat p. 39 ff. und p. 68 ed. Wien. In p. 48 giebt er an: er habe in einer andern Schrift die Uebereinstimmung der Kabbala mit dem Neuplatonismus nachgewiesen.


24 Vergl. die Responsen Joseph Kolon's an Elia del Medigo in Kolon's Respp. No. 94.


25 Schreiben des Saul Kohen zum Schlusse des genannten Werkes.


26 Zuerst erschienen in der Sammlung המכה תומולעת von Samuel Aschkenasi, Basel 1619 und dann von Reggio, Wien 1833. Vollendet wurde das Werk 18. Tebet 5251 = 31. Dec. 1490.


27 Das. Wiener Ausgabe p. 27, 71.


28 Das. p. 66.


29 Das. p. 29-34.


30 Das. p. 36.


31 Das.


32 Das. p. 53-58.


33 Das. p. 13-16.


34 Das. p. 2-8.


35 Das. p. 9-20.


36 Das. p. 52, 58.


37 Ueber Alrabi vergl. Schorr's Mittheilungen in Zion I. p. 166 ff., 193 ff. und die Bemerkungen von Zunz: zur Geschichte S. 518 ff. Zunz hat richtig gegen Schorr nachgewiesen, daß Alrabi im fünfzehnten Jahrhundert lebte.


38 Obadja da Bertinoro's interessante zwei Sendschreiben oder Reisebeschreibung, jüngst von Senior Sachs und Neubauer edirt (vergl. Note 6), geben einige Data. Er reiste von וליטשק ריע d.h. citta di Castello, Kislew 1486 ab und da er seinen Commentar zur Mischna noch in Italien begonnen hat, so folgt seine Blüthezeit von selbst daraus. Daß er nicht 1530, sondern viel früher gestorben ist, hat bereits Conforte (Kore ha-Dorot p. 30 b) bemerkt. Seine von Urbanität und Toleranz zeugenden Bemerkungen Sendschr. S. 196, 201, 206, 213. Er verf. außer dem vielfach edirten Comment. zur Mischna einen Supercommentar zu Raschi's Pentateuch-Comment. gedr. Pisa 1810 = רמע אקנ und einen homiletischen Commentar zu Ruth תור שרדמ, Krakau sine anno et loco im sechszehnten Saecul.; vergl. darüber die Bibliographen.


39 Bertinoro's Sendschreiben p. 215 und Mischna-Commentar zu Abot V. Ende.


40 Das. p. 196, 198. Vergl. über die Juden Siciliens und ihre Schicksale Zunz zur Geschichte S. 495 ff., 517 ff. Güdemann Geschichte des Erziehungswesens der Juden in Italien 268 fg.

41 Joseph Kolon Respp. No. 21.


42 Vergl. darüber Schaab: diplomatische Geschichte von Mainz S. 120 bis 124, 127. Die Ausweisung geschah 29. Oct. 1461. Vergl. Note 5.


43 Vergl. Note 5.


44 Vergl. Respp. Mose Menz Nr. 97-99. Respp. Joseph Kolon, Nr. 45, 93.


45 Das erste Datum folgt aus Codex de Rossi Nr. 134. Im Jahre 1466 hatte J. Kolon bereits einen Jünger. Das letztere Datum folgt aus dem Streite mit Mose Kapsali; vergl. Note 7. Kolon's Biographie im Orient Jahrg. 1848, Litbl. col. 365 ff. und 379 ff. ist sehr mager gehalten, reichhaltiger Güdemann, Geschichte des Erziehungswesens III. 2 f.


46 Seine französische Abstammung folgt aus mehreren Stellen seiner Respp. No. 92, 170, 172.


47 Kolon spricht Nr. 71, 115, 159 seiner Respp. von Savoyen und einmal: עריא יראכנקב יתורענ ימיבש ינרכז הז השעמ. Von der Judenverfolgung in Savoyen 1471 referirt Joseph Kohen Emek ha-Bacha p. 79.


48 Ders. Respp. No. 72.


49 Sein Zeitgenosse Jochanan Aleman stellt ihn neben die größten Heroen des Talmud (in קשחה רעש ed. Livorno 1790 p. 7 a) ריאמ 'רכ ןינידב ותומלש לע אל 'רהמכ וא השמ וניבו ספלא ברכ וא ישא 'רו אניברכ וא ןופדט 'רו לארשי 'ררהמו ןולוק ףסוי. Dieser Israel ist entweder Israel Isserlein oder Israel Bruna.


50 Weiter unten.


51 Ueber den Zwist berichtet Ibn-Jachja in Schalschelet, ohne ein Datum anzugeben. Wolf l.c.p. 447 Nr. 752 giebt das Datum 1475, ich weiß nicht aus welcher Quelle. So viel ist gewiß, 1471 war Kolon noch nicht in Pavia nach Respp. No. 60, und 1476 war Messer Leon wahrscheinlich noch in Mantua (o. S. 240, Anmerk. 1). Die erste Veranlassung zum Streite scheint in Kolon's Respp. No. 171, 172 zu liegen. Die Ausfälle in der letzten Nummer gegen einen Anonymen (p. 204): בשחנ אל יכ ויפודגו-ריפורחל יתשח אל ולומג בישול ידי לאל שי ... הלא ויcבד לע בל םישהל יניעב םה רשא תפרצבו זנכשאב רשא וניתובר יפ לע .. ושארב ידובכ לע םידיפקמ, scheinen gegen Messer Leon gerichtet zu sein.


52 Ueber den Streit zwischen Juda Menz und del Medigo vergl. Joseph del Medigo Mazref Anfang und über des Erstern Biographie Gherondi in Kerem Chemed III. p. 89. Woher Gherondi die Fabel entlehnt hat (das. p. 90), daß Juda Menz philosophisch gebildet gewesen sei und vor christlichen Studirenden und Vornehmen philosophische Vorträge gehalten haben soll, ist mir unerfindlich. Es scheint eine Verwechselung mit Elia Del-Medigo zu sein. Vollständig unbrauchbar ist dessen Biographie in Orient, Jahrg. 1846. Litbl. col. 520 f.; vergl. Note 5.


53 Respp. Joseph Kolon Nr. 192.


54 Die Biographie des Bernardinus von Feltre und sein Verhalten gegen die Juden ist zusammengestellt in Acta Sanctorum (Bollandisten) zu September T. VI. Auch bei Wadding, Annales minorum T. XIII. von p. 74 an. Das hier Angegebene ist das. acta Sanct. No. 69.


55 Acta Sanctorum a.a.O. No. 253.


56 Das. Nr. 218, 219.


57 Im Jahre 1480 das. Nr. 87.


58 Das. Nr. 216-220.


59 Das. Nr. 252.


60 Das. Nr. 278.


61 Das. Nr. 217-220, 338, 372.



Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig [1890], Band 8, S. 258.
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