10. Kapitel.

[316] Die Reaktion in der katholischen Kirche, Caraffa und Loyola, der Theatiner- und der Jesuitenorden. Allgemeine Inquisition; die strenge geistliche Bücherzensur. Neue Anklagen gegen den Talmud. Die boshaften Täuflinge Eliano Romano und Vittorio Eliano. Neue Talmudkonfiskationen. Paul IV. und seine judenfeindlichen Bullen. Inquisition gegen die Marranen von Ancona. Amatus Lusitanus. Märtyrertod der Marranen in Ancona. Repressalien von Seiten der türkischen Juden. Doña Gracia Mendesia. João Miquez (Joseph Nassi) mit großem Gefolge in Konstantinopel. Drohendes Schreiben des Sultans wegen der Juden an den Papst. Repressalien der levantinischen Juden an dem Papst. Verkappte Juden in Mönchsorden. Neue Scheiterhaufen für den Talmud. Verschonung des Sohar, erster Druck desselben. Ausweisung der Juden aus Osterreich und Böhmen. Papst Pius IV. und die Juden. Das tridentinische Konzil und der Talmud. Pius V. Härten gegen die Juden. Ausweisung der Juden aus dem Kirchenstaate.


(1553 bis 1569)

Joseph Ibn-Verga beschloß seine Geschichtssammlung von den Verfolgungen mit einem erschütternden Klageliede über das nimmer enden wollende Elend. Usque dagegen stimmte zuletzt ein Jubellied an, in der sichern Hoffnung auf bessere Tage. Er war eine poetische Natur und zeigte die jüdische Geschichte in romantischem Schimmer. Gewiß hat seine herzerhebende Darstellung viel dazu beigetragen, die Marranen in dem neugewonnenen Bekenntnisse zu erhalten, und dafür Mühsale aller Art und selbst den Tod mutig zu erdulden.

Samuel Usque hegte aber die Hoffnung, daß die Leiden des jüdischen Volkes damals im Abnehmen begriffen seien, und daß der erwünschte Morgen bald auf die dunkle Nacht folgen würde.1 Die Kirche strafte ihn Lügen. Er erlebte es noch, wie neue Leiden in seiner unmittelbaren Nähe hereinbrachen, und ein ganzes System neuer [316] Verfolgungen in Anwendung kam, welche der jüdische Geschichtsschreiber Joseph Kohen noch in seine Jahrbücher des Märtyrertums eintragen konnte. Diese neuen Trübsale hatten ihren tiefern Grund in der Reaktion, welche die katholische Kirche gegenüber der immer mehr überhand nehmenden Reformation des Luthertums mit aller Konsequenz durchzuführen bestrebt war. Zwei Männer haben fast zu gleicher Zeit, aber unabhängig voneinander, den sinkenden Katholizismus wieder aufgerichtet und eben dadurch dem Fortschritt des Menschengeschlechts Fußangeln gelegt. Der Neapolitaner Pietro Caraffa und der Spanier Iñez Loyola. Beide, Männer der Tatkraft, haben mit Selbstbeherrschung begonnen und mit Knechtung der Geister und Leiber geendet. Das wurmstichige Papsttum, von dem man damals glaubte, es werde unter dem Gelächter und Spott der Gegner von selbst zusammenstürzen, und für das selbst seine Freunde nur Achselzucken hatten, haben diese beiden Männer zu einer Macht erhoben, die fast noch größer war, als zur Zeit Innocenz III. und seiner unmittelbaren Nachfolger, weil sie nicht auf der schwankenden Unterlage traumhafter Mystik, sondern auf dem festen Grunde willenskräftiger Überzeugung und rücksichtsloser Konsequenz ruhte. Caraffa, nachmaliger Papst Paul IV., und Loyola, der Schöpfer des bis auf den heutigen Tag noch so mächtigen Jesuitenordens, haben mit der Oberherrlichkeit des Papsttums über die Gemüter der Gläubigen, mit seiner Macht zu binden und zu lösen auf Erden und im Himmel, strengen Ernst gemacht, weil sie selbst davon überzeugt waren. Caraffa stellte die schlaff gewordene kirchliche Disziplin wieder her, verschärfte sie noch mehr und gab ihr eine eiserne Zuchtrute in die Faust. Loyola stellte ihr ein Heer abgerichteter, blind ergebener Schergen zur Verfügung. So konnte das halbgelöste Band der katholischen Kirche wieder straff zusammengezogen werden. So verderbt war damals die katholische Welt, daß ein Mann, der nur die niedrigen Leidenschaften zu bezwingen wußte, die Maitressenwirtschaft aus dem Kreise der Geistlichkeit entfernte und wieder Anstand und Ehrbarkeit einführte, schon allein darum angestaunt wurde und Autorität erlangte. Und so verhaßt waren die alten Mönchsorden aller Gattungen und Namen, daß ein Mann, der nur der schamlosen Habsucht und Lüsternheit den Krieg erklärte, einen so großen Zulauf von Anhängern erhielt, daß er einen neuen Orden stiften konnte, welcher durch Berückung der Gewissen und Gefangennehmung der Vernunft sämtliche Katholiken zu einer Schar bewaffnete, mit ihrer ganzen Kraft das Papsttum zu decken. Caraffa, der Stifter des Theatinerordens, nicht aus zusammen gelaufenen Bettlern, sondern aus begüterten Edelleuten, dessen Glieder nach und nach die höchsten geistlichen Stellen und Würden einnahmen, [317] schlug dem Papste, der ratlos war, wie der Zerfahrenheit der Kirche, der Lockerung der Disziplin unter den Welt- und Klostergeistlichen und dem Abfall vom Katholizismus gesteuert werden sollte, die Einführung der strengen Inquisition vor. Dasselbe Mittel, welches Torquemada, Deza, Ximenes de Cisneros in Spanien anwendeten, um die Juden und Mauren zur Kirchlichkeit zu zwingen, den lodernden Scheiterhaufen, von unerbittlichen Richtern anbefohlen und von gehorsamen Schergen entzündet, empfahl Caraffa für die große katholische Welt. Alle diejenigen, welche eine vom Papsttum auch nur um eines Haares Breite abweichende Glaubensmeinung hegten, sollten sie abschwören oder verbrannt werden. Die erbarmungslose Gewalt, die nicht denkt und alles selbständige Denken totschlägt, sollte der geschändeten Kirche wieder ihr Ansehen verschaffen. Sobald Caraffa vom Papste die Befugnis erhielt, eine solche unnachsichtige Inquisition für die ganze katholische Welt einzuführen, beeilte er sich, sie sofort für Rom, den Sitz der geistlichen Weltherrschaft, ins Leben zu rufen. Er selbst legte Gefängnisse mit Schlössern, Riegeln, Ketten und Blöcken an, um alle diejenigen durch Kerkernacht zum Tode zu führen, welche mehr oder weniger von Luthers Ansichten angefressen waren und an der Unfehlbarkeit des Papstes auch nur einen leisen Zweifel hegten. Der Regeln der allgemeinen Inquisition waren wenige, aber sie waren durchgreifend. Es sollte keine Rücksicht auf Rang und Stand genommen, ja gegen hochgestellte, ungefügige Geistliche mit noch größerer Strenge verfahren werden. Den Reformationssüchtigen sollte auch nicht das geringste Zugeständnis gemacht werden, und endlich sollte die beschlossene Züchtigung der Ungefügigen keinen Aufschub erleiden. Sobald die Inquisition eröffnet war,2 wurden selbst Träger hoher Kirchenwürden, welche eine eigene Ansicht über die kirchlichen Gnadenmittel hatten, vor ihr Tribunal geladen, gefoltert, gerichtet und verbrannt, wenn sie sich nicht durch Flucht nach Deutschland oder der Schweiz retten konnten. Die strenge Inquisition fand keinen Widerstand, im Gegenteil noch Aufmunterung und Unterstützung von seiten des Adels und der städtischen Behörden, weil alle diejenigen, die aus alter Gewohnheit und persönlicher Stimmung nicht dem Luthertum und Calvins Lehre huldigen wollten, die Kräftigung des Katholizismus wünschten und förderten. Jeder, der innerhalb des katholischen Kirchenverbandes blieb, wurde ein eifriger Parteigänger dafür und unterstützte die Gewaltmittel zu dessen Hebung. So wurden selbst die nach Unabhängigkeit strebenden Bischöfe gezwungen, sich dem Papsttum zu fügen und strengen Gehorsam zu leisten.

Um die entfesselten, nach Freiheit strebenden Geister wieder einzufangen und zu knechten, schien es der Inquisition als höchst dringlich. [318] die Presse zu überwachen. Das Preßwesen hatte das Unheil der Spaltung und Zerrissenheit über die Kirche gebracht (so glaubten Caraffa und sein Gesinnungsgenosse), es sollte zuerst und zumeist geknebelt werden. Es dürfe nur das gedruckt und gelesen werden, was der Papst und seine Anhänger für gut befanden. Die Bücherzensur war zwar schon von früheren Päpsten eingeführt worden, jede Druckschrift sollte einer geistlichen Kommission zur Prüfung vorgelegt werden. Aber da bis dahin alles käuflich und bestechlich war, und keine Disziplin herrschte, so konnten die Verleger mit oder ohne Wissen der zur Überwachung bestellten Geistlichkeit Brandschriften gegen die bestehende Kircheneinrichtung drucken und verbreiten. Die aufregenden Streitschriften in der Reuchlinschen Sache, die Dunkelmännerbriefe und andere zündende Pamphlete, Huttens Raketen gegen das Papsttum, Luthers erste Schrift gegen die römisch-babylonische Hure, dieser rasch aufeinander folgende Zündstoff, welcher das aus Werg gesponnene Kirchenzelt von allen Seiten anzündete, war eine Folge der nachlässigen Handhabung der Zensur. Das sollte nun anders werden. Die bestellten Zensoren waren aufs strengste angewiesen, innerhalb der katholischen Welt, die noch immer groß genug war, in Italien, einem Teil von Deutschland, Österreich, Spanien und Portugal, keine Schrift durchzulassen, welche auch nur im entferntesten an den Dogmen der Kirche und der Unfehlbarkeit des Oberbischofs von Rom rüttelte.3

Nur päpstlich treuen Geistlichen wurde das Zensoramt anvertraut, und aus Überzeugung oder Selbsterhaltungstrieb übten sie es ohne Nachsicht aus. Das heranwachsende Geschlecht wurde dadurch im blinden Glauben erzogen und das bereits reife wieder dazu zurückgeführt. Das Tridentiner Konzil, welches anfangs nur mit Widerwillen von dem Papst und den streng Kirchlichen zusammengerufen wurde, sanktionierte, von dem hinreißenden Fanatismus Caraffas und des wachsenden Jesuitenordens beherrscht, alle reaktionären Maßregeln und kräftigte das Papsttum so nachdrücklich, wie es die Träger der dreifachen Krone kaum selbst geahnt hatten.

Die Juden empfanden bald diese düstere katholische Reaktion, sie, die keinerlei Schutz hatten und nur der Inkonsequenz in Handhabung der bereits gegen sie vorhandenen kanonischen Gesetze ihre dürftige Existenz verdankten. Sobald die Kirche diese feindseligen Beschlüsse streng und ernst in Ausführung brachte, war das Dasein der Juden oder wenigstens ihre Ruhe gefährdet. Zuerst wurde wieder die Talmudfrage angeregt, aber nicht mit jener Lauheit wie vierzig Jahre vorher. Damals konnten die Cölner Dominikaner gar nicht hoffen bei dem päpstlichen Stuhle Gehör zu finden, den Talmud zu verbrennen. [319] und mußten zu allerhand Schlichen greifen, nur um den Kaiser dafür zu gewinnen. Jetzt herrschte ein ganz anderer Geist. Die Gemeinschädlichkeit des Talmuds brauchte nur von boshaften Konvertiten angedeutet zu werden, um sofort ein Dekret dagegen zu erlassen. Die neue Anschwärzung desselben ging auch von solchen aus.

Elia Levita,4 der hebräische Grammatiker, der im Hause des Kardinals Egidio de Viterbo lange gelebt und viele Christen mündlich und durch Schriften in hebräische Sprachkunde und in oberflächliches Verständnis der Kabbala eingeweiht hatte, hatte zwei von einer Tochter hinterlassene Enkel, die von Haus aus in christlichen Kreisen verkehrten. Einer derselben, Eliano, hatte das Hebräische gründlich erlernt und war Korrektor und Abschreiber in mehreren Städten Italiens, während sein Bruder Salomo Romano weite Reisen in Deutschland, der Türkei, Palästina und Ägypten machte und vieler Sprachen kundig war: hebräisch, lateinisch, spanisch, arabisch und türkisch. Eliano, der Ältere, war zum Christentum übergetreten unter dem Namen Vittorio Eliano und Geistlicher, später sogar Kanonikus geworden. Über diesen Abfall war Salomo Romano so empört, daß er nach Venedig eilte, um seinem Bruder bittere Vorwürfe darüber zu machen und ihn zu bewegen, in den Schoß des Judentums zurückzukehren. Aber anstatt zu bekehren, wurde er selbst bekehrt. Ein kirchlich gesinnter venezianischer Patrizier Cantareno hatte sich an ihn herangemacht, um ihn für das Christentum zu gewinnen, und was er angefangen, das hatte ein Jesuite Andreas Frusius, vollendet. So nahm auch Salomo Romano die Taufe (1551) und den Namen Johannes Baptista an, zum großen Schmerz der noch lebenden Mutter. Er wurde Jesuit und später kirchlicher Schriftsteller, schrieb über Geheimnisse des christlichen Glaubens, einen hebräischen und arabischen Katechismus und anderes dieser Art. Dieser Enkel des Grammatikers Elia Levita5 mit noch zwei anderen [320] Konvertiten, Joseph Moro und Ananel de Foligno, nicht genug, ihre Religion aufgegeben zu haben, traten gleich Donin vor dem Papst als Ankläger gegen den Talmud auf und wiederholten dessen Verleumdungen, daß die talmudischen Bücher Schmähungen gegen Jesus, die Kirche, die ganze Christenheit enthielten und die massenhafte Bekehrung der Juden hinderten. Julius III. war keineswegs streng kirchlich gesinnt und am wenigsten judenfeindlich; er ließ sich noch von jüdischen Ärzten, dem zu seiner Zeit berühmten Heilkünstler Vital Alatino aus Spoleto und dem Marranen Amatus Lusitanus behandeln.6 Aber es war nicht mehr des Papstes Sache, über den Talmud zu entscheiden, sondern er gehörte vor das Forum der Inquisition, d.h. des fanatischen Caraffa, und Julius III. mußte das Dekret, welches der Generalinquisitor vorlegte, gutheißen und unterschreiben (12. August 1553). Auch darin zeigte sich die so sehr gerühmte Unfehlbarkeit des Papsttums. Leo X. hatte den Druck des Talmuds befördert (o. S. 176), und sein dritter Nachfolger ordnete dessen Vernichtung an. Die Schergen der Inquisition überfielen darauf die Häuser der römischen Juden, konfiszierten die Talmudexemplare und Agadasammlungen und verbrannten sie mit besonderer Bosheit zuerst am jüdischen Neujahrstage (9. September), damit der Schmerz über die Vernichtung ihrer heiligen Schriften die Juden um so empfindlicher treffe. Aber nicht bloß in Rom fahndeten die Schergen der Inquisitoren auf talmudische Schriften, sondern auch in der ganzen Romagna und darüber hinaus in Venedig, wo in den hebräischen Buchdruckereien Tausende von Exemplaren angehäuft waren, in Ferrara, Mantua, Padua, auf der zu Venedig gehörenden Insel Candia, und überall; sie wurden zu hunderten und tausenden verbrannt. Die Schergen unterschieden in ihrer Wut nicht mehr Talmudexemplare von den andern hebräischen Schriften. Alles, was ihnen unter die Hände kam, wurde den Flammen überliefert; selbst an der heiligen Schrift [321] vergriffen sie sich.7 Die Juden aller katholischen Länder waren in Verzweiflung, sie waren durch die Konfiskation auch solcher rabbinischer Schriften beraubt, welche die Vorschriften des religiösen Lebens enthalten, und worin vom Christentum nicht ein Wort vorkommt.8 Sie wandten sich daher flehend an den Papst, das Dekret zurückzunehmen oder ihnen wenigstens den Gebrauch der unverfänglichen rabbinischen Schriften zu lassen. Auf das letztere ging Julius III. ein und erließ eine Bulle (29. Mai 1554), daß die Juden zwar gehalten wären, ihre Talmudexemplare bei Leibesstrafe auszuliefern, daß es aber den Häschern nicht gestattet sei, sich auch anderer hebräischer Schriften zu bemächtigen und die Juden zu plagen. Die Übertreter sollten mit strenger Kirchenstrafe belegt werden.9 Seit dieser Zeit mußten alle hebräische Schriften vor ihrer Veröffentlichung der Revision unterworfen werden, ob nicht ein Schatten von Tadel gegen das Christentum oder gegen Rom darin enthalten sei. Die Zensoren waren meist getaufte Juden, welche dadurch Gelegenheit erhielten, ihre ehemaligen Genossen zu plagen.

[322] Nach dem Tode des Papstes Julius III. wurde es noch schlimmer für die Juden. Denn das Kardinalkollegium sah von jetzt an streng darauf, nur streng kirchlich gesinnte, womöglich mönchische Päpste zu wählen. Die gebildeten, humanistisch gesinnten, Kunst und Wissenschaft liebenden Würdenträger waren, wenn es noch welche gab, in Mißkredit geraten. Der erste reaktionäre Papst war Marcellus II., unter dessen kurzer Regierung die Juden des Kirchenstaats um ein Haar der Ausrottung verfallen wären. Ein elender mohammedanischer Täufling hatte, um sich die reiche Erbschaft seines Mündels anzueignen, den jungen Erben gekreuzigt und die Leiche heimlich auf den Campo Santo geworfen, einen Begräbnisplatz, wo, weil auf ihn Erde vom heiligen Lande gebracht worden war, nur Vornehme und Reiche für Entgelt beigesetzt wurden. Dieser Umstand machte den Vorfall noch auffallender. Einige gewissenlose Christen und der getaufte Jude Ananel di Foligno erhoben in der Tat die Anklage des Kindermordes gegen die Juden beim Papst Marcellus. Dieser war bereit ihr Wichtigkeit beizulegen und eine grausige Strafe über die römische Gemeinde zu verhängen, und nur die Klugheit und Menschlichkeit des judenfreundlichen Kardinals Alexander Farnese wendete das Mißgeschick von ihnen ab, indem er den wahren Mörder an den Tag brachte (April 1555).10

Auf Marcellus folgte der kirchlich fanatische Caraffa auf dem Petrusstuhl unter dem Namen Paul IV. (Mai 1555 bis August 1559). [323] Er hatte als Greis die ganze Heftigkeit und Leidenschaftlichkeit seiner Jugend bewahrt und seine Politik danach gestaltet. Er haßte die Protestanten und Juden, aber auch die Spanier, die brauchbarsten Werkzeuge des kirchlichen Fanatismus; er nannte sie und den bigotten König Philipp II. »verdorbene Samen von Juden und Mauren«. Bald nach seinem Regierungsantritte erließ er eine Bulle, daß jede Synagoge im Kirchenstaat gehalten sei, zehn Dukaten zur Unterhaltung des Hauses der Katechumenen, wo Juden im Christentum erzogen wurden, zu leisten.11 Noch rücksichtsloser war seine zweite judenfeindliche Bulle (12. Juli 1555), welche mit aller Strenge die kanonischen Gesetze gegen sie in Ausführung brachte. Sie sollten in Ghettos eingeschlossen bleiben und nur eine einzige Synagoge besitzen, die übrigen müßten zerstört werden. Sie dürften keine christlichen Dienstboten, noch Ammen halten und überhaupt nicht mit Christen Umgang pflegen, nicht mit ihnen essen oder spielen. Sämtliche Juden sollten gezwungen werden, grüne Barette und sämtliche Jüdinnen grüne Schleier zu tragen, auch außerhalb der Stadt. Sie sollten auch nicht von der christlichen Bevölkerung mit »Herr« angeredet werden. Es wurde ihnen verboten, liegende Gründe zu besitzen; innerhalb eines Jahres müßten sie dieselben verkaufen. Daher mußten sie ihre Güter, die über 500000 Goldkronen wert waren, für den fünften Teil veräußern. Daß sie ihre Handelsbücher nur in italienischer Sprache führen sollten, war eine nicht ungerechte Maßregel. Aber wozu sollten sie ihnen dienen, wenn ihnen jeder Handel verboten war, es sei denn mit alten Kleidern? Aber auch für den Trödel fanden sie keine Käufer, da Christen laut der Bulle jeden Verkehr mit Juden mieden. So kamen die Handeltreibenden an den Bettelstab. Das Schlimmste in dieser Bulle war, daß den jüdischen Ärzten untersagt wurde, Christen ärztliche Hilfe zu leisten, ihnen, denen so mancher Papst seine Gesundheit zu verdanken hatte. Schwere Strafe war für die Übertretung verhängt.12 Mit aller Strenge wurde diese feindselige Maßregel ausgeführt. Fortan mußten italienische Fürsten, wenn sie einen jüdischen Leibarzt in ihrer Nähe haben wollten, einen der folgenden Päpste bitten, ihnen diese Erlaubnis zu erteilen. Welche Wandlung seit kaum einem Menschenalter!13 In der päpstlichen Stadt Avignon wurde nicht lange vorher der jüdische Arzt Emmanuel de Lates von den Räten dieser Stadt für einen Ehrensold gewonnen, die Heilkunde auszuüben und[324] zu lehren.14 Und nun durfte sich kein christlicher Sieche von einem jüdischen Arzte behandeln lassen. Auf Talmudexemplare wurde unter Paulus IV. ebenfalls mit Strenge gefahndet. Mehrere Juden verließen darauf das boshaft gewordene Rom, um sich nach duldsameren Staaten zu begeben; sie wurden aber unterwegs von dem fanatisierten Pöbel mißhandelt. Die in Rom zurückgebliebenen schikanierte der Theatinerpapst auf kleinliche Art. Bald hieß es, sie hätten ihre Liegenschaften nur zum Schein verkauft und falsche Verkaufsurkunden ausgestellt, und er ließ sie dafür in Haft bringen. Bald ließ er bekannt machen, diejenigen Juden, welche nicht für das allgemeine Beste tätig wären, sollten binnen einer Frist Rom verlassen. Als die geängstigten Juden sich eine Erklärung darüber erbaten, was denn »zum allgemeinen Besten tätig sein« bedeute, erhielten sie die pharaonische Antwort: »Ihr sollt's zur Zeit erfahren«. Paul IV. zwang sie zu Frondiensten bei der Ausbesserung der Mauern Roms, die er gegen den selbst heraufbeschworenen Feind, die Spanier, widerstandsfähig machen wollte. Einst befahl er, den die Juden mit Recht Haman nannten, in seiner rasenden Judenfeindlichkeit seinem Neffen, in dunkler Nacht sämtliche Wohnungen der Juden in Brand zu stecken. Schon eilte dieser, wenn auch mit Widerwillen, den Befehl zu vollstrecken, als ihm der einsichtsvolle Kardinal Alexander Farnese begegnete und bedeutete, mit diesem unmenschlichen Beginnen noch zu zögern, um dem Papst Zeit zur Besinnung zu lassen. In der Tat nahm dieser Tages darauf den Beschluß zurück. Infolge der Grausamkeit dieses Papstes gegen die Juden traten viele reiche und angesehene unter ihnen zum Christentum über.

Wenn der fanatische Papst Paul IV. so gegen die Juden wütete, wie nun erst gegen die Marranen in seinem Gebiete! Viele mit Gewalt zum Christentum gezwungene Juden aus Portugal oder ihre Kinder hatten in Ancona ein Asyl gefunden und vom Papst Clemens VII. Indemnität erhalten, dem Judentum anhängen zu dürfen, ohne von der Inquisition belästigt zu werden (o. S. 230). Die zwei nachfolgenden billig denkenden Päpste Paul III. und Julius III. hatten dieses Privilegium der Marranen bestätigt,15 überzeugt wie sie waren, daß die an diese mit Gewalt vollzogene Taufe keine sakramentale Bedeutung haben könne. Je mehr die in Portugal eingeführte Inquisition gleich der spanischen gegen die Marranen wütete, desto mehr Flüchtlinge kamen auch nach Italien und ließen sich mit ihren geretteten [325] Reichtümern in Ferrara und Ancona nieder, auf die zugesicherten Privilegien des Oberhauptes der katholischen Christenheit vertrauend. Zu Ancona hatten sie eine Synagoge im Hause eines Christen.16 Was aber galt dem haßerfüllten Papst Paul IV. eine von seinen Vorgängern und von ihm selbst eine Zeitlang stillschweigend anerkannte Schutzzusicherung, wenn sie mit seiner vermeintlichen Rechtgläubigkeit im Widerspruch war? Er sollte es zugeben, daß Menschen, welche, wie äußerlich auch immer, mit dem Taufwasser einst besprengt worden waren, unter seinen Augen judaisieren durften? Das konnte seine Verkehrtheit nicht ertragen. Paul erließ daher einen heimlichen Befehl, sämtliche Marranen von Ancona, die bereits mehrere Hunderte zählten, in die Kerker der Inquisition zu werfen, ein Verhör wegen ihrer Rechtgläubigkeit mit ihnen anzustellen und ihre Güter mit Beschlag zu belegen (Ellul = August 1555).17 Es war ein harter Schlag für die Marranen, welche zum Teil bereits ein halbes Jahrhundert dort geweilt und sich in Sicherheit gewiegt hatten. Auch solche Marranen, welche türkische Untertanen waren und nur in Handelsgeschäften in der, durch ihren levantischen Handel blühend gewordenen Hafenstadt eine kurze Zeit geweilt hatten, wurden in die Anklage wegen Judaisierens hineingezogen und eingekerkert. Ihre Waren wurden natürlich ebenfalls konfisziert. Der rasende Papst hatte sich selbst dadurch bedeutende Einnahmequellen abgeschnitten, im Augenblick, als er sich in einen kostspieligen Krieg mit Spanien stürzen wollte.

Nur wenigen Marranen war es gelungen, den Häschern der päpstlichen Generalinquisition zu entkommen; sie wurden sämtlich vom Herzog Guido Ubaldo von Urbino aufgenommen und in Pesaro einquartiert, weil dieser damals in Gegnerschaft zu dem Papste stand und den levantischen Handel durch die Verbindung der Marranen mit der Türkei von Ancona nach Pesaro zu ziehen gedachte. Auch der Herzog Ercole II. von Ferrara bot den Portugiesen und Spaniern jüdischen Geschlechts, von welchem Lande sie auch kommen mochten, Asyl in seinem Staate und lud sie förmlich dahin ein (Dezember 1555).18 Unter den nach Pesaro Entkommenen befand sich [326] eine damals in hohem Ansehen stehende Persönlichkeit, der zu seiner Zeit berühmte Arzt Amatus (Chabib) Lusitanus (geb. 1511, gest. 1568),19 ein verständiger und geistvoller Mann, ein erfahrener Arzt, ein bedeutender Gelehrter und ein ebenso gewissenhafter, wie liebenswürdiger Mann. Als Scheinchrist hatte er einen anderen Namen geführt, João Rodrigo de Castel-branco. Auch ihn scheint wohl die Einführung der Inquisition in Portugal aus der Heimat vertrieben zu haben. Er hatte sich längere oder kürzere Zeit in Antwerpen, der damaligen Hauptstadt von Flandern, unter den dortigen Marranen, später in Ferrara und Rom aufgehalten, sich aber dauernd in Ancona niedergelassen (um 1549), wo er ganz offen den jüdischen Familiennamen Chabib angenommen und ihn in Amatus Lusitanus latinisiert hatte. Obwohl er sich offen als Jude bekannte, wurde er öfter an den Hof des Papstes Julius III. gerufen, um dessen kranken Leib zu heilen.20 Selbst mit dem portugiesischen Gesandten in Rom, dem aus doppelt königlichem Geblüte, englischem und portugiesischem, stammenden Fürsten Alfonso von Lancaster, stand Amatus Lusitanus auf freundschaftlichem Fuße, verkehrte, so oft er in Rom war, in seinem Palaste und widmete ihm eine seiner Schriften über Krankheitsgeschichten. Von Nah und Fern wurde er von Leidenden aufgesucht, denn er war ein gewissenhafter und vorsichtiger Arzt, der wohl an der alten (Galenischen) Heilmethode festhielt, aber sich nicht wie die meisten seiner zeitgenössischen Fachgenossen gegen das Neue in blinder, verstockter Konsequenz und in Unverstand verschloß; er selbst erfand man ches wirksame Heilverfahren. Amatus behandelte die Leidenden, die sich seiner Kunst anvertrauten, nicht, wie damals üblich, in Bausch und Bogen, für alle dieselben Heilmittel anwendend, sondern ging auf die Natur und Eigenart derselben ein. Die Heilkunst war für ihn ein heiliges Amt, das er mit ganzer Seele ausübte, um das Menschenleben zu verlängern. Amatus konnte daher einen feierlichen Eid ablegen – bei Gott und seinen heiligen Geboten –, daß er stets nur für das Wohl der Menschen besorgt gewesen, sich um Lohn niemals gekümmert, reiche Geschenke niemals angenommen, Arme umsonst behandelt und keinen Unterschied zwischen Juden, Christen und Türken gemacht habe. Nichts habe ihn an seinem ernsten Beruf gehindert, nicht Familienrücksichten, nicht beschwerliche Reisen, nicht die Verbannung.21 Welch ein Gegensatz zu den meisten Quacksalbern seiner [327] Zeit, die nur auf Geldgewinn ausgingen, denen das Menschenleben gleichgültig war, die gelehrten Krimskrams auswendig wußten und von der Natur der Krankheiten nichts verstanden.22 Amatus hatte viele Jünger seiner Kunst, die mit Liebe an ihm hingen, und die er als seine Kinder betrachtete. Bereits in seiner Jugend hatte er medizinische Schriften bearbeitet, die so sehr geschätzt waren, daß sie bei seinem Leben vielfach gedruckt wurden. Am meisten Aufsehen machten seine medizinischen sieben Centurien (je hundert Krankheitsfälle), in welchen er sein eingeschlagenes Heilverfahren und dessen Erfolge genau beschrieb und zugleich die Charakteristik der von ihm behandelten Kranken angab. Diese »Kuren« haben ihm noch beim Leben einen weitverbreiteten Ruf gebracht; sie wurden in Italien, Frankreich, Deutschland und sogar in Spanien vielfach gedruckt und von den Ärzten als Wegweiser benutzt.23 Amatus war nicht bloß einseitig Arzt, sondern er verstand auch andere Fächer; er übersetzte die kurzgefaßte Geschichte Roms von Eutrop ins Spanische. Auch Hebräisch und Arabisch verstand er. Vom König von Polen erhielt er einen Ruf an seinen Hof zu kommen und sein Leibarzt zu werden, nahm ihn aber nicht an.

Ein solcher Wohltäter der Menschheit, die Zierde seiner Zeit, mußte, weil er nicht ein albernes Glaubensbekenntnis vor der blutdürstigen Inquisition Paulus' IV. ablegen und sich nicht dem Feuertode aussetzen mochte, wie ein Verbrecher die Flucht aus Ancona nach Pesaro ergreifen24 und später noch weiter wandern. Mehr als achtzig portugiesische Marranen, welche nicht entfliehen konnten, mußten in den Kerkern der Generalinquisition schmachten, bis ihnen das Urteil verkündet wurde. Es lautete, daß diejenigen, welche ein reumütiges katholisches Glaubensbekenntnis ablegen, freigesprochen, aber nach der Insel Malta transportiert werden und Ansehen und Würden verlieren sollten. Sechzig Marranen verstanden sich zu dieser Heuchelei und wurden zu Schiff wie Galeerensklaven nach Malta geführt; es gelang ihnen aber zu entkommen und in der Türkei ihrem Bekenntnis zu leben.25 Vierundzwanzig dagegen, darunter auch eine Frau, Doña Majora, blieben fest bei ihrem angestammten Bekenntnis: »Der Herr, unser Gott, ist einzig,« und wurden auf Scheiterhaufen verbrannt (Mai 1556). Drei Trauerlieder verewigen den Märtyrertod dieser vierundzwanzig und nennen ihre Namen, gedichtet von Jakob da Fano, von Salomo Chasan und von Mardochaï de [328] Blaues. Das Trauerlied des letzteren pflegte in der Synagoge von Pesaro Jahr aus Jahr ein am Tage der Zerstörung Jerusalems rezitiert zu werden.26 – Ein Schrei des Entsetzens erscholl bei der Nachricht von diesen Scheiterhaufen der Marranen in Ancona unter allen Juden. Die Verurteilung war ebenso widerrechtlich wie grausam, weil, wie schon erwähnt, die Religionsfreiheit der Marranen in Ancona von drei Päpsten hintereinander ihnen feierlich zugesichert war. Namentlich waren die portugiesischen Marranen in der Türkei von diesem Schlage gegen ihre Leidensgefährten betäubt. Sie sannen auf Mittel, Rache an dem wahnsinnig herzlosen Papste zu nehmen. Die eigentümliche Lage der Juden in diesem Jahrhundert gab ihnen die Möglichkeit an die Hand, an einen Kampf mit dem boshaften Feinde auf dem Petrusstuhle zu denken. Eine gewisse Einheit der Juden im Morgenlande konnte die Mittel dazu liefern.

Es lebte damals eine edle jüdische Frau, die durch weibliche Anmut, Geist, Gemüt, Charakter und Seelengröße eine Zierde ihres Geschlechtes und Volkes war und zu den auserwählten Erscheinungen gehörte, welche die Vorsehung von Zeit zu Zeit in die Welt zu setzen scheint, um die göttliche Ebenbildlichkeit des Menschen nicht ganz in Vergessenheit geraten zu lassen. Doña Gracia Mendesia27 hatte einen klangvollen Namen wie selten eine Frau, den ihre jüdischen Zeitgenossen nur mit Verehrung und Liebe nannten. Mit großartigen Geldmitteln gesegnet und sie nur zum besten anderer und zur Hebung des Geistes weise verwendend, gebot sie über einen Einfluß gleich einer Fürstin und herrschte über Hunderttausende ihr freudig entgegenschlagender Herzen. Man nannte sie die Esther ihrer Zeit. Aber welche Seelenkämpfe mußte sie durchmachen, bis sie sich frei Gracia (Channa) nennen durfte. Der Schmutz der Gemeinheit und Schlechtigkeit [329] wälzte sich an sie heran, vermochte aber nicht, die Reinheit ihrer Seele zu trüben. Geboren in Portugal (um 1510, gest. um 1568), aus einer Marranenfamilie Benveniste, wurde sie unter dem christlichen Namen Beatrice an einen reichen Genossen desselben Unglücks aus dem Hause Naßi verheiratet, der den Patennamen Francisco Mendes angenommen hatte. Dieser hatte ein umfangreiches Bankgeschäft gegründet, das seine Verzweigungen bis Flandern und Frankreich ausdehnte. Der deutsche Kaiser und Herrscher zweier Weltteile, Karl V., der König von Frankreich und wer weiß, wie viele Fürsten sonst noch, waren Schuldner des Hauses Mendes. Ein jüngerer Bruder

Diogo Mendes stand der Filialbank von Antwerpen vor. Als Beatrices Gatte mit Hinterlassung einer Tochter namens Reyna gestorben war (vor 1535) und die grausige Einführung der Inquisition in Portugal ihr Vermögen, ihr und ihres Kindes Leben zu gefährden drohte, begab sie sich zu ihrem Schwager nach Antwerpen und brachte ein Gefolge mit, eine jüngere Schwester und mehrere junge Neffen. Sie hat ärmeren Marranen die Mittel gereicht, sich ebenfalls dem Feuer der Inquisition durch die Flucht zu entziehen.28 Durch ihre und ihres Schwagers Vermittlung gingen die Summen, welche die portugiesischen Scheinchristen den päpstlichen Gesandten und Kreaturen bezahlten, um die Inquisition zu vereiteln.29 Begüterte Marranen suchten nämlich, wenn sie den Fangarmen der Inquisition unter de Mello (o. S. 268) entgehen konnten, Antwerpen auf, welches damals eine Welthandelsstadt war. Kaiser Karl V., obwohl er das Feuer der Scheiterhaufen in Spanien für die Scheinchristen immer noch ungerührt lodern ließ und die Einführung der Inquisition mit all ihrer Grausamkeit in Portugal befördert hatte, begünstigte doch die Ansiedlung der Marranen aus Portugal in seiner Lieblingsprovinz, den Niederlanden, um ihren Reichtum dorthin abzuleiten.30 Mendesias Anwesenheit in der belgischen Hauptstadt war um so notwendiger, als das Hauptgeschäft nach und nach dorthin verlegt war, woran sie einen Hauptanteil hatte, da ihr Gatte ihr die Hälfte seiner Hinterlassenschaft [330] urkundlich gesichert hatte. In Antwerpen nahm die Familie Mendes eine geachtete Stellung ein; der junge, gewandte, schöne Neffe Mendesias, João Miques, verkehrte mit den ersten Männern der Hauptstadt und war selbst bei der Statthalterin der Niederlande, Maria, ehemals Königin von Ungarn, Schwester Karls V., sehr beliebt.

Indessen fühlte sich Mendesia in Antwerpen nichts weniger als behaglich. Die Liebe zu ihrer angestammten Religion, die sie verleugnen mußte, und der Abscheu vor dem aufgezwungenen katholischen Bekenntnis, das sie täglich durch Kirchenbesuch, Kniebeugung und Beichte betätigen mußte, wobei sie vielleicht gar von Spionen umlauert war, machte ihr Flandern ebenso widerwärtig wie Portugal. Sie sehnte sich nach einem Lande, wo sie dem Zuge ihres für das Judentum glühenden Herzens frei folgen könnte. Daher bestürmte sie ihren Schwager, den Leiter des Bankgeschäftes, der inzwischen ihre jüngere Schwester geheiratet hatte, mit ihr nach Deutschland oder sonst wohin zu ziehen oder den ihr zukommenden Anteil vom Gesamtvermögen herauszuzahlen. Diogo Mendes hatte bereits eine Zeit für die Auswanderung festgesetzt, als er gegen Ende derselben (1540 bis 1546) das Zeitliche segnete; auch er hinterließ eine Witwe und eine Tochter, Gracia die Jüngere. Seit dieser Zeit begannen sorgenvolle Tage für die edle Mendesia. Sie war von ihrem verstorbenen Schwager letztwillig als Haupt des weitverzweigten Geschäftes anerkannt, weil er volles Vertrauen zu ihrer Klugheit und Rechtlichkeit hatte, und ihr standen nur zwei junge Männer, ihre Neffen, zur Seite. Sie konnte die Geschäfte nicht so rasch abwickeln, um dem Drange ihres Herzens zu folgen und sich auf einem duldsamen Flecken der Erde offen zum Judentum zu bekennen. Dazu kam noch, daß die Habgier Karls V. ein Auge auf das große Vermögen des Hauses Mendes geworfen hatte. Gegen den verstorbenen Diogo Mendes wurde von dem kaiserlichen Fiskal die Anklage erhoben, er habe heimlich judaisiert. Es mag auch bekannt geworden sein, daß er durch Rat und Tat die Gegner der Inquisition in Portugal unterstützt hatte. Als Strafe dafür sollte das ganze Vermögen, als das eines Ketzers, dem Fiskus verfallen, denn es waren scharfe Verordnungen gegen die Duldung eingewanderter Marranen in Flandern erlassen.31 Schon war der Befehl erteilt, die Güter und Handlungsbücher des Hauses Mendes mit Beschlag zu belegen und sie zu versiegeln. Indessen gelang es noch der Witwe Mendesia, die Habsucht durch eine bedeutende Anleihe und Bestechung der Beamten für den Augenblick zu beschwichtigen. In dieser Lage konnte sie noch weniger Antwerpen verlassen, um nicht den Verdacht gegen sich rege zu machen und ihres Vermögens erst recht verlustig zu gehen. So mußte sie unter stetem schweren [331] Seelenkampf noch über zwei Jahre daselbst weilen, bis die Anleihe von dem Kaiser zurückbezahlt war.

Endlich schien die Stunde der Freiheit für sie zu schlagen, sie konnte endlich Antwerpen verlassen, um nach Venedig auszuwandern. Man erzählte sich, ihr Neffe João Miques habe ihre Tochter Reyna, um deren Hand sich hohe christliche Adlige beworben hatten, entführt und sei mit ihr nach Venedig entflohen. Vielleicht war das nur ein von der Familie Mendes geflissentlich ausgebreitetes Gerücht, um ihrer Abreise nach Venedig einen Vorwand zu geben, damit ihr kein Hindernis in den Weg gelegt werde. Indessen hatte ihre Vorsicht keinen Erfolg. Nach ihrer Entfernung befahl Karl V. wiederum, auf die Güter ihres Hauses, so weit sie sich innerhalb seines Gebietes befanden, Beschlag zu legen, weil die beiden Schwestern heimliche Jüdinnen wären, und Mendesia die Ältere (wie sie genannt wurde) mußte wiederum bedeutende Summe aufwenden, um den Schlag abzuwenden.

In Venedig begannen für sie (sie nannte sich wohl damals de Luna) Unglückstage, schlimmer, als sie sie bisher erfahren hatte, denn sie kamen ihr von einer Seite, von wo sie sie am allerwenigsten erwartet hatte, von seiten ihrer jüngeren Schwester. Diese, ebenso unbesonnen und zerfahren, als die ältere gesammelt und charakterfest war, verlangte von ihr die Herausgabe des ihr und ihrer Tochter zukommenden Anteils am Vermögen, um selbständig darüber verfügen zu können. Doña Mendesia mochte und durfte aber nicht darauf eingehen, weil sie von ihrem Schwager zur alleinigen Leiterin des Geschäftes und auch zum Vormund über ihre noch unmündige Nichte eingesetzt worden war. Wegen dieser unwillig ertragenen Bevormundung und wahrscheinlich von schlechten Ratgebern geleitet, tat die jüngere Schwester einen Schritt, der zu ihrem eigenen Nachteil ausschlug. Sie machte der venezianischen Signoria die Anzeige, daß ihre ältere Schwester mit den großen Reichtümern nach der Türkei auszuwandern im Begriffe sei, um offen zum Judentum überzutreten, während sie selbst mit ihrer Tochter im Christentum zu verbleiben gedächte; die venezianischen Behörden möchten ihr zu ihrem Vermögensanteil verhelfen, damit sie denselben als gute Christen in Venedig verbrauchen könnte. Die venezianischen Machthaber, welche dabei einen guten Fang zu machen glaubten, zögerten nicht, auf die Klage einzugehen, luden die Angeklagte vor ihre Gerichtsschranken und gingen so weit, sie in Gewahrsam zu bringen, um ihre Flucht zu verhindern. Ihre übelberatene oder charakterlose Schwester sandte noch dazu einen habsüchtigen und judenfeindlichen Boten nach Frankreich, um die dort dem Hause Mendes zustehenden Güter mit Beschlag belegen zu lassen – gewiß durch Erhebung derselben Anklage gegen ihre ältere Schwester, daß sie judaisiere. Der Bote, welcher sich nicht genug für seine Sendung belohnt glaubte, [332] denunzierte aber die jüngere Schwester ebenfalls als heimliche Jüdin und bewirkte, daß der französische Hof das Vermögen des Hauses Mendes in Frankreich mit Beschlag belegte. Die Schuld an dasselbe Haus zu zahlen, hielt sich der König Heinrich II. ebenfalls für überhoben. Indessen arbeitete die unglückliche Mendesia daran, die gegen sie und ihr Vermögen geführten Schläge so viel als möglich abzuwenden. Ihr Neffe João Miques spendete mit vollen Händen, um die Verluste abzuwenden, und seine edle Verwandte zu befreien. Entweder er oder sie selbst hatte einen Weg zum Sultan Suleiman gefunden und ihn bewogen, sich der Verfolgten anzunehmen. So bedeutende Reichtümer sollten in seinen Staat eingeführt werden, und die venezianische Republik, die nur noch von seiner Gnade existierte, wagt es, sie ihm vorzuenthalten? Das reizte seinen Zorn. Sein jüdischer Leibarzt, Mose Hamon (o. S. 27), der sich Hoffnung machte, die Hand der reichen Erbin Reyna für seinen Sohn zu gewinnen, hatte den Sultan günstig für die Familie Mendes gestimmt. Ein eigener Staatsbote (Tschaus) wurde von der Pforte nach Venedig abgesandt mit der Weisung, die gefangene Marranin sofort in Freiheit zu setzen und sie ungehindert mit ihrem Vermögen nach der Türkei ziehen zu lassen. Es entstand dadurch eine Spannung zwischen dem türkischen Hofe und der venezianischen Republik, welche später zum Ausbruch kam. Die unbekannt unter dem Namen Mendesia oder Beatrice de Luna lebende Gracia Naßi war die Veranlassung, nicht bloß Venedig, sondern auch den französischen Hof in Unruhe zu versetzen. Wider ihren Willen wurde ihr eine bedeutende Rolle zugeteilt.

Inzwischen war es ihr gelungen – man weiß nicht, auf welchem Wege – eine Zufluchtsstätte in Ferrara zu finden unter dem Schutze des Herzogs Ercole d'Este II., wo sie mehrere Jahre (um 1549 bis 1553) zum Segen und zum Troste ihrer Religions- und Leidensgenossen lebte, und zwar unter ihrem jüdischen Namen. Es war ihr jetzt erst vergönnt, alle ihre hehren Tugenden, ihr weiches Mitgefühl, ihren Edelmut, ihre innige Frömmigkeit, mit einem Worte ihr großes Herz offen und frei zu betätigen. Auch ihre Klugheit und Besonnenheit kam den Marranen in Italien zustatten. Der Dichter Samuel Usque welcher ihr sein schönes Werk »Die Tröstungen für Israels Trübsale« (o. S. 312), gewidmet, sprach mit Begeisterung und tiefster Verehrung von ihr. »Das Herz wird als das edelste und vorzüglichste Organ des menschlichen Körpers gehalten, weil es schneller den Schmerz empfindet als die übrigen Organe. Es muß daher besonders befriedigt werden, wenn es die anderen sein sollen. Es liegt in meiner Absicht, mit diesem kleinen Zweig frischer Frucht unserer portugiesischen Nation (den Marranen) zu dienen. Ist es nicht billig, ihn Ew. Gnaden, als dem Herzen dieses Volkes, zu überreichen, da Sie in den Mitteln, welche [333] Sie spenden, deren Leiden mehr fühlen als jeder andere? Mich blendet dabei keineswegs die Liebe, daß ich, erlauchte Señora, Ihr Geschöpf bin, der ich durch Taten, Schriften und Werke für die großen Wohltaten danken möchte, welche ich von Ihrer freigebigen Hand empfangen habe. Denn seitdem Sie angefangen haben, Ihr Licht zu verbreiten, haben sämtliche Glieder bis zu den kleinsten Geschöpfen dieses Stammes herab die Wahrheit eingesogen, in deren Herzen Ihr Name und Ihr segensreiches Angedenken für ewige Zeiten eingegraben bleiben werden«.32

Noch mehr verherrlichte sie der Dichter Samuel Usque im Verlauf seines Werkes. Er läßt seinen Numeo, den Tröster im Dialoge, unter anderen Trostgründen für Israels Leiden auch den anführen, daß es unerwartete Hilfe durch diese edle Frau erlangt habe. »Wer hat nicht die göttliche Barmherzigkeit im menschlichen Gewande sich offenbaren gesehen, wie sie sich Dir zur Abwehr Deiner Mühseligkeit gezeigt hat und noch zeigt? Wer hat Mirjams inniges Mitleid auferstehen gesehen, das Leben hinzugeben, um ihre Brüder zu retten? Jene große Klugheit Deborahs, um ihre Volksgenossen zu regieren? Jene unendliche Tugendhaftigkeit und Heiligkeit Esthers, um die Verfolgten zu schützen? Jene ruhmwürdige Anstrengung der keuschen Witwe Judith, um die von Angst Belagerten zu befreien? Sie hat der Herr in unsern Tagen vom hohen Heere seiner Engel entboten und alles in eine Seele niedergelegt, und diese Seele hat er zu Deinem Glücke in den weiblichen schönen Leib der segensreichen Israelitin Naßi eingepflanzt. Sie hat im Anfang der Auswanderung der (Marranen) Deinen dürftigen Söhnen, welche ihr geringes Vermögen mutlos machte, dem Feuer (Scheiterhaufen) zu entgehen und einen so weiten Weg anzutreten Kraft und Hoffnung gegeben. Sie unterstützte diejenigen mit freigebiger Hand, welche bereits ausgewandert, in Flandern und in anderen Gegenden durch Armut geschwächt, von der Seefahrt niedergebeugt und in Gefahr waren, nicht weiter zu kommen, und stärkte sie in ihrer Dürftigkeit. Sie gab ihnen Schutz in der Rauheit der wilden Alpen Deutschlands, in dem äußersten Elende der Mühsale und Mißgeschicke, die sie betroffen. – Sie versagte selbst ihren Feinden keine Gunst. Mit ihrer reinen Hand und ihrem himmlischen Willen hat sie die meisten dieser Nation (Marranen) aus der Tiefe unendlicher Mühsal, aus Armut und Sünden befreit, sie in sichere Gegenden geleitet und sie unter den Gehorsam der Vorschriften ihres alten Gottes gesammelt. So war sie die Kraft in Deiner Schwäche.«33

Die beiden Herausgeber der ferrarisch-spanischen Bibel Abraham Usque und Athias (o. S. 311), welche sie zum Teil der »durchlauchten [334] Señora Gracia« widmeten, schilderten mit wenigen Worten deren große Verdienste. »Wir wünschen die Übersetzung an Ew. Gnaden zu richten, als an die Persönlichkeit, deren Verdienste unter den Unsern stets den höchsten Platz einnehmen. Möge Ew. Gnaden sie annehmen, sie begünstigen und verteidigen mit dem Geiste, der immer diejenigen begünstigt hat, welche Hilfe von Ihnen verlangten.« Freilich hat sie alle drei Usques beschützt; der dichterische Geschichtsschreiber hatte ihr, wie er selbst bekennt, alles zu danken; den Dichter Salomon Usque (Duarte Gomez) hat sie an einem Bankgeschäfte teilnehmen lassen, und Abraham Usque hat sie wahrscheinlich zur Unterhaltung der hebräischen und spanischen Druckerei unterstützt. Die Lobeserhebung aus deren Munde könnte parteiisch erscheinen; aber alle, auch die gewissenhaftesten Rabbinen jener Zeit, waren des Lobes von ihr voll und schrieben ebenso begeistert, wenn auch nicht so zierlich, von ihren Tugenden. »Die erhabene Fürstin, der Ruhm Israels, die weise Frau, die ihr Haus in Heiligkeit und Reinheit erbaut. Mit ihrer Hand unterstützt sie Arme und Dürftige, um sie diesseits glücklich und jenseits selig zu machen. Sie hat viele vom Tode gerettet und sie aus der Niedrigkeit des eitlen Lebens erhoben, die im Kerker schmachteten, dem Tode geweiht waren. Sie hat Häuser für die Gotteslehre und Weisheit gestiftet, damit jedermann sich darin unterrichten könne. Sie hat vielen Vorschüsse gemacht, damit sie sich nicht bloß ernähren, sondern auch in Wohlstand leben können.«34

Nachdem sich Dona Gracia Naßi auch mit ihrer Schwester ausgesöhnt, welche eingesehen haben mochte, daß sie durch ihre feindselige Haltung gegen jene nur sich selbst gefährdete, nachdem sie deren Tochter, die schöne jüngere Gracia II., mit ihrem Neffen Samuel Naßi in Ferrara verlobt, damit das große Vermögen in der Familie bleiben sollte, und nachdem sie für alle ihre Familienglieder mütterlich gesorgt hatte, führte sie das längst gehegte Vorhaben aus, nach der türkischen Hauptstadt auszuwandern, um allen Anfechtungen auf christlichem Boden zu entgehen. Ihr begabter Neffe, João Miques, welcher mit ihrer Tochter Reyna versprochen war, machte inzwischen weite Reisen, um ihre Angelegenheiten zu ordnen, in Lyon, Marseille, Rom, Sizilien. Er hatte ihr durch seine Gewandtheit einen guten Empfang in Konstantinopel bereitet. Mit schlauer Diplomatie, die er im Umgange mit christlichen Staatsmännern gelernt hatte, ließ er sich von dem Gesandten des französischen Hofes, mit dem die Familie Mendes-Naßi in stillem Kriege lebte, von Herrn de Lansac, in Konstantinopel warm empfehlen,35 und fand dadurch daselbst eine günstige Aufnahme. [335] Erst in Konstantinopel trat João Miques offen zum Judentum über, nahm den Namen Joseph Naßi an und heiratete seine reiche Base Reyna. Er war aber nicht allein dahin gekommen, sondern hatte ein großes Gefolge von 500 Personen Spanier (Portugiesen) und italienische Juden nachgezogen. Er trat dort gleich anfangs wie ein Fürst auf. Durch seine Gewandtheit, seine Kenntnis der europäischen Verhältnisse und seinen Reichtum wurde Joseph Naßi in den Hofkreis eingeführt und galt viel beim Sultan Suleiman. Aber seine edle Schwiegermutter blieb wie bisher die Hauptleiterin des großen Vermögens.

Bald empfanden die jüdischen Bewohner Konstantinopels die wohltätige Hand Doña Gracias und ihres Schwiegersohnes. Sie unterstützten die Armen, legten Bet- und Lehrhäuser an und setzten den Lehrern des Talmud Jahrgehälter aus. Der aus Salonichi wegen erlittener Beleidigung und der Pest nach Konstantinopel ausgewanderte spanische Rabbiner Joseph Ibn-Lab erhielt seine ganzen Existenzmittel von Gracia und Joseph Naßi. Aber nicht bloß auf Spanier und Portugiesen in der Türkei erstreckte sich ihre Mildtätigkeit, sondern auch auf Deutsche und über Konstantinopel hinaus.

Als daher die Nachricht einlief, der Papst Paulus IV. habe die Marranen in Ancona einkerkern lassen, um sie früher oder später verbrennen zu lassen, fühlte Doña Gracia einen brennenden Schmerz wie eine Mutter bei dem Unglück ihrer Kinder. Sie hatte sie alle wie Söhne und Brüder in ihr Herz geschlossen. Doch überließ sie sich nicht einem untätigen Jammern, sondern handelte in Gemeinschaft mit Joseph Naßi tatkräftig. Zunächst wandte sie sich an den Sultan Suleiman, um ihn anzuflehen, wenigstens die Freiheit derjenigen marranischen Juden aus der Türkei, welche in Ancona in Handelsgeschäften anwesend mit eingekerkert waren, zu verlangen. Sie war so glücklich, dieses Gesuch erfüllt zu sehen. Der Sultan Suleiman richtete an den Papst ein Schreiben (9. März 1556)36 in jenem hochmütigen Tone, den sich die türkischen Herrscher im Gefühle ihrer Macht gegenüber der Zerfahrenheit der christlichen Fürsten erlaubten. Er beklagte sich, daß seine jüdischen Untertanen widerrechtlich eingekerkert worden, wodurch seinem Schatze ein reiner Verlust von 4000 Dukaten und außerdem eine noch größere Einbuße an Einnahmen erwachsen sei, weil die türkischen Juden dadurch geschädigt worden wären. Der Sultan bestand darauf, daß der Papst die zur Türkei gehörigen Marranen in Ancona sofort in Freiheit setzen sollte, und ließ die Drohung durchblicken, daß er im Falle ungünstiger Aufnahme seiner Vorstellung Repressalien an den unter seinem Zepter wohnenden Christen zu nehmen gedächte. Paul IV. mußte zähneknirschend [336] gehorchen, die Juden aus der Türkei in Freiheit setzen und ungefährdet abreisen lassen. Die übrigen, die keinen mächtigen Schützer hatten, wurden, wie erzählt, verbrannt. Dafür wollten die Juden sich empfindlich an dem Papst rächen, und sie rechneten dabei auf die tatkräftige Unterstützung der Doña Gracia und ihres Schwiegersohnes.

Der Handel der türkischen Juden war sehr bedeutend, alles ging durch ihre Hände, sie konkurrierten mit den Venezianern und sandten ihre eigenen Schiffe und Galeeren aus.37 Die jüdisch-levantinischen Kaufleute hatten bis dahin, um den Venezianern den Rang abzulaufen, den Hafen von Ancona als Stapelplatz für ihre Waren, die von der Türkei nach Europa und um gekehrt gingen, benutzt. Der Herzog Guido Ubaldo von Urbino hatte die aus Ancona geflüchteten Marranen in Pesaro nur deswegen aufgenommen, weil er darauf gerechnet hatte, daß der sogenannte levantinische Handel in den Händen der Juden seiner Hafenstadt zugewendet werden würde. Die Gemeinde von Pesaro und besonders die marranischen Flüchtlinge ließen sich daher angelegen sein, ein Sendschreiben an sämtliche türkische Gemeinden, welche in Geschäftsverbindung mit Italien standen, ergehen zu lassen, ihre Waren nicht mehr nach Ancona, sondern nach Pesaro zu senden.38 Von Pesaro wurde eigens ein Sendbote Juda Faraǵ nach der Türkei beordert, um mündlich zu ergänzen, was sie dem Papier nicht anvertrauen wollten und um ihrem Vorschlage Nachdruck zu geben. In der ersten Aufwallung der Entrüstung über die Untat des Papstes Pauls IV. stimmten viele levantinische Gemeinden diesem Antrage zu (Ellul = August 1556) und machten miteinander ab, ihn empfindlich zu strafen, ihm die bedeutenden Einnahmequellen von dem levantinischen Handel vollständig abzuschneiden. Da aber eine solche Maßregel nur ausführbar und wirksam sein konnte, wenn sämtliche nach Italien handeltreibenden Juden damit einverstanden waren, sagten die Zustimmenden vor der Hand ihre Mitwirkung nur auf acht Monate zu, nicht mehr in Ancona Geschäfte zu machen (bis März 1557), damit inzwischen die wichtige Angelegenheit, welche so tief in die Geschäftsinteressen eingriff, wohl erwogen und die Zustimmung aller europäischtürkischen Juden erzielt werde. Die besonders dabei beteiligten Juden von Pesaro und die ehemaligen Marranen im türkischen Reich gaben sich natürlich alle Mühe, einen gemeinsamen Beschluß, den Papst und seine Hafenstadt in den Bann zu tun, durchzusetzen. Es wurde dafür unter anderen geltend gemacht, der Herzog Guido Ubaldo habe nur in [337] Aussicht auf Gewinn von dem pesarenischen Hafen den Marranen ein Asyl geboten, und diese hätten sich ihm verpflichtet, dafür zu wirken. Er habe die Zumutung des Papstes, die Flüchtlinge zur Bestrafung auszuliefern, zurückgewiesen und sich dadurch dessen Zorn zugezogen, da er ihn seines Kapitanats entsetzt habe, das ihm so und so viel einbrachte, alles um der Juden willen. Es sei daher zu befürchten, wenn die levantinischen Juden nach wie vor nach Ancona Geschäfte machen sollten, daß der Herzog die Marranen in Pesaro der Wut des Papstes überliefern werde; es sei also die größte Lebensgefahr für sie, zu deren Abwendung jeder Jude religiös verpflichtet sei. Der Bann, welcher zuerst von dem Rabbinate in Salonichi über diejenigen, welche Ancona geschäftshalber aufsuchen würden, ausgesprochen wurde, hatte in der Tat eine für diese Stadt empfindliche Wirkung. Ein Jahr ungefähr nach Entzündung des Scheiterhaufens in dieser Stadt klagte der Magistrat beim Papste über den Verfall ihres Wohlstandes. Wenn er nicht für Abhilfe sorgte, würde Ancona, das mit den anderen Seehäfen gewetteifert habe, zu einem unbedeutenden Flecken herabsinken (10. August 1556)39. Die anconesischen Juden, welche nicht zu den Marranen gehörten, erlitten dadurch ebenfalls bedeutenden Verlust und säumten nicht, auch ihrerseits Schreiben durch ihren Rabbinen Mose Basula (einen in Ansehen stehenden Kabbalisten) an die türkischen Gemeinden zu richten und sie zu beschwören, keinen bindenden Beschluß zu fassen, weil sie selbst dadurch in große Gefahr geraten würden bei dem leidenschaftlichen Gemüte des Papstes, der sie unfehlbar ins Elend jagen würde, wenn er erfahren sollte, daß die Juden Rache an ihm zu nehmen gedächten. Dagegen sei für die Pesarener nichts zu fürchten, da Guido Ubaldo ein einsichtsvoller Fürst sei und die Marranen nicht für das Verhalten der levantinischen Juden verantwortlich machen würde. Er habe auch ohne weiteres einen Aufruf ergehen lassen, daß die flüchtigen [338] Marranen aller Länder in seinem Staate das Judentum offen bekennen dürften.

Inzwischen hatte die Entrüstung der türkischen Juden gegen den Papst vielfachem Bedenken materieller Art Platz gemacht. Die jüdischen Kaufleute, wel che ihre Schiffe nach Pesaro geschickt hatten, fanden, daß der dortige Hafen nicht dieselbe Sicherheit bot, wie der von Ancona. Guido Ubaldo hatte zwar versprochen, ihn zu verbessern; aber daraufhin mochte der jüdisch-levantinische Handelsstand seine Kapitalien nicht wagen. Aller Augen waren daher auf die Hauptgemeinde von Konstantinopel gerichtet; dorthin hatten die übrigen Vertreter der Handelsplätze Salonichi, Adrianopel, Brussa, Aulona, Morea Schreiben gerichtet, die Angelegenheit wohl zu erwägen und ihre Interessen zu berücksichtigen. Hier hatte natürlich Doña Gracia und Joseph Naßi die Hauptstimme, und sie waren von vorn herein entschieden dafür, den unmenschlichen Papst empfindlich zu züchtigen. Sie hatten zugleich allen ihren Agenten die Weisung erteilt, die Waren ihres Hauses nach Pesaro zu expedieren. Auch die portugiesischen und ein Teil der spanischen Gemeinden in der Türkei waren sofort damit einverstanden, einen durchgreifenden Beschluß zu fassen und unter Androhung des Bannes der jüdischen Handelswelt zu verbieten, Geschäfte nach Ancona zu machen. Es zeigte sich aber in Konstantinopel selbst eine kleine Opposition, indem ein Teil der Kaufleute seine Interessen durch die Bevorzugung von Pesaro zu gefährden fürchtete. Die Sache lag also in der Hand der Rabbinen von Konstantinopel; wenn diese sich einstimmig dahin aussprächen, daß aus Rücksicht auf die nahe Gefahr der pesarener Marranen der Hafen von Ancona zu meiden sei und die Übertreter dieses Verbotes dem Banne verfallen sollten, so würde ihre Autorität ins Gewicht fallen und den Ausschlag geben. Die Rabbinen von Salonichi und den übrigen großen türkischen Gemeinden würden ihnen unfehlbar nachfolgen. Gracia und Joseph Naßi bewogen daher den von ihnen unterstützten Rabbinen Joseph Ibn-Lab, die übrigen Rabbinen der verschiedenen Konstantinopeler Gemeindegruppen zu bestimmen, sich für die Züchtigung des Papstes auszusprechen. Anfangs hatte auch ihr Vorhaben einen guten Fortgang. Drei Rabbinen, die Spanier Salomo Ibn-Billa und Samuel Saba, sowie ein romaniotischer, der angesehene Greis Abraham Jeruschalmi auf seinem Sterbebette, unterzeichneten den gefaßten Beschluß. Ibn-Lab hatte ein rabbinisches Gutachten darüber ausgearbeitet, worin er es nach dem Wunsche Doña Gracias als selbstverständlich hinstellte, daß ein allgemeines Verbot erlassen werden müßte, nach dem päpstlichen Ancona Geschäfte zu machen.

Aber zwei Rabbinen waren gegen einen solchen Beschluß, Josua Soncin, ein eingewanderter Italiener, aber Rabbiner einer der [339] spanischen Gemeinden, und ein Rabbiner einer deutschen Gemeindegruppe. Jener erklärte, er könne es nicht über sich gewinnen, dem gewünschten Beschlusse seine Unterschrift zu geben, bis er die Überzeugung gewänne, daß die in Ancona wohnenden Juden dadurch keinerlei Gefahr ausgesetzt würden; sonst hieße es das Leben der einen durch das Leben der andern retten zu wollen. Für ihn war das Sendschreiben des Rabbiners Mose Basula maßgebend, daß den Juden von Ancona eine größere Gefahr drohe, falls der Beschluß ausgeführt würde. Josua Soncin war entrüstet darüber, als einige Speichellecker der Doña Gracia hinwarfen, auf das Zeugnis des Mose Basula sei nichts zu geben; er sei möglicherweise von den anconesischen Kaufleuten bestochen worden. Darüber rief jener Weh aus, ob denn die Rabbinen, die Lehrer der Thora den katholischen Priestern (damaliger Zeit) gleichzusetzen wären daß sie aus Eigennutz handelten! Josua Soncin schlug daher vor, einen eigenen Eilboten nach Italien, namentlich nach Padua an den allgemein geachteten, gewissenhaften Rabbinen Meïr Katzenellenbogen zu senden, damit dieser, in der Nähe des Schauplatzes, darüber endgültig entscheiden sollte, auf welcher Seite eine größere Gefahr zu befürchten sei; er selbst wolle die Kosten des Sendboten tragen. So sehr auch Josua Soncin Joseph Naßi zugetan war und so sehr er Doña Gracia bewunderte, so mochte er doch nicht aus Liebedienerei sein Gewissen beschweren und auf den Vorschlag ohne weiteres eingehen. Er erklärte rund heraus, er könne vor der Hand sich nicht an dem Beschlusse beteiligen. Auch der Rabbiner der deutschen Gemeinde versagte den Beschluß in seiner Synagoge bekannt zu machen, und opferte dadurch seinen Jahrgehalt, den er von Joseph Naßi bezog. Denn dieser, obwohl von edler Gesinnung, konnte keinen Widerspruch vertragen, war ein wenig gewalttätig und mag in dieser Angelegenheit Recht gehabt haben, da er den Herzog Guido Ubaldo besser als die Rabbinen kannte und wenig auf dessen Judenfreundlichkeit rechnete, wenn derselbe keinen Gewinn davon ziehen würde. Da nun in der Hauptgemeinde Konstantinopels kein einstimmiger Beschluß zustande kam, so waren die jüdischen Kaufleute der übrigen türkischen Gemeinden froh, ihren Handel nach Ancona fortsetzen zu können. Vergebens forderte Doña Gracia, die es als eine Herzensangelegenheit betrachtete, den Marranen in Pesaro Vorschub zu leisten, ein Gutachten von dem Rabbinate der Gemeinde Safets, das durch dessen zwei Vertreter, Joseph Karo und Mose di Trani, die höchste Autorität in der morgenländischen Judenheit genoß. Der Bann der Rabbinen über den Papst Paul IV. trat nicht in Wirksamkeit.40 Während die Rabbinen [340] noch berieten, trat zum großen Schmerze der Doña Gracia und ihrer Anhänger endlich doch das ein, was sie befürchtet hatte. Der Herzog Guido Ubaldo, welcher seine Erwartung getäuscht sah, seine Hafenstadt Pesaro zum Mittelpunkte des levantinisch-jü dischen Handels erhoben zu sehen und von dem Papste in judenfeindlichem Sinne bestürmt wurde, wies die in Pesaro aufgenommenen Marranen wieder aus (März 1558). Man muß es ihm indes noch hoch anrechnen, daß er sie nicht den Schergen der Inquisition überliefert hat. Die Ausgewiesenen steuerten auf gemieteten Schiffen meist ostwärts. Die päpstliche Schiffspolizei lauerte ihnen aber auf, und sie entkamen nur mit Not. Einige von ihnen gerieten in Gefangenschaft und wurden als Sklaven behandelt.41 Der ebenso geschickte wie menschenfreundliche marranische Arzt Amatus Lusitanus, der eine kurze Zeit in Pesaro geweilt und dann in Ragusa vielen Christen das Leben gerettet oder die Gesundheit wiedergegeben hatte, mußte ebenfalls die christliche Erde verlassen und nach der fast jüdischen Stadt Salonichi auswandern (1558 bis 1559).42 Auch den Marranen in Ferrara scheint dieses Jahr Unglück gebracht, und der Herzog ihnen den Schutz entzogen zu haben, denn die Druckerei des Abraham Usque wurde in diesem Jahre eingestellt.43 Der Kardinal Michele Ghislieri, nachmaliger Papst Pius V., welcher zu der zelotischen, mönchischen Partei gehörte, richtete ein Schreiben an diesen Herzog mit der Aufforderung den Dichterling Jakob da Fano, welcher den Märtyrertod der Marranen in Ancona in Versen verherrlicht (o. S. 328), und den Druckereibesitzer, der sie veröffentlicht hatte (Abraham Usque?) zu bestrafen, da doch die Ketzer gerechterweise verbrannt worden seien.44 Joseph Naßis Bruder, Don Samuel Naßi, welcher die Geschäfte des Hauses in Ferrara leitete, wurde von dem Herzog Ercole so sehr chikaniert, daß jener erst die Vermittlung des türkischen Hofes anrufen mußte, um freie Übersiedlung nach Konstantinopel zu erlangen.45 Ein drohender Blick des ungläubigen Sultans vermochte mehr bei den christlichen Fürsten als die Stimme der Gerechtigkeit und Menschlichkeit.

Je mehr sich der Papst Paul IV. dem Grabe näherte, desto rasender wurde er gegen die Juden. Weil ein Jude, David d'Ascoli, es gewagt hatte, das Dekret des Papstes, gelbe Hüte zu tragen, in einer [341] Schrift zu kritisieren, wurde er in den Kerker geworfen.46 Getaufte Juden, Sixtus Senensis und Philipp oder Joseph Moro, zogen auf seinen Befehl in den Gemeinden des Kirchenstaates umher und quälten die Juden mit ihren aufreizenden Predigten. Der letztere drang einst mit einem Kruzifix, das die Juden nun einmal als Götzenbild betrachteten, am Versöhnungstage (1558) in die Synagoge von Recanate und stellte es mit Ungestüm in die Lade, wo die »heilige Thora« aufbewahrt wurde. Als die Juden ihn wegen Verletzung ihres Heiligtums hinausdrängten, versammelte er den wütenden Pöbel um das Gotteshaus, und zwei Juden, welche Hand an ihn gelegt hatten, wurden auf Befehl des Stadthauptmanns gefesselt und gegeißelt.47 Am meisten aufgebracht war dieser leidenschaftliche Papst gegen Marranen und Talmud. Die ersteren suchte er in den entlegensten Schlupfwinkeln auf. Viele Scheinchristen Spaniens und Portugals, die sich nicht durch die Flucht retten konnten, pflegten nämlich in einen Mönchsorden zu treten und heulten sozusagen mit den Wölfen, um von ihnen nicht angefallen zu werden. Den Jesuitenorden, der in kurzer Zeit die älteren Orden bei weitem überflügelt hatte, zogen die Marranen vor, weil sie da, wo feine Köpfe Wert hatten, eher Gelegenheit fanden, die Listigsten zu überlisten und ihren Leidensgenossen Dienste zu leisten. Die spanische Regierung unter dem düstern Philipp II., Karls Sohn, begünstigte daher die Jesuiten nicht; sie fürchtete mit Recht oder Unrecht, die vielen Scheinchristen in ihren Reihen könnten sich einmal wegen der vielen erlittenen Mißhandlungen rächen.48 Auch in Franziskanerkutten hüllten sich die Marranen, sie schlichen sich in die Winkel ihrer Feinde. Paul IV., bei dem über die Aufnahme von Judenchristen in Mönchsorden geklagt wurde, verbot Mitglieder von jüdischem Geblüt in Orden aufzunehmen.49

Mit dem Talmud hatte er noch gründlicher aufgeräumt; es gab im Kirchenstaat und in dem größten Teil Italiens kein Talmudexemplar mehr, die Besitzer eines solchen waren einer schweren Strafe ausgesetzt. Die Lehrhäuser hatten meistens aufgehört. Es wäre, wenn dieser Zustand allgemein geworden wäre, eine große Unwissenheit und Stumpfheit unter den italienischen Juden eingerissen, die den Endzweck des Papstes, die Bekehrung derselben, leicht gefördert hätten. Es entstand aber damals ein großes Lehrhaus und ein Asyl für den verfolgten Talmud in einer oberitalienischen Stadt, in Cremona, die zu Mailand gehörte. Dort hatte unter dem Statthalter von Mailand ein aus Deutschland eingewanderter Talmudkundiger Joseph[342] Ottolenghi aus Ettlingen (blühte 1540 bis 1576) ein Lehrhaus eröffnet, den Talmud gelehrt und rabbinische Schriften drucken lassen.50 Jeder Besitzer von Talmudexemplaren ließ sie daher heimlich nach Cremona bringen, und so entstand dort eine reichhaltige Niederlage dafür, von wo aus sie nach dem Morgenlande, Polen und Deutschland exportiert wurden. Diese allerdings dürftige Religionsfreiheit behielten die Juden auch unter den Spaniern, welche mit Paul IV. Krieg zu führen gezwungen waren. Nachdem der Papst sich zu einem schimpflichen Frieden bequemen mußte, sann er darauf, die jüdischen Schriften auch in Cremona verbrennen zu lassen. Die Dominikaner, diese Polizei des Papsttums, bearbeiteten in seinem Sinne die Bevölkerung, um einen Druck auf den Statthalter, den spanischen Herzog von Siesa (Sessa) auszuüben. Aufreizende Schriften wurden in Cremona verbreitet, welche das Volk geradezu aufforderten, die Juden totzuschlagen (8. April 1559). Einige Tage später wurde der Statthalter von zwei Dominikanern, von denen der eine, Sixtus Senensis, ein getaufter Jude war, angegangen, einen Scheiterhaufen für Talmudexemplare zu errichten, da er lauter Schmähungen gegen Jesus usw. enthalte. Da der Herzog von Siesa der Klage der Dominikaner nicht ohne weiteres Glauben schenken mochte, traten zwei Zeugen gegen den Talmud auf (17. April), der getaufte Jude Vittorio Eliano, Tochterenkel des jüdischen Grammatikers Elia Levita (o. S. 320), und ein gewissenloser deutscher Jude Josua dei Cantori (?), der in Streit mit Joseph Ottolenghi lebte und dadurch Rache an ihm nehmen wollte. So wurde denn der spanische Statthalter von Mailand von der Gemeinschädlichkeit des Talmuds überzeugt und gab seiner Soldateska den Befehl, in den Häusern der Juden von Cremona und in den Druckoffizinen Haussuchung zu halten, sämtliche Exemplare zusammenzuschleppen und damit einen großen Brand anzulegen. Zehn- bis zwölftausend Bücher wurden bei dieser Gelegenheit verbrannt (April oder Mai 1559).51 Hat doch dieser Papst sämtliche in [343] Italien vorgefundenen Schriften der Protestanten und selbst die Bibel, welche in neuere Sprache übersetzt war, aufsuchen und verbrennen lassen. Wie sollte er den Talmud verschonen.

Beinahe wäre Vittorio Eliano, der boshafte Täufling, durch den Scheiterhaufen für den Talmud selbst zu Schaden gekommen. Denn die spanischen Soldaten, denen der Befehl zugegangen war, auf die Schriften der Juden zu fahnden, kümmerten sich wenig darum, ob dieselben talmudischen oder andern Inhalts waren. Sie hätten daher um ein Haar auch die kabbalistische Grundschrift, den Sohar, das Schoßkind des Papsttums, mit verbrannt. Seit der Schwärmerei Picos de Mirandola und noch mehr Reuchlins, des Kardinals Egidio de Viterbo, des Franziskaners Galatino für die Mystik glaubten nämlich die orthodoxesten Kirchenlehrer und Kirchenfürsten steif und fest, die Kabbala enthalte die Mysterien des Christentums. Der Vernichtungsbann, welcher gegen den Talmud geschleudert wurde, traf daher den Sohar, das kabbalistische Grundbuch, nicht. Ja, er wurde gerade unter dem Papste Paul IV. mit Bewilligung der Inquisition von Emanuel de Benevent zuerst gedruckt.52 Die Kabbala sollte sich auf den Trümmern des Talmuds aufbauen. Die angesehenen italienischen Rabbinen, Meïr von Padua und andere gaben zwar nicht ihre Einwilligung dazu, sie trugen Scheu, dasjenige, was eine Geheimlehre bleiben sollte, durch den Druck jedermann zugänglich machen zu lassen. Allein der eingefleischte Kabbalist Mose Basula (o. S. 338), ferner ein Rabbiner aus Mantua Mose Provenzali und ein hergelaufener Halbrabbiner Isaak ben Emanuel de Lates,53 der es im Alter nicht weiter als bis zum Hauslehrer bei Isaak Abrabanel II. in Ferrara gebracht hat, diese drei unterstützten und förderten die Veröffentlichung des Sohar (Mantua 1558 bis 1559).

[344] Noch während des Druckes in Mantua wollten ihn aber einige italienische Rabbinen verbieten und den Bann über die Herausgeber aussprechen, weil das Papsttum den Talmud verbrennen ließ und ihn verschonte und weil die Beschäftigung mit dem Sohar zur Ketzerei führe und er daher weit eher verdiente, dem Gebrauche entzogen oder gar verbrannt zu werden. Aber Isaak de Lates trat als geharnischter Kämpfer für ihn und die Herausgeber auf. Unter den albernen Gründen, die er dafür anführte, ist einer charakteristisch, »daß durch die kabbalistische Betrachtung die Übung der Ritualien nicht so nüchtern, trocken, geistlos, wie angelernte Menschengebote erscheine.« So wurde der Druck des Buches fortgesetzt, welches dem Judentum fast schwerere Wunden beigebracht hat als alle bisherigen Schläge. – Aus Brotneid auf die Mantuaner Herausgeber, weil der Absatz in Italien und dem Oriente viel Gewinn versprach, ließ ein christlicher Verleger Vicenti Conti in Cremona in derselben Zeit ebenfalls den Sohar drucken, versprach viel mehr zu liefern, um die Mantuaner Ausgabe zu verdächtigen, hielt aber nicht Wort, sondern gab einen fehlerhaften Text heraus. An diesem Cremonesischen Sohar war der getaufte Enkel des Elia Levita, der giftige Kanonikus Vittorio Eliano, beteiligt, und er scheute sich nicht, ein marktschreierisches hebräisches Vorwort dazu zu schreiben, um Kundschaft anzulocken und seinen Namen dabei zu nennen.54 Als nun während des Druckes die spanischen Soldaten nach jüdischen Schriften in Cremona suchten, fanden sie zweitausend Exemplare des Sohar und waren im Begriff, auch sie auf den Scheiterhaufen zu werfen. Vittorio Eliano und seine Geschäftsgenossen wären dadurch beinahe um ihren Gewinn und ihre Auslagen gekommen. Aber ein anderer Täufling, jener Sixtus von Siena, der selbst schon wegen Ketzerei den Scheiterhaufen bestiegen hatte, von einem Kardinal – zur Schädigung der Juden – gerettet wurde und von der päpstlichen Inquisition den Auftrag hatte, den Talmud in Cremona vernichten zu helfen, tat der Wut der spanischen Soldaten Einhalt und rettete den Sohar.55 So wurde für den Augenblick der Talmud verbrannt und der Sohar verschont. Es war ein richtiger Instinkt der Judenfeinde, diese geistige Giftquelle den Juden zu lassen, in der Hoffnung, daß die Anhänger des Sohar sich eher vom bestehenden Judentum lossagen würden. Durch den Druck wurde der Sohar immer mehr als ein kanonisches Buch verehrt, und eine geraume Zeit wurde in jeder hebräischen Schrift, die nicht gerade trocken talmudisch gehalten war, der Sohar ebenso wie Bibelverse und gleichberechtigt mit der heiligen Schrift angeführt. Aber die Liebe des Papsttums [345] zur Kabbala dauerte nicht lange; einige Jahre später wurden auch die kabbalistischen Schriften in den Katalog der zu verbrennenden Schriften (Index expurgatorius) gesetzt.56

Pauls IV. Feindseligkeit gegen die Juden und ihre Schriften blieb nicht auf Italien beschränkt, sondern erhielt, durch den von ihm entzündeten fanatischen Geist genährt, größere Ausdehnung. Getaufte Juden waren stets die Werkzeuge solcher Verfolgungen. Ein solcher Täufling Ascher aus Udine erhob ebenfalls Anklagen gegen die jüdischen Schriften in Prag, und die Obrigkeit konfiszierte alle samt und sonders, auch Gebetbücher, an achtzig Zentner, und schickte sie nach Wien (1559). Die Vorbeter waren infolgedessen genötigt, in der Synagoge auswendig vorzutragen. Ein Feuer, das in derselben Zeit (17. Tamus = 22. Juni) in Prags Judengasse ausbrach und einen großen Teil ihrer Häuser – 72 – in Asche legte, zeigte noch mehr den fanatischen Haß der Christen gegen sie. Anstatt den Unglücklichen beizuspringen und Rettung zu bringen, warfen sie selbst schwache Weiber in die prasselnden Flammen und plünderten die Habseligkeiten der Juden. Als wenn das Maß des Unglückes für sie nicht voll gewesen wäre, machte der seit einem Jahre zum Kaiser ernannte Ferdinand I. mit der Ausweisung der Juden aus Böhmen und Prag Ernst. Noch beim Leben des Kaisers Karl V. hatte er als Erzherzog demselben vorgeschlagen, die Juden aus dem böhmischen Lande zu vertreiben, weil sie mit Münzen und Zinsen nicht nach Gebühr verführen – auf die Zustimmung des Landtages konnte bestimmt gerechnet werden. Ein halbes Jahr später wiederholte er diesen Antrag, die Juden aus Prag zu vertreiben, die Synagogen in Kirchen zu verwandeln und ihre Häuser zu verkaufen. Er hatte sich auch vergewissert, daß sich viele Käufer für die Häuser finden würden und der Fiskus dadurch keine Einbuße erleiden würde (10. Oktober bis 16. November 1557). Indessen hatten die Juden doch eine Galgenfrist erlangt; sie durften noch auf jährliche Kündigung bleiben.57 Kaiser Ferdinand war zwar ein milder Fürst, der an dem Frieden zwischen Katholiken und Protestanten ernstlich arbeitete, aber gegen die Juden hatte er eine unüberwindliche Antipathie. Er war es, der zuerst für die wenigen österreichischen Juden die Zettelmeldung oder die Judenzettel einführte. Er hatte verordnet, daß jeder in Österreich wohnende Jude, wenn er geschäftshalber nach Wien käme, sich in der kürzesten Zeit beim Landesmarschall melden und angeben sollte, womit er Geschäfte zu [346] treiben und wie lange er daselbst zu weilen gedächte. Fremde Juden, die nicht Kammergut waren, mußten sich ebenfalls wegen eines Zettels melden, durften aber nicht länger, als ihnen der Stadtrichter bewilligt hatte, dort bleiben. Auch sollten die Juden, österreichische wie fremde, nur in zwei Herbergen verkehren, und wenn sie anderswo betroffen würden, dafür schwer bestraft werden. Vergessen war nicht, daß sie während ihres Aufenthaltes in Wien zur Unterscheidung die Judenabzeichen tragen müßten. Inmitten dieser Unduldsamkeit zeigt sich indes ein Zug der Milde in Ferdinands Verfügung. Das Dekret zur Beschränkung der inländischen Juden vom Lande sollte nicht öffentlich bekannt gemacht werden, »weil ihnen dadurch auf dem Lande, in Dörfern und Märkten, bei dem gemeinen Manne große Verachtung, Unwillen und Gefährlichkeit zugezogen werden könnte, und leichtfertige Christen vorgeben könnten, den Juden wäre die Stadt Wien wegen großer Verbrechen und Übeltaten verboten«. Die Anzeige von der Verfügung sollte den jüdischen Vorstehern gemacht werden, damit diese die andern unter einander vor Übertretung warnten. Dagegen sollte die Beschränkung der auswärtigen Juden öffentlich bekannt gemacht werden; wenn diese von leichtfertigen Personen gefährdet werden sollten, hätte es nicht so viel auf sich.58 Dieser Beschränkung der Juden ließ Ferdinand andere folgen, bis er ihre Ausweisung mit ihren Weibern, Kindern, Gesinde, Hab und Gut aus dem Lande Niederösterreich und Görz bis zum nächsten Johannestage befahl.59 Sie erhielten zwar nach und nach Aufschub zur Auswanderung auf zwei Jahre, aber doch mußten sie endlich den wandernden Fuß in die Fremde setzen.60

Dasselbe Los dachte Kaiser Ferdinand auch der alten Gemeinde von Prag zu. Was die Veranlassung dazu gewesen sein mag, ist je nachdem leicht oder schwer zu erraten. Die Prager Gemeinde stand damals bei ihren Schwestern in sehr üblem Rufe, als niedrig, habsüchtig, gewissenlos, gewalttätig und streitsüchtig. Selbst vor Meineid schreckten viele Gemeindemitglieder nicht zurück. Die Vorsteher und ihre Verwandten durften sich alle Ungerechtigkeiten erlauben, und die Bedrückten erhielten kein Recht. Um die Besetzung der Rabbinen und die Wahl der Vorsteher entstanden regelmäßig so heftige Streitigkeiten, daß auf des Kaisers Veranlassung die angesehensten Rabbinate Deutschlands und Italiens eine Wahlordnung für die Gemeinde von Prag ausarbeiten mußten, Meïr von Padua, Jakob von Worms (Oberrabbiner sämtlicher deutschen Gemeinden) und Elieser Treves in Frankfurt a.M.61 Das Prager Rabbinatskollegium[347] dieser Zeit, aus drei unbedeutenden Männern bestehend, war so kraftlos, daß unter seinen Augen Verbrechen geschehen durften. Mit großer zynischer Offenheit wurden falsche Zeugen gesucht und gefunden. Auf Angeberei mußte sich jedermann gefaßt machen. Der Grund dieser trüben Erscheinung war wohl, daß bei der Zurückberufung der Juden nach der zwei Jahrzehnte vorher stattgefundenen Ausweisung nicht die bessergesinnten Juden, sondern nur die Hefe wieder nach Prag zurückgekehrt war. Die Christen wurden gewiß von diesem jüdischen Gesindel vielfach übervorteilt. Aber schwerlich waren die Christen derselben Klasse gesitteter und gewissenhafter. Die Anschauung war aber damals einmal so. Die christliche Gesellschaft übte gegen ihre Glieder große Nachsicht, an die Judenheit dagegen stellte sie die Anforderung der Tugendhaftigkeit und Rechtlichkeit mit äußerster Strenge. Über die zweite Austreibung der Juden aus Prag wurde übrigens lange verhandelt, denn selbst die Erzherzöge, die sich damals im Lande befanden, waren entschieden dagegen; sie erfolgte aber dennoch (1561).62 Die Abziehenden wurden von Raubrittern überfallen und ausgeplündert. Aber auch damals, wie nach der ersten Ausweisung schien es, als wenn die Prager Christen oder wenigstens der Adel eine Sehnsucht nach den Juden empfände. Kaum waren sie ausgetrieben, so geschahen schon wieder Schritte, sie zurückzurufen, und die Erzherzöge begünstigten sie. Der Kaiser Ferdinand wies aber das Gesuch um abermalige Zulassung der Juden unter dem Vorwande oder mit aufrichtiger Einfalt ab, er habe geschworen, die Juden aus Prag auszuweisen und dürfe seinen Eid nicht brechen. Darauf unternahm ein edler Jude von Prag eine Reise nach Rom, um von dem neuen Papste Pius IV. – der judenfeindliche Paulus IV. war bereits gestorben – die Entbindung des Kaisers vom Eide zu erwirken.

Dieser edle Mann war Mardochaï Zemach ben Gerschon aus der berühmten Druckerfamilie Soncin, deren Urahn Gerson oder Girolamo Soncino nicht bloß schöne hebräische, sondern auch lateinische Druckschrift gießen ließ und neben rabbinischen Schriften auch Petrarcas Gedichte herausgegeben hat, und deren Glieder in mehreren Städten der Lombardei, in Konstantinopel und Prag jüdische Druckereien mit vielem Erfolg betrieben.63 Obwohl Mardochaï Zemach von der Prager Gemeinde schwere Kränkungen an seiner Ehre erfahren hatte, und seine verehelichte Tochter trotz ihrer Unschuld, eine zweite Susanna, von falschen Zeugen des Ehebruchs bezichtigt und von [348] feigen Rabbinen verurteilt worden war, so ließ er sich doch bereit finden, Opfer zugunsten der Prager Gemeinde zu bringen. Er unternahm zum angegebenen Zweck eine Reise nach Rom unter vielen Mühsalen und Fährlichkeiten. Seine Mühe war von Erfolg gekrönt. Der Papst, welcher damals die Macht zu binden und zu lösen hatte, entband den Kaiser seines Eides, und dieser fühlte sein Gewissen erleichtert. Sein Sohn Maximilian (später Kaiser) nahm ganz besonders die Juden von Prag in Schutz, und so wurde das Ausweisungsdekret rückgängig gemacht.64 Sie durften wieder in Prag und einigen böhmischen Städten weilen, auch im Österreichischen wurden sie wieder zugelassen. Aber selbst unter den besten Kaisern, wie Maximilian II. und Rudolph, hatten sie ein dornenvolles Dasein: die Hand der offiziellen katholischen Kirche lastete schwer auf ihnen.

Der erste konsequente Vertreter des fanatischen, verfolgungssüchtigen katholischen Kirchentums, der Papst Paul IV. war zwar gestorben (August 1559), und die Römer hatten sein Andenken und sein System verwünscht. Das Volk hatte sich wie zu den alten Zeiten der römischen Republik auf dem Kapitol zusammengerottet, war durch die ewige Stadt gezogen, hatte Feuer an das Inquisitionsgebäude gelegt, die Schergen und die Dominikaner gemißhandelt, die Wappenschilde und die Bildsäule des Papstes zerschlagen und den Kopf derselben durch die Straßen geschleift, während der von diesem Kirchenfürsten vielfach gekränkte römische Adel diesem Treiben mit Schadenfreude zusah oder es noch unterstützte. Mit Hohngelächter hatten die Römer es angesehen, wie ein Jude das von diesem Papste so unerbittlich befohlene gelbe Judenbarett auf den Kopf von dessen Bildsäule gesetzt hatte.65 Allein was nützte diese kindische Wut gegen den Verstorbenen? Das System überlebte seinen Urheber um Jahrhunderte. Die Römer hatten ihren Plan, keinen geistlichen Fürsten mehr über sich zu dulden, nicht ausgeführt, und diese Unterlassungssünde rächte sich schwer an ihnen und an der Menschheit. Es verging fast ein halbes Jahr, ehe ein neuer Papst gewählt wurde, und dieser Pius IV. (1559 bis 1565), war zwar ein milder, weltlich gesinnter Mann, der nichts oder wenig von Theologie verstand und sogar die Unmenschlichkeit der Inquisition verabscheute. Allein er mußte nichtsdestoweniger dieses [349] höllische Institut bestehen lassen und durfte die gefallenen Opfer nur im Stillen beklagen. Die Jesuiten und die streng Kirchlichen hatten bereits in der katholischen Kirche die Oberhand erlangt, und jeder nachfolgende Papst mußte sich ihnen willig oder widerwillig fügen. Wurden doch unter dem Papste Pius IV., einem der besten der römischen Hohenpriester, die Satzungen des tridentinischen Konzils zum Beschlusse erhoben, welche die Geister der Katholiken bis auf den heutigen Tag knechten!

Eine Deputation der römischen Juden hatte sich zu dem neugewählten Papste begeben, um ihm zu huldigen, und schilderte mit beredten Worten die Leiden, welche sein Vorgänger über sie verhängt hatte. Pius IV. versprach ihnen Abhilfe und erließ etwas spät eine Bulle für die Juden des Kirchenstaates (27. Februar 1562), die allerdings günstig genug für sie ausfiel; aber die mildernden Bestimmungen lassen die noch zurückgebliebenen Beschränkungen um so greller hervortreten. Die Einleitung dazu ist deswegen interessant, weil sie die Heuchelei der päpstlichen Kurie an den Tag legt. »Die von meinem hochseligen Vorgänger aus Eifer für die Religion erlassenen Vorschriften für euer Verhalten haben (wie wir vernommen) einige nach euren Gütern Lüsterne zum Vorwand falscher Anklagen und Quälereien gegen euch genommen und sie gegen die Absicht meines Vorgängers ausgelegt, wodurch ihr gequält und beunruhigt wurdet. Darum verordnen wir in Erwägung, daß die heilige Mutter Kirche vieles den Juden gewährt und einräumt, damit der Rest von ihnen selig werde und gestützt auf das Beispiel unserer Vorgänger« – nun, was verordnet der Papst Großes? – daß die Juden des Kirchenstaates außerhalb der Stadt ihre Abzeichen, das gelbe Barett, ablegen, daß sie Grundbesitz bis zum Wert von 1500 Dukaten erwerben, daß sie auch andere Geschäfte als mit alten Kleidern betreiben und daß sie allenfalls mit Christen verkehren, aber ja nicht christliche Dienstboten halten dürfen. Auch außerhalb des Ghetto dürften sie Kramladen halten, aber nur von Sonnenaufgang bis abends. Das war so ziemlich alles, was einer der besten Päpste ihnen gewährt hat, gewähren konnte. Wichtiger war für die römischen Juden der Punkt, daß die Anklagen wegen Vergehungen gegen die harten Gesetze Pauls IV. niedergeschlagen wurden, auch wegen des Verbrechens derjenigen, welche ihre Talmudexemplare nicht vorgezeigt hatten. Auch die Ungerechtigkeit, daß jüdische Gläubiger die bereits von christlichen Schuldnern eingezogenen Zinsen zurückzuerstatten gehalten seien, hob Pius IV. auf. Er gestattete ihnen auch, mehrere Synagogen zu besitzen.66 Die italienischen Juden ließen [350] es sich auch angelegen sein, von dem Papste die Lösung des Bannes über die talmudischen Schriften zu erwirken. Diese Angelegenheit lag aber damals in den Händen der auf dem Konzil zu Trient tagenden Kardinäle und Bischöfe. Um sie durchzusetzen, wählten die italienischen Gemeinden zwei Deputierte (Oktober 1563), daß der Talmud und die übrigen angefochtenen jüdischen Schriften nicht in den Katalog (Index) der verbotenen Bücher aufgenommen oder daß mindestens das Urteil, ob das jüdische Schrifttum verboten sei, der päpstlichen Kurie allein überlassen werden sollte. Das letztere scheint ihnen gelungen zu sein. Da das Konzil nur dasjenige Verzeichnis verbotener Schriften genehmigte, welches vorher in der päpstlichen Kanzlei ausgearbeitet worden war, so war auch für die Behandlung der jüdischen Schriften die Ansicht des Papstes und seiner Umgebung maßgebend. Die Entscheidung darüber wurde dem Papste überlassen, und die ser stellte – für Summen – eine Bulle aus, daß der Talmud zwar überhaupt verdammt sei – gleich der ganzen humanistischen Literatur, gleich Reuchlins »Augenspiegel und kabbalistischen Schriften«, samt den »Dunkelmännerbriefen«, Erasmus' und Pirkheimers Schriften – daß er aber, wenn der Name Talmud wegbliebe und er vor der Veröffentlichung von den angeblich christenfeindlichen Stellen gesäubert, d.h. zensiert worden, doch erscheinen dürfe (24. März 1564).67 Sonderbar, der Papst gestattete die Sache und verbot den Namen! Allein er scheute die öffentliche Meinung, die den Widerspruch zu grell gefunden haben würde, daß der eine Papst den Talmud aufsuchen und verbrennen und der andere ihn frei gelassen hätte. So war doch wenigstens Aussicht vorhanden, daß dieses für die Juden unentbehrliche Schriftdenkmal, wenn auch in verstümmelter Gestalt, wieder ans Licht treten konnte. In der Tat wurde der Druck des Talmud einige Jahre darauf in Basel unternommen.

[351] Aber auch dieses wenige wurde den Juden des Kirchenstaates entrissen, als Pius IV. einen Nachfolger erhalten hatte, welcher die düstern mönchischen und unduldsamen Satzungen höher als Menschenglück und Menschenleben achtete und die kirchliche Richtung Caraffas und seiner Genossen auf die Spitze trieb. Pius V. (1566 bis 1572) überbot noch sein Vorbild Paul IV. an Verfolgungssucht und Grausamkeit; denn jener hatte noch neben kirchlichem Eifer ein warmes Interesse für die Unabhängigkeit Italiens und mußte öfter das Kirchliche dem Politischen hintansetzen. Pius V. dagegen, an dem jeder Zoll ein Dominikanermönch war und der nichts von Politik verstand, opferte Menschen und Interessen dem einen Götzenbilde, der Unantastbarkeit des päpstlichen Stuhles. Ein Gemisch von Einfachheit, Edelmut, Strenge gegen sich selbst und hingebender Frömmigkeit mit herber Unduldsamkeit, bitterm Hasse und blutiger Verfolgungssucht,68 hätte Pius V. gern die ganze Erde in ein großes Kloster und alle Menschen in sich kasteiende, grämliche, himmelnde Mönche und Nonnen umgewandelt. Ihm tat die Inquisition nie genug, so viel der Opfer auch waren, welche dieser Moloch in seiner Zeit verbrannte. Selbst die strengsten Katholiken schienen ihm nicht rechtgläubig genug, wenn sie in einem unbedeutenden Punkte von dem Glaubensbekenntnisse abwichen, welches das tridentinische Konzil verknöchert hatte; sie wurden ins Feuer oder in den Kerker geworfen. Er war eine Zeitlang selbst Großinquisitor gewesen, und sein Ohr war gegen die Wehklagen der zum Tode verdammten Opfer stumpf geworden. Die Juden haßte dieser Papst nicht weniger als die deutschen Protestanten, die schweizerischen Calvinisten und die französischen Hugenotten. Sie empfanden bald das Herbe der neuen Kirchlichkeit. Drei Monate nach seiner Inthronisation (19. April 1566) bestätigte er nach allen Seiten hin die Beschränkungen Pauls IV. gegen sie, verschärfte sie noch mehr und setzte die Milderung seines Vorgängers außer Kraft, als wenn sie gar nicht verordnet gewesen wäre. Also abermals Ausschließung vom Verkehr mit Christen, Verbot, Grundbesitz zu haben, andere Geschäfte als Trödelhandel zu treiben, Einschärfung, Judenabzeichen zu tragen, und Verbot mehr als eine Synagoge zu besitzen. Aber nicht nur gegen die Juden des Kirchenstaates erließ er diese Verordnungen, sondern auch gegen die der ganzen katholischen Welt.69 Denn damals, in der Zeit hämisch-kirchlicher Reaktion gegen den Protestantismus, hatte des Papstes Wort einen ganz andern Klang als früher und fand willige Vollstrecker. So traten abermals trübselige Tage für die Juden der katholischen Länder ein.[352] Namentlich wurden damals die mailändischen Gemeinden besonders geplagt, da dort der Statthalter des spanischen Königs Philipp II. regierte, jenes düstern Tyrannen, der an dem Anblick gefolterter und verröchelnder Juden und Ketzer Freude fand. Er hatte seinen Statthalter öfter angewiesen, die Juden aus dem Mailändischen zu vertreiben. Die Ausweisung ist zwar unterblieben, aber andere Plackereien wurden über sie verhängt, und die Inquisition konfiszierte wieder jüdische Schriften in Cremona und Lodi. Der überkirchliche Kardinal Carl Borromeo, den die Kirche heilig gesprochen, ließ es ebenfalls nicht an Feindseligkeiten gegen die Juden fehlen.70 Auch verjagte in dieser Zeit (15. Juni 1567) das stets judenfeindliche Genua die wenigen Juden wieder aus seinem Gebiete. Eine Ausnahme sollte mit dem jüdischen Arzte und Geschichtsschreiber Joseph Kohen gemacht werden, der in Voltaggio weilte. Aber der edle Mann mochte keine Gunst genießen, von der seine Stammgenossen ausgeschlossen waren. Er teilte ihr Los und wanderte nach Casteletto (in Monferrat) aus, wo er von den christlichen Bürgern freundlich aufgenommen wurde.71

Immer neue Leiden hatte Joseph Kohen im Alter in sein »Jahrbuch der Verfolgungen« einzutragen, immer neue Tränen seiner Volksgenossen in seinem »Jammertale« (Emek ha Bacha) zu sammeln. Der geistliche Wüterich Pius V. gab öfter Gelegenheit dazu. Unter dem Vorwande, die Juden des Kirchenstaates hätten die von ihm eingeschärften kanonischen Gesetze übertreten, ließ er viele von ihnen in Kerker werfen und ihre Schriften aufsuchen und verbrennen. Namentlich wurde der wohlhabenden Gemeinde von Bologna hart zugesetzt; es war auf ihr Vermögen abgesehen. Um einen gesetzlichen Grund für den Raub zu haben, wurden mehrere Reiche in Kerker geworfen (1567) und ihnen dann in einem förmlichen Verhör vor einem Inquisitionstribunal verfängliche Fragen über das Christentum vorgelegt, z.B. ob die Juden die Katholiken als Götzendiener betrachten, ob die Verwünschungsformel gegen »die Minäer« und »das Reich des Frevels« im Gebete sich auf Christen und das Papsttum bezöge, und besonders ob die Erzählung in einer wenig gelesenen Schrift von einem »Bastard, Sohn einer Verworfenen« auf Jesus anspiele. Ein getaufter Jude Alessandro hatte die Anklagepunkte zusammengestellt, und darauf hin wurden die Eingekerkerten unter Anwendung der Folter befragt. Einige derselben erlagen den Qualen der Folter und gestanden alles ein, was das Bluttribunal von ihnen verlangte. Nur der Rabbiner von Bologna, namens Ismael Chanina, hatte den Mut, während der Folterung zu erklären, falls er in der Betäubung der Schmerzen Geständnisse machen sollte, diese im voraus [353] für null und nichtig anzusehen seien.72 Indessen da andere Lästerungen der Juden gegen das Christentum zugestanden hatten, so hatte die päpstliche Kurie einen Anhaltepunkt zu Beraubungen. Den Reichen und Vornehmen wurde unter Androhung der schwersten Strafen untersagt, die Stadt zu verlassen. Aber gerade dieses unsinnig strenge Verbot regte in den Juden von Bologna den Gedanken an, die Stadt ganz und gar und auf immer zu verlassen. Durch Bestechung des Pförtners gelang es ihnen, mit Frauen und Kindern dem Fallstricke zu entgehen und nach Ferrara zu entfliehen. Darüber wurde der Papst Pius V. so sehr gegen sämtliche Juden erzürnt, daß er dem Kardinalskollegium seinen Willen kundgab, die Juden des Kirchenstaates allesamt zu vertreiben. Vergebens machten einige Kirchenfürsten dagegen geltend, daß der Petrusstuhl von jeher die Juden geschützt, ja sich verpflichtet dazu gehalten habe, damit der Rest der Juden nicht untergehe und selig werde. Vergebens bestürmte die Geschäftswelt von Ancona den Papst, die Handelsblüte des Kirchenstaates nicht mit eigener Hand zu zerstören. Sein Judenhaß betäubte die Stimme der Vernunft, der Gerechtigkeit und des Vorteils. Die Bulle wurde erlassen (26. Februar 1569), daß sämtliche Juden des Kirchenstaates mit alleiniger Ausnahme derer von Rom und Ancona binnen drei Monaten auswandern sollten; die Zurückbleibenden würden der Sklaverei und noch härterer Strafe verfallen.73 Da für die Ausweisung doch ein, wenn auch scheinbarer Grund angegeben werden mußte, so beschuldigte Pius V. in seiner Bulle die Juden der Unverbesserlichkeit in Übertretung der kanonischen Gesetze, des übertriebenen Wuchers, der Zauberei und der Verführung der Christen und stellte die Tatsache in Abrede, daß die Juden durch die Handelsverbindung mit der Türkei dem Kirchenstaate von großem Nutzen wären.74 Die Duldung der Juden in Rom und Ancona rechtfertigte der Papst damit, daß diese unter den Augen der kirchlichen Behörden besser überwacht werden könnten. Eine besondere Härte lag in der Verordnung, daß diese beiden Gemeinden den Ausfall der Kopfsteuer der Ausgewiesenen decken sollten.75

[354] In dem Kirchenstaate gab es damals außer in Rom, Ancona und Bologna über 1000 jüdische Familien mit 72 Synagogen. In Campanien (19 Synagogen), der Romagna (13), in dem Gebiete des sogenannten Peterserbes (Patrimonium Petri) (12), in Umbrien (8), Benevent (2), Fano (1) und in dem in Südfrankreich liegenden päpstlichen Gebiete Venaissin (6 Synagogen), am meisten jedoch in der Mark, in Ancona (30), in Rom (9) und in Bologna (11).76 Trotz des ihnen drohenden Elends entschlossen sich fast alle davon Betroffenen zum Auswandern; nur wenige gingen zum Christentum über. Die Verbannten büßten noch dazu ihre Habe ein, weil sie in der kurzen Zeit ihre Liegenschaften nicht veräußern und ihre außenstehenden Schulden nicht einziehen konnten. Der Geschichtsammler Gedalja Ibn-Jachja allein verlor an seine Schuldner in Ravenna über 10000 Dukaten.77 Die Verbannten zerstreuten sich, suchten teilweise Schutz in den nahegelegenen kleinen Staaten Pesaro, Urbino, Ferrara, Mantua und Mailand. Die Juden von Venaissin, die einzigen auf französischem Boden seit der Vertreibung der Juden aus Frankreich, in Avignon und Carpentras haben ebenfalls die Heimat verlassen müssen (1570), wo sie unter den früheren Päpsten fast verhätschelt worden waren.78

[355] Unter den humanistischen Päpsten Leo X., Clemens VII. und besonders Paul III. waren sie nämlich von den Beamten des Kirchenstaates außerordentlich begünstigt worden. Die Kurie hatte durch deren Geschäftsumsatz fast ihre einzige Einnahmequelle in dieser Enklave, denn die Juden von Avignon, Carpentras und anderen Städten besaßen große Reichtümer, Güter aller Art und sogar Äcker. Sie hatten das Privilegium, einen hohen Zinsfuß zu nehmen, wodurch Schuldner allerdings Gelegenheit hatten, sich zu ruinieren. Zwei reiche Brüder, Samuel und Bondian Crescas in Carpentras, standen in hohem Ansehen bei den päpstlichen Behörden, waren vielleicht gar Finanzmeister und durften sich viel gegen Juden und Christen herausnehmen.79 Nun wurden sie samt und sonders verbannt. In Carpentras durften sechs reiche jüdische Familien mit ihren Dienern noch zwei Jahre weilen, um ihre ausstehenden Schulden einzuziehen. Aber ihre Kinder durften sie nicht bei sich behalten.80

Die meisten Juden des italienischen und französischen Kirchenstaates wanderten wie alle aus unduldsamen christlichen Gebieten Verwiesene nach der Türkei und fanden dort die beste Aufnahme, wenn sie sie glücklich erreichen konnten und nicht unterwegs von dem maltesischen Raubritterorden aufgefangen und gemißhandelt wurden.81 Es schien damals mit den Juden im christlichen Europa zu Ende zu gehen. Überall Haß, Verfolgung und Ausweisung. In den katholischen Gebieten der Fanatismus des zelotisch gewordenen Papsttums und in protestantischen Ländern die Engherzigkeit und Verblendung des von seiner Höhe zum albernen Schulgezänk herabgesunkenen Luthertums. Beide schienen den oft ausgesprochenen Gedanken der Erzjudenfeinde, daß die Juden im Abendlande nichts zu suchen hätten, verwirklichen zu wollen. Ausnahmsweise erhielten noch die ehemaligen Scheinchristen aus Portugal und Spanien, auf welche die päpstliche Inquisition unerbittlich fahndete, eine Zufluchtsstätte in Savoyen – für Gold. Der Herzog dieses Landes, Emanuel Pbilibert, war zwar nichts weniger als judenfreundlich. Er bedrohte die winzigen Gemeinden in seinem Lande mit Ausweisung, ließ sich indes einmal für die Summe von 2000 Dukaten und eine jährlichen Abgabe von 1500 Dukaten bewegen, sie zu dulden.82 Seine Geldgier benutzten portugiesische und spanische Marranen, ihn anzugehen, ihnen zu gestatten, in seinem Lande zu weilen. Ihre Kapitalien, Gewerbfleiß und Handwerksgeschicklichkeit [356] verlockten ihn, ihr Gesuch zu genehmigen, und er räumte ihnen außergewöhnliche Freiheiten ein (1572).83 Besonders wichtig war für sie, daß sie von der päpstlichen Inquisition wegen Abfalles von der Kirche nicht verfolgt werden, daß die jüdischen Ärzte ihre Kunst an Christen, wie an den Juden ausüben und äußerlich sich wie ihre Standesgenossen kleiden und daß sie hebräische Bücher besitzen und drucken dürften. Mit den Marranen und ihretwegen duldete Emanuel Philibert auch die Ansiedlung von italienischen, deutschen und levantischen Juden – wer weiß, für welche Unsummen er diesen allen solche Privilegien erteilt hat. Allein nicht für die Dauer gewährte er sie ihnen, sondern lediglich für die Frist von fünfundzwanzig Jahren. Darum zogen besonnene Juden die dauernde und unentgeltliche Duldung unter dem Halbmonde der beschränkten und erkauften unter dem Kreuze vor.


Fußnoten

1 Consolação p. 2, Prolog: creo e direo por esta tormenta, que tee gora (agora) nos perseguió e persegue, començar se ja amainar e a desejada manhaã depois da tempestuosa noute do inverno quererse nos aperecer.


2 21. Juli 1542.


3 Diese strenge Zensur wurde 1543 eingeführt.


4 S. o. S. 190.


5 Joseph Kohen nennt als Delatoren gegen den Talmud in dieser Zeit: םהה םינישלמה םישנאה תומש הלאו ונאמור המלשו ורומ ףסוי ,וינילופ יד לאננח ונירכועב ויה רשא (Emek ha-Bacha p. 111). Der letztere ist gewiß identisch mit Johannes Baptista Romano, Elia Levitas Enkel, wie die Vergleichung mit dem Berichte Algambes (Bibliotheca societatis Jesu p. 225) über ihn ergibt: J. B. Romanus sive Elianus.. is religione Hebraeus Elianus nomine ab avo materno Elia Aschenatio puer institutus ... Venetias appulsus, ut fratrem Christiana sacra complexum retraheret, ab Cantareno deductus ad Andream Frusium. Weiter wird das. berichtet, daß Eliano Romano vom Jesuiten Frusius Matthäi 1551 getauft, 1561 von Pius IV. nach Mem phis geschickt, in Alexandrien von den Juden verfolgt wurde, weil er sie vielfach verleumdet habe et magnam Romae Talmudicorum librorum vim incendendam curaverat. Es wird noch weiter erzählt, wie die eigene Mutter seine Verfolgung in Alexandrien betrieben hat. Demnach sind Salomo Romano und Johann Baptista Romano Eliano identisch. Sein Bruder war der Kanonikus Vittorio Eliano (Wolf I, p. 471, III, 240, Katalog der Bodleiana 2066). Dieser war also vor 1551 wohl bald nach seines Großvaters Tod getauft. Er scheint bei dieser Delation nicht beteiligt gewesen zu sein, sondern erst 6 Jahre später legte er Zeugnis gegen den Talmud ab (w.u.).


6 David de Pomis, de medico hebraeo p. 70: Spoletum Umbriaque tota Vitalem Alatinum, patruum meum, in coelum tollunt.. qui Julium tertium curavit. Amatus Lusitanus, Centuria III Anf.: Romam superioribus annis me contuli, ut Julio III. aegrotanti opem ferrem. Aus Centuria IV, 19 geht hervor, daß dieses vor 1550, also gleich im Anfang von Julius' III. Pontifikat geschehen ist.


7 Mehrere Zeitgenossen geben Notizen über die große Talmudverbrennung dieses Jahres. Joseph Kohen, Chronik Ende und Emek ha-B. p. 111; Gedalja Ibn-Jachja Schalschelet p. 52 und gegen Ende. Von Venedig besonders: Juda Lerma Einl. zu Abot-Komment. הדוהי םחל; Arkevolti zum Schlusse der 2. Edition des Aruch. Von Ancona: Emanuel von Benevent, Einl. zur Grammatik ןח תיזל. Von Bologna: Portaleone םירובגה יטלש Ende. Von Candia: Isaak Akrisch, Einl. zur Efodischen Satire ךתובאכ יהת לא (o. S. 8, Anm.). Matthatia Delakrut, welcher zur Zeit in Venedig weilte, bemerkt in einem handschriftlichen Werke (Neubauer, Katalog Bodl. Nr. 1623): ופרש הריבה האיציניובו יספלא ירפס תואמ שמח דבלמ םימלש דומלת ירפס ףלאמ רתוי םינשי םג םישדח ץק ןיא םירפס ראשו. Schlechte Verse auf die Talmudverbrennung von Jakob da Fano. Revue XI. 155-56 und von Mardochaï B. Jehuda de Blaues in Chaluz XIII, 109. Die Bulle, welche das Verbrennen des Talmuds verordnet, ist nicht mehr vorhanden, sie wird aber in einer andern des Papstes Julius III. vom 29. Mai 1554 erwähnt (Bullarium magnum Romanum I, Nr. 16): Cum sicut nuper accepimus, licet alias fratres nostri haereticae pravitatis in universa republica christiana inquisitores generales certum Hebraicorum librorum volumen Ghemarot Thamud (Thalmud) nuncupatum, orthodoxae fidei offendentia continens de mandato nostro damnaverint et igne comburi fecerint, nihilominus inter eos Hebraeos adhuc esse dicuntur diversi libri etc. Diese Bulle befiehlt, die etwa noch zurückbehaltenen Schriften bei Vermeidung von Geld- und Leibesstrasen binnen vier Wochen auszuliefern und fährt dann fort: non permit tentes (nos) de cetero eosdem Hebraeos etiam apostolica auctoritate fungentibus occasione cujusvis sortis librorum apud eos existentium vexari aut molestari. Contravenientes et rebelles ac nobis in praemissis non parentes per sententias et poenas ecclesiasticas compescendo.


8 Nämlich die Schriften der Dezisoren, םיקסופ.


9 Die oben zitierte Bulle und Joseph Kohen, Em. ha-B. p. 113.


10 J. Kohen das. p. 114. Es existierte über diesen Vorfall eine hebräische Aufzeichnung unter dem Titel םיסנ תרגא, angeblich von zeitgenössischen Rabbinern gefaßt, von welcher Abraham Graziano im XVII. Jahrh. einen Auszug gegeben hat. Diesen Auszug hat Kaufmann in Revue d. Et. IV. 94 f. mitgeteilt. Dieser Auszug stimmt in den Hauptpunkten mit der Erzählung in Emek ha-Bacha überein und weicht nur in Nebenumständen davon ab. Er nennt den Namen des Mörders, eines spanisch-arabischen Konvertiten םילוס = Sulaim, was eben beweist, daß der Bericht, wenn auch nicht von Augenzeugen, doch von Ohrenzeugen aufgezeichnet wurde. Die Hauptdifferenz besteht darin, daß der Auszug dem Papste das Verdienst beilegt, die Entdeckung des Mörders und dadurch die Verschonung der Juden herbeigeführt zu haben, während Joseph Kohen dieses dem Kardinal Alexander Farnese vindiziert. Nun konnte dieser, welcher mit hochgestellten Christen verkehrte, besser darüber unterrichtet sein, was bei dieser Gelegenheit im Kabinet des Papstes besprochen wurde, als die römischen Rabbiner. Ferner gehörte dazu ein hoher Grad von Vorurteilslosigkeit bezüglich der Juden, auf die Anschuldigung eines Konvertiten gegen sie nichts zu geben, welche eben Alexander Farnese tatsächlich öfter bekundet hat (o. S. 302, N. 3), von Marcellus dagegen, welcher von den ultra-katholischen Kardinälen gewählt war, liegt kein Beweis für eine solche ruhige Beurteilung vor. Die Darstellung in Emek ha-B. daß Farnese den Papst beschwichtigt: לא ... רבדו הככש ותמחו םיחוכנ םירבד וליצראמ und den günstigen Umschwung herbeigeführt habe, empfiehlt sich daher als viel wahrscheinlicher. Bei Graziano hat nach Marcellus' Tod sein Nachfolger Caraffa-Paulus IV. den Mörder hinrichten lassen. Bei Joseph Kohen dagegen ist dieser Punkt unbestimmt gelassen.


11 Gedalja Ibn-Jachja Schalschelet gegen Ende.


12 Die Bulle abgedruckt in Bullarium magnum I. und in Bartolocci Bibliotheca III, p. 742 fg., wird auch erwähnt von Joseph Kohen a.a.O. p. 116 und Ibn-Jachja das. Über die Wirkung dieser Bulle s. Note 6, Ende.


13 Gustave Bayle, les médecins d'Avignon p. 73, Revue V p. 331. Emmanuel de Lates wurde berufen im Jahre 1529.


14 J. Kohen a.a.O. p. 116-118. Man übersehe nicht, daß dieses Alles ein glaubwürdiger Zeitgenosse erzählt.


15 Über die Duldung von seiten Pauls III. o. S. 251, 271, und von seiten Julius III. geht aus Gedalja Ibn-Jachjas Angabe hervor (Schalschelet gegen Ende): הפפ השלשמ תויושר םהל היהש. Ausdrücklich, italienische Information Note 6.


16 C. Feroso (Michele Maroni): Gli Ebrei portoghesi giustiziati in Ancona sotto Paolo IV, gedruckt Foligno 1884. Auszüge daraus Revue XI, 150 f.


17 Quellen darüber vergl. w.u. Joseph Ibn-Lab Respp. ed. Amst. p. 63 c., wo die Aufnahme der Marranen von Guido Ubaldo referiert ist: םישנא םתואמ תצק שדח רויפיפא לש דמשה ברחמ וטלמו אנוקנאב םיבשי ויהש רבסב ולבקתנו וראזיפל םהל וחרבו-םידוהיה תא אנושו ררוצ םוכודה תאמ תופי םינפ. Beginn ihrer Einkerkerung folgt aus Ibn-Jachjas Angabe: לולא = August, איהה הנשב, d.h. 'ה ו"טש = 1555, also von August 1555 bis Mai und Juni des folgenden Jahres, nahe an 10 Monate. Daher bei J. Kohen: רהסה תיבב (הנוקנאב םיסונאה) ובשיו .םיבר םימי


18 Über Ferrara s. Maskir 1864 S. 45. Aktenstück von Wolf.


19 Amatus' Geburtsjahr folgt aus seiner Angabe Centuria IV. Ende, daß er 1553, 42 Jahr alt gewesen. Einer seiner Verehrer schreibt von ihm daselbst Anf.: ipse (Amatus) amabilis et re et nomine. – Über den Namen vergl. Respp. Samuel de Medina מ"ח Nr. 5 וטמא ביבח 'ר'ה.


20 Siehe o. S. 321, Note 1.


21 Centuria VII, Ende.


22 Die gewissenlosen Quacksalber des 16. Jahrhunderts sind treffend gegeißelt in den Schriften des Theophrastus Paracelsus.


23 Vergl. darüber die Bibliographien und Carmoly, histoire des médecins juifs.


24 Centuria VII. Nr. 49: Pisaurum veniens sub Guidano Ubaldo.


25 G. Ibn-Jachja in Schalschelet gegen Ende.


26 Die Quellen über den Tod der Märtyrer von Ancona, welcher früher nur aus Schalschelet und gelegentlicher Erwähnung bekannt war, fließen gegenwärtig reichlich. Ein Trauerlied von Jakob de Fano, veröffentlicht in Revue d. Et. X, 154 f. Ein Trauerlied von Salomo Chasan, abgedruckt aus einem Bodl. Ms. in der Zeitschrift Libanon V, 343. Die Namen der Märtyrer wurden richtiggestellt von Kaufmann Revue das. 152 f. Auch ein Mardochaï de Blanes hat ein Trauerlied darüber wie über die Vernichtung des Talmuds gedichtet (o. S. 322), das unbekannt ist. Darüber berichtet Graziano, Revue IV 96 f. הניק רבח רבכז וגהנ רשא שינאלבד הדוהי 'מ ןב יכדרמ 'ר םכחה הז לע הפי תחא באב 'ט םויב .. וראסיפ ריעב הנשב הנש ידמ התוא רמאל תידרפס ה"בב תירחשב. Von christl. Seite, italienische Information (Note 6) und aus Aktenstücken Feroso o. S. 325 u. 326 vgl. w.u. Nichts desto weniger hatte ein Kanonikus Cäsar Garibaldi die Unverfrorenheit zu behaupten, daß dieses Martyrium eine Erfindung der Juden sei, in einer Broschüre: un asserto autodafé sotto Paolo IV; vergl. darüber Revue XI, 149.


27 Über Gracia Mendesia, ihren Neffen und ihre Familie Note 6.


28 Samuel Usque, Consolação p. 231.


29 Siehe o. S. 262.


30 Herculano, a.a.O. III p. 112. A Inglaterra, a França, mas sobretudo os Païsesbaixos fortaleciam (os Judeos Portugueses) a sua industria e o seu commercio com os elementos de riqueza. Das. 196:.. a torrente da emigraça? ... dirigia-se em boa parte para os Païsesbaixos, o que bastaria para explicar o favor que em Carlos V achavam os loucos esforços do cunhado para destruir a classe mais rica e mais industriosa dos propios estados. As cidades commerciaes de Flandres offereciam aos Christiãos novos portugueses, não só um refugio contra a intolerancia, mas tambem um theatro adequado á sua industriosa actividade. Muitos ... haviam com tempo buscado alli a segurança e a paz ...


31 Siehe weiter unten das letzte Kapitel.


32 Samuel Usque, Consolaçao, Widmung an sie.


33 Das. p. 24.


34 Josua Soncin, Respp. Nr. 12.


35 Charrière, Négociations de la France dans le Levant II p. 403, Note.


36 Siehe Note 6.


37 Alberi Relazioni Serie III T. I p. 275, Bericht des venezianischen Gesandten Marino Cavalli.


38 Die Sendschreiben der Pesarenser an die Levantiner hat David Kaufmann veröffentlicht Revue d. Et. XVI, 66 f. Vergl. über die Inzidenzpunkte dieses Faktums Kaufmann das. 61 f.


39 Die Klage der Anconenser beim Papste über den Verfall ihrer Stadt hat Feroso (Maroni) aufgefunden: Beatissime Pater. La malignità grande delli perfidi marrani ne sforza contro ogni nostro volere a fastidiare la benignità di v. Bne, quali hanno avuto tanta possanza, que hanno indotto alcuni ebrei a far certe loro maledette scomuniche et scelerate maledizioni de' loro rabini in una sinagoga di Salonicchio et publicare in molti luoghi, per le quali proibiscono il venire et mandare mercanzie et robe di ogni sorte in Ancona et hanno levato totalmente il traffico et commercio delle robe di Levante di questa città, et hanno inviato in Pesaro, ove si riducono et trafficano al presente essi marrani, di maniera che le facende sono in gran parte cessate et vanno mancando ogni di più di tal sorte, que se la bontà della Stà. Vra. non ci socorre, questa città.. restera abbandonata et derelitta et sarà come un castello o una villa ... la quale solea essere piena di negozi et traffichi, quanto altra nobil città d'Italia. Mitgeteilt in Revue das. 618 Note.


40 Josua Soncin, Respp. Nr. 39, 40; Respp. Ibn-Lab II p. 63; Respp. Mose di Trani I Nr. 237.


41 Joseph Kohen, Emek ha-Bacha p. 119.


42 Seine VI. Centuria ist in Ragusa geschrieben; 1558 nahm er Abschied von seinen italienischen Freunden. Die VII. Centuria 1559 schrieb er schon in Salonichi.


43 De Rossi, de Typographia Hebraeo-Ferrarensi p. 44.


44 Feroso in Revue d. Et. XI, 150.


45 v. Hammer, Geschichte der Osmanen III, S. 364, Note.


46 Wolf, Bibliotheca III, p. 181.


47 J. Kohen a.a.O. p. 120.


48 Ranke, Fürsten und Völker Südeuropas II. S. 369.


49 Italienische Information Note 6.


50 In Riva di Trenta von 1559-1562, vergl. Ersch und Gruber, Enzyklopädie, sect. II B. 28, S. 46.


51 Quellen: Sixtus Senensis, Bibliotheca sacra II s.v. traditiones, IV; s.v. catalogus expositorum – Rabbinorum: Pius V ... cum ante pontificatum suum anno 1559 misit me Cremonam ad abolendos Thalmudicos.. libros, quos Judaei ex omni fere Italia in eam urbem, tanquam in commune judaicae nationis converterunt. Joseph Kohen das. p. 120 fg. Es ist kein Zweifel, daß einer der das. erwähnten םירמוכ םינש ינאקינימוד Sixtus Senensis war, der vom Franziskanerorden zu den Dominikanern übergetreten war. Endlich ist noch eine Quelle dafür »der Auszug eines Aktenstückes (Wolf. in Maskir I, S. 131): »17. April 1559 Kanonikus Vittorio Eliano, getaufter Jude, und Josua dei Cantori, ebenfalls getauft, legen gegen den Talmud Zeugnis ab.« Der letztere ist ohne Zweifel identisch mit Josua תח ןב bei Joseph Kohen das., der durch einen Streit mit Ottolenghi das Verbrennen des Talmuds veranlaßt hatte. Aber bei Kohen gilt er als Jude (das. p. 121): חלאשהב םא יכ ידוהי םש וילע קדצי אלו. Der Name תח ןב scheint ein Spitzname zu sein. Dei Cantori ist schwerlich identisch mit der Familie Cantarini. – Auch die Notiz von dem Pasquill gegen die Juden von Cremona (Wolf das.) gehört zu diesem Faktum von der Hetze gegen den Talmud.


52 Zuerst רהוזה ינוקת, die Einl. zum Ganzen, Mantua 1558.


53 Mose Basula gab eine Approbation zu רהוזה ינוקת, die letztern zum רהוז, de Lates' Approbation von Pesaro 1558 in der Princepsausgabe und ein apologetisches Gutachten in seinen Respp. (ediert von M. J. Friedländer, Wien 1860). Aus diesen Responsen ließen sich de Lates' Biographica zusammentragen, wenn es sich überhaupt lohnte. Aus den apologetischen Respp. das. geht hervor, daß der Druck des Sohar mit Bewilligung der Zensur erfolgte: תוכלמהש הלבקה ירפסו רהוזה הריתה. Mose Basula machte den Einwand gegen den Sohar geltend: יכ םירבדמ םיארנ וניתובא םורעש אלו ואב בורקמ םישרח הלבק ירפסו רהוזה; s.B. VII. S. 473.


54 Zum Schlusse der Cremonenser Ausgabe heißt es: וירוטיו 'רמכ רוחבה י"עו ויניטג םייח י"ע שדקה תכאלמ םלשתו .והילא 'רחה םיקדקדמה שאר לש ודכנ ונילא


55 Sixtus Senensis das. ad nomen Simon ben Jachay.


56 Das. ad nomen Esdras: Ceterum ex decreto sanctae Romanae inquisitionis omnes libri.. ad Kabbalam pertinentes nuper (vor 1564) damnati sunt.


57 Wolf Aktenstücke in Maskir IV, S. 150. David Gans ad annum 5319, Joseph Kohen a.a.O. p. 123 fg.


58 Urkunden von 1548 bei Wertheimer, Juden in Österreich I, S. 110 fg.


59 Das. S. 118 von 1554.


60 Das. und S. 164 von 1556.


61 Wolf Aktenstücke, Maskir, Jahrgang 1861. S. 151, Note.


62 Quellen Mardochaï Jafa שובל I. Einl.: שוריג תריוג א"כש תנשב ... םהיפ תנידמ יתדלומ ץראב. Gans das. I. Joseph Kohen das. und 137. von Herrmann, Geschichte der Juden in Böhmen S. 41.


63 Zunz in Geigers Zeitschrift I. S. 38 fg. Ersch und Gruber Enzykl. I. sect. 38 S. 42, Maskir I. 126 ff.

64 Grabschrift des Mardochaï Zemach: יכדרמ 'רה תבצמ רסמ לטב םישוריג הברה גיהנמו שאר רשכ קידצ ןמטנ הפ ... ריתה רויפיפאה ידי לע רסיקה תעובשב ךלה ימורלו ושפנ. Vergl. dazu die Anmerkung seines Enkels bei Gans a.a.O. Ergänzung des Emek ha-Bacha p. 137, Anm. 181. Bericht eines Anonymen in Zion II p. 72 fg. März 1562 kehrten die Juden nach Prag zurück, Hook in Liebens Epitaphien des Prager Friedhofes, S. 16.


65 Pallavicini historia concilii Tridentiui XXV, 9, 7 ... Permiserunt (Romani), ut Judaeus quidam probroso crocei coloris pilleo suo illud simulacrum (Pauli IV) contegeret, ad ulciscendam Pauli sanctionem etc.


66 Die Bulle im Bullarium magnum Romanum und im Auszuge bei Bartolocci Bibliotheca III p. 741, auch in Ibn-Jachjas Schalschelet gegen Ende. In der Bulle seines Nachfolgers Pius V. heißt es: Plures synagogas retinere possint, indulsit Pius IV.


67 Die Milde im Index Tridentinus in Betreff des vorher so verfolgten Talmud war bisher nicht recht verständlich. Zuerst heißt es: verboten zum Drucke sind: Talmud Hebraeorum ejusque glossae, commentationes, interpretationes et expositiones omnes. Si tamen prodierint sine nomine Talmud et sine injuriis et calumniis in religionem christianam tolerabuntur. (Auch bei Wolf, Bibliotheca II p. 935, nur ist dort dafür ein falsches Datum nämlich 1559; die dem Gesamtindex vorangehende Bulle Pius' IV. ist aber 1564 datiert.) Der Fortsetzer des Emek ha-Bacha gibt das Faktum wieder (p. 138): – איהה הצעב וריתה דומלתה תא םג ומעט תא ונשי יכ ךא – וטנירט ריעב ויליצנוק (zu lesen, תא ומש). Den Schlüssel zu dieser päpstlichen Milde lieferte neulich M. Mortara im Auszug aus einer seltenen Schrift קוקזה רפס, Canon purificationis oder über die regelrechte Verstümmelung der jüdischen Schriften durch die Zensur (Maskir 1862, S. 74, 96, Note 17). Daraus erfahren wir, daß das Geld der Juden die päpstliche Kurie tolerant gestimmt hatte, den Talmud der Sache nach zu dulden und nur den Titel zu verbieten. Seit der Zeit wurde in den Ausgaben ס"ש statt דומלת oder אדמג gesetzt.


68 Ranke, Fürsten und Völker II S. 373.


69 Seine Bulle im Bullarium magnum Romanum: non solum in terris nostris, sed etiam ubique locorum; auch bei Joseph Kohen a.a.O. p. 130 und bei seinem Kontinuator p. 138.


70 Joseph Kohen das. p. 129 fg.


71 Das. p. 131.


72 Aus einer Handschrift in der Sammelschrift ha-Schachar Jahrg. II, Heft 1. Monatsschrift Jahrg. 1871 S. 379 fg.

73 Bullarium magnum, Pius V. const. 60; J. Kohen das. p. 132, Continuatio p. 139. Die letztere gibt an, die Ausweisung sei durch die Flucht der Juden aus Bologna provoziert worden, und beide Fakta stünden in Kausalnexus.


74 Bulle das.: ... cogitantes (nos) praeterea, supradictam gentem (Hebraeorum) praeter mediocres ex Oriente commeatus nulli reipublicae nostrae usui esse.


75 Auszug aus einem Ms. im Besitze des Großrabbiners Zadok Kahn, Revue des Et. X, 199: הנש םירשע הז שרגו שרג ןמז ותואב היהש רויפיפא תאמ הרזג האצי רתויו םהל יכ ןפואב הנוקנאו ימורמ ץוח ותלשממב םירדה םידוהיה וצאטשיצד ןוערפ ראש םדבל (testazo, וצאטשיט leg.) רשפתי ורזחיםאש יאנתב הנשל עודי ךסב ימור תוליהק םגו הנוקנא ק"ק ק"ק םהמ ובגי ונאפו ילו'קסא הק'רמל תונידמב רוגל םידוהיה תא 'ה דקפ יכ התע הנה .םהילעמ לקה ןעמל ינאיצרופא הנוקנא םידוהיה ורזחו ה"רי רויפיפאה תלעמ יניעב ןחל ותוא ןתנו ומע םש ריעז ,בש ריעז ותוכלמב. Da die Ausweisung der Juden aus dem Kirchenstaat 1569 erfolgte, so ist die Erlaubnis zur Rückkehr 20 Jahre später etwa 1589, anzusetzen, welche tatsächlich Sixtus V. in diesem Jahre erteilt hat (w.u.). – Auf dieses Faktum, die Verbannung der Juden aus dem Kirchenstaate unter Pius V. beziehen sich wohl die interessanten Piècen, welche David Kaufmann aus einer Briefsammlung mitgeteilt hat. (Revue d. Et. XVI, p. 71 f. Nr. III – IV und Bd. XX, p. 70 f. Nr. XI–XIII). Es sind Sendschreiben der Gemeinden von Pesaro und Sinigaglia für die etwa 6-700 Ausgewiesenen, welche sich da angesammelt hatten, um nach der Türkei auszuwandern, ohne Mittel zu besitzen. Diese Gemeinden haben deswegen Sendboten beordert, um in den norditalienischen Gemeinden Gelder für sie zu sammeln. In Nr. XII. ist erwähnt הלובה תרזג, worunter die Ausweisungsbulle Pius' V. zu verstehen ist. Das. ist auch erwähnt: הקראמלמ םיקוחרהו םיבורקה תוביבס לכמ םיאב איינפמקו המור אינמורו, nämlich םישרוגמה, die Ausgewiesenen (das. XX. 72 oben). Auf die von Paul IV. verfolgten Marranen von Ancona können sich diese Piècen durchaus nicht beziehen.


76 Vergl. Bartolocci, Bibliotheca III p. 757. Der selbst von der Ausweisung betroffene Gedalja Ibn-Jachja zählt etwa 1000 ausgewanderte jüdische Familien außer denen, die in Rom und Ancona geblieben, und den Wenigen, welche sich getauft haben; Schalschelet, Ende.


77 Schalschelet das. Vergl. Revue des Et. IX. p. 85.


78 1570 sind sie aus Avignon und Carpentras ausgewiesen worden und fanden Aufnahme in Marseille, Orange und anderen Städten. Vergl. darüber Isidor Loeb in Revue d. Et. XII. 163 f.


79 Vergl. Sadoleti episcopi Carpentocratensis epist. XII, 17; XIII, 3 und Respp. Isaak de Lates, p. 3: (יכ יאישנ עורז ילעב (שאקשירק ןאידנובו לאומש) הלאה םיחאה .םהיפ לע הלשממה לכ רשא תוכלמל םיבורק םירישע הדע


80 Revue XII 165.


81 Emek ha-Bacha 132, 140.


82 Das. 125, 129.


83 Über die Privilegien von Emanuel Philibert vom Jahre 1572 aus dem Archiv der israelitischen Gemeinde von Padua, Revue d. Et. V, 232 ff. Aus dem ganzen Tenor dieses Textes ist ersichtlich, daß die Privilegien lediglich die Portughesi et Spagnuoli de stirpe Hebrea im Auge haben. Nur aus Rücksicht für sie ist der lange Passus gegeben, daß sie nicht von der Inquisition wegen Apostasie verfolgt werden sollten. Schlau beruft sich Eman. Philibert auf die Indulte der Päpste Paul und Julius III. für die Marranen in Ancona und verschweigt die fanatischen Erlasse gegen sie von deren Nachfolgern.



Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1907, Band 9, S. 358.
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