I. Salomo Aschkenasi.

[545] Fast alle Gesandtschaftsberichte, französische, deutsche und italienische, namentlich venezianische Berichte aus dem 16. Jahrhundert nennen den jüdischen Arzt Salomo Aschkenasi. Er war dadurch so bekannt geworden, weil er den Frieden zwischen der Türkei und Venedig nach dem Cyprischen Kriege vermittelt und abgeschlossen hat. Ein französischer Gesandter an der Pforte bezeichnet ihn als Rabi Salomon, favori de tous les Bassas (Charrière, Négociations III, p. 883). Bekannt ist es auch, daß er bestimmend darauf eingewirkt hat, daß Heinrich von Anjou (später Heinrich III. von Frankreich) zum König von Polen gewählt wurde. Salomo schrieb 1580 an diesen König: massime in la electione che vostra magestà fo electo rè de Polonia, che io fu causa de tutto quello se operò qui, si ben credo che monsior de Axe (Mr. d'Acqs) averà tirato il tutto a se (Charrière das. p. 932 Note). Wenig bekannt aber ist es, daß derselbe früher, vor seiner ärztlichen und diplomatischen Wirksamkeit in der Türkei, Leibarzt des Königs Sigismund August von Polen gewesen ist, obwohl dieselbe Hauptquelle, der Bericht eines französischen Gesandten, es mitteilt. Zur Zeit, als dieser Heinrich bei der Nachricht von dem Tode seines Bruders, Karls IX. von Frankreich, heimlich Polen verlassen wollte, um die französische Krone zu übernehmen, berichtete der französische Gesandte in Venedig, Mr. de Ferriers, darüber an die Königin-Witwe Katharina de Medici 25. Juni 1574 und teilt den, nach seiner Ansicht, weisen Rat eines jüdisch-türkischen Gesandten bei dem venezianischen Senate mit, der Heinrichs von Anjou Schritte für gefährlich hielt. Es würde durch Heinrichs Aufgeben der polnischen Krone eine große Verlegenheit in Polen entstehen und der Türkei Gelegenheit zur Intervention geben: »pour la crainte qu'ils (les Polonais) ont d'estre invadéz par le Grand-Seigneur sans couleur de la guerre qu'il a commencé en Moldavie et aussi par le moyen de Transsylvain. Laquelle (– comme m'a esté dit encores hier par l'ambassadeur envoyé par le Grand-Seigneur devers ces seigneurs (le sénat de Venice) pour la confirmation de la paix, homme de lettres, et fort affectioné à notre service, ainsi que m'a écrit par lui Mr. d'Acqs, et est encores en cette ville fort honorablement recen et caressé de ces seigneurs) – est aujourd'hui de fort grande importance, non seulement contre l'empereur ... mais aussy contre la Pologne ... Et semble à iceluy ambassadeur (qui est juit et a esté long-temps premier médecin de feu roy de Pologne, comme à présent il l'est du Grand-Seigneur et de son premier bassa, qu'il possède, comme l'on dit, entièrement etc. (Charrière, das. III, p. 521). Obwohl der Name dieses jüdischen Gesandten, der ein Mann der Wissenschaften und früher lange Zeit erster Arzt bei dem verstorbenen Könige von Polen (Sigismund August) war, nicht genannt ist, so ist er doch an den Zügen, daß er sich damals in Venedig wegen Abschlusses des Friedens aufhielt, und daß er Leibarzt des Sultans und des ersten Pascha (Mohammed Sokolli) war und den letzteren vollständig beherrscht, kenntlich genug als Salomo Aschkenasi.

[545] Durch diese Nachricht sind wir in den Stand gesetzt, sein früheres Leben zu ergänzen. Er war erster Arzt bei König Sigismund August von Polen (1548 bis 1572). Es ist ohne Zweifel derselbe italienische Arzt Salomo in Krakau, von dem in den Respp. Salomo Lurjas (Nr. 21) und Mose Isserles (Nr. 30) die Rede ist. Es ist nämlich daselbst von der zweifelhaften Verlobung der Schwägerin eines italienischen Arztes dieses Namens die Rede. An der ersten Stelle: דעב היחי ותנומאב רשאו םלשה םכחה אפורהמ יתלאשנ לאשנ הלותבה ותשא תוחא לע וברקב ימש רשא שיא לארשי ילח 'וכו גייוושניודב םהרבא רוחבל תכדושמה. Bei Isserles: השעמ םע ךדשמ היה םהרבא ומשש דחאב אקארק ק"ק הפ היהש ברעהו ... יאקארק הפ ונמע רוגל םיקחרממ האב תחא הלותב זעול המלש 'ר החמומה אוה הלכה דצמ. Ein Arzt Namens Salomo aus Italien, der in dieser Zeit in Krakau lebte, kann kein anderer als Salomo Aschkenasi gewesen sein; er war, obwohl er den Beinamen Aschkenasi führt, ein Italiener und stammte aus Udine. Aus Isserles' Responsum erfahren wir auch das Jahr. Das Zeugenverhör über diesen Eheprozeß ist aufgenommen: ט"נש טבש ב"י, d.h. Januar 1559. In diesem und dem vorangegangenen Jahre war S. Aschkenasi gewiß in Krakan, in der damaligen Residenz der Könige von Polen. Carmoly gibt an, eine Handschrift gesehen zu haben, welche von weiten Reisen dieses jüdischen Arztes in Frankreich, Deutschland, Polen und Rußland berichtet (histoire des médecins juifs p. 185). Aus dem wichtigen Bericht über ihn von einem venezianischen Gesandten (wovon weiter) wird sich ergeben, daß Salomo bereits 1564 in Konstantinopel war. Wenn der französische Gesandte Mr. du Ferrier mitteilt, er sei lange Zeit erster Arzt des polnischen Königs Sigismund August gewesen, so ist diese Zeit zwischen 1548 bis 1564 einzuschränken. Sonderbarerweise leugnet Jechiel Zünz in seinem Werke (Geschichte der Krakauer Rabbinate, קרצה ריע Additamm. p. 68 ff.) die Identität des Arztes Salomo Aschkenasi mit dem Arzte Salomo, von dem bei Lurja und Isserles die Rede ist. Er polemisiert gegen meine Identifizierung und behauptet, der Arzt in Krakau sei Salomo Calahorra (auch Kalwar genannt) gewesen. Aber die von ihm zitierten Zeugnisse hätten ihn belehren können, daß er auf falscher Fährte gewandelt ist. Denn der in polnischen Urkunden genannte Doktor Salomon Calahorra, dessen Identität mit ידרפס אפור המלש אראפילק27 (Vater des Verf. von לארשי חמשי) sicher ist, war ein Spanier aus Calahorra, während der Arzt Salomon bei Isserles זעולה, der Italiener, genannt wird.

Für Salomo Aschkenasis Biographie, namentlich für seinen Eintritt in das Vertrauen des Großveziers Mahommed Sokolli und sein allmähliches Avancieren ist der Bericht des venezianischen Gesandten Marcantonio Barbaro von 1573 (in Alberi's Relazioni degli ambasciatori Veneti T. XVI. oder Appendice Florenz 1863) von großem Interesse. Barbaro war es, welcher die Unterhandlung über Abschluß des Friedens mit der Türkei durch Vermittelung Salomos leitete, er hat die allergünstigsten Berichte über ihn an den [546] Senat geschrieben, und diejenigen zu widerlegen sich angelegen sein lassen, welche zu dem jüdischen Diplomaten kein Vertrauen hatten. Barbaro erzählt (daselbst p. 399), daß er beim Ausbruch des Cyprischen Krieges (1570) in Konstantinopel Hausarrest gehabt, mit keinem Würdenträger verhandeln gekonnt, sich des jüdischen Arztes zu Unterhandlungen bedient habe: mi valeva dell'opera di Rabi Salomone, al quale il bassa ... aveva dato facoltà di venire in casa mia liberamente; il qual Rabi essendo stato aliquanti mesi prima introdotto col mezzo mio a curare Janus bei (Dragomano grande), me ne valsi anco ... Ed essendo Rabi Salomone uomo di Spirito e per opinione mia di buona volontà ... Dann heißt es weiter von ihm (das. p. 400): Quest'huomo non aveva da principio pratica alcuna, nè conoscenza con Mehemet bassà, ma era bene, como suddito di vostra Signoria, stato amico dei clarissimi baili Bragadin e Soranzo28, miei predecessori – daß er unter diesen der Republik viele Dienste geleistet – et Janus bei l'avera introdotto al bassà ... essendo nato suo suddito in Udine et avendo in Verona et Oderzo fratelli e nepote. Barbaro erzählt weiter, wie er selbst während des Cyprischen Krieges durch Salomo Nachrichten von Wichtigkeit erhalten habe, die dieser ihm mit Gefährdung seines Lebens verschafft habe – di che ne fu anco accusato con gran pericolo della vita e fu sforzato, per liberarsi, di pagare molti ducati. Er rühmt ferner (p. 401) mit besonderer Wärme seine klugen Ratschläge, seine Opferwilligkeit und Dienstbeflissenheit: e son anco tenuto di dire che in sei anni che ha pratico meco, non ho potuto veder cosa che mi abbia scandalizzato, nè della sua bontà, nè della sua diligenza; p. 402 teilt Barbaro mit, daß Salomo dem Hofe nach Adrianopel folgte, um die Prinzessin, Gemahlin Mohammed Sokollis, zu kurieren, daß er von dessen Gegner angeklagt und in der Nähe des Sultans in Verhör genommen wurde, daß er sich aber sehr geschickt aus der Schlinge gezogen. P. 407 bis 408 berichtet er, daß Salomo den Entwurf zum Frieden zwischen der Türkei und Venedig ausgearbeitet hat. Der ganze Bericht ist eigentlich ein Panegyrikus auf Salomos diplomatische Tüchtigkeit und Treue gegen Venedig und eine eindringliche Bitte an den Senat, ihn zum Unterhändler für den Friedensschluß zuzulassen; p. 414: Nella qual cosa sía pur sicurissima, che è più che necessaria l'opera di Rabi Salomone, e la sua venuta qui è stata tenuta da me, e la tengo, di sommo beneficio alle cose nostre etc. Es folgt daraus, daß Salomo erst gegen 1570 mit dem ersten Pascha Sokolli bekannt wurde.

Marcantonio Barbaro drang endlich durch. Salomo wurde als Gesandter für den Friedensschluß zugelassen und in Venedig mit außerordentlicher Zuvorkommenheit behandelt, worüber Joseph Kohen, der französische Gesandte (oben S. 545) und der Herausgeber eines Schulchan Aruch, beendet Tammus 1574, berichten (Emek ha-Bacha, p. 150). Selten ist einem Juden in der Christenheit eine solche Ehre und Auszeichnung zuteil geworden wie ihm. Im Mai 1574 war er nach Venedig gekommen, und weilte mehrere Monate daselbst. Wenn er auch Venedig Dienste geleistet hat, so hat er doch nicht minder das Interesse der Türkei wahrgenommen. Er hatte einen Auftrag, ein Schutz- und [547] Trutzbündnis mit der Republik gegen Spanien in Anregung zu bringen, drang aber damit nicht durch, (Morosini, Historia veneta LXII, p. 583 ff.). Verum nulla in parte priori decreto mutato dimissus Salomon ac decem auri libris Reipublicae nomine donatus est. Später hat er seine Dienstbeflissenheit für Venedig aufgegeben. Matteo Zane berichtet über ihn 1594: Ferrat bassà (ha per famigliare) Salomone tedescho poco amico delle cose della S. V. ed uno suo fratello è famigliar d'Ibraim bassà (Alberi Relazioni, Serie 3, III, p. 389). Er hatte noch unter Mohammed IV. (1595) Einfluß (Quelle bei v. Hammer, Gesch. d. Osmanen, IV, S. 247), kann also frühestens, wenn man dazu nimmt, daß er in den fünfziger Jahren bereits Leibarzt war, um 1520 geboren sein.

Perles hat auf eine wenig beachtete Notiz aufmerksam gemacht, woraus hervorgeht, daß der Diplomat Salomo Aschkenasi im Jahre 1605 bereits aus dem Leben geschieden war, ferner, daß seine Frau, welche großes Ansehen am türkischen Hof genoß, weil sie den jungen Sultan Achmed I. von den Pocken geheilt hatte, den Namen Bula Ikschati führte; daß er drei Söhne hinterlassen hat, Nathan, Samuel und Obadja, und endlich, daß der erstere in den Jahren 1605 bis 160 die Gunst des Sultans Achmed genossen hat. Diese Notiz findet sich in dem Vorwort zu den Responsen des Mose Alschaich (ךישלא םרהמ תובושת) in der von seinem Sohne veranstalteten ersten Ausgabe derselben (gedruckt Venedig 1605 bis 1606, mitgeteilt von Perles in Frankel-Graetz, Monatsschrift, Jahrg. 1879, S. 287 ff). In diesem Vorworte dankt der Sohn des Verfassers dem Nathan Aschkenasi, dem Sohne des Diplomaten, dafür, daß derselbe sämtliche Kosten des Druckes getragen hat, und bemerkte dabei die oben erwähnten Punkte. Sie lauten: ורייטמנ ןוירפאו אוה ולכ ללכה לא הבוט קיזחמה ... הלעמה עזג סחיה רטח לא ה"הלז יזנכשא המלש רר"המכ ןכ ... יזנכשא ןתנ םמורמה רשה תולאשה ולא תספדהל ךירצה לכ אצומ ףסכ תתל ןתנ רזיפ רשא ... םיניע חתפב הפ ונורכז היהו ןוכנ ריעצה ינא יתרמא ןכל ..... בוטו ונחו ובוטו ובל תולאשמ אלמי .. לאל וללפתיו םלכ ועדי אלוב תרמ םר תחפשממ האשנהו הריטעמה תרבגל דסחו ןחו יליצאמ רשא םינגסה ויחאלו םירשהו ךלמה יניעב ... יתאשקיא ר"הכ אשנו םר לע םקוה ריבגה םה אלה :המה לארשי ינב ... הידבוע ר"הכ הלענו אשנ רקיהו .יזנכשא לאומש

Auch Joseph Kohen Continuator berichtet, daß im Jahre 1605 Nathan Aschkenasi ein Empfehlungsschreiben vom Sultan Achmed I. an die Signoria von Venedig überbracht habe und infolgedessen von dieser und von dem Dogen Grimani mit Auszeichnung behandelt worden sei (Emek ha-Bacha, p. 177).


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1907, Band 9, S. 545-548.
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