Babylonische Königsliste A


Vorderseite

Babylonische Königsliste A

Rückseite, von unten nach oben zu lesen

Babylonische Königsliste A

[360] Die Königsliste A (zuerst veröffentlicht von PINCHES, PSBA. VI 193; dann SCHRADER, Ber. Berl. Ak. 1887. Keilinschr. Bibl. II 286f. WINCKLER, Unters. z. orient Gesch. 146f. DELITZSCH, Ber. Sächs. Ges. 1893, 183 u.a.) ist am besten von KNUDTZON, Assyr. Gebete an den Sonnengott, 1893, Taf. 60, publiziert; Photographie und Nachvergleichung bei LEHMANN, Zwei Hauptprobleme, 1898, der ihre Interpretation und Ergänzung am eingehendsten untersucht und gefördert hat. Die Publikationen von KNUDTZON und LEHMANN ermöglichen, die Tafel vollständig zu rekonstruieren; danach ist die beiliegende Tafel ausgeführt. Da für die Schreibung der Rückseite die Tafel umgekehrt wird und es nötig ist, die Korrespondenz der einzelnen Zeilen auf Vorder- und Rückseite möglichst genau wiederzugeben, habe ich auch in der Umschrift die Zeilen von unten nach oben geschrieben, aber natürlich die Zeichen nicht, wie im Original, auf den Kopf gestellt. Bei der Unterschrift der vorletzten (9.) Dynastie steht in der Jahrcolumne keine Zahl, dagegen unter den Namen »22 Dynastie von Babel«; daß die Zahl 22 [so KNUDTZON und LEHMANN; andere lesen 21; die frühere Lesung 31 ist falsch] nur die Jahreszahl sein kann, nicht die Zahl der Könige [es könnten hier im ganzen nur höchstens 19 Namen aufgezählt sein], hat LEHMANN erwiesen. Mithin ging noch ein Dynastieeinschnitt vorher; die Summe dieser Dynastie (8.) stand wahrscheinlich in der letzten Zeile von Col. III, und sie umfaßte somit 13 Könige (bei LEHMANN fälschlich nur 11). [LEHMANN-HAUPTS Einwände, Klio X 476ff., treffen meine Darlegungen, die ich unverändert gelassen habe, nicht; die Höhe der einzelnen Zeilen und die Striche zwischen den Dynastien hatte ich bei meiner Rekonstruktion schon berücksichtigt. Wenn übrigens in Dyn. 8 nur für 11 oder 12 Könige Raum sein sollte, wie er annimmt, so macht das für die Chronologie [360] nichts aus. Seine Kombinationen S. 485ff. halte ich für unmöglich.] Aber LEHMANN hat sich dadurch in Irrtümer verstrickt, daß er das Datum der Bavianinschriften für Tiglatpileser I. (§ 326) in 318 Jahre korrigierte und daher diese 8. Dynastie fast um ein Jahrhundert zu kurz, auf 180 Jahre, ansetzte. [Daß das Baviandatum richtig ist, wird jetzt weiter dadurch bestätigt, daß durch die Ausgrabungen in Assur zwischen Tiglatpileser I. und Tukultininib II. (890-884) jetzt 11 Königsnamen bekannt sind, Tiglatpileser I. also nicht um 1000, sondern nur um 1100 v. Chr. angesetzt werden kann, wie das Baviandatum angibt. Vgl. auch SCHNABEL, Studien zur babyl.-assyr. Chronologie, Mitt. Vorderas. Ges. 1908, dessen Ergänzung von col. III der Liste, wo er 17 Namen einsetzen will, indessen unmöglich ist.]-Ob die Tafel auch noch die 6 chaldaeischen Könige von Nabopolassar bis Naboned aufgezählt hat, ist nicht zu entscheiden. – Königsliste B (Dynastie 1. 2): PINCHES, PSBA. 1880, 20. SCHRADER, Ber. Berl. Ak. 1887, 585 mit Photogr. WINCKLER, Unters. zur altor. Gesch. 145. Keilinschr. Bibl. II 288f. Von den Chroniken (§ 318 A.) bieten die erhaltenen Stücke von S eine Parallele zu Dynastie 5-7, mit mehrfachen Flüchtigkeiten in den Zahlen; für die ältere Zeit sind von S nur ganz dürftige Bruchstücke erhalten. Die Chronik P und die synchron. Geschichte geben die wichtigsten Anhaltspunkte zur Ergänzung und chronologischen Fixierung von Dynastie 3 und 4; für Dynastie 4 auch die Notizen bei KING, Chronicles II p. 57ff. 72. – Die von CLAY veröffentlichten Daten aus der 3. Dynastie sind auf der Tafel angeführt. – Für die Herstellung der Königsliste hat mir die von DELITZSCH in den Mitteil. der D. Orientges. veröffentlichte babylonische und assyrische Herrscherliste wesentliche Dienste geleistet. Auf die umfangreiche Literatur über die babylonische Chronologie (WINCKLER, Unters. zur altor. Gesch., 1889. LEHMANN, Zwei Hauptprobleme der altor. Chronologie, 1898, und viele andere) näher einzugehen, liegt umsoweniger Anlaß vor, da sich uns sofort ein gesichertes positives Resultat ergeben wird.


326. Da die zehnte Dynastie 731 v. Chr. beginnt und die neunte mit 22 Jahren in die Jahre 753-732 fällt, endet die achte im Jahre 754 v. Chr. Zur Bestimmung ihres Anfangs haben wir folgende Daten: 1. König Marduk-šapik-zêr-mâti und der aramaeische Usurpator Adadbaliddin, die sicher der Mitte der vierten Dynastie angehören, sind Zeitgenossen des Assyrerkönigs Assurbelkala, des Sohnes Tiglatpilesers I., gewesen (synchr. Gesch. 2, 25ff. Chronik bei KING II 57ff.). Tiglatpileser I. aber hat nach der gleichlautenden Angabe [361] Sanheribs in den drei Inschriften von Bavian (III R. 14. Keilinschr. Bibl. II 118) zwei Götterbilder an König Marduk-nâdin-ache von Akkad verloren, die Sanherib nach 418 Jahren heimführte, als er im Jahre 689 Babylon eroberte. Tiglatpileser I. hat also im Jahre 1107 regiert (etwa 1125-1100), sein Sohn Assurbelkala und seine babylonischen Zeitgenossen mithin um 1100-1090 v. Chr. In der Königsliste sind die Zahlen der vier letzten Könige der Dynastie erhalten, zusammen 431/2 (oder 441/2) Jahre; von ihnen könnte der erste, mit 22 Jahren, vielleicht Abad-bal-iddin sein, der zur Zeit Assurbelkalas auf den Thron kam und diesem seine Tochter zur Frau gab. Wenn er um 1095 auf den Thron gekommen ist, hat die Dynastie frühestens um 1052 geendet, mithin, da sie 1321/2 Jahre umfaßte, um 1184 begonnen. – 2. Nun hat Tiglatpilesers I. Urgroßvater Assurdân 60 Jahre vor diesem in Assur einen Tempel niedergerissen (Tiglatp. Ann. 7, 68. Keilinschr. Bibl. I 42); das Datum, ca. 1185 v. Chr., fällt offenbar in sein hohes Alter (ib. 7, 52), seine Regierung also etwa 1215-1180. Dazu stimmt, daß Assurdân der Zeitgenosse des vorletzten Königs der dritten babylonischen Dynastie, des Zamama-šum-iddin, gewesen ist (synch. Gesch. III R. 4, 3. Keilinschr. Bibl. I 196, col. 2, 9ff.); und dessen einjährige Regierung fällt nach dem für Dynastie 4 gewonnenen Ansatz ins Jahr 1188 v. Chr. – 3. Sanherib berichtet, daß er das Siegel des Tukultininib von Assyrien, das dieser selbst in Babylonien erbeutet hatte – ursprünglich gehörte es dem König Šagaraktišuriaš –, und das dann nach dem Lande Akkad gebracht wurde, nach 600 Jahren bei der Eroberung Babylons 689 gefunden habe (III R. 4, 2. Keilinschr. Bibl. I 10; besser KING, Records of Tukultininib p. 106f.). Tukultininib (etwa der achte Vorgänger Tiglatpilesers I.) regierte also um 1289, oder, da das Datum offenbar nach oben abgerundet ist, etwa um 1250 v. Chr. Der König Kaštiliaš von Babel, den er besiegt hat, regierte nach unserer Rekonstruktion der Königsliste 1263-1256, sein Vorgänger Šagaraktišuriaš 1276-1264. – 4. Den wichtigsten [362] und völlig entscheidenden Anhalt bietet aber, daß König Burnaburiaš von Babel und sein Zeitgenosse Assuruballiṭ II. von Assur (letzterer der fünfte Ahne und Vorgänger des Tukultininib I.), wie die Amarnatafeln lehren, zur Zeit des Amenophis IV. von Aegypten regierten und Burnaburiaš gegen Ende der Regierung Amenophis' III. auf den Thron gekommen ist. Nach der aegyptischen Chronologie, die hier bis auf etwa ein Jahrzehnt als zuverlässig betrachtet werden kann, ist Amenophis III. um 1380 (allerspätestens etwa 1375) gestorben; nach unserer Rekonstruktion der babylonischen Königsliste regierte Burnaburiaš von 1382 (oder 1381) bis 1358 (oder 1357). Somit kann kein Zweifel sein, daß diese Rekonstruktion und die ihr zu Grunde liegenden Daten im wesentlichen richtig sind; der Spielraum, welcher noch bleibt, kann weder in Babylonien noch in Aegypten mehr als rund ein Jahrzehnt betragen. – Aus diesen Daten folgt, daß die dritte, kossaeische Dynastie um das Jahr 1760 v. Chr. begonnen hat. Für die 13 (oder 12) Könige der achten Dynastie ergeben sich alsdann die Jahre ca. 1004-754 v. Chr., also 251 Jahre, oder durchschnittlich etwas über 19 (oder 21) Jahre auf jeden König. Das Gesamtschema vom Beginn der Kossaeerherrschaft an ist somit:


Babylonische Königsliste A

Wie sich zu diesem sicherstehenden Ergebnis die in der Gesamtanlage wie in allen Einzelheiten total abweichende Königsliste des Berossos (§ 320) verhält, ist bis jetzt noch völlig dunkel; denn es fehlt jeder Anhalt, um zu ermitteln, welche geschichtlichen Ereignisse etwa seiner Dynastieeinteilung zu Grunde liegen mögen. Der einzige Anhalt, der sich bietet, wäre etwa, das Ende seiner fünften Dynastie (9 arabische[363] Könige) im Jahre 1258 mit der Eroberung Babyloniens durch Tukultininib unter Kaštiliaš (um 1263-1256) zu identifizieren; doch kann diese Koinzidenz nur zu leicht auf einem neckischen Zufall beruhen.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 81965, Bd. 1/2, S. 360-364.
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