Schlacht bei Mykale. Befreiung Ioniens

[392] Während die Heere des Pausanias und Mardonios sich bei Platää gegenüberstanden, ging die Flotte unter Leotychidas, nachdem sie lange bei Samos gelegen hatte, nach Asien hinüber. Aufs neue war der Ruf zur Befreiung Ioniens an sie ergangen, diesmal von Samos aus. Das Entscheidende aber wird gewesen sein, daß man so der Spannung vor Platää ein Ende zu machen versuchte (o. S. 388)490. Die persische Flotte lag bei Samos. Aber selbst wenn sie den Griechen an Zahl überlegen war, fühlte sie sich unfähig, den Kampf mit ihnen aufzunehmen. Nicht nur der Schlag von Salamis wirkte nach; entscheidend war, daß man den ionischen Schiffen jetzt nicht mehr trauen durfte. So entschloß man sich, den wichtigsten Teil der Flotte, die phönikischen Schiffe, dadurch zu retten, daß man sie nach Hause sandte, die übrigen aber bei Mykale auf Land zu ziehen und sich hier zu verschanzen. Hier nahm dann auch das persische Landheer unter Tigranes Stellung, das Xerxes, der in Sardes den Ausgang des Kriegs abwartete, zur Deckung der Küste aufgebracht hatte491.

[392] Als die Griechen die Situation überschauten, entschlossen sie sich zum Angriff. Vorher soll Leotychidas, an das persische Lager heranfahrend, die Ionier zum Abfall aufgefordert und ihnen die Parole mitgeteilt haben. Die Landung verlief ungehindert, angeblich an demselben Tage, an dem bei Platää die Entscheidung fiel. Sofort gingen die Truppen zum Sturm auf das feindliche Lager vor. Die Perser fochten auch hier tapfer genug; aber sie hatten kein Vertrauen mehr, und ihre Generäle scheinen zum Teil – Tigranes fand tapfer kämpfend den Tod – den Kopf vollkommen verloren zu haben. Die Griechen im Heere hatte man zu entwaffnen oder zu entfernen gesucht; als aber der Sieg sich zugunsten der Angreifer neigte, griffen auch sie zu den Waffen und fielen über die Perser her. So wurde das persische Heer vernichtet, die Flotte verbrannt. In ganz Ionien flammte der Aufstand auf; überall wurden die Tyrannen gestürzt, die persischen Besatzungen verjagt. Die Spartaner trugen Bedenken, durch Aufnahme der kleinasiatischen Griechen in den hellenischen Bund eine Schutzpflicht zu übernehmen, die sie schwer erfüllen konnten. Sie schlugen vor, die Ionier sollten auswandern und in den griechischen Orten, die zu den Persern gestanden hatten, angesiedelt werden. Aber die Athener widersprachen und setzten durch, daß zunächst wenigstens die Inseln in den Bund aufgenommen wurden492. Und in der Tat, wenn selbst im ionischen Aufstande trotz der Erfolge der Perser zu Land erst der Sieg bei Lade die Entscheidung gebracht hatte, was war jetzt noch zu fürchten, wo die Seemacht der Perser vernichtet, ihre Landheere aufs Haupt geschlagen und die Überlegenheit der griechischen Waffen dauernd begründet war? – Nach dem Siege von Mykale fuhr die Flotte in den Hellespont. Als man sich überzeugt hatte, daß die Brücken nicht mehr beständen, kehrte Leotychidas mit den Peloponnesiern heim. Die Athener dagegen betrachteten ihre Aufgabe, sich gegen eine neue [393] persische Invasion sicherzustellen, nicht als gelöst, ehe sie den europäischen Brückenkopf, Sestos, in ihrer Hand hätten. Noch im Herbst begannen sie die Belagerung, unterstützt von ionischen und hellespontischen Mannschaften (Thuk. I 89). Artabazos mit den Resten des Heeres hätte vielleicht Entsatz bringen können; aber er zog es vor, seine Truppen über den Bosporos in Sicherheit zu bringen. Die kleine persische Garnison wehrte sich mit heldenmütiger Ausdauer den ganzen Winter hindurch. Schließlich vom Hunger bezwungen, suchte sie sich durch Flucht zu retten; die Stadt aber ergab sich den Athenern. Von den flüchtigen Persern wurde ein Teil von den Thrakern niedergemacht; andere fielen den Athenern in die Hände, darunter der Kommandant Artayktes, den Xanthippos grausam hinrichten ließ, weil er das Heiligtum des Protesilaos ausgeraubt hatte. Im Frühjahr 478 führte Xanthippos die siegreiche attische Flotte in den Piräeus zurück.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 61965, Bd. 4/1, S. 392-395.
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