Kriegsverbrechen und Verbrechen

gegen die Menschlichkeit.

[382] Die Anklagebehörde hat behauptet, daß Fritzsche zur Begehung von Kriegsverbrechen dadurch aufhetzte und ermunterte, daß er bewußt Nachrichten derart verfälschte, daß er die Leidenschaften im deutschen Volke zur Begehung von Greueln unter Punkt 3 und 4 aufstachelte. Jedoch seine Stellung und Dienstpflichten waren nicht von ausreichender Wichtigkeit, um zu schließen, er habe an der Urheberschaft oder Planung von Propagandafeldzügen Anteil gehabt.

Die vorliegenden Auszüge aus seinen Ansprachen beweisen, daß er ausgesprochen judenfeindlich eingestellt war. Er behauptete z.B. im Rundfunk, daß die Juden am Krieg schuld seien, und daß ihr Schicksal »so ungemütlich wie es der Führer vorausgesagt hat« geworden sei. Aber diese Ansprachen forderten nicht zur Verfolgung oder Ausrottung der Juden auf. Es liegen keinerlei Beweise vor, daß er von der im Osten vor sich gehenden Vernichtung wußte. Darüber hinaus zeigt das Beweismaterial, daß er zweimal den wenn auch erfolglosen Versuch unternahm, die judenfeindliche Veröffentlichung »Der Stürmer« zu unterdrücken.

Manchmal verbreitete Fritzsche unwahre Nachrichten in seinen Rundfunkansprachen. Aber der Beweis ist nicht erbracht worden, daß er wußte, daß sie falsch waren. Er berichtete beispielsweise, daß kein deutsches U-Boot in der Nähe der »Athenia« gewesen sei, als sie versenkt wurde. Dies war unwahr. Aber da Fritzsche diese Meldung von der deutschen Marine erhalten hatte, hatte er keinen Grund zu der Annahme, daß sie falsch sei.

Sicher hat Fritzsche in seinen Rundfunkreden hie und da heftige Erklärungen propagandistischer Art gemacht. Der Gerichtshof nimmt jedoch nicht an, daß diese das deutsche Volk aufhetzen sollten, Greueltaten an besiegten Völkern zu begehen, und man kann daher nicht behaupten, daß er an den Verbrechen, deren er beschuldigt [382] ist, teilgenommen habe. Sein Ziel war, die Volksstimmung für Hitler und die deutsche Kriegsanstrengung zu erwecken.


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 1, S. 382-383.
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