Vormittagssitzung.

[7] SIR DAVID MAXWELL-FYFE, STELLVERTRETENDER HAUPTANKLÄGER FÜR DAS VEREINIGTE KÖNIGREICH: Hoher Gerichtshof! Als sich der Gerichtshof vertagte, sprach ich gerade über das letzte der beiden Norwegen-Dokumente, die ich nun als Beweisstücke GB-140 und GB-141 vorlege, 004-PS und D-629.

Eure Lordschaft! Zur Erleichterung möchte ich ankündigen, daß das erste Dokument, auf das ich mich in einigen Minuten beziehen werde, Dokument 1871-PS sein wird.


DER VORSITZENDE, LORD JUSTICE SIR GEOFFREY LAWRENCE: Ich habe es hier.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Eure Lordschaft! Bevor ich damit beginne, möchte ich einige Worte über den Angriff auf die Niederlande, Belgien und Luxemburg sagen.

Die auf die Aggression gegen diese Länder zur Zeit, da dieser Angeklagte Außenminister war, bezüglichen Tatsachen sind bereits von meinem Freund, Herrn Roberts, dargelegt worden. Ich verweise den Gerichtshof auf das Verhandlungsprotokoll, Band III, Seite 326-346. Ich brauche mit diesem Teil des Tatbestands den Gerichtshof nicht aufzuhalten.

Ich möchte den Gerichtshof nur an eine Handlung dieses Angeklagten als Außenminister erinnern, die hier besondere Erwähnung verdient, nämlich seine Erklärung vom 10. Mai 1940 an die ausländischen Pressevertreter über die Gründe für den deutschen Einfall in die Niederlande.

Diese Gründe wurden durch die Beweisausführungen von Herrn Roberts, die in diesem Teil des Verhandlungsprotokolls erscheinen, als falsch nachgewiesen.

Eure Lordschaft! Ich wende mich nun dem Angriff in Südosteuropa, das heißt dem Angriff gegen Griechenland und Jugoslawien zu. Das erste wichtige Moment in diesem Zusammenhang ist die Unterredung auf dem Obersalzberg im August 1939, an welcher der Angeklagte von Ribbentrop teilnahm, und bei der Hitler bekanntgab, daß die Achse beschlossen habe, bestimmte Neutrale zu liquidieren. Dies ist das Dokument 1871-PS, das ich nun als Beweisstück GB-142 vorlege, und die Stelle, auf die ich den Gerichtshof verweisen möchte, befindet sich auf Seite 2 des englischen Textes, etwa in der Mitte des fünften Absatzes, sechs Zeilen von Beginn der Seite. Eure Lordschaft wird dort die Worte finden: »Ganz allgemein gesprochen«.


[7] VORSITZENDER: Ja.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das möchte ich zitieren:

»Ganz allgemein gesprochen, sei es überhaupt das beste, wenn die falschen Neutralen einer nach dem anderen liquidiert würden. Dies ließe sich verhältnismäßig einfach durchführen, wenn jeweils der eine Partner der Achse dem anderen, der gerade einen der unsicheren Neutralen erledigte, den Rücken deckte und umgekehrt. Für Italien sei wohl Jugoslawien als ein derartiger unsicherer Neutraler anzusehen. Bei dem Besuche des Prinzregenten Paul habe er (der Führer) diesem besonders auch mit Rücksicht auf Italien nahegelegt, durch eine Geste seine politische Einstellung der Achse gegenüber zu klären. Er habe dabei an eine engere Bindung an die Achse und an den Austritt Jugoslawiens aus dem Völkerbund gedacht. Dieser letztere sei auch vom Prinzen Paul zugesagt worden. Vor kurzem sei der Prinzregent in London gewesen und habe dort Rückversicherungen bei den Westmächten gesucht. Es habe sich hier das wiederholt, was man mit Gafencu erlebt hatte, der auch bei seinem Besuch in Deutschland außerordentlich vernünftig gewesen wäre und jedes Interesse an den Zielen der westlichen Demokratien abgeleugnet habe. Nachher allerdings hätte er, wie man später erfahren habe, in England einen gegenteiligen Standpunkt eingenommen. Unter den Balkanländern könne sich die Achse voll und ganz nur auf Bulgarien verlassen, das gewissermaßen der natürliche Verbündete Italiens und Deutschlands sei.«

Ich lasse dann einen Satz aus.

»In dem Augenblick aber, in dem für Deutschland und Italien eine Wendung zum Schlechten einträte, würde Jugoslawien auch offen auf die andere Seite treten in der Hoffnung, damit dem Laufe der Dinge eine endgültige Wendung zum Nachteil der Achse zu geben.«

Dies zeigt die Politik hinsichtlich der unsicheren Neutralen.

Schon im September 1940 besprach der Angeklagte die Kriegslage mit Mussolini. Der Angeklagte betonte die Schwere der Vergeltungsluftbombardements auf England und die Tatsache, daß London bald zerstört sein würde. Die beiden Partner stimmten darin überein, daß es sich in Griechenland und Jugoslawien ausschließlich um italienische Interessen handle, und daß sich Italien auf deutsche Unterstützung verlassen könne.

Ribbentrop setzte dann Mussolini den spanischen Plan für den Angriff auf Gibraltar und Deutschlands Teilnahme daran auseinander. Ferner sagte er, er werde voraussichtlich nach seiner Rückkehr [8] nach Berlin das Protokoll mit Spanien unterzeichnen, wodurch dieses Land in den Krieg hineingezogen werden würde.

Dies ist Dokument 1842-PS, das nächste Dokument im Dokumentenbuch, welches jenem folgt, das der Gerichtshof soeben betrachtet hat. Die sich auf Griechenland und Jugoslawien beziehende Äußerung erscheint in der Mitte der ersten Seite; und ich möchte nur einen kurzen Auszug verlesen:

»Bezüglich Griechenlands und Jugoslawiens betonte der Reichsaußenminister, daß es sich hier um ausschließlich italienische Interessen handle, deren Regelung Italien allein zu bestimmen habe, wobei es der sympathischen Unterstützung durch Deutschland sicher sein könne.«

Ich glaube nicht, daß ich den Gerichtshof mit dem Rest zu bemühen brauche.

MR. FRANCIS BIDDLE, MITGLIED DES GERICHTSHOFS FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN: Ich glaube, Sie sollten den nächsten Absatz vorlesen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE:

»Besser schiene uns aber, diese Probleme derzeit nicht anzurühren, sondern die ganze Kraft auf die Vernichtung Englands zu konzentrieren. Was Deutschland anbetrifft, so habe es ein Interesse an den nördlichen deutschen Gauen (Norwegen usw.), was vom Duce anerkannt wurde.«

Ich danke Ihnen sehr, Herr Richter. Ich lege dies als Beweisstück GB-143 vor.

Ein oder zwei Monate später, im Jahre 1941, wurde gelegentlich einer Besprechung zwischen Hitler und Mussolini, bei welcher der Angeklagte zugegen war, der Feldzug gegen Griechenland besprochen. Hitler hatte erklärt, daß deutsche Truppen in Rumänien zum Zwecke der geplanten Operation gegen Griechenland verwendet werden sollten. Es ist das Dokument C-134, das bereits als GB-119 vorgelegt worden ist. Ich beabsichtige nicht, nochmals daraus zu verlesen, sondern möchte den Gerichtshof lediglich auf die Punkte auf Seite 3, unten, der englischen Übersetzung hinweisen.

Hinsichtlich dieser Begegnung findet sich eine Eintragung im Tagebuch des Grafen Ciano, der als italienischer Außenminister dabei zugegen war; er gibt seine Eindrücke von dieser Besprechung in seiner Eintragung für 20./21. Januar wieder, indem er sagt:

»Der Duce ist mit der Unterredung im ganzen zufrieden. Ich bin weniger zufrieden, vor allen Dingen, weil Ribbentrop, der in der Vergangenheit immer so geprahlt hatte, sagte, als ich ihn geradeheraus fragte, wie lange der Krieg dauern würde, daß er keine Möglichkeit sehe, ihn vor 1942 zu beenden.«

[9] Trotz dieser etwas pessimistischen Erklärung gegenüber dem Grafen Ciano schlug der Angeklagte etwa drei Wochen später, als es darum ging, die Japaner zu ermutigen, einen optimistischeren Ton an.

Am 23. Februar 1941 sprach er mit dem Japanischen Botschafter Oshima. Diese Besprechung erscheint im Dokument 1834-PS. US-129. Es wurde bereits vorgelesen, und ich weise lediglich auf Seite 3 der englischen Fassung hin.

Der zweite und letzte Absatz beschäftigte sich mit einer optimistischen Darstellung der militärischen Lage und der Stellung Bulgariens sowie der Türkei. Ich glaube, es ist nicht nötig, daß ich dies weiter verlese, ich wollte dem Gerichtshof nur den Hinweis geben.

Später, im März, setzte dieser Angeklagte seine Anstrengungen, Jugoslawien zum Beitritt zur Achse zu bewegen, fort, und am 25. März gab der Angeklagte in einem Schreiben an den jugoslawischen Ministerpräsidenten Zwetkowitsch, dies ist Dokument 2450-PS, GB-123, die Versicherung, daß

»... die Regierungen der Achsenmächte während des Krieges nicht die Forderung an Jugoslawien richten werden, den Durchmarsch oder Durchtransport von Truppen durch das jugoslawische Staatsgebiet zu gestatten.«

Danach ist es nur fair, auch zu bemerken, daß in Jugoslawien ein Staatsstreich stattgefunden hat. General Simowitsch übernahm die Regierung, und zwei Tage nach Abgabe der soeben verlesenen Garantie bei der Besprechung vom 27. März 1941, bei welcher dieser Angeklagte zugegen war, entwarf Hitler den Feldzugsplan gegen Jugoslawien und stellte die Vernichtung Jugoslawiens und die Zerstörung der Stadt Belgrad durch die deutsche Luftwaffe in Aussicht. Dies ist in Dokument 1746-PS, GB-120, enthalten, das mein Freund, Oberst Philimore, zu einem früheren Zeitpunkt vorgelesen hat. Ich werde es nicht wiederholen.

Die letzte Tätigkeit dieses Angeklagten hinsichtlich Jugoslawiens war, daß von Ribbentrop nach der Invasion Jugoslawiens einer von jenen war, die von Hitler mit der Ziehung der Grenzen für die Aufteilung Jugoslawiens beauftragt wurden. Die vorläufigen Richtlinien dafür sind im Dokument 1195-PS enthalten, das ich als GB-144 dem Gerichtshof vorlege.

Und nun wende ich mich dem Angriff auf Sowjetrußland zu.

VORSITZENDER: Wurde das Dokument 1195-PS schon verlesen?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein, es wurde noch nicht verlesen. Ich bin Eurer Lordschaft sehr verbunden. Ich möchte jetzt den einschlägigen Satz daraus verlesen; auf Seite 2, Abschnitt 2, werden Sie das Wort: »Grenzziehung« finden.

[10] Im ersten Absatz heißt es:

»Soweit die Grenzziehung nicht im vorstehenden Abschnitt I festgelegt ist, erfolgt diese im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt«, das ist der Angeklagte Ribbentrop, »Beauftragten für den Vierjahresplan«, das ist der Angeklagte Göring, »und Reichsinnenminister durch das Oberkommando der Wehrmacht.«

VORSITZENDER: Wer ist der Reichsinnenminister?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich glaube, es ist der Angeklagte Frick.


VORSITZENDER: Ja, ich denke, er war es.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich bin Eurer Lordschaft dankbar. Ich hatte vergessen, daß dies nicht vorher vorgelesen wurde.

Wie ich sagte, kommen wir nun zu der Aggression gegen die Sowjetunion, und das erste Dokument, das noch nicht zum Beweis vorgelegt wurde, ist GB-145, TC-25, der deutsch-sowjetische Nichtangriffsvertrag.

Am 23. August 1939 hatte dieser Angeklagte den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt unterzeichnet. Der erste Zeitpunkt, zu welchem der Angeklagte besondere Probleme des Angriffs gegen die Sowjetunion erwogen zu haben scheint, war kurz nach dem 20. April 1941, als der Angeklagte Rosenberg und dieser Angeklagte sich trafen oder korrespondierten, um die Probleme zu behandeln, die sich in den besetzten Ostgebieten ergeben würden. Dieser Angeklagte hier machte seinen Berater Großkopf zu seinem Verbindungsmann zu Rosenberg, ferner einen Generalkonsul namens Bräutigam, der jahrelange Erfahrungen in der USSR gesammelt hatte, zum Mitarbeiter Rosenbergs. Dies wird im Dokument 1039-PS gezeigt, das als Beweisstück US-146 vorliegt. Ich schlage nicht vor, es erneut zu zitieren, denn es wurde schon verlesen. Der Absatz, auf den ich mich bezogen habe, ist der erste Absatz auf Seite 2 oben, beginnend mit den Worten: »Nach Benachrichtigung des Reichsaußenministers«. Diesen Absatz habe ich soeben erwähnt.

Dies geschah im April 1941. Im Laufe des nächsten Monats, am 18. Mai 1941, bereitete das Deutsche Auswärtige Amt eine Erklärung vor, die Operationsgebiete im Eismeer, in der Ostsee und im Schwarzen Meer zum Gegenstand hatte und für den Gebrauch der deutschen Kriegsmarine und Luftwaffe bei der bevorstehenden Invasion der Sowjetunion bestimmt war. Dies ist im nächsten Dokument, C-77, enthalten, das ich nun als Beweisstück GB-146 vorlege. Es ist ein kurzes Dokument und ich möchte es daher zitieren; es ist auch noch nicht verlesen worden:

»Das Auswärtige Amt hat für ›Barbarossa‹ anliegenden Entwurf für Erklärung von Operationsgebieten vorbereitet.

[11] Das Auswärtige Amt hat sich jedoch Festset zung des Zeitpunktes und Erörterung etwaiger Einzelheiten weiterhin vorbehalten.«

Diese beiden letzten Dokumente zeigen klar, daß dieser Angeklagte auch an den Vorbereitungen dieser Aggression beteiligt war. Später, am 22. Juni 1941, verkündete der Angeklagte der Welt, daß die deutschen Armeen in die USSR eingedrungen seien, wie der Gerichtshof dies am 11. Dezember in dem Film gesehen hat. Wie unwahr die angegebenen Gründe waren, ergibt sich aus dem Bericht seines eigenen Botschafters in Moskau, der sagte, daß alles getan worden sei, um diesen Konflikt zu vermeiden. Der Gerichtshof findet den Hinweis dafür in den Ausführungen meines gelehrten Freundes, des Hauptanklägers, Band III, Seite 165 des Verhandlungsberichts.

Wir kommen nun zum Angriff, an dem Japan beteiligt war, und der gegen die Vereinigten Staaten von Amerika gerichtet war. Hier ist das erste Dokument 2508-PS, das ich als Beweisstück GB-147 vorlege. Es zeigt, daß als Ergebnis der von diesem Angeklagten als Sonderbotschafter geführten Verhandlungen Deutschland und Japan am 25. November 1936 den Antikomintern-Pakt unterzeichnet hatten. Ich glaube nicht, daß der Text verlesen wurde; aber auch wenn es geschehen ist, möchte ich die Einleitung vorlesen, die den Zweck dieser Vereinbarungen auseinandersetzt:

»Die Regierung des Deutschen Reiches und die Kaiserlich Japanische Regierung,

In der Erkenntnis, daß das Ziel der Kommunistischen Internationale, Komintern genannt, die Zersetzung und Vergewaltigung der bestehenden Staaten mit allen zu Gebote stehenden Mitteln ist,

In der Überzeugung, daß die Duldung einer Einmischung der Kommunistischen Internationale in die inneren Verhältnisse der Nationen nicht nur deren inneren Frieden und soziales Wohlleben gefährdet, sondern auch den Weltfrieden überhaupt bedroht,

Sind in dem Wunsche, gemeinsam zur Abwehr gegen die kommunistische Zersetzung zusammenzuarbeiten, in folgendem übereingekommen:«

Dann folgen die Bestimmungen des Paktes, der eine fünf Jahre währende Zusammenarbeit vorsah. Er trägt die Unterschrift dieses Angeklagten.

Am 27. September 1940 unterschrieb der Angeklagte als Reichsaußenminister den Dreimächte-Pakt mit Japan und Italien, und brachte dadurch ein volles militärisches und wirtschaftliches Bündnis [12] zustande, das der Schaffung einer neuen Ordnung in Europa und Ostasien dienen sollte. Das ist Dokument 2643-PS, das als US-Beweisstück 149 bereits vorgelesen wurde.

Dann am 23. Februar 1941, das ist ungefähr ein bis zwei Monate später, drängte der Angeklagte die Japaner dazu, britische Kolonien im Fernen Osten anzugreifen. Dies ist aus Dokument 1834-PS, US-129 ersichtlich, welches von meinem Freund, Herrn Alderman, bereits verlesen wurde. Das war im Februar.

Im April 1941, gelegentlich einer Besprechung zwischen Hitler und Matsuoka, der Japan vertrat, bei welcher auch dieser Angeklagte zugegen war, versprach Hitler, daß Deutschland den Vereinigten Staaten den Krieg erklären werde, falls ein Krieg zwischen Japan und den Vereinigten Staaten als Folge der japanischen Aggression im Pazifik ausbrechen sollte. Das geht aus Dokument 1881-PS hervor, US-33, das schon vorgelesen wurde, und das ich nicht erneut vorlesen möchte.

Das folgende Dokument, das diesen Punkt noch unterstreicht, ist 1882-PS, US-153. Ich möchte mit Erlaubnis des Gerichtshofs noch zwei kurze Absätze verlesen; sie sind interessant, weil sie die psychologische Entwicklung des Angeklagten und seine damaligen Ansichten zeigen. Es sind dies zwei Absätze von Seite 2 und 3 des Dokuments:

»Matsuoka sprach sich dann über die allgemeine gute Stimmung in Deutschland aus und verwies dabei auf die glücklichen Gesichter, die er bei seinem vorausgegangenen Besuch in den Borsigwerken überall bei der Arbeiterschaft gesehen habe. Er gab seinem Bedauern Ausdruck, daß die Entwicklung in Japan noch nicht so weit sei wie in Deutschland und daß die Intellektuellen in seinem Lande immer noch einen starken Einfluß hätten.

Der Reichsaußenminister erwiderte, daß sich höchstens eine Nation, die alles erreicht hätte, den Luxus von Intellektuellen, die ja nur Parasiten wären, leisten könne.«


VORSITZENDER: Es heißt in meinem Dokument »meistens«.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Verzeihung, Eure Lordschaft, das war ganz und gar mein Fehler, es sollte heißen: »meistens«, »die ja meistens nur Parasiten wären«.

»Ein Volk jedoch, das um seinen Aufstieg kämpfen müsse, müsse sich von ihnen trennen. Die Intellektuellen hätten Frankreich ruiniert und hätten auch bereits in Deutschland mit ihrer Schädlingsarbeit begonnen gehabt, bis der Nationalsozialismus diesem Treiben ein Ende setzte, und sie wären bestimmt der Grund für den mit Sicherheit zu erwartenden Fall Englands.«

[13] Der übrige Text ist in der üblichen Weise abgefaßt. Das war am 5. April.

Dann das nächste Stadium: Kaum einen Monat nach dem Einbruch der deutschen Truppen in die Sowjetunion, am 22. Juni, drängte Ribbentrop seinen Botschafter in Tokio, alles daran zu setzen, um die Japanische Regierung dazu zu bringen, die Sowjetunion in Sibirien anzugreifen. Das ist durch zwei Dokumente bewiesen, die bereits vorgelegt worden sind; 2896-PS, US-155, ein Telegramm an den Deutschen Botschafter in Tokio, einen gewissen Ott, und 2897-PS, US-156, das die Antwort des Botschafters Ott darstellt. Beide wurden von meinem Freund, Herrn Alderman, vorgelesen, und ich möchte den Gerichtshof nicht wieder damit belästigen.

Das nächste Dokument, D-656, ist ein neues Dokument; ich lege es als GB-148 vor. Es wurde bei den Japanern erbeutet und ist ein aufgefangener Bericht des Japanischen Botschafters in Berlin, der knapp vor dem Angriff auf die Vereinigten Staaten abgesandt worden war. Ich möchte nur einen kurzen Auszug aus den Ausführungen des Angeklagten vom 29. November 1941, das heißt ungefähr eine Woche vor Pearl Harbor, verlesen. Der Angeklagte sagte folgendes, Absatz 1, und ich werde die Stelle ganz verlesen, da sie neu ist:

»Ribbentrop begann unsere Besprechung damit, daß er wiederum fragte, ob ich irgendwelche Berichte über die japanisch-amerikanischen Verhandlungen erhalten hätte. Ich antwortete, daß ich offiziell nichts gehört hätte.

Ribbentrop: ›Es ist äußerst wichtig, daß Japan die neue Ordnung in Ostasien einführt, ohne diese Gelegenheit zu verpassen. Es hat nie zuvor und wird wahrscheinlich nie wieder eine Zeit geben, in der engere Zusammenarbeit unter dem Dreier-Pakt so wichtig ist. Wenn Japan dieses Mal zögert, und Deutschland vorwärts schreitet und seine neue Ordnung in Europa gründet, dann wird die ganze militärische Macht Englands und der Vereinigten Staaten gegen Japan konzentriert werden.

Wie der Führer heute sagte, gibt es grundsätzliche Differenzen in der bloßen Existenzberechtigung zwischen Deutschland und Japan, und den Vereinigten Staaten. Wir haben dahingehende Nachrichten erhalten, daß praktisch keine Hoffnung für einen erfolgreichen Abschluß der japanisch-amerikanischen Verhandlungen besteht, da die Vereinigten Staaten unnachgiebig sind.

Wenn dies tatsächlich der Fall ist, und wenn Japan sich entschließt, England und die USA zu bekämpfen, bin ich [14] gewiß, daß das nicht nur im gemeinsamen Interesse Deutschlands und Japans liegt, sondern auch für Japan selbst günstige Folgen mit sich bringen wird‹.«

Dann antwortete der Botschafter:

»Ich kann keine bestimmte Erklärung machen, da ich von irgendwelchen konkreten Absichten Japans nicht unterrichtet bin. Wollen Eure Exzellenz andeuten, daß ein tatsächlicher Kriegszustand zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten eintreten soll?«

Der Angeklagte Ribbentrop sagte:

»›Roosevelt ist ein Fanatiker, deshalb ist es unmöglich vorauszusagen, was er tun würde.‹

Hinsichtlich dieses Punktes, meine ich, mit Rücksicht auf die Tatsache, daß Ribbentrop früher gesagt hatte, die Vereinigten Staaten versuchten ein Zusammentreffen mit deutschen Truppen ohne Zweifel zu vermeiden, und aus dem Ton von Hitlers jüngster Rede, wie auch aus der Ribbentrops, daß sich Deutschlands Haltung gegenüber den Vereinigten Staaten beträchtlich versteift hat. Zur Zeit bestehen Anzeichen dafür, daß Deutschland sich nicht weigern würde, wenn nötig, gegen die Vereinigten Staaten zu kämpfen.«

Der folgende zweite Teil enthält eine sehr optimistische Voraussage über den Krieg gegen die Sowjetunion. Ich glaube, daß ich in Anbetracht des Zeitpunkts, zu dem wir das Dokument zur Verlesung bringen, den Gerichtshof damit nicht weiter zu belasten brauche.

Dann folgte eine Reihe von Bemerkungen über die beabsichtigten Landungsoperationen gegen England, die jetzt auch lange überholt sind.

Mit Erlaubnis des Hohen Gerichtshofs möchte ich zum Teil 3 übergehen, wo wir wieder die internationale Einstellung des Angeklagten veranschaulicht finden: Seite 2 Ende, Teil 3, ich zitiere:

»Auf jeden Fall hat Deutschland absolut nicht die Absicht, mit England Frieden zu schließen. Wir sind entschlossen, jeglichen englischen Einfluß aus Europa zu entfernen. Deshalb wird England am Ende dieses Krieges keinerlei Einfluß in internationalen Angelegenheiten haben. Das Inselreich Britannien mag bestehen bleiben, aber alle seine Besitzungen in der ganzen Welt werden wahrscheinlich von Deutschland, den Vereinigten Staa ten und Japan zu dritt aufgeteilt werden. In Afrika wird sich Deutschland, roh gesprochen, etwa mit den Teilen, die früher deutsche Kolonien waren, zufriedengeben. Italien wird den größeren Teil der afrikanischen Kolonien erhalten. Deutschlands Wunsch ist es vor allem, das europäische Rußland zu kontrollieren.«

[15] Und nachdem der Botschafter den Angeklagten angehört hatte, sagte er, und ich zitiere:

»Ich bin mir ganz darüber klar, daß Deutschlands Feldzüge planmäßig und glatt vor sich gehen. Stellen Sie sich jedoch vor, daß Deutschland in der Situation wäre, nicht nur England als wirklichen Feind zu haben, sondern außerdem als tatsächliche Feinde zu haben alle die Gebiete, in denen England Einfluß hat, und alle die Länder, die England geholfen haben. Unter diesen Umständen würde sich das Kriegsgebiet natürlich beträchtlich ausdehnen. Was ist Ihre Meinung über den Kriegsausgang unter solchen Umständen?

Ribbentrop: ›Wir möchten diesen Krieg gerne im kommenden Jahr zum Abschluß bringen‹«, das ist 1942, »›jedoch ist es unter gewissen Umständen möglich, daß er bis in das folgende Jahr fortgesetzt werden muß.

Sollte Japan in einen Krieg mit der USA geraten...‹«


VORSITZENDER: Sie lesen etwas zu schnell.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich bitte Eure Lordschaft um Verzeihung. Ich gehe zu Absatz 1, den ich soeben beendet habe, zurück:

»Ribbentrop: ›Wir möchten diesen Krieg gerne während des kommenden Jahres zum Abschluß bringen. Jedoch ist es unter gewissen Umständen möglich, daß er bis in das folgende Jahr fortgesetzt werden muß.

Sollte Japan in einen Krieg mit den Vereinigten Staaten geraten, so würde Deutschland diesem Krieg natürlich sofort beitreten. Es besteht absolut keine Möglichkeit, daß Deutschland unter solchen Umständen einen separaten Frieden mit den Vereinigten Staaten eingeht. Was diesen Punkt anlangt, ist der Führer fest entschlossen.‹«

Dieses Dokument verbindet den Angeklagten mit der Aggression Japans gegen die Vereinigten Staaten so eng wie nur möglich.

Ein anderes, neues Dokument, ebenfalls ein abgefangener japanischer diplomatischer Bericht, ist das nächste Stück D-657, das ich als Beweisstück GB-149 vorlege. Ich möchte die ersten beiden Sätze verlesen, die zeigen, worum es sich handelt. Der Japanische Botschafter sagt:

»Heute nachmittag um 1.00 Uhr (8.) besuchte ich Außenminister Ribbentrop und teilte ihm unseren Wunsch mit, Deutschland und Italien mögen Amerika sofort formell den Krieg erklären. Ribbentrop erwiderte, Hitler befinde sich soeben mitten in einer Besprechung im Hauptquartier darüber, wie die Formalitäten einer Kriegserklärung so erfüllt werden könnten, daß sie einen guten Eindruck auf das deutsche Volk [16] machten; er werde Ihren Wunsch sofort an ihn weiterleiten und alles, was in seiner Kraft stände, tun, um eine prompte Durchführung herbeizuführen. Zu dieser Zeit erklärte mir Ribbentrop, Hitler hätte am Morgen des 8. Befehle an die gesamte deutsche Kriegsmarine erteilt, amerikanische Schiffe anzugreifen, wenn immer und wo immer sie solche treffen sollten.

Es ist selbstverständlich, daß dies nur für Ihre geheime Unterrichtung bestimmt ist.«

Dann hat tatsächlich, wie der Gerichtshof weiß, der Angeklagte Ribbentrop am 11. Dezember 1941 im Namen der Deutschen Regierung den Kriegszustand zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten verkündet.

Das folgende Stadium bezieht sich auf den Versuch, Japan zum Angriff gegen die Sowjetunion zu veranlassen.

In Ribbentrops Besprechungen mit dem Japanischen Botschafter Oshima im Juli 1942 und im März und April 1943 fuhr er fort, auf eine japanische Beteiligung und Aggression gegen die Sowjetunion zu drängen. Dies ist aus Dokument 2911-PS ersichtlich, das als US-157 vorgelegt und verlesen worden ist, sowie aus 2954-PS, das ich jetzt als GB-150 vorlege. Dies ist ein neues Dokument; und ich möchte seine Bedeutung durch ein kurzes Zitat erläutern. Es handelt sich um eine Besprechung zwischen dem Angeklagten Ribbentrop und Botschafter Oshima und beginnt wie folgt:

»Botschafter Oshima erklärte, er habe ein Telegramm aus Tokio bekommen und habe dem Herrn Reichsaußenminister im Auftrage seiner Regierung mitzuteilen:

Die Anregung der Deutschen Regierung, Rußland anzugreifen, sei Gegenstand einer gemeinsamen Konferenz zwischen der Japanischen Regierung und dem Kaiserlichen Hauptquartier gewesen, auf der die Frage eingehend beraten und genauestens überprüft worden sei. Das Ergebnis sei folgendes: Die Japanische Regierung erkenne durchaus die Gefahr, die von seiten Rußlands drohe und habe vollstes Verständnis für den Wunsch ihres deutschen Verbündeten, daß auch Japan seinerseits in den Krieg gegen Rußland eintrete. Der Japanischen Regierung sei es aber angesichts ihrer derzeitigen Kriegslage nicht möglich, in den Krieg einzutreten. Sie sei vielmehr der Überzeugung, daß es im gemeinsamen Interesse liege, den Krieg gegen Rußland jetzt nicht zu beginnen. Andererseits werde aber die Japanische Regierung niemals die russische Frage außer acht lassen.«

Und dann, in der Mitte des folgenden Absatzes, kommt der Angeklagte auf den Angriff zurück. Der dritte Satz, er beginnt auf der vierten Zeile, lautet:

[17] »Es wäre aber doch richtiger, daß die im Dreier- Pakt verbündeten Machte alle Kräfte zusammenfaßten, um England und Amerika, aber auch Rußland, gemeinsam zu schlagen. Es sei nicht gut, wenn ein Teil allein fechten müsse.«

Der Druck auf Japan zum Angriff auf Rußland wird aus dem nächsten Dokument, 2929-PS, deutlich, das als US-159 vorgelegt wurde. Zum Abschluß dieses Teiles des Tatbestands möchte ich es verlesen; es ist sehr kurz:

»Der Herr Reichsminister betonte sodann nochmals, daß für Japan, wenn es sich stark genug fühlte und genügend panzerbrechende Waffen besitze, zweifellos in diesem Jahr die günstige Gelegenheit gegeben sei, Rußland, das bestimmt nie wieder so schwach sein würde wie es jetzt sei, anzugreifen.«

Der Zeitpunkt war der 18. April 1943.

Hoher Gerichtshof! Das beendet meinen Beweisvortrag zur zweiten Anklagebehauptung, die den Angriffskrieg betrifft, und ich bin der Ansicht, daß die in der Anklageschrift aufgestellte Behauptung damit zur Genüge bewiesen ist.

Die dritte Beschuldigung geht dahin, daß der Angeklagte Ribbentrop Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gestattet, angeordnet und an ihnen teilgenommen hat.

Natürlich betrachte ich dies nur vom Gesichtspunkt des Planens dieser Verbrechen. Die Durchführung der Verbrechen wird von meinen Freunden und Sowjetkollegen besprochen werden; aber es ist erheblich zu zeigen, wie dieser Angeklagte an den Planungen solcher Verbrechen teilnahm. Ich behandle zuerst das Töten von alliierten Fliegern, zweitens die Vernichtung von Völkern in Europa und drittens die Verfolgung der Juden.

Erstens, das Töten alliierter Flieger:

Mit den anwachsenden Luftangriffen der alliierten Luftwaffe auf deutsche Städte im Jahr 1944 nahm sich die Deutsche Regierung Pläne vor, um anglo-amerikanische Flieger vor weiteren Angriffen auf die Städte im Reich abzuschrecken. In dem Bericht über eine Sitzung, in welcher eine bestimmte Politik festgelegt werden sollte, ist der vom Angeklagten Ribbentrop anempfohlene Standpunkt festgehalten. Dies ist Dokument 735-PS, das ich jetzt als GB-151 vorlege. Es ist eine Vortragsnotiz über eine Besprechung im Hauptquartier des Führers, die am 6. Juni 1944 stattgefunden hat. Ich werde den ersten Absatz verlesen:

»1. Obergruppenführer Kaltenbrunner teilte am 6. 6. nachmittags in Kleßheim dem Stellv. Chef WFSt mit, daß kurz vorher eine Besprechung des Reichsmarschalls«, das heißt des Angeklagten Göring, »des Reichsaußenministers«, das heißt [18] des Angeklagten von Ribbentrop, »und des Reichsführers-SS«, das ist Himmler, »über die Frage stattge funden habe. Dabei wurde im Gegensatz zu dem ursprünglichen Vorschlag des Reichsaußenministers, der jede Art von Terrorangriff gegen die heimische Zivilbevölkerung, also auch die Bombenangriffe gegen Städte, einbeziehen wollte, Einverständnis dahin erzielt, daß lediglich Bordwaffenangriffe, die sich unmittelbar gegen die Zivilbevölkerung und deren Eigentum richten, als maßgebend für den Tatbestand einer verbrecherischen Handlung in diesem Sinne gelten sollen.

Die Lynchjustiz würde als die Regel zu gelten haben. Von standgerichtlicher Aburteilung und Übergabe an die Polizei sei dagegen nicht die Rede gewesen.«

Das heißt, dieser Angeklagte drängte darauf, daß bei einem Angriff auf eine deutsche Stadt die Flieger der Menge zum Lynchen übergeben werden sollten. Die anderen sagten, daß dies auf Fälle beschränkt werden solle, in welchen die Zivilbevölkerung mit Maschinengewehren und dergleichen angegriffen würde.

Ich glaube nicht, daß wir uns mit Absatz a) der Erklärungen des stellvertretenden Chefs des Wehrmachtführungsstabs bemühen müssen. Die Wichtigkeit von a) wird durch Kaltenbrunners Erklärung, daß solche Fälle nicht vorliegen, aufgehoben.

Wollen Sie bitte jetzt Absatz b) ansehen:

»b) Hinweis Stellv. Chef WFSt, daß neben der Lynchjustiz auch das Verfahren einer Absonde rung solcher feindlichen Flieger, die im Verdacht von verbrecherischen Handlungen dieser Art stehen, bei ihrer Aufnahme in dem Fliegeraufnahmelager Oberursel und, bei Bestätigung des Verdachts, ihre Übergabe an den SD zur Sonderbehandlung vorbereitet werden müsse.«

So wie ich verstehe, bedeutet dies, falls sie nicht gemäß dem ersten Schema von der Menge gelyncht wurden, daß sie von den Kriegsgefangenen, als welche sie selbstverständlich Gegenstand einer Intervention der Schutzmacht gewesen wären, getrenntgehalten werden. Und wenn sich der Verdacht bestätigte, sollten sie dem SD übergeben und getötet werden.

Dann im Absatz 3 finden wir, was als Rechtfertigung der Lynchjustiz beschlossen wurde. Absatz 3 lautet:

»3. In einer Besprechung mit Oberst v. Brauchitsch (Ob.d.L.) am 6. 6. wurde festgelegt, daß nachstehende Handlungen als Terrorhandlungen zu gelten haben, die eine Lynchjustiz rechtfertigen:

a) Bordwaffentiefangriff auf die Zivilbevölkerung, und zwar sowohl auf Einzelpersonen wie auf Ansammlungen;

[19] b) Beschuß von am Fallschirm hängenden abgeschossenen eigenen (deutschen) Flugzeugbesatzungen;

c) Bordwaffenangriffe auf Personenzüge des öffentlichen Verkehrs;

d) Bordwaffenangriffe auf Lazarette, Kranken häuser und Lazarettzüge, die mit dem Roten Kreuz deutlich gekennzeichnet sind.«

Diese Handlungen sollten mit Lynchen geahndet werden, und nicht, wie dieser Angeklagte vorgeschlagen hatte, die Bombardierung einer Stadt.

Auf der nächsten Seite finden wir dann eine etwas merkwürdige Bemerkung des Angeklagten Keitel:

»Bemerkung Chef OKW zur Vortragsnotiz vom 6. 6. 44.«

Hier erscheint die gleiche Nummer, wie auf dem soeben vom Gerichtshof eingesehenen Dokument.

»Geheime Kommandosache, Chefsache.

Wenn man dem Volk Lynchjustiz freigibt, kann man schwer Regeln aufstellen!

Min.Dir. Berndt ist ausgestiegen und hat dann fdl. Flieger auf der Straße erschossen!

Ich bin gegen gerichtliche Verfahren! Das klappt nicht! gez. K.«

Das ist von Keitel unterschrieben.

Dann folgen die Bemerkungen des Angeklagten Jodl:

»Zu 3. Diese Besprechung genügt nicht: Es muß mit dem AA zusammen ganz genau festgelegt werden:

1. Was bezeichnen wir als Mord?

Ist AA mit dem Punkt 3b einverstanden?

2. Wie soll das Verfahren sein?

a) durch das Volk?

b) durch Dienststellen?

3. Wie wird sichergestellt, daß nicht ebenso gegen die übrigen feindlichen Flieger verfahren wird?

4. Soll man auch gerichtliche Verfahren machen oder nicht? gez. J.«

Es ist wichtig, und ich möchte darauf besonders hinweisen, daß dieser Angeklagte und das Auswärtige Amt volle Kenntnis von der Verletzung der Gesetze und Gebräuche des Krieges hatten. Und die Klarheit, mit der das Auswärtige Amt erkannte, daß es sich um Verletzungen der Kriegsgesetze und Bräuche handelte, beweist das [20] Dokument 728-PS, das ich jetzt als GB-152 vorlege. Es ist ein Dokument aus dem Auswärtigen Amt, welches vom Angeklagten Ribbentrop genehmigt und von einem seiner Beamten, namens Ritter, weitergeleitet worden ist. Die Tatsache, daß es von diesem Angeklagten gutgeheißen wurde, ist im nächsten Dokument 740-PS, das ich als Beweisstück GB-153 vorlege, ausdrücklich erklärt. Ich glaube nicht, daß das Dokument 728-PS bereits verlesen worden ist, und daher möchte ich ein oder zwei Stellen daraus zitieren; es beginnt:

»Das Auswärtige Amt ist trotz der auf der Hand liegenden außenpolitischen und völkerrechtlichen Einwendungen mit dem beabsichtigten Vorgehen im ganzen einverstanden.

Bei der Prüfung im einzelnen ist zu unterscheiden zwischen den Fällen von Lynchjustiz und den Fällen der Sonderbehandlung durch den SD.

I. In den Fällen von Lynchjustiz ist die scharfe Fixierung der strafrechtlichen Tatbestände in den Ziffern 1 bis 4 des Schreibens vom 15. Juni nicht sehr wesentlich. Einmal ist eine deutsche Behörde nicht unmittelbar verantwortlich; der Tod ist bereits eingetreten, bevor eine deutsche Behörde sich mit dem Fall beschäftigte. Sodann werden in der Regel die Begleitumstände so sein, daß es nicht schwer sein wird, bei der Veröffentlichung den Fall in der geeigneten Weise darzustellen. In den Fällen von Lynchjustiz wird es daher in erster Linie darauf ankommen, den Einzelfall bei der Veröffentlichung richtig zu behandeln.

II. Das für die Sonderbehandlung durch den SD vorgeschlagene Verfahren mit nachfolgender Veröffentlichung wäre nur haltbar, wenn Deutschland sich aus diesem Anlaß gleichzeitig offen von den Bindungen der zur Zeit geltenden und von Deutschland noch anerkannten völkerrechtlichen Abmachungen lossagen würde. Wenn ein feindlicher Flieger durch die Wehrmacht oder die Polizei aufgegriffen und in das Fliegeraufnahmelager Oberursel eingeliefert worden ist, so ist er dadurch bereits in den rechtlichen Status des Kriegsgefangenen eingetreten. Für die strafrechtliche Verfolgung und Verurteilung von Kriegsgefangenen und für die Vollstreckung von Todesurteilen gegen Kriegsgefangene sind in den Kriegsgefangenenabkommen vom 27. Juli 1929 bestimmte Regeln festgesetzt, so zum Beispiel in Artikel 66: Vollstrec kung eines Todesurteils erst 3 Monate nach Mitteilung des Todesurteils an die Schutzmacht; in Artikel 63: Verurteilung eines Kriegsgefangenen nur durch dieselben Gerichte und nach demselben Verfahren wie gegen Angehörige der Deutschen Wehrmacht. Diese Vorschriften sind so präzise, daß der Versuch aussichtslos wäre, den Verstoß dagegen durch eine geschickte Art der [21] Veröffentlichung im Einzelfall zu verschleiern. Andererseits kann das Auswärtige Amt eine formelle Lossagung von dem Kriegsgefangenenabkommen aus diesem Anlaß nicht empfehlen.

Ein Notausweg wäre, daß man verdächtige feindliche Flieger zunächst überhaupt nicht in den rechtlichen Status von Kriegsgefangenen eintreten läßt, das heißt, daß man ihnen sofort bei der Festnahme erklärt, sie würden nicht als Kriegsgefangene, sondern als Verbrecher betrachtet, daß sie nicht den für Kriegsgefangene zuständigen Stellen, also nicht einem Kriegsgefangenenlager, sondern den für die Verfolgung von Straftaten zuständigen Behörden übergeben werden, und daß sie dann in einem besonderen Schnelljustizverfahren ad hoc abgeurteilt werden. Wenn sich bei der Vernehmung in diesem Verfahren aus den Begleitumständen ergibt, daß dieses besondere Verfahren auf den Einzelfall nicht anwendbar ist, so könnten die betreffenden Flieger nachträglich im Einzelfall in den rechtlichen Status von Kriegsgefangenen durch Einlieferung in das Fliegeraufnahmelager Oberursel überführt werden. Natürlich würde auch dieser Ausweg nicht davor schützen, daß gegen Deutschland Vorwürfe wegen Verstoßes gegen die geltenden Abmachungen erhoben werden, und vielleicht auch nicht davor, daß Repressalien gegen deutsche Kriegsgefangene ergriffen werden.

Immerhin würde dieser Ausweg es ermöglichen, eine klare Linie zu vertreten und uns der Notwendigkeit zu entheben, entweder uns offen von den geltenden Abmachungen loszusagen oder bei der Veröffentlichung jedes Einzelfalles Ausreden zu gebrauchen, die niemand glaubt.«

Ich möchte nicht in Einzelheiten gehen, bitte den Gerichtshof aber, den ersten Satz des Absatzes III zu betrachten:

»Aus Vorstehendem ergibt sich die allgemeine Schlußfolgerung, daß das Schwergewicht der Aktion auf die Fälle der Lynchjustiz gelegt werden müßte. Wenn die Aktion in einem solchen Umfang durchgeführt wird, daß der Zweck, nämlich die Abschreckung feindlicher Flieger, wirklich erreicht wird, was das Auswärtige Amt befürwortet, so müßten die Angriffe feindlicher Flieger mit Bordwaffen auf die Zivilbevölkerung in einer ganz anderen Weise propagandistisch herausgestellt werden als dies bisher geschehen ist...«

Ich glaube nicht, daß ich den Gerichtshof weiter bemühen muß, denn dies zeigt den Standpunkt des Angeklagten ganz klar. Ich bitte den Gerichtshof, sich nun dem nächsten Dokument zuzuwenden, wo es zu Beginn des zweiten Absatzes heißt:

[22] »Botschafter Ritter teilt am 29. 6. fernmündlich mit, daß der Reichsaußenminister diesen Entwurf gebilligt habe,...«

Dies ist der Standpunkt hinsichtlich der Behandlung von Fliegern, meiner Meinung nach ein völlig kaltblütiges und vorsätzliches Vorgehen zur Umgehung des Völkerrechts.

Der zweite Abschnitt hat die Vernichtung der Völker in Europa zum Gegenstand. Was Polen angeht, so will ich mich auch hier nicht mit Einzelheiten beschäftigen, ich erinnere aber den Gerichtshof an die Aussagen des Zeugen Lahousen vom 30. November letzten Jahres, die im Sitzungsprotokoll vom 30. November in Band II, Seiten 493 bis 495 und vom 1. Dezember in Band III, Seiten 29 bis 34, als Lahousen kreuzverhört wurde.

Als nächstes Böhmen und Mähren: Am 16. März 1939 erschien der Erlaß des Führers und Reichskanzlers über das Protektorat Böhmen und Mähren, der auch von Ribbentrop unterzeichnet war. Dies ist das von uns bereits zum Beweis vorgelegte Dokument TC-51, GB-8. Die Wirkung dieses Erlasses war, daß der Reichsprotektor eine außerordentliche Hoheitsstellung unter dem Führer bekam. Die einzige Stelle, auf die ich den Hohen Gerichtshof verweisen möchte, ist Artikel 5, Absatz (2):

»(2) Der Reichsprotektor hat als Vertreter des Führers und Reichskanzlers und als Beauftragter der Reichsregierung die Aufgabe, für die Beachtung der politischen Richtlinien des Führers und Reichskanzlers zu sorgen.

(3) Die Mitglieder der Regierung des Protektorats werden vom Reichsprotektor bestätigt. Die Bestätigung kann zurückgenommen werden.

(4) Der Reichsprotektor ist befugt, sich über alle Maßnahmen des Protektorates unterrichten zu lassen und ihr Ratschläge zu erteilen. Er kann gegen Maßnahmen, die das Reich zu schädigen geeignet sind, Einspruch einlegen und bei Gefahr im Verzuge die im gemeinsamen Interesse notwendigen Anordnungen treffen.

(5) Die Verkündung von Gesetzen, Verordnungen und sonstigen Rechtsvorschriften sowie der Vollzug von Verwaltungsmaßnahmen und rechtskräftigen Urteilen sind auszusetzen, wenn der Reichsprotektor Einspruch einlegt.«

Als Ergebnis dieses Erlasses wurden die beiden Reichsprotektoren von Böhmen und Mähren und ihre verschiedenen Stellvertreter ernannt, und dann wurden die verschiedenen Verbrechen begangen, die mein sowjetischer Kollege eingehend beschreiben wird.

Ebenso wurde bezüglich der Niederlande am 18. Mai 1940 ein Erlaß des Führers über die Ausübung der Regierungsbefugnisse [23] in den Niederlanden von Ribbentrop unterzeichnet; dies ist Dokument 639-PS, GB-154, dessen erster Paragraph lautet:

»Die besetzten niederländischen Gebiete werden dem Reichskommissar für die besetzten niederländischen Gebiete unterstellt.... Der Reichskommissar ist Wahrer der Reichsinteressen und übt im zivilen Bereich die oberste Regierungsgewalt aus....

Zum Reichskommissar für die besetzten niederländischen Gebiete bestelle ich den Reichsminister Dr. Arthur Seyß-Inquart.«

Auf Grund dieses Erlasses gab der Reichskommissar, der Angeklagte Seyß-Inquart, Verordnungen heraus, wie die vom 4. Juli 1940 über die Vermögenseinziehung von Personen, die deutsch- oder reichsfeindliche Bestrebungen gefördert haben oder fördern könnten. Versuchsweise Vorkehrungen für eine Umsiedlung der holländischen Bevölkerung wurden getroffen. Damit werden sich meine französischen Kollegen in allen Einzelheiten befassen.

Im Augenblick beziehe ich mich nur auf die Verordnung des Angeklagten Seyß-Inquart, Dokument 2921-PS, GB-155.

Ich beabsichtige nicht, es zu verlesen. Ich habe seinen Inhalt kurz zusammengefaßt, und meine französischen Kollegen werden sich gründlicher damit befassen.

Ich möchte den Gerichtshof mit Bezug auf diese beiden Angelegenheiten, Böhmen und die Niederlande, bitten, sich daran zu erinnern, daß die gegen diesen Angeklagten gerichtete Beschuldigung ist, die Grundlage gelegt und das Regierungsgebäude errichtet zu haben, mit denen die Kriegsverbrechen und die Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausgeführt wurden.

Ich lege Dokument 1520-PS, eine Unterredung über die Frage der holländischen Bevölkerung, als Beweisstück GB-156 vor. Ich habe es im allgemeinen besprochen und möchte nicht durch eine vollständige Verlesung des Dokuments jetzt Zeit verbrauchen.

Schließlich komme ich zu der Verfolgung der Juden. Im Dezember 1938 drückte der Angeklagte Ribbentrop in einem Gespräch mit Bonnet, dem damaligen französischen Außenminister, seine Ansicht über die Juden aus. Dies wurde dem Außenministerium der Vereinigten Staaten durch den Amerikanischen Botschafter Kennedy berichtet. Der Bericht Kennedys ist Dokument L-205, das ich jetzt als Beweisstück GB-157 vorlege. Ich möchte dem Gerichtshof den zweiten Absatz vorlesen, der sich auf folgenden Punkt bezieht:

»Im Laufe des Tages erhielten wir einen Telefonanruf von Berengers Büro in Paris. Es wurde uns mitgeteilt, daß die Flüchtlingsfrage von Bonnet in seinem Gespräch mit von Ribbentrop aufgeworfen worden war. Das Ergebnis war sehr [24] ungünstig. Ribbentrop, zu einer Erwiderung genötigt, erklärte Bonnet, daß die Juden in Deutschland ausnahmslos Taschendiebe, Mörder und Diebe wären. Das in ihrem Besitz befindliche Vermögen sei widerrechtlich erworben worden. Die Deutsche Regierung hätte deshalb beschlossen, sie den verbrecherischen Elementen der Bevölkerung gleichzustellen. Das widerrechtlich erworbene Vermögen würde ihnen weggenommen werden. Man werde sie dazu zwingen, in den Verbrechervierteln zu leben. Sie würden unter Polizeiaufsicht gestellt werden wie andere Verbrecher. Sie würden sich bei der Polizei zu melden haben wie alle anderen Verbrecher es gleichfalls tun müßten. Die Deutsche Regierung könnte nichts dagegen tun, wenn einige dieser Verbrecher nach anderen Ländern entkämen, die sie anscheinend so gern haben möchten. Sie wäre aber keineswegs gewillt, ihnen die Mitnahme ihres durch widerrechtliche Machenschaften erworbenen Vermögens zu gestatten. Tatsächlich könnte und wollte sie in dieser Angelegenheit nichts tun.«

Diese bündige Erklärung über den Standpunkt dieses Angeklagten zur Judenfrage ist in einem langen Schriftstück ausführlich behandelt, das er durch das Auswärtige Amt hinaussandte. Es ist Dokument 3358-PS; ich lege es als Beweisstück GB-158 vor. Ich will es nicht ganz verlesen, weil es langweilig ist. Es ist aber auch ein außerordentlich klarer Hinweis auf die Ansichten des Angeklagten hinsichtlich der Behandlung der Juden. Ich bitte den Gerichtshof, zuerst Seite 3 aufzuschlagen, auf welcher es heißt: »Die Judenfrage als Faktor der Außenpolitik im Jahre 1938«. Nach vier Teilen wird in diesem Schriftstück weiter gesagt:

»Es ist wohl kein Zufall, daß das Schicksalsjahr 1938 zugleich mit der Verwirklichung des großdeutschen Gedankens die Judenfrage ihrer Lösung nahegebracht hat. Denn die Judenpolitik war sowohl Voraussetzung wie Konsequenz der Ereignisse des Jahres 1938.«

Das ist ausführlich behandelt. Wenn der Gerichtshof nunmehr zu Seite 4 übergehen will, Anfang des zweiten Absatzes, wo es im ersten Satz heißt:

»Das letzte Ziel der deutschen Judenpolitik ist die Auswanderung aller im Reichsgebiet lebenden Juden.«

So geht es in großer Länge durch eine große Zahl von Seiten weiter. Das Schriftstück schließt, und ich bitte den Hohen Gerichtshof, sich dem Ende der Seite 7 zuzuwenden; es heißt dort:

»Diese Beispiele aus der Berichterstattung der Auslandsbehörden können beliebig vermehrt werden. Sie bestätigen die Richtigkeit der Erwartung, daß die Kritik an den, mangels [25] Tatbestandes, in vielen Ländern nicht verständlichen Maßnahmen zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Lebensraum eine Übergangserscheinung darstellt und sich in dem Augenblick gegen das selbst wenden wird, wo der Augenschein die Bevölkerung lehrt, was die jüdische Gefahr für ihren Bestand bedeutet. Je ärmer und damit belastender für das Einwanderungsland der einwandernde Jude ist, desto stärker wird das Gastland reagieren, und desto erwünschter ist die Wirkung im deutschen propagandistischen Interesse. Das Ziel dieses deutschen Vorgehens soll eine in der Zukunft liegende internationale Lösung der Judenfrage sein, die nicht von falschem Mitleid mit der ›vertriebenen religiösen jüdischen Minderheit‹, sondern von der gereiften Erkenntnis aller Völker diktiert ist, welche Gefahr das Judentum für den völkischen Bestand der Nationen bedeutet.«

Ich weise den Gerichtshof darauf hin, daß dieses Schriftstück vom Ministerium des Angeklagten in Umlauf gesetzt und an alle obersten Reichsbehörden und an zahlreiche andere Personen geleitet wurde, und zwar vor Beginn des Krieges, am 25. Januar 1939, gerade nach der Bonnet gegenüber abgegebenen Erklärung. Anscheinend wuchs der Antisemitismus des Angeklagten von Grad zu Grad, wenn ich mich damit richtig ausdrücke, jedenfalls von Übertreibung zu Übertreibung, denn im Juni 1944 traf der Angeklagte Rosenberg Vorbereitungen für einen internationalen antijüdischen Kongreß, der in Krakau am 11. Juli 1944 abgehalten werden sollte. Ehrenmitglieder sollten der Angeklagte von Ribbentrop, Himmler, Goebbels und Frank, ich glaube der Angeklagte Frank, sein. Das Auswärtige Amt sollte prominente Ausländer aus Italien, Frankreich, Ungarn, Holland, Arabien, Irak, Norwegen, usw. einladen, um dem Kongreß ein internationales Aussehen zu geben. Die militärischen Ereignisse des Juni 1944 veranlaßten Hitler jedoch den Kongreß, der seine Bedeutung infolge der Landung der Alliierten in der Normandie verloren hatte, abzusagen.

Dies ist im Dokument 1752-PS, GB-159, enthalten. Am Ende der ersten Seite wird der Gerichtshof bemerken, daß als Ehrenmitglied Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop genannt ist. Es besteht daher kein Zweifel, daß dieser Angeklagte hinter dem judenfeindlichen Programm stand, das zur Einlieferung von Juden in die Konzentrationslager führte, zusammen mit allen anderen, die sich der Lebensanschauung der Nazis widersetzten. Wir sind der Ansicht, daß er als ein mit dem Regierungsoberhaupt in enger Berührung stehender Minister wissen mußte, was im Lande und in den Lagern vor sich ging. Jemand, der solche Lehrsätze predigte und eine solche Autoritätsstellung inne hatte, kann meiner Meinung[26] nach niemandem, der einige ministerielle Erfahrung besitzt, erzählen, daß er über die Ausführung dieser Politik nicht unterrichtet war.

Dies ist das Beweismaterial für die dritte Beschuldigung, und ich nehme an, durch das von mir vor dem Gerichtshof wiederholte Beweismaterial alle drei Beschuldigungspunkte bewiesen zu haben.

Bezüglich der zweiten Beschuldigung zitiere ich Hitlers eigene Worte:

»...die ebenso richtige wie kühne Beurteilung und im einzelnen hervorragende Behandlung aller außenpolitischen Probleme durch Parteigenossen von Ribbentrop waren in der zurückliegenden großen Zeit eine außerordentliche Hilfe für die Durchführung dieser meiner Politik. Soviel zum... Ablauf des historischen Jahres 1938.«

Im Laufe des Krieges stand dieser Angeklagte in enger Verbindung mit den anderen Nazi-Verschwörern. Er beriet sie, stellte ihnen durch seine Botschaften und Gesandtschaften im Ausland jede gewünschte Information zur Verfügung und beteiligte sich zeitweise, wie ich gezeigt habe, an der Planung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Wir sind der Ansicht, daß alle Beschuldigungen gegen diesen Angeklagten, die ich aus dem Anhang A der Anklageschrift verlesen habe, vollkommen bewiesen sind. Ich möchte nur, wenn der Gerichtshof es gestattet, im Namen der Britischen Delegation eine Tatsache hinzufügen. Bei der Vorbereitung dieser Anklageschriftsätze haben wir große Unterstützung von unseren amerikanischen Kollegen erhalten, und ich möchte einmal, aber sehr herzlich, im Namen von uns allen Dr. Kempners Stab danken; es sind dies die Hauptleute Auchincloss, Claggett und Stoll, und die Leutnants Felton und Heller sowie Herr Lachmann.

VORSITZENDER: Wir unterbrechen die Verhandlung nun für zehn Minuten.


[Pause von 10 Minuten.]


DR. ALFRED SEIDL, VERTEIDIGER DER ANGEKLAGTEN HESS UND FRANK: Meine Herren Richter! Darf ich einen Antrag stellen?

VORSITZENDER: Für wen sprechen Sie?


DR. SEIDL: Dr. Seidl, Verteidiger des Angeklagten Frank.

Ich möchte einen Antrag stellen, der die Anklage gegen Frank betrifft. Das Statut für den Internationalen Militärgerichtshof enthält in Abschnitt IV Vorschriften für ein gerechtes Verfahren. Artikel 16 bestimmt, daß zwecks Wahrung der Rechte der Angeklagten folgendes Verfahren eingeschlagen werden soll: Die Anklage [27] soll alle Einzelheiten enthalten, in denen der Tatbestand der Anschuldigungen gefunden wird. Eine Abschrift der Anklage mit allen dazugehörigen Urkunden soll dem Angeklagten in einer ihm verständlichen Sprache eine angemessene Frist vor Beginn des Prozesses ausgehändigt werden. Es ist nun vor Beginn des Prozesses dem Angeklagten Frank tatsächlich eine Anklageschrift ausgehändigt worden. Es ist das die Anklageschrift, die am ersten Tag verlesen wurde. Es handelt sich hier aber, wenn man so sagen will, um eine Generalanklage. In dieser Anklageschrift sind alle Handlungen aufgeführt, die sich nach Ansicht der Signatarmächte des Londoner Abkommens als Verbrechen gegen den Frieden, als Verbrechen gegen die Kriegsgesetze und -gebräuche und als Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen. Die Anklageschrift enthält aber keine Ausführungen darüber, worin im einzelnen die strafbaren Handlungen des einzelnen Angeklagten erblickt werden sollen. Ich denke hier an positive Handlungen oder auch Unterlassungen, an konkrete Handlungen.

Ich habe nun heute Vormittag ein Dokument ausgehändigt erhalten. Dieses Dokument ist überschrieben: »The Individual Responsibility of the Defendant Hans Frank, for Crimes Against the Peace, or War Crimes and Crimes Against Humanity«; also auf deutsch: »Die persönliche Verantwortlichkeit des Angeklagten Frank wegen Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit«. Dieses Dokument besitzt kein Inhaltsverzeichnis und ist dreißig Schreibmaschinenseiten lang.

Zu dem Dokument oder zu dieser Anklageschrift, wie ich sagen möchte, wurde mir ein anderes Dokumentenbuch übergeben mit dem Titel: »Document Book Hans Frank«. Sowohl das erste als auch das zweite Dokument sind nicht in deutscher Sprache abgefaßt, sondern in englischer Sprache. Dieses erste Dokument ist in Wirklichkeit das, was man meines Erachtens als die Anklageschrift gegen Frank bezeichnen muß, denn hier in diesem dreißig Seiten langen Dokument werden erst im einzelnen die Handlungen aufgeführt, in welchen die verbrecherischen Tatbestände erblickt werden sollen. Mindestens wird man aber sagen müssen, daß dieses Dokument ein wesentlicher Bestandteil der Anklageschrift ist...


VORSITZENDER: Vergeben Sie mir, wenn ich Sie einen Augenblick unterbreche. Der Gerichtshof hat bereits den Wunsch zum Ausdruck gebracht, daß Anträge wie dieser schriftlich gestellt werden sollen. Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß ein Antrag von der Art, wie Sie ihn jetzt mündlich vorbringen, eine Zeitverschwendung für den Gerichtshof bedeutet. Daher wünscht der Gerichtshof, daß Sie Ihren Antrag schriftlich stellen. Dann wird eine Stellungnahme hierzu erfolgen.


[28] DR. SEIDL: Ich bedaure es selbst, daß ich diesen Antrag jetzt stellen muß. Aber ich konnte vorher den Antrag schriftlich nicht stellen, weil ich dieses Dokument erst vor zweieinhalb Stunden bekommen habe. Mein Antrag geht nun dahin, der Anklagebehörde aufzugeben, daß diese beiden Dokumente dem Angeklagten Frank in deutscher Sprache zur Verfügung gestellt werden.


VORSITZENDER: Der Gerichtshof hat die Dokumente, auf die Sie sich beziehen, nicht erhalten, und es ist vollkommen unmöglich für uns, Ihren Antrag zu verstehen, wenn Sie ihn nicht schriftlich einreichen und die Dokumente beifügen oder sie in irgendeiner anderen Weise erklären oder beschreiben. Wir haben die Dokumente, auf die Sie Bezug nehmen, nicht bekommen.


DR. SEIDL: Ich werde dann einen entsprechenden Antrag schriftlich stellen.


VORSITZENDER: Herr Roberts, können Sie erklären, worüber sich der Verteidiger, der soeben gesprochen hat, beschwert?


MR. G. D. ROBERTS, ERSTER ANKLÄGER FÜR DAS VEREINIGTE KÖNIGREICH: Ich glaube, er beschwerte sich darüber, daß der Anklageschriftsatz und das Dokumentenbuch, die seinem Klienten Frank zugestellt wurden, in englischer und nicht in deutscher Sprache abgefaßt sind.


VORSITZENDER: Wer behandelt den Fall Frank?


MR. ROBERTS: Er wird von den Vereinigten Staaten behandelt.


VORSITZENDER: Vielleicht ist es besser, wenn ich dann Oberst Storey frage.


OBERST ROBERT G. STOREY, ANKLÄGER FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN: Hoher Gerichtshof! Ich glaube, der Verteidiger bezieht sich auf unsere Praxis, im voraus eine Kopie des Dokumentenbuchs und eine Kopie des Anklageschriftsatzes zu übergeben. In diesem besonderen Fall weiß ich durch Zufall, daß der Verteidiger sich auf die Ausführungen bezieht, die über das Mikrophon verlesen werden sollen. Aus Höflichkeit gegenüber den Verteidigern wurden sie vor der Verlesung überreicht, genau wie alle anderen Dokumentenbücher und Anklageschriftsätze gegen die anderen Einzelangeklagten. Das ist es, was er meint, so weit ich es verstehe.


VORSITZENDER: Die Dokumente, die gegen den Angeklagten Frank zur Vorlage kommen, werden doch alle übersetzt werden?


OBERST STOREY: Ich bin ganz sicher, daß sie übersetzt werden, Herr Präsident. Ich weiß nichts über diesen speziellen Fall, aber die Anordnungen besagen, daß von allen Dokumenten zwei Photokopien vorhanden sein sollen, und zwar jede in deutscher Sprache mit einer englischen Übersetzung, für den Verteidiger, und das [29] ist es, was überreicht wurde, samt dem Anklageschriftsatz. Wir haben ihm das im voraus ausgehändigt, was der Anklagevertreter über das Mikrophon verlesen wird.


VORSITZENDER: Oberst Storey! Ich dachte, der Gerichtshof habe nach Konsultierung der Anklagebehörde über die Durchführbarkeit eines solchen Verfahrens angeordnet, daß den Verteidigern genügend Übersetzer zur Verfügung gestellt werden sollen, so daß solche Dokumente wie dieser Anklageschriftsatz, wenn sie in englischer Sprache abgefaßt sind, für die Verteidigung übersetzt werden können. Wie Sie sich erinnern werden, wurde vorgeschlagen, daß mindestens vier Übersetzer, wie ich glaube, den Verteidigern zur Verfügung gestellt werden sollten.


OBERST STOREY: Wenn der Gerichtshof sich erinnern wollte, so war das, was meines Erachtens schließlich beschlossen wurde, folgendes: Dokumentenbücher und Anklageschriftsätze können in englischer Sprache vorgelegt werden, die Photokopien den Verteidigern zur Verfügung gestellt werden, ferner, wenn sie weitere Exemplare des deutschen Textes wünschen, können sie ihnen auf Wunsch übergeben werden. Ich glaube, das war die endgültige Entscheidung.


VORSITZENDER: Es wurde jedenfalls der Vorschlag gemacht, daß Übersetzer solche Dokumente wie Anklageschriftsätze übersetzen sollen.


OBERST STOREY: Das ist richtig, ja, Herr Präsident. Und wann immer die Verteidiger mehr Exemplare verlangen, würden sie ihnen zur Verfügung gestellt. Die Übersetzer oder Übersetzungen oder Photokopien würden ihnen auf Wunsch zur Verfügung gestellt.

Haben Sie noch andere Fragen, Herr Präsident?


VORSITZENDER: Wollen Sie sagen, daß den Verteidigern keine Übersetzer zur Verfügung gestellt wurden?


OBERST STOREY: Hoher Gerichtshof, meines Wissens ist das Angeklagteninformationszentrum jetzt der Zuständigkeit des Gerichtshofs unterstellt, und, soweit ich unterrichtet bin, und ich mochte das gern nachprüfen, brauchen sie, wenn sie extra Exemplare wünschen, nur darum anzusuchen, um sie zu bekommen. Es sind genügend Übersetzer vorhanden, um die Extra-Exemplare herzustellen, wenn sie verlangt werden. Das ist meine Information. Ich habe sie in den letzten Tagen nicht nachgeprüft, aber genügend Exemplare in englischer Sprache sind allen Verteidigern zur Verfügung gestellt worden, und diese Dokumente und Anklageschriftsätze werden ihnen im voraus geliefert. Es wurde mir gesagt, daß in diesem Falle das Dokumentenbuch und der Schriftsatz überreicht worden sind.


[30] VORSITZENDER: Ja.


DR. FRITZ SAUTER, VERTEIDIGER DER ANGEKLAGTEN FUNK UND SCHIRACH: Herr Präsident, Sie dürfen überzeugt sein, daß wir Verteidiger nicht gern die Zeit des Gerichts für Erörterungen, die wir Verteidiger am liebsten selbst vermeiden würden, in Anspruch nehmen. Aber die Frage, die vorhin durch einen meiner Kollegen angeschnitten wurde, ist tatsächlich für uns Verteidiger sehr unangenehm und erschwert uns unser Amt außerordentlich.

Wie Sie sehen, hilft es uns ja nichts, wenn Anordnungen ergehen, oder wenn Vereinbarungen getroffen werden, und die Praxis doch eine andere ist.

Wir bekommen, sagen wir gestern Abend, einen dicken Band von Urkunden; sämtliche Urkunden in englischer Sprache. Jetzt soll man am Abend im Gefängnis mit seinem Mandanten, noch dazu unter den jetzigen starken Erschwerungen infolge der Gittervorrichtungen, im Sprechraum stundenlang die Ergebnisse der Verhandlung besprechen. Man soll dann auch noch Bände von Urkunden besprechen, alles in Englisch, was praktisch unmöglich ist. Dann bekommt man diese Urkunde natürlich immer wieder erst am Abend vor der Verhandlung; man kann sich unmöglich, selbst wenn man gut Englisch könnte, darauf entsprechend vorbereiten.

Genau so ist es mit diesen Anklageschriftsätzen. Ich weiß nicht, ob diese eigentlichen Anklageschriften, wie wir sie nun für jeden Angeklagten bekommen, auch dem Gericht vorliegen.


VORSITZENDER: Fast auf jedes Dokument, auf das sich in diesem Teil des Verfahrens Herr Albrecht und Sir David Maxwell-Fyfe bezogen haben, ist schon zu einem früheren Zeitpunkt des Verfahrens Bezug genommen worden und muß daher seit vielen Tagen, nein Wochen, in den Händen der Verteidiger gewesen sein. Sie können deshalb nicht sagen, daß Sie mit diesen Dokumenten nicht vertraut sind. Die Anzahl der erwähnten Dokumente, die neu vorgelegt wurden, ist außerordentlich gering, und die Stellen, die jetzt zum Beweis vorliegen, werden alle über das Mikrophon verlesen und können deshalb von den Verteidigern in deutscher Sprache gehört und am nächsten Morgen in dem deutschen, kurzschriftlich aufgenommenen Verhandlungsprotokoll studiert werden. Ich kann deshalb nicht einsehen, inwiefern den deutschen Verteidigern Schwierigkeiten durch die gegenwärtig angewandten Methoden auferlegt werden.

Sie müssen verstehen, daß die Anklagebehörde aus Höflichkeit gegenüber den Verteidigern ihre Anklageschriftsätze im voraus in englischer Sprache zugestellt hat. Aber es besteht keine bindende Verpflichtung dafür. Was das gegenwärtige Beweismaterial betrifft,[31] so ist es vollständig in Dokumenten enthalten, und, wie ich Ihnen schon gesagt habe, wurde der größte Teil dieser Dokumente schon vor vielen Tagen zum Beweis vorgelegt und befand sich seither in deutscher Sprache in Händen der deutschen Verteidiger, ebenso wie die Dokumente, die jetzt vorgelegt werden.


DR. SAUTER: Herr Präsident, das stimmt nicht. Das ist die Klage, die wir Verteidiger unter uns, weil wir nur ungern solche Klagen an das Gericht herantragen, immer wieder besprechen, nämlich, daß wir keine deutschen Urkunden bekommen. Sie dürfen überzeugt sein, Herr Präsident, wenn es so wäre, wie es Ihnen vorschwebt, dann würde keiner von uns hier an Sie herantreten, sondern wir wären alle sehr dankbar, wenn wir sie bekämen, aber es ist in Wirklichkeit eben anders.


VORSITZENDER: Aber Dr. Sauter, wenn Sie sich auf ein deutsches Dokument beziehen wollen, dann steht Ihnen dieses deutsche Dokument sicherlich im Informationszentrum zur Verfügung. Und da diese Dokumente bereits vorgelegt wurden, zum Teil sogar schon am 20. November 1945 oder eine kurze Zeit später, müssen die Verteidiger doch genügend Zeit gehabt haben, um sie zu studieren.

DR. SAUTER: Ich bekomme zum Beispiel heute in der Früh einen Band Funk. Ich weiß wann der Fall Funk an die Reihe kommt; vielleicht morgen. Es ist mir ganz unmöglich, diesen Band englischer Urkunden heute Abend, sagen wir, wenn ich um 10 Uhr vom Gefängnis heimkomme, noch zu studieren. Das geht einfach über die physische Kraft eines Verteidigers.

Ich kann es vielleicht noch durcharbeiten, wenn es deutsch ist, es ist mir jedoch unmöglich, wenn ich den Gefängnisbesuch abends, sagen wir um 9 Uhr oder 10 Uhr, absolviert habe, noch einen solchen Band durchzuarbeiten. Das bringen wir nicht zustande.


VORSITZENDER: Sehen Sie, Dr. Sauter, es ist nicht so, daß Sie die Zeugen sogleich nach der Beweisaufnahme ins Kreuzverhör zu nehmen brauchen. Die Dokumente werden vorgelegt, und es ist nicht Ihre Aufgabe, sofort aufzustehen und über die Auslegung dieser Dokumente zu argumentieren. Sie haben vielmehr leider einen beträchtlichen Zeitraum vor sich, ehe Sie aufstehen werden, um Ihr eigenes Beweismaterial vorzulegen und um schließlich Ihre Argumente hinsichtlich dieser Dokumente vorzubringen, die jetzt vorgelegt werden. Deshalb ist es also nicht eine Frage von Stunden, sondern eine Frage von Tagen und Wochen, ehe Sie sich mit den Dokumenten, die jetzt vorgelegt werden, zu belassen haben. Und ich kann wirklich nicht einsehen, daß in dem hier angewandten System für die Verteidiger Schwierigkeiten enthalten sind.

[32] Sie dürfen auch nicht vergessen, daß die im gewissen Sinn für die Anklagebehörde nachteilige Regel besteht, nach welcher die zum Beweis vorgelegten Dokumente in offener Sitzung verlesen werden müssen, damit sie im Wege der Kopfhöreranlage übersetzt und in Kurzschrift aufgenommen werden können. Ich wurde dahin unterrichtet, daß das deutsche stenographische Protokoll wohl nicht am nächsten Morgen, aber einige Tage später zur Verfügung steht. Jedenfalls ist es Ihnen schließlich in deutscher Sprache zugänglich. Daher muß jeder Verteidiger im Besitze eines vollständigen Exemplars des kurzschriftlich aufgenommenen Verhandlungsprotokolls sein, jedenfalls bis zur Vertagung, und dieses enthält das gesamte gegen die Angeklagten vorgebrachte Beweismaterial in deutscher Sprache.


DR. SAUTER: Ja, Herr Präsident, das, was uns besonders am Herzen liegt, haben wir schon vor vielen Wochen erbeten und von neuem erbeten, daß uns nämlich die Urkunden, wenigstens der Teil, der irgendwie in Betracht kommt, eben in deutscher Übersetzung zugeleitet werden. Wir tun uns unendlich schwer, auch wenn wir gewisse Kenntnisse des Englischen haben, diese Urkunden in der Zeit, die uns zur Verfügung steht, zu übersetzen. Das ist fast keinem von uns möglich, und das ist ja auch der Grund, warum wir es bedauern, daß unseren Wünschen nach Bereitstellung deutscher Übersetzungen nicht entsprochen werden kann. Wir sehen selbstverständlich die Schwierigkeiten, und wir sind für jedes Entgegenkommen dankbar. Sie dürfen überzeugt sein, Herr Präsident, wir bringen nur ungern eine derartige Bitte vor, aber die Verhältnisse sind tatsächlich für uns sehr schwer.

Das letzte Wort, das ich sagen möchte ist, die Verhältnisse sind tatsächlich für uns sehr schwer.


VORSITZENDER: Dr. Sauter, sowohl mir als auch den anderen Mitgliedern des Gerichtshofs liegt sehr viel daran, daß alle vernünftigen Erleichterungen den Angeklagten und ihren Verteidigern zugestanden werden. Aber, wie ich bereits betont habe, braucht keiner der Verteidiger jetzt aufzustehen, um seine Argumente über die Dokumente, die jetzt vorgelegt werden, vorzubringen. Bis zu dem Zeitpunkt, in welchem Sie über die Dokumente, die jetzt vorgelegt werden, argumentieren müssen, werden Sie reichlich Zeit haben, um die Dokumente in der deutschen Sprache zu studieren.


DR. SAUTER: Ich danke Ihnen, Herr Präsident.


RECHTSANWALT GEORG BOEHM, VERTEIDIGER FÜR DIE SA: Ich habe wiederholt gebeten, mir Abschriften aller Vorlagen in englischer Sprache zu geben. Ich habe heute, nachdem die Anklage gegen die SA bereits am 19. beziehungsweise 18. Dezember 1945 [33] vorgetragen wurde und zu diesem Zeitpunkt auch ein Dokumentenbuch in Vorlage gebracht worden ist, zwar einige Photokopien erhalten, nicht aber den größten Teil der Photokopien und der übrigen in Frage kommenden Übersetzungen. Es ist also nicht so, daß man anschließend an den Vortrag auch die deutschen Übersetzungen dazu bekommen könnte. Es ist auch nicht so, daß man das Sitzungsprotokoll jeweils bereits am anderen oder übernächsten Tag nachlesen könnte. Das Sitzungsprotokoll aus der Sitzung...


VORSITZENDER: Wir beschäftigen uns im gegenwärtigen Augenblick nicht mit der SA oder mit den Organisationen. Wenn Sie einen Antrag zu stellen haben, machen Sie dies bitte auf schriftlichem Wege. Wir werden jetzt mit dem Teil des Verfahrens, mit dem wir uns beschäftigen, fortfahren.


RA. BOEHM: Gestatten Sie bitte noch eine Bemerkung: Das Sitzungsprotokoll vom 18. und 19. Dezember 1945 habe ich heute bekommen.


VORSITZENDER: Meinen Sie den Verhandlungsbericht?


RA. BOEHM: Das Protokoll aus der Sitzung vom 18. und 19. Dezember habe ich heute bekommen. Es ist also nicht so, daß man das Sitzungsprotokoll bereits am Tage nach der Sitzung oder auch nur einige Tage nach der Sitzung bekommen hätte, sondern ich habe es Wochen nach der Sitzung bekommen, nachdem ich verschiedentlich darum gebeten habe. Ich habe auch wiederholt bei allen in Frage kommenden Herren und Stellen gebeten, mir eine Abschrift in deutscher Sprache des Dokumentenbuchs zu geben. Ich habe sie heute noch nicht.


VORSITZENDER: Gut, wir werden diese Angelegenheit untersuchen. Einen Augenblick.


[Kurze Beratung des Gerichts.]


VORSITZENDER: Ich ersuche den Verteidiger, der soeben sprach, aufzustehen. Es wird mir mitgeteilt, daß der Grund für die Verzögerung in dem von Ihnen erwähnten Fall auf einem Irrtum in der Seitennumerierung beruhte, und daß deshalb die Übertragung dieses kurzschriftlichen Protokolls wiederholt werden mußte. Mir wird gesagt, daß die Verzögerung normalerweise nicht annähernd so lang ist wie in diesem Fall.

RA. BOEHM: Ich glaube kaum, daß diese Verzögerung sich darauf beziehen konnte, soweit die Übersetzung des Dokumentenbuchs in Frage kommt. Selbst wenn diese Verzögerung hier bezüglich der Sitzungsprotokolle berechtigt sein sollte, dann wäre ich in jedem Fall, von Woche zu Woche in meiner Verteidigung beschränkt. Ich weiß nicht am Tage vorher, was vorgetragen wird; ich weiß [34] wochenlang nachher nicht, was vorgetragen worden ist. Ich bin also nicht in der Lage, mit meinen Arbeiten zu meinen Beweisangeboten zu beginnen. Ich weiß noch nicht einmal, was in dem Dokumentenbuch enthalten ist. Ich bin also offensichtlich und in jeder Weise in meiner Verteidigung dadurch beschränkt. Die Anklage sagt immer wieder, daß sie die Unterlagen rechtzeitig vorbringen werde. Das ist doch offensichtlich nicht der Fall.


VORSITZENDER: Vielleicht wollen Sie so freundlich sein, Ihre Beschwerde schriftlich vorzubringen und Einzelheiten anzugeben. Verstehen Sie mich recht?


RA. BOEHM: Jawohl.


VORSITZENDER: Sehr gut.


MR. ROBERTS: Hoher Gerichtshof! Es ist meine Aufgabe, das Beweismaterial gegen Keitel und auch gegen den Angeklagten Jodl vorzubringen. Ich möchte um die Erlaubnis bitten, falls es der Gerichtshof für richtig hält, diese beiden Fälle gemeinsam vorbringen zu dürfen, um so Zeit zu gewinnen, was uns allen, wie ich weiß, am Herzen liegt.

Keitels und Jodls Geschichte laufen parallel. In den fraglichen Jahren marschierten sie zusammen auf demselben Weg. Die meisten Dokumente berühren sie beide. Unter diesen Umständen glaube ich, daß wir eine wesentliche Zeitersparnis erzielen können, wenn es mir gestattet werden würde, die Tatbestände gegen beide Angeklagte gemeinsam darzulegen.


VORSITZENDER: Ja.


MR. ROBERTS: Dann werde ich, wenn ich darf, auf dieser Basis vorgehen. Hoher Gerichtshof! Darf ich hinzufügen, daß ich mir voll bewußt bin, wie oft auf die Tätigkeit der beiden Angeklagten im einzelnen bereits verwiesen wurde, kürzlich erst durch Oberst Telford Taylor. Es ist mein aufrichtiger Wunsch, jede Wiederholung, soweit wie möglich, zu vermeiden. Darf ich sagen, daß ich gern jeden Vorschlag annehmen werde, den der Gerichtshof im Verlaufe meiner Darlegungen zu machen hat, um sie noch weiter zu verkürzen.

Hier ist ein sehr umfangreiches Dokumentenbuch, Dokumentenbuch VII, das ein für beide Angeklagte gemeinsames Dokumentenbuch ist und sich mit beiden befaßt.

Praktisch alle Dokumente in diesem Buch sind bereits behandelt worden. Fast alle Dokumente sind deutschen Ursprungs. Ich beabsichtige nur, einige Stellen aus neun neuen Dokumenten zu verlesen; und diese neun Dokumente sind in dem Dokumentenbündel Eurer Lordschaft und den Bündeln Ihrer Kollegen gekennzeichnet.

[35] Ich möchte damit beginnen, so kurz wie möglich, auf den Teil der Anklageschrift zu verweisen, der sich mit den beiden Angeklagten beschäftigt. Diese Stelle findet sich auf Seite 33 der englischen Übersetzung (Band I, Seite 83). Sie beginnt mit »Keitel« in der Mitte der Seite und lautet:

»Der Angeklagte Keitel hatte zwischen 1938 und 1945 verschiedene Ämter inne.«

Ich möchte hier nur erwähnen, daß, obwohl das Anfangsdatum 1938 ist, die Anklagebehörde sich dessenungeachtet auf gewisse Tätigkeiten des Angeklagten Keitel vor dem Jahre 1938 beziehen wird. Wir sind der Ansicht, daß wir dazu wegen des allgemeinen, zu Beginn des Anhangs auf Seite 28 der Anklageschrift erscheinenden Wortlauts berechtigt sind (Band I, Seite 74):

»Die nachstehenden, dem Namen jedes Angeklagten folgenden Angaben enthalten Tatbestände, auf die die Anklagebehörde sich unter anderem in der Feststellung der Verantwortlichkeit der Angeklagten... stützen wird.«

Dann heißt es weiter:

»Keitel benützte die vorgenannten Stellungen, sei nen persönlichen Einfluß und seine engen Beziehungen zum Führer in solcher Weise, daß er die militärischen Kriegsvorbereitungen, wie in Anklagepunkt 1 angeführt, förderte« –

Wenn ich die Stelle verkürzt lesen darf:

»Er nahm an der Planung und an den Vorbereitungen von Angriffskriegen und Kriegen unter Verletzung von Verträgen teil, er führte die Pläne für Angriffskriege und Kriege in Verletzung von Verträgen durch, gestattete Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit und beteiligte sich an solchen Verbrechen.«

Der Angeklagte Jodl war zwischen 1932 und 1945 Inhaber verschiedener Stellungen. Er »benützte die vorgenannten Stellungen, seinen persönlichen Einfluß und seine enge Beziehung zum Führer in solcher Weise« – und das finden Sie im Text, der sich auf Keitel bezieht, nicht – »daß er die Machtergreifung der Nazi-Verschwörer und die Festigung ihrer Kontrolle über Deutschland unterstützte«.

Darf ich hier sagen, Hoher Gerichtshof, daß ich im Augenblick kein Beweismaterial für die Behauptung besitze, er habe die Machtergreifung der Nazis vor 1933 gefördert. Ausreichendes Beweismaterial dafür, daß er ein ergebener, ja nahezu fanatischer Bewunderer des Führers war, liegt vor, aber das glaube ich, würde nicht genügen.

Ferner wird Jodl beschuldigt, daß er die Kriegsvorbereitungen unterstützte; er nahm an der Planung und an den Vorbereitungen [36] von Angriffskriegen teil, gestattete Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit und beteiligte sich an solchen Verbrechen.

Hoher Gerichtshof! Was die Stellung des Angeklagten Keitel anlangt, ist es wohl bekannt, daß er im Februar 1938 Chef OKW, und ebenfalls daß Jodl Chef des Wehrmachtführungsstabes wurde. Das ist genügend bewiesen in den kurzschriftlichen Verhandlungsniederschriften und in den Dokumenten. Vielleicht sollte ich auf seine Stellung im Jahre 1935 hinweisen, zur Zeit als die Wiederbesetzung des Rheinlandes zuerst in Betracht gezogen wurde. Keitel war Leiter des Wehrmachtsamtes im Reichskriegsministerium, was durch Dokument 3019-PS bewiesen wird, einem Auszug aus der Zeitschrift »Das Archiv«. Ich bitte den Gerichtshof, davon amtlich Kenntnis zu nehmen. Es findet sich nicht in dem Aktenbündel.

Jodls Stellungen wurden durch seine eigene Erklärung bestätigt, Dokument 2865-PS, US-16. Im Jahre 1935 hatte er den Rang eines Oberstleutnants und war Chef der Operationsabteilung der Landesverteidigung.

Ich möchte nur kurz den Zeitraum vor 1938 erwähnen. Es ist die Vor-OKW-Periode, und ich nehme Bezug auf zwei Dokumente, von denen eines neu ist. Das erste Dokument, das ich, ohne es zu verlesen, erwähnen möchte, ist EC-177. Ich möchte es nicht verlesen. Es ist Beweisstück US-390. Hoher Gerichtshof! Es handelt sich um das Protokoll der Sitzung des Arbeitsausschusses der Referenten für die Reichsverteidigung, welche kurz nach der Machtergreifung durch die Nazis stattfand. Sie trägt das Datum vom 22. Mai 1933. Keitel führte in dieser Konferenz den Vorsitz. Die Niederschrift ist bereits verlesen worden. Es ist eine lange Besprechung über die Vorarbeiten, Deutschland für einen Kriegszustand bereit zu machen. Keitel war der Ansicht, daß diese Aufgabe äußerst dringlich sei, da in den vorangehenden Jahren so wenig getan worden sei. Der Gerichtshof wird sich vielleicht an die besonders schlagende Stelle erinnern, in welcher Keitel die Notwendigkeit der Geheimhaltung betonte: Schriftstücke dürften nicht in Verlust geraten und mündlich übermittelte Dinge könnten in Genf abgestritten werden.

Wenn ich einen kurzen Kommentar machen darf, ist es interessant zu sehen, daß schon damals, zu Beginn des Jahres 1933, die Chefs der deutschen Streitkräfte den Gebrauch von Lügen als eine Waffe betrachteten.

Hoher Gerichtshof! Das nächste Dokument, auf das ich mich beziehen will, ist neu, es trägt die Nummer EC-405, GB-160. Ich möchte mich hierauf kurz beziehen, denn meiner Ansicht nach hält [37] es fest, daß Jodl von den Plänen, entgegen dem Vertrag von Versailles das Rheinland wieder zu besetzen, wußte, und an ihnen beteiligt war. Der Gerichtshof wird feststellen, daß es sich um einen Sitzungsbericht des Arbeitsausschusses des Reichsverteidigungsrats vom 26. Juni 1935 handelt.

Der Gerichtshof wird sehen, daß Seite 43, Punkt F, Oberstleutnant Jodl einen Vortrag über die Mobilmachungsvorarbeiten hielt, und ich möchte nur den vierten und fünften Absatz auf der gleichen Seite verlesen, den vorletzten Absatz von unten:

»Besondere Behandlung erfordert die entmil. Zone. Der Führer und Reichskanzler hat in seiner Rede vom 21. 5. 1935 und anderen Erklärungen zum Ausdruck gebracht, daß die Bestimmungen des Versailler Vertrags und des Locarno-Abkommens für die entmil. Zone beachtet werden. Auf das ›Aide-Memoire‹ des französischen Geschäftsträgers vom 17. 6. 1935 über ›Ersatzdienststellen in der entmil. Zone‹ hat die Deutsche Reichsregierung geantwortet, daß weder die zivilen Ersatzbehörden noch andere Stellen in der entmil. Zone mit Mob.Aufgaben, wie Aufstellung, Ausrüstung und Bewaffnung von irgendwelchen Formationen für den Kriegsfall oder der Vorbereitung hierfür betraut sind.

Da zur Zeit außenpolitische Verwicklungen unter allen Umständen vermieden werden müs sen«, ich betone: »zur Zeit«, »dürfen in der entmil. Zone nur unabweisbare notwendige Vorarbeiten durchgeführt werden. Die Tatsache solcher Vorarbeiten oder die Absicht hierzu unterliegt sowohl in der Zone selbst, wie auch im übrigen Reich, strengster Geheimhaltung.«

Hoher Gerichtshof! Ich brauche nicht mehr zu verlesen. Ich behaupte, daß dies Jodls Kenntnis von dem bevorstehenden Bruch des Versailler Vertrags zweifelsfrei feststellt.

Hoher Gerichtshof! Am Tage vor der Wiederbesetzung des Rheinlandes, am 7. März 1936, gab der Angeklagte Keitel feine Richtlinie heraus, die bereits verlesen wurde, Dokument C-194, US-55. Diese ordnete Luftaufklärung und gewisse U-Bootbewegungen für den Fall an, daß eine andere Nation versuchen sollte, sich in diese Wiederbesetzung einzumischen.

Hoher Gerichtshof! Ich wende mich nun den Ereignissen des 4. Februar 1938 zu, dem Tage, da das OKW gebildet wurde. Kurz nach seiner Errichtung wurde ein Handbuch veröffentlicht, welches ein neues Beweisstück ist, und aus dem ich kurze Stellen verlesen möchte. Die Nummer des Dokuments ist L-211, GB-161. Es ist vom 19. April 1938 datiert: »Geheime Kommandosache. Die Kriegsführung als Problem der Organisation.«

[38] Ich lese nur vom »Anhang« vor, der die Überschrift trägt: »Was ist der Krieg der Zukunft?« Ich bitte den Gerichtshof, Seite 29 aufzuschlagen. Ich werde von Zeile 9 von unten beginnend mit den Worten »Die Überraschung«, vorlesen.

»Die Überraschung als Voraussetzung für schnelle und große Anfangserfolge wird oft dazu zwingen, die Feindseligkeiten zu beginnen, bevor die Mobilmachung oder gar der Aufmarsch des Heeres beendet ist.

Die Kriegserklärung steht nicht mehr in jedem Falle am Anfang eines Krieges.

Je nach dem, ob der Eintritt der kriegsrechtlichen Normen mehr Vorteile oder Nachteile für die Kriegführenden bringt, werden diese sich den neutralen Staaten gegenüber als im Kriege oder nicht im Kriege befindlich betrachten.«

Man könnte natürlich sagen, daß dies theoretische Worte waren und auf jede andere Nation, die die Absicht hätte, Krieg gegen Deutschland zu führen, angewandt werden könnten. Der Gerichtshof kann die im Jahre 1938 in Europa bestehenden Verhältnisse zur amtlichen Kenntnis nehmen und sich fragen, ob Deutschland irgendeinen möglichen Angreifer gegen sich hatte.

Eure Lordschaft! Ich betone diese Stelle, weil sie die Art und Weise, in welcher Deutschland im Jahre 1939 und den folgenden Jahren Krieg führte, so klar und deutlich voraussehen läßt.

Eure Lordschaft! Ich gehe nun den schon so oft beschrittenen und noch so oft zu beschreitenden Weg entlang, den Weg von 1938 bis 1941, bis zur letzten Angriffshandlung. Eure Lordschaft, ich glaube, daß ich dies, so weit Keitel und Jodl betroffen sind, in wenigen Sätzen tun kann, denn ich behaupte, daß die bereits verlesenen und in das Protokoll wiederverlesenen Dokumente ganz deutlich beweisen, daß Keitel, wie von ihm als Chef des Oberkommandos der Wehrmacht und von Jodl als Chef der Operationsabteilung zu erwarten ist, in wesentlichster und engster Beziehung standen zu allen einzelnen Angriffshandlungen, die nacheinander gegen die verschiedenen Opfer der Nazi-Aggression verübt wurden.

Eure Lordschaft, dem Gerichtshof liegen das Dokumentenbuch und vielleicht auch der Anklageschriftsatz vor, in welchen diese Dokumente unter der entsprechenden Überschrift zu finden sind. Ich möchte mit dem Angriff auf Österreich beginnen. Eure Lordschaft wird sich an die Eintragung in Jodls Tagebuch vom 12. Februar 1938 erinnern, wie Keitel, der mehr als ein bloßer Soldat war, schweren Druck auf Schuschnigg ausübte; das ist Dokument 1780-PS, Jodls Tagebuch und daran, daß Keitel am folgenden Tag an Hitler schrieb, Dokument 1775-PS, US-75, und ihm vorschlug, militärische Aktionen vorzutäuschen und falsche, [39] aber glaubwürdige Nachrichten auszustreuen, wie dies bereits übersetzt wurde.

Sodann die tatsächlichen Operationsbefehle »Otto«, Beweisstück US-74, 75 und 77, alle vom 11. März 1938 datiert, und Befehle des OKW, für die Keitel verantwortlich ist.

VORSITZENDER: Welche Nummern tragen diese Dokumente?

MR. ROBERTS: Eure Lordschaft, C-102, C-103 und C-182; eines von ihnen ist tatsächlich von Keitel unterschrieben oder abgezeichnet, und zwei sind von Jodl abgezeichnet. Dies sind die Operationsbefehle für den Vormarsch nach Österreich, in denen ausdrücklich angeordnet wurde, daß tschechische Soldaten als Feinde und die Italiener als Freunde zu behandeln seien.

Eure Lordschaft, dies ist der erste Meilenstein auf dem Wege zur Besetzung Österreichs. Eure Lordschaft, der zweite ist, nicht wahr,...


VORSITZENDER: Da Sie nun auf etwas anderes übergehen, ist es wohl besser, wenn wir die Sitzung jetzt bis 14.00 Uhr vertagen.


[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 5, S. 7-41.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Bjørnson, Bjørnstjerne

Synnöve Solbakken. (Synnøve Solbakken)

Synnöve Solbakken. (Synnøve Solbakken)

Vor dem Hintergrund einer romantisch idyllischen Fabel zeichnet der Autor individuell realistische Figuren, die einerseits Bestandteil jahrhundertealter Tradition und andererseits feinfühlige Persönlichkeiten sind. Die 1857 erschienene Bauernerzählung um die schöne Synnöve und den hitzköpfigen Thorbjörn machte Bjørnson praktisch mit Erscheinen weltberühmt.

70 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon