Nachmittagssitzung.

[465] VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird nächsten Samstag keine öffentliche Sitzung abhalten und ebenso nicht an den zukünftigen Samstagen, es sei denn, daß dies besonders angekündigt wird.

Ja, Dr. Thoma?


DR. THOMA: Herr Präsident! Ich habe gestern von einem Affidavit des Reichshauptstellenleiters Dr. Heinz Öppert gesprochen. Ich habe diese eidesstattliche Versicherung nunmehr bekommen und habe bereits auch mit Herrn Dodd Rücksprache genommen.

Ich bitte nun, diese eidesstattliche Versicherung vorlegen zu dürfen. Herr Dodd hat keine Einwendung gegen die Vorlage dieses Dokuments.

Darf ich aus dieser eidesstattlichen Versicherung einen ganz kurzen Abschnitt verlesen?


VORSITZENDER: Könnten Sie uns sagen, wovon diese eidesstattliche Erklärung handelt?


DR. THOMA: Ja, Herr Präsident. Dieser Dr. Öppert hatte das Amt »Weltanschauliche Information« bei der Dienststelle des Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Erziehung der Partei. Er hat über diese Tätigkeit, über dieses Amt gesagt, es handle sich dabei fast ausschließlich um eine Berichterstattung und Registrierung der Vorgänge auf diesem Gebiet. Ein aktives Eingreifen in die Kirchenpolitik des Staates oder der Partei wäre der Dienststelle auch dann nicht möglich gewesen, wenn sie es gewollt hätte, da sie keine Exekutivmöglichkeiten hatte. Zu den staatlichen und Parteistellen, die in den Vorgängen auf diesem Gebiet Anteil hatten, bestand ständig ein offener Gegensatz, ein oft heftiger Gegensatz: Propagandaministerium und Kirchenministerium, SD und Parteikanzlei. Die Verbote weltanschaulicher Gruppen und Sekten, und Maßnahmen gegen einzelne Geistliche erfolgten meines Wissens ohne Kenntnis und Einfluß der Dienststelle durch SD oder Gestapo.

Ich bitte das Gericht, von diesem Affidavit amtlich Kenntnis zu nehmen.


VORSITZENDER: Sehr gut.


DR. THOMA: Exhibit-Nummer 51.


VORSITZENDER: Dr. Fritz für Fritzsche... Ist jemand da, der Dr. Fritz vertritt?


DR. ALFRED SCHILF, STELLVERTRETENDER VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN FRITZSCHE: Rechtsanwalt Schilf für den abwesenden Dr. Fritz als Vertreter für Fritzsche.

[465] Herr Präsident! Dr. Fritz hat am Montag noch einen schriftlichen Antrag eingereicht, und zwar für zwei Affidavits, die noch ausstehen von dem englischen Journalisten Clifton Delmar und von dem seinerzeitigen Schutzmachtvertreter in Berlin, Gesandten Feldscher, jetzt in Bern. Beide Erklärungen sind noch nicht eingegangen. Das Hohe Gericht wird gebeten, diese noch später anzunehmen. Sonst habe ich dazu nichts zu sagen. Weitere Anträge liegen nicht vor.


VORSITZENDER: Haben Sie... Ich konnte die Namen des zweiten nicht hören. War es Feldscher?


DR. SCHILF: Gesandter Feldscher, Schutzmachtvertreter, jetzt in Bern in der Schweiz.


VORSITZENDER: Sind diese eidesstattlichen Versicherungen der Anklage vorgelegt worden?


DR. SCHILF: Nein, Herr Präsident, sie liegen noch gar nicht vor. Sie sind noch nicht eingegangen.


VORSITZENDER: Ich verstehe. Sind es eidesstattliche Erklärungen oder Fragebogen?


DR. SCHILF: Es sind zwei Fragebogen, Herr Präsident.


VORSITZENDER: Fragebogen, ich verstehe. Gut, wenn also die Fragebogen beantwortet zurückkommen, dann können sie der Anklagevertretung vorgelegt werden, damit diese entscheidet, ob sie Gegenfra gebogen einreichen will, und dann können sie übersetzt und dem Gerichtshof vorgelegt werden.

Dr. Schilf! Da war doch ein Antrag – ich bin nicht sicher, ob er schriftlich oder mündlich war – bezüglich Schörner und Voß und noch eines Mannes, deren Erklärungen von der Anklagevertretung im Kreuzverhör benützt wurden. Ich glaube, das waren eidesstattliche Versicherungen. Ich bin allerdings nicht sicher, und da war, glaube ich, auch ein mündlicher Antrag, diese Leute im Kreuzverhör zu vernehmen. Wollen Sie dabei bleiben, oder haben Sie das zurückgezogen?


DR. SCHILF: Herr Präsident! Der Antrag ist nicht zurückgezogen. Er ist aber nur als Hilfsantrag gestellt worden, nur für den Fall, daß die von der Sowjetischen Anklagevertretung vorgelegten Vernehmungsniederschriften – diese Vernehmungsniederschriften scheinen mir nicht als Affidavits angesehen werden zu können, sondern nur als Vernehmungsniederschriften in einer mehr polizeilichen Form – vom Hohen Gericht im vollen Wortlaut als Beweisurkunden angesehen werden sollten. Dann kann auf das Kreuzverhör der Zeugen nicht verzichtet werden. Diese drei Urkunden sind bei der Vernehmung des Angeklagten Fritzsche nur stellenweise, nur in kleinen Teilen, dem Angeklagten vorgehalten worden. Er hat dazu zu jeder Einzelheit...


[466] VORSITZENDER: Was Sie sagen, ist also, daß, wenn die Anklage nicht die ganzen Dokumente benützen will, sondern nur die Teile, die dem Angeklagten Fritzsche im Kreuzverhör vorgehalten worden sind, legen Sie keinen Wert auf die Ladung dieser Personen Voß und Schörner zum Kreuzverhör. Wenn aber die Anklage die ganzen Dokumente vorzulegen wünscht, wollen Sie sie ins Kreuzverhör nehmen. Ist das richtig?


DR. SCHILF: Jawohl, Herr Präsident, so ist es richtig wiedergegeben.


VORSITZENDER: Wollen Sie den Gerichtshof ersuchen, die Teile in der Beweisaufnahme des Angeklagten Fritzsche zu streichen, die sich auf diese Erklärungen beziehen, oder meinen Sie einfach, daß Sie die Zeugen Voß und Schörner ins Kreuzverhör nehmen wollen, falls die Anklagevertretung nicht nur die Teile, über die sie den Angeklagten ins Kreuzverhör genommen hat, benützen will, sondern auch andere Teile?


DR. SCHILF: Herr Präsident! Wir wollen nur, falls das Gericht die drei Vernehmungsniederschriften als Ganzes als Beweisurkunden ansehen sollte, die Kreuzverhöre führen.


VORSITZENDER: Ja, dann meinen Sie das, was ich Ihnen zuerst vorhielt.

Gut, vielleicht wird uns der Anklagevertreter General Rudenko sagen, ob er das gesamte Dokument vorlegen will oder ob er schon genug davon vorgelegt hat.


GENERAL RUDENKO: Herr Präsident! Wie ich schon bei der Vorlage dieser schriftlichen Aussagen dem Gerichtshof mitgeteilt habe, sind die Protokolle dieser Verhöre gemäß der in der Sowjetunion gültigen Prozeßordnung niedergeschrieben worden.

Die Anklagebehörde wird nur die Teile verwenden, die hier im Gerichtshof verlesen worden sind und nach denen der Angeklagte Fritzsche einem Kreuzverhör unterzogen worden ist.


VORSITZENDER: Sehr gut. Dann ist es also nicht notwendig, diese Zeugen zum Kreuzverhör herzubringen. Sehr gut.


DR. SCHILF: Jawohl, Herr Präsident.


VORSITZENDER: Nun, damit ist der Gerichtshof am Ende der Beweisaufnahme der Verteidigung angelangt mit Ausnahme von zwei Zeugen, die hier sein sollten... die hier sind und die für den Angeklagten Bormann gehört werden sollen.


DR. FLÄCHSNER: Herr Präsident! Darf ich für den Angeklagten Speer eine Urkunde, die bereits übersetzt und der Staatsanwaltschaft bekannt ist, nachträglich überreichen? Es handelt sich um ein Führerprotokoll vom 3. Januar 1943. Es erhält Speer-Exhibit Nummer 35. Ich hatte es in das Verzeichnis, das ich dem Gericht [467] von den von mir überreichten Urkunden übergeben habe, schon aufgenommen als Exhibit-Nummer 35. Es war nur noch nicht übersetzt damals. Ich darf es jetzt nachreichen.


VORSITZENDER: Ja, sicherlich.

Was ich sagen wollte war, daß wir nun am Ende der Beweisaufnahme angelangt sind mit Ausnahme von Fragebogen, die bereits zugelassen wurden, deren Beantwortungen aber noch nicht eingetroffen sind. Natürlich werden solche Fragebogen vorbehaltlich ihrer Zulässigkeit erst genehmigt, wenn die Antworten eingetroffen sind. Das gilt auch für alles Affidavit-Ähnliche, was vom Gerichtshof zugelassen worden ist. Im übrigen aber ist die Beweisaufnahme für die Angeklagten mit Ausnahme der von Dr. Bergold nunmehr abgeschlossen.


DR. SERVATIUS: Herr Präsident! Ich habe noch eine Frage wegen eines Beweisantritts durch den Zeugen Walkenhorst. Für den Fall, daß die Vernehmung nicht zustande kommen sollte, habe ich noch ein Affidavit, das ich mir hatte geben lassen. Ich nehme an, daß ich es vorbringen kann, falls der Zeuge nicht vernommen werden sollte. Es befaßt sich mit einer kurzen Frage, nämlich mit dem Telephongespräch, das Sauckel bezüglich der Räumung des Konzentrationslagers Buchenwald geführt hat. Da war Walkenhorst zufälligerweise der Sprecher auf der Gegenseite. Zu dieser einen Frage habe ich ein Affidavit. Aber wenn der Zeuge kommt, frage ich ihn natürlich.

Ich bitte, mir für den Fall, daß er nicht vernommen wird, das offenzuhalten.


VORSITZENDER: Sie sprechen von Walkenhorst?


DR. SERVATIUS: Vom Zeugen Walkenhorst.


VORSITZENDER: Gut, er wird gleich verhört werden.


DR. SERVATIUS: Ich hoffe es.


VORSITZENDER: Aber... Ich glaube, er ist hier.

Ich habe eine Liste von Zusatzanträgen vor mir, glaube aber, daß sie alle in den letzten zwei Tagen erörtert wurden. Falls die Verteidiger noch irgend etwas vorzubringen wünschen, so mögen sie das jetzt tun.

Gut, dann nehme ich also an, daß, wie gesagt, die Beweisaufnahme für die Verteidiger abgeschlossen ist mit Ausnahme von noch ausständigen Dokumenten, Fragebogen und eidesstattlichen Versicherungen.


DR. MARX: Herr Präsident! Ich möchte mit Erlaubnis des Gerichts noch drei Urkunden einführen, und zwar handelt es sich dabei um folgendes:

[468] Bei der Frage, welchen Einfluß die von dem Angeklagten Streicher herausgegebene Zeitung auf das deutsche Volk ausgeübt hat, ist von maßgeblicher Bedeutung, wie sich die Auflage dieser Zeitung gestaltet hat und auf welche Umstände es zurückzuführen ist, daß in einem gewissen Zeitpunkt eine sehr erhebliche Steigerung eingetreten ist. Ich habe mir nun die Aufgabe gestellt, aus der Wochenschrift »Der Stürmer« aus dem Impressum herauszuziehen, wie sich die Auflage gestaltet hat.


VORSITZENDER: Aber... Wir haben diesen Antrag bereits vor uns gehabt und uns mit ihm befaßt. Und wir haben ihn abgelehnt.


DR. MARX: Ja, Verzeihung, Herr Präsident, es handelt sich um folgendes: Ich habe bei einer zufälligen Durchsicht verschiedener Nummern dieser Zeitung festgestellt, daß im Jahre 1935 eine sprunghafte Steigerung festzustellen ist, und die Verteidigung möchte den Beweis führen, daß diese Steigerung nicht auf eine Nachfrage aus dem deutschen Volk zurückzuführen ist, sondern hier hohe Parteistellen eingeschaltet wurden, was zusammen mit einer neuen Verlagsleitung die Steigerung auf das Dreifache herbeiführte. Es ist natürlich von wesentlicher Bedeutung, ob eine Steigerung auf das Dreifache auf die Nachfrage aus dem Volk zurückzuführen ist oder ob, wie in diesem Fall, die Deutsche Arbeitsfront sich eingeschaltet hat in Gestalt des Dr. Ley und eine Werbe- und Sondernummer herausgegeben wurde, die dann auf Betreiben des Dr. Ley und unter Ausnutzung des riesigen Apparats der Deutschen Arbeitsfront verbreitet wurde.

Das möchte ich unter Beweis gestellt haben, und ich bin der Meinung, daß das für die Verteidigung von Wichtigkeit sein muß.

Ich habe nach dieser Richtung, Herr Präsident, drei Belege, und wenn es das Hohe Gericht gestattet, werde ich eine Anweisung verlesen und bitten, sie als Beweismittel einführen zu dürfen. Daraus ergibt sich, daß Ley als Leiter der Deutschen Arbeitsfront an alle Dienststellen der Deutschen Arbeitsfront die Weisung gegeben hat, diese Sondernummer zu verbreiten und für weitgehende Verbreitung in den Betrieben und so weiter Sorge zu tragen. Denn es ist ja einer der wesentlichen Punkte der Anklage, daß das deutsche Volk durch den »Stürmer« und durch den Angeklagten Streicher antisemitisch beeinflußt und dadurch dann später reif gemacht worden ist für die Unterstützung der Maßnahmen im Osten bis zur Massenvernichtung.

Ich bitte also, diesen Beweis noch zuzulassen und ihn für erheblich erklären zu wollen.


VORSITZENDER: Sie sagten, Sie haben drei Dokumente, das erste ist eine Anweisung von Ley?


[469] DR. MARX: Ja, Herr Präsident.


VORSITZENDER: Ja. Was sind die beiden anderen?


DR. MARX: Das eine ist ein Auszug aus dem »Stürmer« vom Mai 1935, Nummer 18, in welchem es folgendermaßen lautet:

»Der aus Berlin nach Frankreich geflüchtete Bernhardt schreibt im ›Pariser Tageblatt‹ vom 29. März 1935 unter der Überschrift ›Stürmerauflage auf das Dreifache gestiegen‹ folgendes:

›Die Unterstützung höchster Reichsstellen, die der Pornograph Streicher bei Verbreitung seines ›Stürmers‹ erfährt, hat ihm innerhalb noch nicht eines Jahres zu einer Steigerung der Auflage auf das Dreifache verholfen. Während...‹«


VORSITZENDER: Warten Sie! Sie haben uns schon gesagt, daß sich die Auflage des »Stürmer« verdreifacht hat. Es ist unnötig, das alles zu wiederholen. Wir wollen nur wissen, um welche Dokumente es sich handelt. Das erste ist eine Anweisung von Ley, das zweite ist eine Ausgabe des »Stürmer«. Was ist das dritte?

DR. MARX: Und das dritte ist eine Zusammenstellung der Auflagen von Januar 1935 bis Mitte Oktober 1935 und daraus ergibt sich, daß innerhalb dieses einen Jahres die Auflage von 113800 auf 486000 gestiegen ist. Das wird wohl mir jedermann...


VORSITZENDER: Gut, das genügt. Mehr wollen wir darüber nicht hören.


DR. MARX: Jawohl, also dann darf ich mir erlauben, diese drei...


OBERST PHILLIMORE: Euer Lordschaft! Ich... Es hängt ganz vom Gerichtshof ab, aber die Anklage von ihrem Standpunkt aus hat keinen Einwand gegen die Zulassung der Dokumente. Das erste Dokument scheint den Angeklagten Streicher direkt mit einem der Mitverschwörer in Verbindung zu bringen, es wäre wirklich ein sehr wichtiges Dokument.


VORSITZENDER: Sehr gut. Dr. Marx, die drei Dokumente werden zugelassen.


DR. MARX: Ich bitte dann, diese drei Dokumente als Exhibit-Nummer 19, 20 und 21 einführen zu dürfen.

Verzeihung, Herr Präsident, wenn ich noch etwas bemerken darf, die Sache hat sich deswegen so ergeben und verzögert, weil ich selbst nichts davon wußte. Ich habe das zufällig aus dem Impressum des »Stürmer«, was mir vorher nicht bekannt war, entnommen und habe es dann von meinem Standpunkt aus für beweiserheblich gehalten. Ich bitte, das zu entschuldigen, daß es jetzt erst vorgelegt wird.


[470] DR. SAUTER: Herr Präsident! Ich habe natürlich keinen weiteren Beweisantrag mehr zu stellen, aber ich bitte, eine Frage, eine Rechtsfrage klären zu wollen: Es finden jetzt zur Zeit in den Kommissionen andauernd Vernehmungen statt zur Beweiserhebung hinsichtlich der Organisationen. Dort werden Zeugen vernommen, die wir hier nicht kennen, und es werden dort auch Dokumente vorgelegt, die uns hier noch nicht bekanntgeworden sind. Wir werden erst im Laufe der nächsten Wochen von dem Ergebnis dieser Beweisaufnahme bei den Organisationen Kenntnis bekommen. Nun denken wir Verteidiger, die wir hier tätig sind, an folgenden Fall: Es könnte sein, daß zum Beispiel einer dieser Angeklagten durch eine neue Zeugenaussage bei den Organisationen belastet wird oder daß Dokumente vorgelegt werden, zu denen wir als Verteidiger dieser Angeklagten unbedingt Stellung nehmen oder vielleicht Gegenbeweise müßten anbieten können. Nun sind wir damit einverstanden, daß die Beweiserhebung hier geschlossen wird, wir möchten uns aber natürlich die Möglichkeit vorbehalten, daß wir in solchen Fällen eventuell auch das Ergebnis der Beweisaufnahme bei den Organisationen erfahren.


VORSITZENDER: Ich glaube, wenn Sie sich die Verfügung des Gerichtshofs sorgfältig ansehen wollen, werden Sie finden, daß diese Angelegenheit vorgesehen ist. Und sollte sich während der Verhandlung über die Organisationen irgend etwas ergeben, was einen der Einzelangeklagten auf irgendeine Weise wesentlich oder direkt berührt, so steht es natürlich im Ermessen des Gerichtshofs, den Verteidiger des betreffenden Angeklagten in dieser Sache zu hören. Und ich glaube, daß das in unserer Verfügung besonders erwähnt ist.


DR. SAUTER: Diese Anordnung ist uns bekannt, selbstverständlich. Aber wir wollten nur darüber Klarheit schaffen, daß diese Anordnung auch bestehen bleibt, auch wenn hier die Beweisaufnahme geschlossen ist.


VORSITZENDER: Sicherlich.

Wünscht die Anklage irgendwelche Anträge zu stellen?


OBERST PHILLIMORE: Ich habe acht Dokumente vorzulegen. Euer Lordschaft, es sind Dokumente, auf die ich mich im Schlußplädoyer beziehen möchte, und deshalb schlage ich vor, sie hier jetzt nur ihrer Natur nach zu bezeichnen und sie sehr rasch dem Gerichtshof vorzulegen. Ich habe hier eine Liste, die ich zuerst einreichen werde.


VORSITZENDER: Sind es Dokumente, die noch nicht vorgelegt worden sind? Es mag passend sein, ihre Natur kennenzulernen.

OBERST PHILLIMORE: Ja, Euer Lordschaft, ich lege sie als Gegenbeweis vor.


[471] VORSITZENDER: Haben Sie eine Liste hier?


OBERST PHILLIMORE: Ja, Euer Lordschaft. Das erste Dokument ist 1519-PS...


VORSITZENDER: Sind sie dem Verteidiger übergeben worden?


OBERST PHILLIMORE: Nein, Euer Lordschaft. Ich habe Abschriften hier.

Das erste Dokument, 1519-PS, enthält Anordnungen in Bezug auf die Behandlung von sowjetischen Kriegsgefangenen. Euer Lordschaft, das soll nicht unbedingt zur Gegenbeweisführung dienen, aber dem Gerichtshof ist ein Dokument EC-338 unter der Bezeichnung USSR-356 vorgelegt worden. Dieses Dokument ist ein Kommentar des Admirals Canaris zu diesen Anordnungen, und Euer Lordschaft erinnert sich vielleicht daran. Der Angeklagte Keitel hatte bestimmte Bemerkungen darauf geschrieben, über die er im Kreuzverhör vernommen wurde. Das stenographische Protokoll vom 6. April 1946 vormittags (Band X, Seite 695) zeigt dies. Es erscheint angebracht, Euer Lordschaft, daß die tatsächlichen Anordnungen und nicht nur der Kommentar dem Gerichtshof vorgelegt werden sollte.

Euer Lordschaft, es handelt sich nun um GB-525, und wie der Gerichtshof ersehen wird, ist es ein Begleitschreiben Bormanns an die Gauleiter und Kreisleiter zu dem von General Reinecke, dem Chef der Kriegsgefangenenabteilung, unterzeichneten Schreiben des OKW, und dann folgen die tatsächlichen Vorschriften.


VORSITZENDER: Ist das nicht schon vorgelegt worden?


OBERST PHILLIMORE: Euer Lordschaft! Man sagt mir, nein. Es ist nur der Kommentar von Canaris zu diesem Dokument vorgelegt worden. Es war eingeschlossen... dieses Dokument war eingeschlossen in dem Dokumentenbuch Keitels, aber es ist nicht formell vorgelegt worden.


VORSITZENDER: Ich verstehe. Sie meinen, es wird GB...


OBERST PHILLIMORE:... 525, Euer Lordschaft.


VORSITZENDER: Ja.


OBERST PHILLIMORE: Euer Lordschaft! Das zweite Dokument, D-912, wird GB-526. Es ist dies eine Serie von Rundfunkmeldungen deutscher Sender vom 6. September bis zum 22. Oktober 1939. Diese wurden von der British Broadcasting Corporation ab gehört und handeln von der »Athenia«.

Euer Lordschaft! Ich lege dieses Dokument mit Bezug auf die Aussage des Angeklagten Raeder vor. Der Gerichtshof wird sich erinnern, daß ihn, gemäß seiner Aussage, der Artikel im »Völkischen Beobachter« vom 23. Oktober völlig überrascht hat; ich [472] verweise auf das stenographische Sitzungsprotokoll vom 17. Mai 1946, vormittags (Band XIV, Seite 93).

Euer Lordschaft! Es bezieht sich meiner Ansicht nach auch auf die vom Gerichtshof an den Angeklagten Fritzsche gerichteten Fragen. Es bestätigt seine Aussage, daß die Rundfunksendungen, die Winston Churchill für die Versenkung der »Athenia« verantwortlich machten, Anfang September begannen und den ganzen Monat über andauerten. Tatsächlich, diese Rundfunksendungen, wie der Gerichtshof sehen wird... Die erste war am 6. September 1939. Vielleicht darf ich einen Satz von Zeile 2 vorlesen:

»...die deutsche Presse weist die Anschuldigungen der britischen Presse, ein deutsches Unterseeboot habe die ›Athenia‹ versenkt, zurück. Churchill hat in einer seiner ersten Amtshandlungen die Versenkung der ›Athenia‹ angeordnet, um in USA antideutsche Gefühle auszulösen.«

Ähnliche Rundfunkmeldungen anderer Sender wurden am gleichen Tage und am 7., 11. und 25. September durchgegeben. Die vom 27., die von General Rudenko vorgelegt wurde, habe ich nicht. Dann ist noch eine da von dem Angeklagten Fritzsche vom 1. Oktober und so fort und eine Ansprache von Goebbels vom 22., dem Tag, bevor der Artikel erschien. Euer Lordschaft, das wird GB-526.

Das nächste Dokument, 3881-PS, ist ein Auszug aus dem Sitzungsbericht des Volksgerichtshofs vom 7. und 8. August 1944, als sieben Angeklagte wegen des Attentats auf Hitler vor Gericht standen. Euer Lordschaft, ich lege nur einen übersetzten Auszug vor, aber die Photokopie ist vollständig.... Ich hätte sagen sollen, daß dem Gerichtshof eine Übersetzung von bestimmten Auszügen vorliegt, aber das Beweisstück selbst enthält das vollständige Protokoll der Verhandlung. Euer Lordschaft, ich...

VORSITZENDER: Wenn keine Übersetzung vorliegt, können wir es nicht zum Beweis annehmen.

OBERST PHILLIMORE: Euer Lordschaft! Wir beabsichtigen, uns nur auf die übersetzten Auszüge zu beziehen.


VORSITZENDER: Sehr gut.


OBERST PHILLIMORE: Ich erklärte das nur im Interesse der Verteidiger, die vielleicht noch mehr sehen wollen.

Euer Lordschaft! Ich lege dies gegenüber der Aussage Jodls vor, daß deutsche Generale nur deshalb jetzt vor Gericht stünden, weil britische Generale Befehle befolgt hätten. Das steht im Sitzungsprotokoll vom 5. Juni 1946 (Band XV, Seite 419). Und die Stellen... Die Natur der Stellen besagt, daß der Vorsitzende des Volksgerichtshofs die von den Angeklagten vorgebrachte Verteidigung, es wären Befehle von Vorgesetzten gewesen, ablehnte. Euer Lordschaft, das wird GB-527.

[473] Euer Lordschaft! Das nächste Dokument ist D-181, es... ich lege es als GB-528 vor. Es ist ein Schreiben von einem Gauleiter an die Gauamtsleiter, Gauinspektoren und Kreisleiter über das Erbgesundheitsgesetz und die Sterilisierung wegen Schwachsinns. Es ist ein wichtiges Dokument in Bezug auf den Angeklagten Frick, und ich lege es vor, da sein Anwalt erklärt hat, Sitzungsprotokoll vom 24. April 1946, vormittags, (Band XII, Seite 180), daß Frick keine Kontrolle über die politische Polizei hatte und daß Himmlers Unterstellung unter ihn nur nominell war.

Euer Lordschaft! Das Schreiben enthält eine Reihe von Hinweisen für die Tatsache, daß die Verordnung... und auch ihre Durchführung in den Verantwortlichkeitsbereich des Angeklagten Frick fielen.

Euer Lordschaft! Das nächste Dokument ist ähnlicher Natur, und ich schreibe es derselben Seite des stenographischen Protokolls zu. Es ist M-151, und ich lege es als Beweisstück GB-529 vor.

Es sind dies drei Schreiben über die Ermordung von Geisteskranken in Heilanstalten. Das erste ist vom 6. September datiert und von dem Direktor einer Heilanstalt in Stetten i. R. an den Reichsjustizminister gerichtet. Er spricht von dem Gefühl völliger Rechtsunsicherheit in weiten Kreisen des Volkes angesichts der vielen Todesfälle, die sich ereignen. Das zweite Schreiben, datiert vom 10., ist ein Schreiben des Justizministers, das den Empfang der Beschwerde bestätigt und besagt, daß das Schreiben an den Angeklagten Frick weitergeleitet wurde. Und das dritte Schreiben vom gleichen Datum ist das Schreiben des Justizministers an seinen Kollegen, das die Beschwerde an diesen weiterleitet.

Euer Lordschaft! Das nächste Dokument bezieht sich auf die gleiche Angelegenheit. Es handelt sich um M-152, und ich lege es als Beweisstück GB-530 vor. Es besteht aus vier Schreiben.

Das erste, datiert vom 19. Juli 1940, ist gerichtet an den Angeklagten Frick als Reichsinnenminister und stammt von Bischof Wurm, dem Landesbischof der Württembergischen Evangelischen Landeskirche. Euer Lordschaft! Es spricht wieder von der Menge von Beschwerden, die er erhielt, und erörterte dann die Abscheulichkeit der Praxis, die offenbar angewandt wurde. Das zweite Schreiben vom 23. August ist ein Schreiben an den Justizminister, das sich auf das an den Angeklagten Frick gerichtete Schreiben bezieht. Das dritte vom 5. September ist ein Schreiben an den Angeklagten Frick, das ihn an das vorhergegangene Schreiben vom 19. Juli erinnert, auf das noch keine Bestätigung eingegangen sei.

Das nächste Schreiben vom 6. September ist ein paralleles Schreiben wieder an den Justizminister.

Schließlich, am 11. September, auf der letzten Seite des Dokuments, ist eine Aktennotiz des Justizministers, die besagt, daß ein [474] Beamter des Ministeriums den Dekan des Bischofs, wahrscheinlich den Dekan Keppler, informiert hat, daß die Angelegenheit lediglich den Angeklagten Frick angehe.

Euer Lordschaft! Das nächste Dokument, D-455, lege ich als GB-531 vor. Es ist eine Broschüre... das nächste Dokument, Euer Lordschaft, ist eine von der Militärregierung herausgegebene Broschüre... von den deutschen militärischen Behörden in Belgien. Sie stammt aus den Akten des deutschen Kriegsministeriums, des OKH, und ist betitelt »Belgiens Leistungen für die deutsche Kriegswirtschaft«. Sie ist vom 1. März 1942 datiert.

Euer Lordschaft! Ich lege es vor angesichts der allgemeinen Beweisführung, daß die deutsche Besatzung wohlwollend war, und daß... Der Gerichtshof hat immer wieder gehört, daß die deutsche Besatzung in den von ihr besetzten Ländern viel Gutes getan hat. Dieses Dokument ist eine graphische Illustration von der Unrichtigkeit der Beweise aus dem Mund der Verteidigung.

Euer Lordschaft! Ich darf dem Gerichtshof das Dokument schnell erklären. Seite 3 ist eine graphische Darstellung der Bevölkerungsziffern hinsichtlich der gewerblichen Wirtschaft, die zeigt, daß über 50 Prozent aller Werktätigen für Deutschland arbeiteten. Von den 1800000 Arbeitern und Angestellten in Belgien waren bei der deutschen Wehrmacht und im deutschen Interesse 901280 eingesetzt.

Euer Lordschaft! Seite 4 zeigt eine vergleichende Darstellung der Sklavenarbeiter zwischen Belgien, Holland und Frankreich, ausgedrückt in Prozenten.

Euer Lordschaft! Seite 5 gibt die Produktionsziffern der belgischen Beiträge für Deutschland.... Ich glaube, es ist die siebente Zeile, die zusammenfassend besagt: »Leistungen im Werte von 1,2 Milliarden Reichsmark.«

Auf Seite 6 ist ein Vergleich der belgischen Steinkohlenförderung mit der des Ruhrgebiets desselben Jahres.

Seite 8 zeigt einen Vergleich der Ablieferung von Walzwerkerzeugnissen zum gesamten Walzeisenverbrauch beim Bau des Westwalls.

Seite 9, Zement; Seite 10, Textilien; Seite 11, Metalle.

Da ist eine Feststellung, die über das, was herausgenommen wurde, zusammenfassend sagt: »Diese Ergebnisse konnten nur durch Ausschöpfung der letzten Reserven des Landes ermöglicht werden.«

Seite 12 zeigt eine Darstellung, wie die Metallsammlung die einzelnen Personen belastete. Es ist ein Vergleich zwischen Belgien, Holland und Frankreich.

Auf Seite 13 findet sich eine Erklärung bezüglich des Beitrags zum Verkehr, und auf Seite 14 eine graphische Darstellung.

[475] Aus Seite 15 ersieht man, daß die Beiträge in Geld hoher waren als das Einkommen sämtlicher belgischer Lohnempfänger im Vorjahr.

Auf Seite 16 erscheinen Zahlen bezüglich der Goldmenge, die zur Verwahrung in die Reichsbank genommen wurde.

Seite 18 behandelt Aktien. Man sieht hier einen Vergleich zum Aktienkapital der IG-Farben, 700 Millionen Reichsmark im Vergleich zu den 800 Millionen Reichsmark des IG-Farben-Aktienkapitals.

Dann ist da noch etwas über Rationen gesagt, was zeigt, daß trotz der Einfuhr von Lebensmitteln von Deutschland nach Belgien die Rationen dort die niedrigsten von allen Westgebieten waren.

Und zum Schluß kann man aus der letzten Seite den Wechsel ersehen in den belgischen Rationen im Vergleich zwischen 1938 und der wohlwollenden Herrschaft der deutschen Militärregierung im Jahre 1941. Euer Lordschaft, das spricht für sich selbst.

Euer Lordschaft! Das letzte Dokument, D-524, ist eine ähnliche Broschüre, die sich auf Frankreich bezieht. Sie stammt aus derselben Quelle, und ich lege sie vor als Beweisstück GB-532.

Euer Lordschaft! Wegen einer Störung in der elektrischen Anlage war es mir leider nicht möglich, die Photokopien dieser englischen Ausfertigung fertigzustellen, aber ich werde sie später vorlegen. Jetzt lege ich nur die deutschen Photokopien vor.

Euer Lordschaft! Ich lege sie vor, angesichts der Aussage des Angeklagten Sauckel, Sitzungsprotokoll vom 29. Mai 1946, nachmittags (Band XV, Seite 63), daß die Gesamtzahl der Zwangsarbeiter sich nicht auf mehr als fünf Millionen belief. Euer Lordschaft! Auf Seite 8 und 9 dieses Dokuments wird der Gerichtshof die Zahl der Sklavenarbeiter in Deutschland gegen Ende 1943 finden, und dazu müssen noch die gezählt werden, die 1944 zur Sklavenarbeit eingezogen wurden. Die Gesamtzahl beträgt fast sieben Millionen, Euer Lordschaft, von denen 1462000 Kriegsgefangene waren, so daß sich die Zahl der Sklavenarbeiter damals auf etwas über fünf Millionen belief, das heißt die Sklavenarbeitskräfte ausschließlich der Kriegsgefangenen beliefen sich auf etwas über fünf Millionen. Und dazu muß man noch, wie gesagt, den Zuwachs von 1944 hinzuzählen.

Euer Lordschaft! Seite 8 zeigt Zahlen und vergleichende Aufstellungen:

Männliche Zivilarbeiter

3631000

Kriegsgefangene

1462000

Frauen

1714000.

Und dann zeigt es die Verteilung auf die verschiedenen Länder. Und dann Seite 9 zeigt eine Illustration in Farben.

[476] Euer Lordschaft! Der Rest der Broschüre gibt Zahlen an darüber, was aus Frankreich herausgezogen wurde, sehr ähnlich jenen im Falle von Belgien. Ich möchte dies dem Gerichtshof nicht des längeren erklären, es sei denn, daß er es wünschte.

Euer Lordschaft! Ich glaube, ich nannte bereits die Nummer, es ist Beweisstück GB-532.

Euer Lordschaft! Das sind alle Dokumente, die ich vorzulegen habe. Ich höre, daß auch mein Freund, Herr Dodd, einige vorzulegen hat.

JUSTICE ROBERT H. JACKSON, HAUPTANKLÄGER FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN: Hoher Gerichtshof! Im Kreuzverhör des Angeklagten Göring wurde ihm von uns das Dokument 3787-PS, US-782, vorgehalten. Es war das Protokoll der zweiten Sitzung des Reichsverteidigungsrates. Göring bestätigte die Echtheit des ihm im deutschen Text vorgelegten Protokolls. Aber dieses Dokument war damals noch nicht übersetzt, und daher waren wir nicht in der Lage, in das Protokoll jene zahlreichen Teile des Dokuments zu verlesen, die wir hinsichtlich seiner Glaubwürdigkeit und seines Zeugnisses für wichtig hielten und auch mit Bezug auf die Ableugnungen von vielen anderen Angeklagten, daß sie etwas von der Planung des Krieges gewußt hätten und daß sie wußten... daran teilnahmen.

Ich möchte nun aus dem Protokoll den Teil verlesen, der unseres Erachtens außerordentlich wichtig ist für die Gedankenführung zur Entkräftung der Aussagen mehrerer Angeklagter.

Zu oberst findet sich ein Begleitschreiben des Oberkommandos der Wehrmacht vom 10. Juni 1939 betreffend die zweite Sitzung des Reichsverteidigungsrates.

Es wurden einhundert Ausfertigungen hergestellt, unsere Ausfertigung ist die vierundachtzigste. Das Dokument ist als »Geheime Kommandosache« bezeichnet, und es übermittelt im Namen des Oberkommandos der Wehrmacht das beiliegende Papier unter anderen an die folgenden Stellen. Ich erwähne nur jene Stellen, denen wir Wichtigkeit beimessen:

An die Partei, den Stellvertreter des Führers, die erste Ausfertigung; an den Chef der Reichskanzlei, an den Ministerpräsidenten Generalfeldmarschall Göring, an den Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe, an das Auswärtige Amt, an den Generalbevollmächtigten für die Reichsverwaltung, das sind neun Ausfertigungen, einschließlich je einer für den Reichsminister des Innern, für den Reichsjustizminister, für den Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, an den Reichsminister für die Kirchlichen Angelegenheiten und an die Reichsstelle für Raumordnung.

[477] Ausfertigungen gingen auch an den Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft einschließlich der Ausfertigungen für den Reichswirtschaftsminister, Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, Reichsarbeitsminister, Reichsforstmeister, Reichskommissar für die Preisbildung, an das Reichsfinanzministerium, das Reichsverkehrsministerium, Reichsverkehrsministerium-Eisenbahnabteilung, Reichspostministerium, Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, Reichsbankdirektorium, Generalinspekteur für das Straßenwesen und die Wehrmacht, einschließlich von neun Ausfertigungen für das OKH, fünf Ausfertigungen für das OKM, den Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe und an das Oberkommando der Wehrmacht.

Eine Reihe anderer Ausfertigungen sind beigefügt.

Die Beilage ist das Protokoll über die zweite Sitzung des Reichsverteidigungsrates, die am sechsten Tage, am 23. Juni 1939 stattgefunden hat, ein Datum, das wir für wichtig halten; Ort: großer Sitzungssaal des RLM, Beginn: 11.10, Ende: 13.55. Vorsitz: Ministerpräsident Generalfeldmarschall Göring, Teilnehmer: – ich erwähne nur die, die wir für wichtig halten, denn die Liste ist sehr lang – Stellvertreter des Führers, Chef der Reichskanzlei, Dr. Lammers, von Ministerpräsident Generalfeldmarschall Görings Stab: Staatssekretär Körner, Staatssekretär Neumann, Ministerialrat Bergbohm und verschiedene andere, Generalbevollmächtigter für die Reichsverwaltung: Reichsminister Dr. Frick, Reichsführer-SS Himmler, General der Ordnungspolizei Daluege; Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft, Reichsminister Funk, Reichsfinanzminister Graf Schwerin von Krosigk; Reichsverkehrsminister und Generalinspekteur für das deutsche Straßenwesen Dr. Ing. Todt; Oberkommando der Wehrmacht, Generaloberst Keitel, Oberst Warlimont und Generalmajor Thomas; Oberkommando des Heeres, Generalstab des Heeres, General der Artillerie Halder, Oberkommando der Kriegsmarine, Großadmiral Dr. h. c. Raeder, Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe Generaloberst Milch und Generalmajor Bodenschatz, die beide hier als Zeugen erschienen sind.

Die Inhaltsangabe lese ich nicht.

Das Protokoll der Sitzung:

»A. Einleitung.

Der Ministerpräsident Generalfeldmarschall Göring betonte einleitend, daß der RVR nach dem Willen des Führers das entscheidendste Gremium im Reich für die Fragen der Kriegsvorbereitung ist. Nur die wichtigsten RV-Fragen sind in ihm zu besprechen. Ihre Durcharbeitung geschieht im Reichsverteidigungsausschuß.

[478] Sitzungen des RVR werden nur zu unumgänglichen Entscheidungen einberufen. Das Erscheinen der Chefs selbst ist geboten.

B. Menschenverteilung.

I. Der Vorsitzende gab für die Verteilung und den Einsatz der Bevölkerung im Kriege folgende Richtlinien.

1.) Die Gesamtstärke der Kriegswehrmacht ist vom Führer bestimmt. Sie umfaßt nur die Hälfte der tauglichen Wehrpflichtigen. Trotzdem wird die Aufstellung Schwierigkeiten für die Wirtschaft, die Verwaltung und den gesamten zivilen Bereich mit sich bringen.

2.) Die Aufstellung einer Menschenbilanz soll die Unterlage zur Beurteilung der Frage bilden, wie der nach Abzug des Wehrmachtsbedarfs verbleibende Bestand am zweckmäßigsten eingesetzt wird.

3.) Von gleicher Bedeutung wie der Wehrmachtsbedarf ist derjenige der Rüstungswirtschaft. Sie vor allem muß im Frieden materiell und personell so organisiert werden, daß an Stelle eines Absinkens ihrer Lieferungen mit Kriegsbeginn sofort eine Steigerung eintritt.

4.) Der Arbeitseinsatz in der entscheidenden Kriegsrüstung und für den verbleibenden Zivilbedarf ist Hauptaufgabe des GBW.

a. Zur Kriegsrüstung gehören nicht nur die Erzeugungsstätten von Kriegsgerät, sondern auch von Buna, Waffenbetriebsmitteln, Hydrierungswerke, Kohlenbergbau usw.

b. (1) Aus ›kriegsentscheidenden‹ Betrieben, von deren Leistung der Krieg entscheidend abhängt, können im allgemeinen unentbehrliche und unersetzbare Fachkräfte nicht weggenommen werden, wenn nicht Ersatz für sie vorhanden ist.

Der Kohlenbergbau ist die vordringlichste Arbeit. Jeder Arbeiter, der für den Kohlenbergbau unentbehrlich ist, ist ›unabkömmlich‹.

Anmerkung: Der Kohlenbergbau ist schon jetzt zu einem Schlüsselpunkt der gesamten Rüstung, des Verkehrs und des Exports geworden. Wenn hier jetzt nicht die notwendige Arbeiterschaft zur Verfügung gestellt wird, hört der wichtigste Exportanteil, die Kohlenausfuhr, auf. Der Kohlenankauf in Polen entfällt. Die richtige Menschenverteilung ist entscheidend. Um solche Schlüsselpunkte richtig besetzen zu können, werden demnächst dem Führer drakonische Forderungen vorgetragen werden, die noch im laufenden Mob.-Jahr unter Umständen zu einer außerordentlichen [479] Kriegsbewirtschaftung führen werden, z.B. zur Außerbetriebsetzung von Kraftwagen und zur Stillegung nicht lebenswichtiger Betriebe aus Kohlenmangel.

Hinzu kommt die Kohlenversorgung Italiens und anderer Länder, wie Skandinaviens (zur Erhaltung der deutschen Eisenversorgung).«

Ich lasse bestimmte Absätze, die für unsere Argumentation nicht besonders wichtig erscheinen, aus und gehe über zu Punkt 2, Seite 9 der englischen Übersetzung.

»(2) Eine zweite Kategorie von waffenfähigen Arbeitern kommt nach Ausbildung der Ersatzkräfte während des Krieges zur Truppe.

Vorbereitende Umschulung und Einschulung von Arbeitskräften in großem Ausmaße spielt eine ausschlaggebende Rolle.

(3) Der Ersatz der Masse der Wehrpflichtigen, sonstigen Arbeiter, auch durch eine erweiterte Zahl eingewiesener Frauen, muß vorbereitet sein. Hinzukommen werden Kriegsbeschädigte.

(4) Die weibliche Arbeitspflicht im Kriege ist von entscheidender Bedeutung. Es ist notwendig, in ganz großem Maße an die Ausbildung der Frauen in kriegswichtigen Arbeiten zum Ersatz und zur Ergänzung der männlichen Arbeitskräfte heranzugehen.

d.) Zur Vermeidung von Unordnung bei der Mob. werden die bearbeitenden Personen in kriegswichtigen Sparten, z.B. Verwaltung, Verkehr, Polizei, Ernährung, zunächst belassen. Nötig ist, Dringlichkeit und Wertmäßigkeit festzustellen.

e.) In dieser Weise ist im Zuge des bei allen europäischen Völkern vorgesehenen zivilen Hilfsdienstes zur Gewinnung und Erhaltung eines Vorsprungs in den entscheidenden ersten Wochen eines Krieges durch eine sichere klare Organisierung anzustreben, daß womöglich jeder deutsche Mensch im Kriege nicht nur seine Mob.-Beorderung hat, sondern auch auf seine Kriegstätigkeit sorgfältig vorbereitet ist. Die Arbeitsstätten müssen für die Ersatz- und Verstärkungskräfte eingerichtet sein.«

Ich überspringe den Text bis zu Seite 10 unten:

»6.) Der GBW wird beauftragt, diejenige Arbeit, welche den Kriegsgefangenen, den im Gefängnis, Konzentrationslager und Zuchthaus verbleibenden Menschen zu übertragen ist, festzulegen.

Die Konzentrationslager werden nach Angabe des Reichsführers-SS im Kriege stärker belegt werden. Die 20000 [480] Insassen werden vornehmlich in Werkstätten innerhalb der Konzentrationslager beschäftigt.

IV. Staatssekretär Dr. Syrup, RAM, trug über den Arbeitseinsatz im Mob.-Falle und die Menschenbilanz für den Krieg vor.«

Das scheint etwas detailliert zu sein; aber ich halte es für sehr wichtig, um die Totalität der Mobilisierung zu zeigen, die viele Monate vor Kriegsbeginn geplant war und darauf deutet, wie wir argumentieren, daß viel größere Kriegsvorbereitungen getroffen waren, als für eine bloße Reiberei mit Polen.

»7.) Die versuchsweise aufgestellte zahlenmäßige Menschenbilanz konnte nur einen ganz vorbereitenden Charakter haben und nur gewisse Richtlinien geben. Ausgegangen wurde von einer Gesamtbevölkerung von 79 Millionen. Von ihnen stehen im Alter von 14 bis 65 Jahren 56,5 Millionen. Man kann auch auf Männer über 65 Jahre und auf Minderjährige von 13 bis 14 Jahren zurückgreifen. Von den 56,5 Millionen fallen die Gebrechlichen und die Invaliden aus. Der größte Teil der Gefangenen ist schon jetzt in der Wirtschaft beschäftigt. Besonders groß ist der Ausfall von 11 Millionen Müttern von Kindern unter 14 Jahren. Nach Abzug dieser Gruppen verbleibt eine einsatzfähige Bevölkerung von 43,5 Millionen:

26,2 Millionen Männer, nach Abzug von 7 Millionen Wehrmachtsangehörigen: 19,2. 17,3 Millionen Frauen, nach Abzug von 250000 Krankenschwestern und so weiter: 17,1 für das gesamte Wirtschafts- und zivile Leben Deutschlands. Der Vorsitzende bezeichnete Frauen über 60 Jahre für nicht einsatzfähig.

8.) Die Zahl der augenblicklich beschäftigten Arbeiter und Angestellten (2/3 der Erwerbstätigen), verteilt auf die 20 großen Wirtschaftszweige, beträgt ungefähr: 24 Millionen Männer (ohne 2 Millionen Soldaten), 14 Millionen Frauen.

9.) Über die Zahlen, die die Wehrmacht aus den einzelnen Wirtschaftszweigen herausnimmt, lagen noch keine Ergebnisse vor. Deshalb wurde geschätzt, was nach Einziehung der 5 Millionen Soldaten den einzelnen Wirtschaftszweigen verbleibt.

Die vom Vorsitzenden angeregte genaue Feststellung der Gestellungspflichtigen durch Umfrage ist im Gange. Solche Umfragen sind nicht geheim, abgesehen von Zahlenmaterial und Formationen.«

Ich lasse den nächsten Punkt 10 aus, der unwichtig erscheint.

»11.) Außer den augenblicklich beschäftigten 13,8 Millionen Frauen können 3,5 Millionen noch unbeschäftigte Frauen zum [481] Einsatz gebracht werden, die durch die Volkskartei erfaßt werden.

Bei den Frauen würde eine Umschichtung von 2 Millionen zu erfolgen haben: Z.B. können aus der Textil-, Bekleidungs-, keramischen Industrie, aus Klein-, Handels-, Versicherungs- und Bankgewerbe und aus der Zahl der Hausangestellten Frauen in die Landwirtschaft und in die Metall- und chemische Industrie überführt werden.

12.) Der Arbeiternot in der Landwirtschaft, der etwa 25 % männliche taugliche Arbeitskräfte entzogen werden, muß durch Frauen (2 für 1 Mann) und Kriegsgefangene begegnet werden. Mit den ausländischen Arbeitern ist nicht zu rechnen. Die Wehrmacht wird gebeten. Betriebsführer und Spezialisten, wie Melker, Traktorenführer (35 % sind noch gestellungspflichtig) in größerem Umfange freizustellen.

13.) Der Vorsitzende betonte, daß Betriebsführer, Polizei und Wehrmacht Vorkehrungen zum Einsatz der Kriegsgefangenen treffen müssen.

14.) Im landwirtschaftlichen Sektor müssen noch Entlastungsvorbereitungen für den Einzeleinsatz getroffen werden durch Nachbarhilfe, geordneten Einsatz aller Maschinen und Bereitstellung von Ersatzteillagern.

15.) Der Vorsitzende kündigte an, daß im Kriege aus den Nichtwehrwirtschaftsbetrieben im Protektorat Hunderttausende in Deutschland, in Baracken zusammengefaßt, unter Aufsicht eingesetzt werden sollen, zumal in der Landwirtschaft. Hierüber wird Gfm. Göring noch eine Entscheidung des Führers einholen.«

Ich lasse Punkt 16 aus.

Wenn ich bei der Vorlage dieses Dokuments bemerken darf, dies scheint sehr in die Einzelheiten zu gehen, es geschieht aber, um das Ausmaß der Vorbereitungen, die bereits damals im Juni 1939 vollendet waren, aufzuzeigen.

»17.) a. Das Ergebnis des Unabkömmlichkeits- und Sicherstellungsverfahrens gibt z. Zt. folgendes Bild: von 1172000 Unabkömmlichkeitsan trägen sind 727000 genehmigt, 233000 abgelehnt.«

Ich gehe dann weiter zu c., gegen Ende der Seite.

»Die Aufforderungen an das Ergänzungspersonal zur Dienstleistung liegen bei den Arbeitsämtern gebündelt bereit.«

Die Sitzung geht dann weiter und befaßt sich mit Produktionsprämien in Verbindung mit den Löhnen, und ich gehe zu 21.), eine Einzelheit, die ich vorbringe, da sie darauf hinweist, daß man einen langen Krieg erwartete.

[482] »21.) Bei der Umschichtung der Arbeitskräfte ist Einarbeitung in den neuen Betrieb wichtig, bei den Facharbeitern entscheidend, um Rückschläge in den ersten Kriegsmonaten zu vermeiden. Nach Verlauf von einigen Monaten muß auch ein Ersatz der meisten Facharbeiter möglich sein.«

Jetzt komme ich zu V.

»Der GBW, Reichswirtschaftsminister Funk, nahm Stellung zur Auswirkung der Menschenbilanz unter dem Gesichtspunkt der Weiterführung der Wirtschaft.

24.) a. Nach den mündlichen Abmachungen mit dem OKW sind die Unabkömmlichkeitsbestimmungen festgelegt und die Unabkömmlichkeitsbescheinigungen ausgegeben worden.«

Ich gehe über zu Punkt 25.), Seite 15.

»25.) Auf die Wünsche des Vortragenden hin, bei dem Abzug von Arbeitern für die Werften der Kriegsmarine mehr Rücksicht auf wichtige Teile der Industrie, besonders des Exports und von Zeitungsbetrieben zu nehmen, verwies der Vorsitzende auf die vom Führer befohlene Notwendigkeit, das Bauprogramm der Kriegsmarine voll zu erfüllen.«

Ich komme zu dem langen Abschnitt VI.

»Der GBV, Reichsminister des Innern Dr. Frick, behandelte die Menschenersparnis in der öffentlichen Verwaltung.

27.) Die Aufgabe ist in der Hauptsache ein Organisationsproblem wie aus den, den Sitzungsteilnehmern vorgelegten Schaubildern: Behörden, sowie Wirtschafts- und Sozialaufbau, ersichtlich, bestehen in der Kreisinstanz ungefähr 50 Arten von Behörden unabhängig voneinander – ein unmöglicher Zustand! Früher gab es im Staat zwei Säulen, den staatlichen Beamtenapparat und die Wehrmacht. Mit der Machtergreifung sind die Partei und die ständigen Organisationen (Reichsnährstand usw.) hinzugekommen, mit ihrem Apparat von oben bis unten hin. Dadurch vervielfachte sich die Zahl der öffentlichen Stellen und Behörden. Das erschwert den öffentlichen Dienst.

28.) Seit dem Kriege haben sich die Aufgaben ungeheuer vermehrt.« – Aus dem Zusammenhang geht hervor, daß damit der vorhergehende Krieg gemeint war. – »Die Organisierung des totalen Krieges erfordert natürlich viel mehr Kräfte, auch in der öffentlichen Verwaltung, als 1914. Aber es ist eine Unmöglichkeit, daß sich dieser Apparat seitdem um das 20- bis 40fache in der unteren Instanz allein vermehrt hat. Deswegen strebt der RdJ die Einheit der Verwaltung an.«

[483] Eine kleine Konferenz... eine kleine Kommission wurde geschaffen. Ich lese Punkt 29.) vor, im Zusammenhang mit der Behauptung Görings, daß sie aufhörten zu funktionieren:

»29.) An Stelle weiterer Erörterungen vor dem versammelten großen Gremium wird die Bildung einer kleinen Kommission empfohlen, die zu positiven Vorschlägen kommt. Weitgehende Vorarbeiten sind vorhanden.

Bemerkung des RVA: Die Kommission ist... eingesetzt worden.«

Punkt 30.)

»30.) Der Vorsitzende bat um Einreichung der Kommissionsvorschläge. Es ist ein wichtiger Bestandteil für die Vorbereitung des Krieges.«

Ich werde nun zu dem großen Unterabschnitt C übergehen, der über die Bemühungen berichtet, die Leistungsfähigkeit des Transportwesens zu erhöhen, beginnend mit der Entgegennahme eines Berichts des Generalstabs des Heeres:

»31.) Die Prüfung der Aufmarscharbeit vor anderthalb Jahren ergab, daß die Forderungen der Wehrmacht vom Verkehrswesen nicht voll er füllt werden konnten. Der Reichsverkehrsminister stimmte dieser Feststellung zu. Das auf 4 Jahre sich erstreckende Programm wird für den Abschnitt 1938 voraussichtlich im August 1939 zu Ende geführt sein.

32.) Kurz nach Aufstellung dieses Programms traten Anforderungen an die Wehrmacht heran, die sich gegenüber der bisherigen Verwendung der Wehrmacht beim Beginn eines Krieges vollkommen geändert haben. In kürzester Zeit mußten Truppen in einem bisher nicht vorgesehenen Umfange an die Grenze herangeführt werden können. Die Wehrmacht konnte durch organisatorische Maßnahmen diese Forderungen erfüllen, die Verkehrsmittel nicht.

33.) Auf dem Gebiet des Verkehrs ist Deutschland z. Zt. noch nicht kriegsbereit.«

Ich lege das folgende Detail vor, das die wiederholten Aussagen verschiedener Zeugen widerlegt, die Truppenbewegungen der Wehrmacht im Rheinland, beim Anschluß und bei dem Rest, sogar bei der Tschechoslowakei, seien Überraschungsbewegungen gewesen:

»a. Bei den drei Unternehmungen 1938/39 war von einem eigentlichen Aufmarsch nicht die Rede. Durch getarnte Maßnahmen wurden die Truppen lange vorher in die Nähe der eigentlichen Aufmarschgebiete herangeführt.

b. Diese Aushilfe versagt restlos, wenn man nicht den Termin bestimmen und sehr lange vor her erfahren kann, sondern wenn unerwartet und kurzfristig eine militärische [484] Entscheidung gefordert wird. Nach dem heutigen Stande ist das Transportwesen dann zur Heranführung der Kräfte trotz aller Vorbereitungen nicht in der Lage.«

a. auf Seite 18 ist für meinen Zweck unwichtig, a. auf Seite 18.

b. und c. zeigen Schritte, die unternommen werden mußten, um diesem Mangel abzuhelfen.

Auf Seite 19 werde ich Punkt 38.) nicht verlesen. Er zeigt, wie die Landstraßen von Osten nach Westen und von Norden nach Süden bereitgemacht wurden.

Ich lese Punkt 39.):

»39.) Der Vorsitzende bemerkte, daß schon im Frieden gewisse lebenswichtige Vorratslagerungen der Wirtschaft und Wehrmacht zu den kriegswirtschaftlichen Zentren hinzuschieben seien, um nachher Transporte zu ersparen.«

Ich gehe nun zu Punkt 41.), auf Seite 20.

»41.) Der Vorsitzende stellte zusammenfassend fest, daß diese Sitzung in wichtigen Punkten die notwendige Klärung gebracht habe.«

Die Amerikanische Anklagevertretung hat noch einige zusätzliche Dokumente, die Herr Dodd mit Erlaubnis des Gerichtshofs vorlegen wird.

VORSITZENDER: Wir werden jetzt eine Pause einschalten.

[Pause von 10 Minuten.]


VORSITZENDER: Herr Dodd! Wollen Sie noch andere Dokumente vorlegen?

MR. DODD: Herr Präsident! Ich möchte Dokument 4006-PS vorlegen, die »Nachrichten des Reichsministers für Bewaffnung und Munition«. Es handelt sich um ein Dokument, von dem der Gerichtshof, glauben wir, amtlich Kenntnis nehmen könnte. Es ist eine amtliche Veröffentlichung. Es wird uns nützlich sein im Zusammenhang mit dem Arbeitsprogramm zwischen Sauckel und Speer, und es wird vorgelegt mit dem Zweck, die Zweifel aufzuklären, die nach den Aussagen von Sauckel und Speer aufgekommen sein können. Ich glaube nicht, daß man es ganz verlesen muß. Es dürfte genügen, es vorzulegen. Es wird US-902.

Dann möchte ich Dokument 1452-PS vorlegen. Das ist eine Aktennotiz über eine Chefbesprechung beim Amtschef des Wirtschaftsrüstungsamtes. Ich möchte nur einen kurzen Auszug verlesen. Es ist Dokument 1452-PS vom 24. März 1942. Es lautet:

»Chefbesprechung beim Amtschef.

Bericht Amtschef über Besprechung am 23. 3. bei Minister Speer mit Milch, Witzell, Leeb.

[485] Führer sieht Speer als sein Hauptorgan, seinen Vertrauensmann für alle Wirtschaftsgebiete an. Speer hat heute allein etwas zu sagen. Er kann Eingriffe in alle Ressorts nehmen. Er setzt sich auch jetzt bereits über alle Ressorts hinweg.«

Den Rest des Dokuments wollen wir nicht zitieren. Ich halte es nicht für notwendig, denn unser Zitat ändert nichts an dem Wortlaut. Es wird Beweisstück US-903.

Wir haben hier auch einige Photographien, Herr Präsident, sie werden im Hinblick auf den Angeklagten Kaltenbrunner vorgelegt. Sie sind uns von unseren Kollegen von der Französischen Anklagebehörde übergeben worden.

Die erste ist F-894; sie wird Beweisstück US-904. Es ist ein Bild, das Himmler zeigt, wie er irgend jemanden beglückwünscht, Kaltenbrunner ist hinter ihm zu sehen.

VORSITZENDER: Wie sind sie identifiziert?

MR. DODD: Ich möchte es vorlegen... Es sind, dies natürlich alles erbeutete Dokumente, aber... Sie meinen, auf dem Bild, Herr Präsident?


VORSITZENDER: Nein, ich meine, sind sie erbeutet, oder woher stammen sie sonst?


MR. DODD: Ja, ich nehme an, daß es alles erbeutete Dokumente sind. Oh, ich sehe jetzt... es sind hier eidesstattliche Versicherungen beigefügt, die ihre Herkunft erklären. Hier, das erste ist von einem Mann namens François Boix, er erklärt, daß er Photograph ist, in Mauthausen interniert war und so weiter; er bezeugt, daß diese Photographie aufgenommen wurde und so fort. Ich glaube, das genügt... ich nehme wenigstens an, daß es genügt für die Identifizierung dieses Bildes. Ich glaube, jedes einzelne trägt eine ähnliche Erklärung.

Das nächste ist F-896, es wird Beweisstück US-905. Auf der Rückseite des Originals ist wieder eine eidesstattliche Versicherung von François Boix zu finden.

Das nächste ist F-897, das Beweisstück US-906 wird. Dies ist ebenfalls mit einer eidesstattlichen Versicherung des François Boix versehen und zeigt Kaltenbrunner und Himmler und andere SS-Offiziere.

Und dann schließlich Dokument F-895, das Beweisstück US-907 wird. Auf dieses Bild wollen wir die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs besonders lenken. Es trägt auch eine Versicherung des François Boix, Kaltenbrunner ist dort in der zweiten Reihe, Himmler und Hitler genau in der Mitte zwischen Kaltenbrunner und anscheinend Martin Bormann. Das Bild ist in einem Konzentrationslager aufgenommen, nach den auf der linken Seite des Bildes ersichtlichen Häftlingen zu schließen.

[486] Dann wollen wir ein sehr kurzes Affidavit vorlegen, 4033-PS. Wir bieten es als Beweisstück US-908 an. Es ist eine Erklärung von Oswald Pohl, Pohl, vom 28. Mai 1946. Das Affidavit... der wesentliche Inhalt des Affidavits lautet wie folgt:

»Ich kann mit Bestimmtheit aussagen, daß ich SS-Obergruppenführer Ernst Kaltenbrunner gelegentlich einer dienstlichen Angelegenheit...«


VORSITZENDER: Einen Moment. War nicht Pohl als Zeuge hier?

MR. DODD: Nein, Herr Präsident, er war nicht hier, er war nicht vorgeladen. Das war Paul Emil Puhl, Puhl. Die Namen sind ähnlich.

»... daß ich SS-Obergruppenführer Ernst Kaltenbrunner gelegentlich einer dienstlichen Angelegenheit in Mauthausen daselbst im Kasino vor dem Eingang zum Lager rechterhand gesehen und gesprochen habe, u. zw. im Herbst 43 oder Frühjahr 44. Ich habe mit ihm dort am gemeinsamen Mittagessen teilgenommen.«

Und dann noch eine eidesstattliche Erklärung, 4032-PS, das Beweisstück US-909 wird. Ich denke nicht, daß es notwendig ist, sie zu verlesen; sie ist übersetzt worden. Es ist eine Aussage eines Karl Reif, Reif, in welcher dieser sagt, daß er Kaltenbrunner entweder im Mai oder Juni mittags, 1942, im Lager Mauthausen gesehen hat.

Das ist alles, was wir vorzulegen haben, Herr Präsident.

VORSITZENDER: Wollen andere Anklagevertreter irgendwelche Dokumente anbieten?

Dann können wir uns jetzt der Beweisaufnahme für den Angeklagten Bormann zuwenden. Dr. Bergold, wollen Sie Ihren Zeugen Kempka rufen?


DR. BERGOLD: Hohes Gericht! Ich rufe den Zeugen Kempka.


[Der Zeuge betritt den Zeugenstand.]


VORSITZENDER: Wollen Sie Ihren vollen Namen angeben, bitte!

ZEUGE ERICH KEMPKA: Ich heiße Erich Kempka.


VORSITZENDER: Wollen Sie mir den folgenden Eid nachsprechen: »Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzufügen werde.«


[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]


VORSITZENDER: Sie können sich setzen.

[487] DR. BERGOLD: Zeuge, in welcher Weise sind Sie während des Krieges in der Umgebung Hitlers tätig gewesen?


KEMPKA: Ich bin während des Krieges als persönlicher Fahrer bei Adolf Hitler tätig gewesen.


DR. BERGOLD: Haben Sie in dieser Eigenschaft den Angeklagten Martin Bormann kennengelernt?


KEMPKA: Jawohl, ich habe in dieser Eigenschaft Martin, den Reichsleiter Martin Bormann, damals kennengelernt als meinen indirekten Vorgesetzten.


DR. BERGOLD: Herr Zeuge! An welchem Tage haben Sie den Angeklagten Martin Bormann zum letzten Male gesehen?


KEMPKA: Ich habe den Reichsleiter, den damaligen Reichsleiter Martin Bormann, in der Nacht vom 1. zum 2. Mai 1945 am Bahnhof Friedrichstraße, Weidendammer Brücke gesehen. Reichsleiter Bormann, der damalige Reichsleiter Bormann, frug mich, wie die allgemeine Lage am Bahnhof Friedrichstraße wäre. Ich sagte ihm, daß es kaum möglich wäre, dort am Bahnhof...


VORSITZENDER: Sie sprechen zu schnell; was hat er Sie gefragt?


KEMPKA: Er frug, wie die Lage wäre, ob man dort am Bahnhof Friedrichstraße durchkommen könnte. Ich sagte ihm, daß es fast unmöglich wäre, da ein zu starker Abwehrkampf wäre. Er frug dann weiter, ob es eventuell mit Panzern möglich wäre. Ich sagte ihm, daß es nur auf einen Versuch ankäme. Es kamen dann auch einige Panzer und einige PSW-Wagen. An diesen wurden dann kleine Trauben gebildet, an den Panzern. Die Panzer schoben sich dann bis in die Panzersperre durch, nachdem der Spitzenpanzer, wo der Martin Bormann ungefähr Mitte des Panzers ging, auf der linken Seite plötzlich einen Treffer bekam, ich nehme an mit einer Panzerfaust aus einem Fenster heraus, und dieser Panzer in die Luft flog. Gerade an der Seite, wo der Martin Bormann ging, stieg plötzlich eine Stichflamme heraus, und ich sah noch...


VORSITZENDER: Sie sprechen immer noch zu schnell. Das letzte, was ich hörte war, daß Bormann in der Mitte der Kolonne ging; ist das richtig?


KEMPKA: Jawohl, in der Mitte des Panzers, auf der linken Seite. Martin... Dieser Panzer bekam, nachdem der Panzer 40 bis 50 Meter durch die Panzersperre hindurch war, einen Treffer, ich nehme an mit einer Panzerfaust aus einem Fenster heraus. Der Panzer flog auseinander in der Höhe, gerade dort, wo Martin... Reichsleiter Bormann ging. Ich selber wurde von der Explosion und durch das Entgegenfliegen einer Person, die vor mir ging – ich nehme an, daß es der damalige Standartenführer Dr. Stumpfecker war –, wurde ich auf die Seite geschleudert und wurde [488] besinnungslos. Als ich wieder zu mir kam, konnte ich auch nichts sehen, ich war von der Stichflamme geblendet. Ich kroch dann wieder zurück bis zur Panzersperre und habe seitdem von Martin Bormann nichts mehr gesehen.


DR. BERGOLD: Zeuge! Haben Sie Martin Bormann bei dieser Gelegenheit in der sich entwickelnden Stichflamme zusammenbrechen sehen?


KEMPKA: Jawohl. Ich sah noch eine Bewegung, die eine Art Zusammenbrechen, man kann auch sagen, ein Wegfliegen war.


DR. BERGOLD: War diese Explosion so stark, daß nach Ihrer Beobachtung Martin Bormann dabei ums Leben gekommen sein müßte?


KEMPKA: Jawohl, ich nehme bestimmt an, daß er von der Stärke dieser Explosion ums Leben gekommen ist.


DR. BERGOLD: Wie war Martin Bormann damals bekleidet?


KEMPKA: Martin Bormann trug einen Ledermantel, eine SS-Führermütze und die Abzeichen eines SS-Obergruppenführers.


DR. BERGOLD: Glauben Sie also, daß er, wenn er damals verwundet gefunden worden wäre, an dieser Bekleidung ohne weiteres als einer der führenden Männer der Bewegung erkannt worden wäre?


KEMPKA: Jawohl.


DR. BERGOLD: Sie sagten, es ging neben Martin Bormann oder vor ihm noch ein anderer Herr, nämlich ein Herr Naumann vom Propagandaministerium?


KEMPKA: Jawohl, das war der ehemalige Staatssekretär Dr. Naumann.


DR. BERGOLD: War der ungefähr in der gleichen Höhe der Explosion?


KEMPKA: Nein, er war vielleicht ein bis zwei Meter vor Martin Bormann.


DR. BERGOLD: Haben Sie von diesem Staatssekretär Naumann in der Folgezeit noch etwas gesehen?


KEMPKA: Habe ich auch nichts mehr davon gesehen, ebenso von dem Standartenführer Dr. Stumpfecker nicht.


DR. BERGOLD: Sie sind damals zurückgekrochen?


KEMPKA: Jawohl.


DR. BERGOLD: Ihnen ist niemand anderes nachgefolgt?

KEMPKA: Doch. Es war immer so, wenn man nach... hinter dieser Panzersperre durchging, man immer ein starkes Abwehrfeuer bekam. Es blieben nun jeweilig einige liegen, und der Rest ging [489] immer wieder zurück. Die an dem Panzer gewesen sind, von denen habe ich nichts mehr gesehen.


DR. BERGOLD: Hohes Gericht! Ich habe an diesen Zeugen keine weiteren Fragen.


MR. DODD: Ich habe keine Fragen, Herr Präsident!


VORSITZENDER: Wollen die Verteidiger dem Zeugen noch Fragen stellen?


[Zum Zeugen gewandt:]


Wie viele Panzer waren in dieser Kolonne?

KEMPKA: Das kann ich im Augenblick nicht sagen, es waren vielleicht zwei oder drei, es können auch vier gewesen sein, aber mehr PSW-Wagen waren da, Panzerschützenwagen.

VORSITZENDER: Wie viele waren es?


KEMPKA: Es kamen immer mehrere und fuhren auch wieder welche weg. Die versuchten dort durchzubrechen, das waren vielleicht einer oder zwei, die anderen haben sich dann wieder abgesetzt, nachdem der Panzer in die Luft geflogen war.


VORSITZENDER: Wo startete diese Kolonne?


KEMPKA: Das weiß ich nicht, die kamen... plötzlich waren die da, ich nehme an, daß das Panzer waren, die sich in die Stadtmitte abgesetzt hatten und ebenfalls nach einem Ausbruch in südlicher Richtung suchten.


VORSITZENDER: Wenn Sie sagten, daß sie plötzlich da waren, wo, meinen Sie, daß sie waren? Wo sind Sie mitgenommen worden?


KEMPKA: Ich bin nicht mitgenommen worden, sondern ich bin von der Reichskanzlei...


VORSITZENDER: Gut. Wo stießen Sie auf sie? Wo haben Sie sie zuerst gesehen?


KEMPKA: An der Weidendammer Brücke hinter dem Bahnhof Friedrichstraße, dort sind die nachts aufgekommen.


VORSITZENDER: Wo hat Bormann Sie zum erstenmal gefragt, ob es möglich sei, durchzukommen?


KEMPKA: Das war an der Panzersperre hinter dem Bahnhof Friedrichstraße an der Weidendammer Brücke.


VORSITZENDER: Wollen Sie sagen, daß Sie ihn auf der Straße trafen?


KEMPKA: Jawohl. Beim Auszug aus der Reichskanzlei war der Martin Bormann nicht anwesend, er erschien erst dort an der Brücke nachts zwischen 2.00 oder 3.00 Uhr.


VORSITZENDER: Sie haben ihn dort zufällig getroffen, meinen Sie?


[490] KEMPKA: Ich habe ihn dort nur zufällig getroffen, jawohl.


VORSITZENDER: War irgend jemand mit ihm?


KEMPKA: Es war der Staatssekretär Dr. Naumann vom Propagandaministerium bei ihm, ebenso Dr. Stumpfecker, der als letzter Arzt beim Führer mit anwesend war.


VORSITZENDER: Wie weit waren Sie von der Reichskanzlei entfernt?


KEMPKA: Das ist... sind... bis zum... von der Reichskanzlei bis Bahnhof Friedrichstraße vielleicht ein Weg von einer Viertelstunde bei normalen Verhältnissen.


VORSITZENDER: Und dann sahen Sie, wie einige Tanks und einige andere Panzerwagen heranrollten, stimmt das?

KEMPKA: Jawohl, jawohl.


VORSITZENDER: Deutsche Panzerwagen und deutsche Tanks?


KEMPKA: Jawohl. Deutsche Panzerwagen.


VORSITZENDER: Haben Sie irgend etwas mit den Fahrern gesprochen?


KEMPKA: Nein, ich habe mich nicht mit den Fahrern unterhalten, ich glaube, es war Staatssekretär, der ehemalige Staatssekretär Naumann.


VORSITZENDER: Und Sie sind nicht in die Wagen eingestiegen?


KEMPKA: Nein, wir sind nicht eingestiegen, weder Staatssekretär Naumann noch Reichsleiter Bormann.


VORSITZENDER: Sie sind nur mitgegangen?


KEMPKA: Ich bin einfach mitgelaufen, jawohl.


VORSITZENDER: Und wo waren Sie mit Bezug auf Bormann?


KEMPKA: Ich war hinter dem Panzer, ungefähr auf der linken Seite hinter dem Panzer.


VORSITZENDER: Wie weit von Bormann?


KEMPKA: Das waren vielleicht drei bis vier Meter.

VORSITZENDER: Und dann traf ein Geschoß den Panzer, stimmt das?


KEMPKA: Nein, ich glaube von einer Panzerfaust aus einem Fenster heraus ist der Tank getroffen worden.


VORSITZENDER: Und dann sahen Sie eine Stichflamme und wurden ohnmächtig?


KEMPKA: Jawohl. Ich sah dann plötzlich eine Stichflamme, und im Bruchteil einer Sekunde sah ich auch, wie der Reichsleiter Bormann und der Staatssekretär Naumann eine zusammenbrechende [491] und wegfliegende Bewegung machten. Ich selbst wurde auch im gleichen Moment mit weggeschleudert und verlor anschließend die Besinnung.


VORSITZENDER: Und dann sind Sie weggekrochen?


KEMPKA: Als ich wieder zu mir kam, konnte ich nichts sehen und bin dann weggekrochen und bin so weit gekrochen, bis ich mit dem Kopf gegen die Panzersperre stieß.


VORSITZENDER: Und wo sind Sie in dieser Nacht hingegangen?


KEMPKA: Ich habe dann eine Zeitlang dort erst gewartet, hatte mich dann noch bei meinen Fahrern verabschiedet, die noch, einige, da waren, und bin dann... in den Trümmern von Berlin habe ich mich dann aufgehalten und bin dann am nächsten Tag aus Berlin raus.


VORSITZENDER: Wo wurden Sie gefangengenommen?


KEMPKA: Ich wurde in Berchtesgaden gefangengenommen.


MR. BIDDLE: Wie weit waren Sie von dem Panzer entfernt, als er explodierte?


KEMPKA: Ich schätze drei bis vier Meter.


MR. BIDDLE: Und wie nahe war Bormann von dem Panzer entfernt, als er explodierte?


KEMPKA: Ich nehme an, daß er sich mit einer Hand daran festgehalten hatte.


MR. BIDDLE: Gut, Sie sagen, Sie nehmen das an. Haben Sie ihn gesehen, oder haben Sie ihn nicht gesehen?


KEMPKA: Ich habe ihn nicht am Panzer selbst gesehen. Um mit dem Panzer mitzukommen, hatte ich dasselbe gemacht und hatte mich hinten am Panzer angehalten.


MR. BIDDLE: Hatten Sie gesehen, daß Bormann versuchte, auf den Panzer aufzusteigen, bevor er explodierte?


KEMPKA: Nein, das habe ich nicht gesehen, ich habe keine Bemühung von Bormann gesehen, die andeutete, daß er auf den Panzer aufsteigen wollte.


MR. BIDDLE: Wie lange vor der Explosion haben Sie Bormann gesehen?


KEMPKA: Das hatte sich alles sehr kurz abgewickelt. Noch währenddem ich mit Bormann mich unterhielt, kamen die Panzer an, und wir sind dann anschließend sofort durch die Panzersperre durch und nach 30 bis 40 Metern bekam der Panzer den Treffer.


MR. BIDDLE: Was meinen Sie mit »sehr kurz«?


KEMPKA: Ja... Während der Unterhaltung, es waren nur einige Minuten vielleicht.


[492] MR. BIDDLE: Und wie lange zwischen der Unterhaltung und der Explosion?


KEMPKA: Das kann ich zeitlich nicht angeben, es war aber sicherlich keine... zeitlich keine Viertelstunde, vielleicht auch keine halbe Stunde, besser gesagt.


MR. BIDDLE: Waren Sie kurz vorher in der Reichskanzlei?


KEMPKA: Ich bin abends gegen 9.00 Uhr aus der Reichskanzlei heraus.


MR. BIDDLE: Haben Sie diese Geschichte jemals irgend jemandem anderen erzählt?


KEMPKA: Ich bin deswegen mehrere Male vernommen worden und habe auch diese Sache schon bereits ausgesagt.


MR. BIDDLE: Und wer hat Sie verhört? Offiziere?


KEMPKA: Jawohl.


MR. BIDDLE: Von welcher Armee, von welcher Nationalität?


KEMPKA: Ich bin von verschiedenen Offizieren der amerikanischen Armee vernommen worden, das erstemal in Berchtesgaden, das zweitemal in Freising, zum drittenmal in Oberursel.


MR. DODD: Als Ergebnis des Verhörs durch den Gerichtshof haben sich eine oder zwei Fragen ergeben, die, wie ich glaube, an den Zeugen gestellt werden sollten.


VORSITZENDER: Gewiß.


MR. DODD: Sie waren doch um 9.00 Uhr an jenem Abend mit Bormann im Bunker der Reichskanzlei?


KEMPKA: Jawohl, gegen 9.00 Uhr abends habe ich ihn zum letztenmal gesehen. Als ich mich von Dr. Goebbels verabschiedete, sah ich auch Martin Bormann unten im Keller, und dann sah ich ihn nachts, als nächstes, nachts gegen 2.00 oder 3.00 Uhr.


MR. DODD: Nun, vielleicht haben Sie es bereits gesagt, aber ich habe es nicht verstanden. Wo haben Sie ihn um 2.00 oder 3.00 Uhr nachts gesehen, bevor Sie mit ihm zusammen mit den Panzern mitgegangen sind?


KEMPKA: Ich habe ihn vordem gesehen am Bahnhof Friedrichstraße zwischen 2.00 und 3.00 Uhr nachts, und vordem habe ich ihn zum letztenmal um 21.00 Uhr in der Reichskanzlei gesehen.


MR. DODD: Das weiß ich. Haben Sie sich nicht mit Bormann darüber unterhalten, wie Sie aus Berlin entkommen könnten, als Sie gegen 9.00 Uhr abends den Bunker in der Reichskanzlei verließen?


KEMPKA: Ich bekam meine Befehle von dem damaligen Brigadeführer Milunke, ich bekam keine direkten Befehle mehr von Reichsleiter Bormann.


[493] MR. DODD: Ich habe Sie nicht gefragt, ob Sie einen Befehl von ihm bekommen haben. Ich fragte Sie, ob Sie und Bormann nicht... und wer noch dabei war, darüber gesprochen haben, wie man aus Berlin herauskommen könnte. Es war 9.00 Uhr abends, und die Lage war schon ziemlich verzweifelt. Haben Sie in jener Nacht nicht darüber gesprochen, wie Sie entfliehen könnten? Es waren nicht viele von Ihnen dort.


KEMPKA: Doch, es sind zirka 400 bis 500 Personen insgesamt noch in der Reichskanzlei gewesen, und diese 400 bis 500 Personen waren aufgeteilt in einzelne Gruppen, und diese Gruppen gingen dann einzeln aus der Reichskanzlei heraus.


MR. DODD: Ich weiß, daß so viele in der Reichskanzlei gewesen sein mögen. Ich spreche aber von dem Bunker, in dem Sie waren. Sie haben doch vorher darüber schon Aussagen gemacht. Sie haben den Leuten gesagt, Sie wüßten, daß Hitler und Bormann tot seien, und Sie müssen doch im Bunker gewesen sein, wenn Sie das wissen.


KEMPKA: Jawohl, ich habe darüber schon Aussagen gemacht.


MR. DODD: Gut, was ich herausfinden will: Haben Sie und Bormann und wer sonst noch im Bunker war, bevor Sie den Bunker verließen, davon gesprochen, an jenem Abend aus Berlin herauszukommen?


KEMPKA: Nein, mit Reichsleiter Martin Bormann habe ich damals nicht weiter darüber gesprochen. Wir hatten nur einen Marschbefehl, dahingehend, wenn es uns gelingen sollte, uns in Fehrbellin zu melden, dort wäre eine Kampftruppe, der wir uns anschließen sollten.


MR. DODD: Sie sind der einzige Mann, der aussagen könnte, daß Hitler tot ist, der einzige, der aussagen könnte, daß Bormann tot ist. Ist das so, soweit Sie wissen?


KEMPKA: Daß Hitler tot ist, kann ich aussagen, und zwar, daß er am 30. April nachmittags zwischen 2.00 und 3.00 Uhr gestorben ist.


MR. DODD: Das weiß ich, aber auch Sie haben ihn nicht sterben sehen.


KEMPKA: Nein, ich habe ihn nicht sterben sehen.


MR. DODD: Und Sie haben den vernehmenden Offizieren gesagt, daß Sie glaubten, Sie haben seine Leiche aus dem Bunker herausgetragen und angezündet. Sie waren doch der Mann, der das gesagt hat?


KEMPKA: Ich habe die Frau Adolf Hitlers herausgetragen und habe Adolf Hitler selbst, eingeschlagen in eine Decke, gesehen.


MR. DODD: Haben Sie tatsächlich Hitler gesehen?


[494] KEMPKA: Ihn selbst nicht mehr. Die Decke, worin er eingeschlagen war, war etwas kürzer, und ich sah nur seine Beine heraushängen.

MR. DODD: Ich glaube, ich werde keine Fragen mehr stellen, Herr Präsident.


DR. BERGOLD: Ich habe auch keine weiteren Fragen zu stellen.


VORSITZENDER: Der Zeuge kann sich zurückziehen.


[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]


DR. BERGOLD: Hohes Gericht! Zur Zeit ist hier noch anwesend der Zeuge Walkenhorst. Es scheint mir ein Mißverständnis zwischen dem Hohen Gericht und mir vorzuliegen.

Ich habe am Samstag erklärt, daß ich außer dem Zeugen Kempka keine weiteren Zeugen mehr hören will. Ich verzichte ausdrücklich auf den Zeugen Walkenhorst.


VORSITZENDER: Was war er... warum haben Sie ihn gerufen? Was sollte er vor allem beweisen?


DR. BERGOLD: Ich hatte ihn ursprünglich als Ersatzmann...


VORSITZENDER: Wir haben Ihren Antrag bekommen.


DR. BERGOLD: Aber nach meiner Rücksprache mit dem Zeugen Klopfer, auf den ich verzichtet habe, verzichte ich auch auf den Zeugen Walkenhorst, weil er mir nicht kompetent genug erscheint, das zu bekunden, was ich gerne bekundet gehabt hätte.

Von meiner ganzen Beweisaufnahme ist dann alles erledigt, bis auf die beiden Urkunden, die das Hohe Gericht mir bereits genehmigt hat, nämlich den Stop-Erlaß betreffend die Einstellung der Maßnahmen gegen die Kirche und die Verordnung Bormanns aus dem Jahre 1944, mit der er den Mitgliedern seiner Kanzlei verboten hatte, Angehörige des SD zu sein. Die beiden Urkunden habe ich noch nicht bekommen. Wenn ich sie bekommen haben werde, werde ich sie vorlegen.


VORSITZENDER: Sehr gut.

Dr. Servatius, Sie hatten Fragen oder eine eidesstattliche Erklärung, die Sie von dem Zeugen Walkenhorst bekommen wollten, nicht wahr?


DR. SERVATIUS: Ich habe ein Affidavit dieses Zeugen Walkenhorst, das sich kurz mit der Frage des Telephongesprächs befaßt, das Sauckel wegen der Räumung des Lagers Buchenwald damals geführt hat. Es ist ihm vorgeworfen worden, er hätte bei dem Heranrücken der amerikanischen Armee die Räumung des Lagers veranlaßt. Nun ist dieser Zeuge Walkenhorst zufälligerweise gefunden worden, und es stellt sich heraus, daß es eigenartigerweise der Mann war, mit dem Sauckel gesprochen hat, und er hat mir [495] hier in einem Affidavit bestätigt, daß Sauckel verlangt hat, daß das Lager ordnungsmäßig übergeben würde. Das ist alles, was ich den Zeugen fragen möchte. Ich kann es hier in einem Affidavit übergeben.


VORSITZENDER: Will die Anklagevertretung den Mann rufen lassen, oder genügt das Affidavit?


DR. SERVATIUS: Es genügt mir, das Affidavit zu übergeben.


OBERST PHILLIMORE: Euer Lordschaft! Die Anklagevertretung hält das Affidavit für genügend.


VORSITZENDER: Sehr gut.


DR. SERVATIUS: Ich überreiche dann das Affidavit, ich werde die Exhibit-Nummer zugleich mit der Liste angeben.


VORSITZENDER: Dann gibt es da noch eine andere Angelegenheit, auf die ich die Verteidigung aufmerksam zu machen wünsche.

Der Gerichtshof ist unterrichtet worden über die Länge der Plädoyers von einigen der Verteidiger, der Plädoyers, die die Übersetzungsabteilung zum Übersetzen erhalten hat. In den Fällen der Angeklagten Keitel und Jodl scheinen die Plädoyers, die der Über setzungsabteilung übergeben wurden, bedeutend länger zu sein, als der Gerichtshof vorgesehen hat. Und es scheint unmöglich, sie an nur einem Tag vorzubringen.

Würde der Verteidiger des Angeklagten Keitel dem Gerichtshof erklären, warum das so ist und welche Schritte er unternommen hat, um sein Plädoyer abzukürzen?


DR. NELTE: Herr Präsident! Ich habe dem Gericht heute ein Schreiben zugeleitet, das, wie ich glaube, noch nicht im Besitz des Gerichts ist. Ich habe darin gebeten, im Falle des Angeklagten Keitel zu bewilligen, daß die Zeitdauer, die mit einem Verhandlungstag für große Fälle beschränkt war, in diesem Falle etwas erweitert werden möge. Als ich auf Wunsch des Gerichts die Dauer meines Plädoyers angab, hatte ich mein Manuskript fertig. Dieses Manuskript würde etwa sieben Stunden Dauer umfaßt haben. Das Manuskript habe ich so der Übersetzungsabteilung überreicht, weil es nicht mehr möglich war, es zu ändern. Ich habe den ersten Teil am vergangenen Mittwoch, und dann den zweiten Teil am Samstag morgen überreicht.

Wenn das Tribunal nach seinem Beschluß einen Verhandlungstag, das heißt fünfeinhalb Stunden effektive Rededauer als Maximum bezeichnet und in keinem Fall davon abgehen will, auch nicht in dem Falle des Angeklagten Keitel, der ja besonders schwer liegt, dann werde ich gezwungen sein, aus dem Manuskript gewisse Teile auszuscheiden und sie lediglich schriftlich vorzulegen. Ob das möglich ist, mag auch das Tribunal entscheiden.


[496] VORSITZENDER: Dr. Nelte! Der Gerichtshof nimmt Kenntnis von Ihrer Antwort auf die Frage, wie lange Ihr Plädoyer dauern würde, ich glaube sieben Stunden. Stimmt das?


DR. NELTE: Ja.


VORSITZENDER: Sieben Stunden. Gut, dem Gerichtshof wurde gesagt, daß das von Ihnen zum Zwecke der Übersetzung vorgelegte Plädoyer ungefähr 13 Stunden in Anspruch nehmen würde. Das ist beinahe das Doppelte der von Ihnen selbst festgelegten Zeit und genau das Doppelte des Plädoyers, das für den Angeklagten Ribbentrop vorgelegt wurde, dessen Fall beinahe, wenn nicht ebenso umfangreich ist. Es scheint dem Gerichtshof völlig unbegründet, ein Plädoyer vorzulegen, das wahrscheinlich zweimal soviel Zeit in Anspruch nimmt, als Sie selbst angaben. Das von Ihnen vorgelegte Plädoyer ist mehr als zweimal so lang, als das für den Angeklagten Göring.


DR. NELTE: Ich kann natürlich nicht wissen, welche Gesichtspunkte den Verteidiger des Reichsmarschalls Göring oder des Außenministers von Ribbentrop lenken und leiten. Ich kann mich nur von meiner Pflicht und meiner Auffassung leiten lassen. Ich versichere, daß ich diese Rede...


VORSITZENDER: Das ist vielleicht relativ, das stimmt schon. Aber Sie sagten doch selbst sieben Stunden, und jetzt legen Sie eine Rede vor, die wahrscheinlich 13 Stunden in Anspruch nehmen wird.


DR. NELTE: Ich glaube, Herr Präsident, ich werde diese Rede in sieben Stunden halten, wenn ich sieben Stunden Redezeit habe.


VORSITZENDER: Gut. Der Gerichtshof hat diese Angelegenheit eingehend erwogen, wie Sie wissen, und es ist entschieden worden, daß alle Plädoyers nur je einen Tag in Anspruch nehmen dürfen, und mit Rücksicht auf die Anzahl der Angeklagten wird schon das eine beträchtliche Zeit in Anspruch nehmen.


DR. NELTE: Herr Präsident! Ich sehe Ihrer Entscheidung entgegen. Wenn ich beschränkt bin auf einen Verhandlungstag, werde ich die entsprechenden Teile aus meinem Manuskript verlesen. Ich müßte dann allerdings die Bitte aussprechen, daß der übrige Teil von dem Gericht so zur Kenntnis genommen wird, weil das, was ich in diesem Manuskript niedergelegt habe, das Minimum dessen erscheint, was zu diesem umfassenden Fall vorzutragen sein wird.


VORSITZENDER: Dr. Nelte! Wir werden diesen Ihren Antrag um Genehmigung, die anderen Teile Ihres Plädoyers vorlegen zu dürfen, in Erwägung ziehen und der Verteidigung unsere Entscheidung wissen lassen.

Dr. Siemers! Dem Gerichtshof ist jetzt ein vollständiger Bericht über die großen Bemühungen des Generalsekretärs vorgelegt [497] worden, den Zeugen Schulze, Otto Schulze, für Sie ausfindig zu machen, seitdem Sie im Februar dieses Jahres Ihren ersten diesbezüglichen Antrag gestellt hatten, und der Gerichtshof möchte wissen, welche Schritte Sie inzwischen unternommen haben, um ihn zu finden.


DR. SIEMERS: Ich glaube, Herr Präsident, daß der Zeuge nicht gefunden zu werden brauchte, weil an sich bekannt war, daß er in Hamburg-Blankenese wohnt und meines Erachtens auch noch in Hamburg-Blankenese lebt, und diese Adresse habe ich mehrfach dem Generalsekretariat mitgeteilt.


VORSITZENDER: Gut. Sie wußten, was das Generalsekretariat in dieser Sache unternommen hat. Sie wußten, daß man ihn unter dieser Adresse nicht finden konnte. Sie wußten auch, daß die Fragebogen nach Washington geschickt wurden, da dem Generalsekretariat gesagt wurde, daß er dorthin gebracht wor den sei, und wir hörten, Sie selbst seien in Hamburg gewesen.


DR. SIEMERS: Daß der Fragebogen nach Washington gesandt ist, weiß ich seit Freitag, nach meiner Rückkehr aus Hamburg. Ich persönlich habe nicht damit gerechnet, daß ein solches Versehen oder ein solches Mißverständnis entstehen würde; wie es entstanden ist, weiß ich leider auch nicht. Ich bin auch weit entfernt davon, irgendwie einen Vorwurf zu machen. Ich habe nur darum gebeten, daß, wenn das Dokument eingeht, daß das Gericht einverstanden ist, daß es dann später noch entgegengenommen wird. Ich kann es nur heute noch nicht vorlegen. Ich habe dem Generalsekretariat sofort erneut die Adresse mitgeteilt. Mehr als diese Adresse in Hamburg weiß ich auch nicht. Meines Erachtens ist Admiral Schulze nicht in Gefangenschaft. Es kann sein, daß da während meiner Abwesenheit irgendwie ein Mißverständnis entstanden ist. Ich selbst habe dies aber erst am Freitag gehört.


VORSITZENDER: Gut, aber ich kann nicht verstehen, warum Sie nicht während all dieser Monate, während welcher Sie hier waren und volle Gelegenheit hatten, den Generalsekretär aufzusuchen, und mit Rücksicht auf all diese Hilfe, die Ihnen und allen anderen Verteidigern vom Generalsekretariat zuteil wurde, warum Sie nicht dem Generalsekretär mehr behilflich waren, diesen Zeugen ausfindig zu machen.

Das ist alles. Wir werden uns vertagen.


[Das Gericht vertagt sich bis

4. Juli 1946, 10.00 Uhr.]


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 17, S. 465-499.
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