Agnus Dei

[12] Agnus Dei. Die eigentlichen Gotteslämmchen oder symbolischen Abbildungen Christi (Joh. 1, 29), welche der Papst im ersten Jahre seiner Regierung und hernach in jedem siebenten Jahre weiht, werden von dem Wachse, welches von den geweihten Osterkerzen übrig bleibt, ereitet. Am Osterdienstag weihet der Papst nach verrichtetem Hochamte in weissem Ornat, die von Silber und Perlen strahlende Bischofsmütze auf dem Haupte, ein grosses silbernes Becken voll. Wasser, indem er unter andern Gebeten auch eines spricht, welches sonst niemand sprechen darf. Nachdem er nun über dieses Weihwasser kreuzweise unter besonders dazu vorgeschriebenen Gebeten etwas heiliges Öl gegossen hat, reicht man ihm 12 mit Gotteslämmchen angefüllte goldene Becken, welche er ebenfalls unter verschiedenen Gebeten einsegnet. Hierauf setzt er sich auf einen Armstuhl nieder und taucht die ihm von seinen Dienern gereichten Gotteslämmchen in das geweihte Wasser, welche die assistierenden Kardinäle, mit feinen Chorhemden angethan, mit ihren vorgebundenen Tüchern trocknen und von aufwartenden Prälaten nacheinander auf grosse mit feinen Tüchern bedeckte[12] Tafeln legen lassen. Dann steht der Papst wieder auf und entfernt sich nach gesprochenem Gebete; die Gotteslämmchen aber werden in die Becken gelegt und wohl verwahrt. Gelegentlich beschenkt hernach der Papst damit vornehme Standespersonen, Gesandte, Pilger u. dgl., welche sie nicht verkaufen oder mit Farben bemalen dürfen, ohne in die Strafe des Bannes zu verfallen. Französische Goldmünzen im Mittelalter trugen ein Agnus Dei, sie hiessen auch mutones; in der Griechischen Kirche heisst das Kelchtuch Agnus Dei. Im Volksglauben spielt es eine grosse Rolle, Einsiedler-Mirakelbücher, Kriegsgeschichten, Hexenbücher erwähnen es. Siehe Birlinger in der Alem. X, 154–163.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 12-13.
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