Aussatz

[41] Aussatz, die bekannte, aus dem Orient stammende Krankheit heisst: ahd. hruf, ruf, hriobsucht, misalsuht, mhd. meist miselsuht, aus franz. misellus, von miser, elend; daneben kommen maselsuht und muselsuht vor. Der Aussatz wurde als Strafe Gottes angesehen, der damit Behaftete wurde aus der Gesellschaft ausgestossen, durfte den öffentlichen Gottesdienst nicht besuchen, verlor die Freiheit und die Verfügung über Hab und Gut, daher der Name mhd. uzsetze, d.i. der Ausgesetzte, lat. projiciendus oder projectus, auch auswärtig, ackersiech, sundersiech, feldsiech, siech allein. Die Aussätzigen durften auf Almosen ausgehen, doch mit eigentümlicher Kleidung, Hut und Klapper; zum Almosenempfangen und Trinken hatten sie einen hölzernen Napf. Eigene Anstalten wurden für sie von einzelnen, von Klöstern, von Städten errichtet, siechhus, miselhus, vor der bewohnten Ortschaft liegend, mit eigener Kapelle, manchmal unter einem aussätzigen Meister, wodurch diese Häuser einen klösterlichen Charakter bekamen; sie waren dem heil. Jacob oder heil. Lazarus geweiht; ein eigener Ritterorden des heil. Lazarus wurde für ihre Pflege gegründet. Später wurden diese Anstalten, als die Krankheit ausging, zu Krankenhäusern überhaupt. Galt zwar der Aussatz als durch natürliche Mittel unheilbar und begnügte man sich eben darum mit der Absonderung der Kranken, so war das Mittelalter von der Heilkraft übernatürlicher Mittel überzeugt; dazu gehörten in erster Linie das unmittelbare Eingreifen Gottes, in zahlreichen Legenden erzählt, dann Schlangen und besonders das Blut unschuldiger Kinder; höchste Reinheit sollte höchste Unreinheit heilen; auch Tau vom Himmel kommt[41] vor. Die bekannteste mittelalterliche Aussatz-Legende ist Hartmanns von Aue armer Heinrich.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 41-42.
Lizenz:
Faksimiles:
41 | 42
Kategorien: