Fussbekleidung

[248] Fussbekleidung. Dass den Deutschen schon früh eine Fussbekleidung eigen war, zeigt das frühe Vorkommen des Wortes got. skôhs, ahd. scuoh, mhd. schuoch, nhd. Schuh und die symbolische Verwendung des Schuhes in den Rechtsaltertümern. Im nordischen Recht kommt der Schuh bei der Adoption und Legitimation vor: der Vater soll ein Mahl anstellen, einen dreijährigen Ochsen schlachten, dessen rechtem Fusse die Haut ablösen und daraus einen Schuh machen, den er zuerst selbst anzieht, nach ihm der adoptierte oder legitimierte Sohn, zuletzt die Erben und Freunde. Nach altdeutscher Sitte bringt der Bräutigam der Braut den Schuh beim Verlöbnis; sobald sie ihn an den Fuss gelegt hat, wird sie als seiner Gewalt unterworfen betrachtet; vielleicht war es des Bräutigams eigener Schuh. Mächtige Könige sandten geringeren ihre Schuhe zu, welche diese zum Zeichen der Unterwerfung tragen sollten.

Der älteste Schuh ist der Bundschuh, mhd. buntschuoch, nach alter Meinung von Karl dem Grossen vorgeschrieben, ein bis an die Knöchel reichendes, aus Leder oder Häuten bestehendes Schuhwerk, mit Schnürriemen gebunden, welche letztere so lang waren, dass man sie über die Waden kreuzweise bis zum Knie winden konnte. Fremde Fussbekleidungen, aber ebenfalls alt, sind mhd. der und die soc, socke, aus lat. soccus, und mhd. der und die stival, stivâl, aus ital. stivale, franz. estival, vom lat. aestivale, also eine Sommerbekleidung des Fusses, beide aus leichteren Stoffen, feinem Leder oder Filz gemacht und von vornehmen Personen getragen; sie reichen etwas höher an der Wade aufwärts als der Schuh, der bei vornehmen Leuten ebenfalls aus feinerem Stoffe, Filz oder weichem Leder gearbeitet und oberhalb des Spanns ausgeschnitten und etwa zugeschnürt war.

Die höfische Mode adoptierte die um 1089 vom Grafen Fulco von Anjou zum Verbergen seiner Schwielen oder Beulen aufgebrachten Schnabelschuhe, die vorn spitz zuliefen und darum über die Zehen hinaus verlängert werden mussten; die vorragenden Spitzen waren mit Werg ausgestopft und bei Stutzern manchmal von so bedeutender Länge, dass sie mit einer Kette oder Agraffe, etwa auch mit einer Schelle versehen, ans Knieband oder an den vorderen Lappen des Schuhes selber festgebunden wurden. Wer Trikots trug, bediente sich, besonders Vornehme, statt der Schuhe einer Verstärkung von Leder unmittelbar unter der Sohle. Im 15. Jahrh. kamen für schlechtes Wetter Unterschuhe oder Trippen auf, genau nach der Form der Sohle gearbeitet und langspitzig, wie die Schnabelschuhe; sie hatten unter der Ferse und dem Ballen eine Erhöhung und bestanden aus Holz, das mit Leder überzogen war. Eigentliche Stiefel wurden in dieser Periode bloss von Reitern bei der Jagd und im[248] Kriege getragen. Die Schnabelschuhe wichen nach vierhundertjähriger Wirksamkeit, und nachdem überall Verbote gegen sie ergangen waren, erst gegen das Jahr 1500 dem umgekehrten Extrem breiter Schuhe, die zuerst Entenschnäbel, dann bei erhöhter Breite Bärenklauen, Ochsen- und Kuhmäuler genannt wurden.

Was aber diesem Fusswerk an Breite zuging, ging ihm an Höhe ab; es war meist sehr tief ausgeschnitten. Gegen 1550 verschwand die Breite und machte einer verständigen spitzeren Form Platz; dagegen bemächtigte sich die aufkommende geschlitzte Mode auch der Schuhe, und ähnlich den älteren Trippen legte man jetzt ebenfalls geschlitzte Unterschuhe oder Pantoffeln unter den Schuhen an; Stutzer pflegten durch ihr Pantoffelklopfen die Aufmerksamkeit der Leute anzuziehen. Die französische Mode schmückte den sonst der Fussform angepassten Schuh mit Rosetten und Schleifen und verschaffte im 18. Jahrhundert für das männliche Geschlecht dem mehr militärischen Stiefel die Herrschaft über den Schuh.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 248-249.
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