Dardanvs

[873] DARDĂNVS, i, Gr. Δάρδανος, ου, ( Tab. XXXI.) Jupiters und der Elektra, einer Tochter des Atlas, Sohn, gieng aus Grame über den Tod seines Bruders, des Jasions, welchen Jupiter mit dem Blitze erschlagen hatte, weil er der Ceres Gewalt anthun wollte, aus Samothracien nach klein Asien zu dem Teucer, der ihn nicht nur gütig aufnahm, sondern ihm auch seine Tochter, Batea, zur Gemahlinn gab, und einen Theil seines Königreichs abtrat. Apollod. lib. III. c. 11. §. 1. Seine Mutter war des Königs Korythus, in Italien, Gemahlinn, und er des Jupiters, gedachter Jasion oder Jasius aber nur des Korythus Sohn. Serv. ad Aen. VII. v. 207. Als es daher nach des Korythus Tode, wegen der Erbfolge Streit setzete, so soll er nach andern den Jasius selbst niedergemacht, sich aber darauf, wegen eines Aufstandes der Unterthanen wider sich, mit einem Theile seiner Leute zu Schiffe und damit nach Samothracien begeben haben. Boccacc. lib. [873] VI. c. 1. Es scheint aber diese Erzählung nicht Glauben genug zu haben, weil Jasions Sohn, Korybas, selbst mit ihm nach Phrygien gegangen und daselbst den Gottesdienst seiner Mutter Cybele eingeführet hat. Diod. Sic. L. V. c. 48. p. 223. Man erzählet sonst nach den ältesten Nachrichten von ihm, er sey anfänglich in Arkadien gewesen, und habe sich da mit der Tochter des Palas, Chryse, verheurathet, auch mit ihr zween Söhne, den Idäus und Dimas, gezeuget. Diese Chryse brachte ihm zum Brautschatze sehr schöne Geschenke mit, welche ihr Minerva gegeben hatte, nämlich ein Paar Palladia und die Bildsäulen der großen Götter, in deren geheimen Diensten und heiligen Verehrung sie unterrichtet war. Nach einiger Zeit überschwemmete eine große Wasserfluth die Ebenen von Arkadien, welche die Einwohner nöthigte, sich auf die Gebirge zu begeben, wo sie sehr kümmerlich leben mußten. Da sie nun dieses überdrüßig waren und sahen, daß die Gefilde sie nicht mehr alle würden ernähren können, so theileten sie sich in zween Haufen. Der eine blieb in Arkadien, wo Dimas die Regierung bekam, und der andere, welcher den größten Theil ausmachete, gieng mit dem Dardanus und dessen Bruder Jasius nach Samothracien. Hier erbauete er den großen Göttern einen Tempel, und führete ihre geheime Verehrung ein, worinnen er nur seine Unterthanen unterwies. Allein, da solche in dieser Insel ein gar zu mühseliges Leben führen mußten, und sich über dieses der Zufall mit seinem Bruder erängele: so gieng er mit dem größten Theile derselben wieder von da weg und nach dem hernachmaligen Phrygien. Er nahm seine Palladia und Götter mit sich, wiewohl die Zurückbleibenden deren Verehrung und geheimen Dienst sorgfältig beybehielten. In Phrygien nahm sein Sohn Idäus einen Theil des Volkes und gieng damit in die Gebirge, welche nach ihm die idäischen genannt worden. Dardanus selbst aber begab sich, nachdem er die Götter zu Rathe gezogen, wo er sich [874] niederlassen sollte, nach Teucris, welches Land nicht sehr bevölkert war. Er war dem Könige desselben, Teucer, willkommen, der ihm, weil Chryse inzwischen gestorben war, seine Tochter, Batea, zur Gemahlinn gab, mit der er den Erichthonius zeugete. Dion. Halye. Ant. Rom. L. I. p. 49. sq. & 55. Hier erbauete er nun bald eine Stadt seines Namens Apollod. loc. cit. Hygin. Fab. 275. & ad eum Muncker. l. c. In dieser verwahrete er seine Götter und Palladia sorgfältig; weil ihm das Orakel gesaget hatte, so lange man solche fleißig verehren, und sie in der Stadt seyn würden, sollte solche nicht können eingenommen werden. Dion. Hal. l. c. p. 55. Als er nun nach Teucers Tode zur Regierung kam, so gab er dem ganzen Volke von sich den Namen der Dardanier. Diodor. Sic. lib. V. c. 48. p. 223. & lib. IV. cap. 77. p. 192. Er soll aber in allem auf ein und dreyßig Jahre, nämlich von 3234, bis 3265 regieret haben, Petav. Rat. Temp. P. II. lib. 2. c. 10. und endlich selbst in den Himmel genommen seyn. Virg. Aen. VII 201. Jedoch traf ihn auch Aeneas in der Hölle an. Id. lib. VI. v. 650. Seine Mutter soll seinen Tod so sehr betrauert haben, daß sie auch unter den Pleiaden verschwunden. Hygin. Fab. 192. Sonst wird er für einen der berühmtesten Schwarzkünstler oder Hexenmeister seiner Zeiten gehalten, und soll er von dieser Kunst so gar einige Schriften hinterlassen haben. Plinius, Fulgentius & alii ap. Fabricium Biblioth. Gr. lib. I. c. 4. §. 8.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 873-875.
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