Palladivm

[1849] PALLADIVM, i, Gr. Παλλάδιον, ου, ein Bild der Pallas, welches die Nacht darauf, da Ilus den Jupiter um ein Zeichen ersucht hatte, daß ihm seine neuerbauete Stadt angenehm wäre, vom Himmel fiel, und des Morgens vor seinem Gezelte stund. Es war drey Fuß hoch, in der Stellung, als ob es gienge. In der erhabenen rechten Hand hatte es einen Spieß und in der linken einen Rocken. Apollod. l. III. c. 11. §. 3. Indessen soll es doch auch in die Stadt Pessinus vom Himmel gefallen seyn. Herodian. l. I. c. 35. Cf. Tzetz. ad Lycophr. [1849] v. 355. Desgleichen will man, es habe es Elektra, des Dardanus Mutter, den Trojanern gegeben. Apollod. l. c. Schol. Eurip. ad Phœniss. v. 1136. Nach andern soll es der König Tros von dem Schwarzkünstler Asius erhalten haben. Tzetz. ad Lycoph. v. 355. Sieh Asius. Jedoch sagen auch einige, es sey dem Dardanus vom Jupiter gegeben oder von seiner Gemahlinn Chryse zugebracht worden. Dion. Halyc. A. R. l. I. p. 49. Sieh Dardanus. Minerva soll es selbst nach der Gestalt ihrer Gespielinn, der Pallas, gemacht haben. Tzetz. l. c. Sieh Pallas. Man weis aber nicht recht, wovon es eigentlich gewesen. Des Asius seines war von Holze. Tzetz. l. c. Das, welches Diomedes und Ulysses entführeten, soll aus den Knochen des Pelops seyn gemacht worden. Cem. Alex. ad. mon. ad gent. p. 23. Allein, es soll auch wenigstens zwey echte Palladia gegeben haben. Dion. Halye. l. c. Doch will man gleichfalls, daß beyde von Menschen gemacht gewesen. Apellas ap. Clem. Alex. l. c. Es war aber dabey die Prophezeyung, die Stadt, worinnen sie sich befänden, würde verloren gehen, so bald sie verloren gegangen. Dion. Halyc. l. c. Dict. Cret. l. V. c. 5. Man verwahrete also dieselben sorgfältigst in Troja; und damit das rechte um so viel weniger könnte entführet werden, so wurden noch mehr Bilder seines Gleichens gemacht, das wahre aber, welches doch etwas kleiner, als die andern war, mitten unter dieselben gestellet. Conon. Narrat. 34. Dieß verrieth endlich Helenus den Griechen. Sieh Helenus. Ulysses und Diomedes entführeten es also und der letztere behielt es, bis Demophoon ihm solches abnahm. Sieh Diomedes. Nach einigen soll ihm seyn prophezeyet worden, er würde lauter Unglück haben, wenn er es den Trojanern nicht wieder gäbe. Als er daher durch Calabrien gieng, so wollte er es dem Aeneas wieder zustellen, an dessen Statt es aber einer seiner Leute, Nautes, nahm; daher denn auch der Dienst solcher Göttinn hernach insonderheit zu Rom bey den Nautiern verblieb. Virgil. [1850] Aen. II. v. 165. & ad eum Servius l. c. Auf diese Weise wären denn beyde Palladia wieder zusammen gekommen. Denn viele wollen, es habe Aeneas selbst eines mit nach Italien genommen. Paus. Cor. c. 23. p. 127. Cf. Lud Smids Scena Troica, c. 21. Gleichwohl erzählet man auch, es sey durch den Demophoon nach Athen gebracht worden; Pausan. Att. c. 29. p. 53. Wenigstens war dieses die gemeinste Meynung daselbst von ihrem Palladio Id. Cor. c. 23. p. 127. Jedoch scheint es aus vielerley Gründen, daß das atheniensische von dem trojanischen unterschieden gewesen. Spanh. ad Callim. Hym. in Pallad. v. 32. Die Entführung dieses letztern aber wird auch nicht auf einerley Art erzählet. Außer der, die man im Artikel Diomedes sehen kann, sollen er und Ulysses durch unterirdische Gänge, oder durch eine Abzucht, wie andere sagen, in die Stadt gekommen seyn, die Wache nieder gehauen und so das Palladium entführet haben. Cf. Meziriac. Comment. sur les ep. d'Ovide T. I. p. 67. Andere sagen, sie hätten solches ausgeführet, als sie von den Griechen als Gesandten an den Priamus geschickt worden. Bey dieser Gelegenheit hätten sie den Antenor und durch ihn seine Gemahlinn gewonnen, welche Priesterinn und Hüterinn des Tempels der Pallas gewesen, durch deren Vermittelung sie denn das Palladium erhalten. Suid. in Παλλάδιον. T. III. p. 21. Einige schreiben die Ehre dieser Unternehmung dem Ulysses ganz allein zu. Euripid. Liban. & Sabin. ap. Meziriac. l. c. So bald indessen das Bild nur in dem Lager der Griechen niedergesetzet war, so gab es deutliche Merkmaale des Grimmes gegen die Griechen. Die Augen desselben fiengen an, sich zu entflammen; ein starker Schweiß floß über den ganzen Leib; und es erhub sich dreymal von der Erde mit seinem Schilde und dem zitternden Spieße in der Hand. Virg. Aen. II. 172. Damit diese poetische Beschreibung nicht gar zu wundersam scheine, so muß man wissen, daß dieses Bild nicht nur seinen Spieß, sondern auch die Augen habe bewegen können; und [1851] daß daran eben das rechte kenntlich gewesen sey. Serv. ad Virg. Aen II. 166. Dieses glaubete man zu Rom zu haben, es mochte nun vom Diomedes, oder Ulysses, oder Aeneas aus Ilium seyn gebracht worden. Ovid. Fast. VI. 424. Gleichwohl behaupteten noch verschiedene andere Städte in Italien, als Lavinium, Luceria, Siris oder Heraklea, daß sie das echte Palladium aus Troja hätten. Strabo l. VI. p. 264. Es sollen es aber die Trojaner zwischen einer aufgeführten Mauer verstecket haben, da es in dem mithridatischen Kriege ein gewisser Fimbria gefunden und nach Rom gebracht. Weil nun da, wo das Palladium seyn würde, auch die Herrschaft seyn sollte, so ließ man durch den Schmidt Mamurius mehr dergleichen machen; und nur der Oberpriester kannte das rechte. Serv. l. c. Dieß mußte also wohl von Metalle seyn. So wenig man aber die Materie recht angeben kann, so ungewiß ist es auch, ob das wahre eigentlich gestanden oder gesessen. Denn obgleich dasjenige, was man nachher noch immer zu Ilion hatte, und für das echte ausgab, aufgerichtet stund, so soll doch das alte gesessen haben. Strabo l. XIII. p. 601. Es ist aber widersprechend, wenn man auch vorgiebt, es habe es keine Mannsperson ansehen dürfen; und da solches vom Ilus zu Troja und vom Metellus zu Rom geschehen, da die Tempel wegbrannten, worinnen es stund, und sie es aus dem Feuer retteten, so hätten beyde ihr Gesicht verloren, wiewohl sie es doch wegen ihrer guten Absicht nachher wieder erhalten. Dercyll. & Aristid. Miles. ap. Plutar. Parall. min. n. 17. p. 309. T. II. Opp.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 1849-1852.
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