Philoctétes

[1977] PHILOCTÉTES, æ, Gr. Φιλοκτήτης, ου.

1 §. Aeltern. Sein Vater war Pöas, des Thaumakus Sohn, seine Mutter aber Demonassa; Hygin. Fab. 102. Cf. Apollod. l. I. c. 9. §. 17. oder, nach andern, Methone. Eustath. ad Hom. Il. Β. v. 706.

2 §. Thaten und Schicksal. Er gieng unter den Argonauten mit nach Kolchis. Hygin. Fab. 14. & Val. Flacc. l. I. v. 391. Jedoch hält man solches nicht für recht glaublich. Burman. Cat. Argon. h. v. Nachher war er ein steter Gefährte des Herkules, so, daß er auch endlich, da niemand dessen Scheiterhaufen, worauf er sich verbrannte, anzünden wollte, sich allein dazu bewegen ließ, und dafür des Herkules Bogen und Pfeile bekam. Diod. Sic. l. IV. c. 39. p. 170. Hom. Il. Β. 617. Nach der Zeit gab er einen Freyer um die Helena mit ab Hygin. Fab. 81. Es scheint aber, daß er damals schon ziemlich bey Jahren gewesen seyn müsse. Gleichwohl gieng er darauf von Meliböa, woselbst er Herr war, mit sieben Schiffen seiner Leute mit vor Troja. Id. Fab. 97. Ehe er aber noch dahin kam, so stach ihm bey dem Opfer, welches Palamedes im Namen der gesammten Griechen dem sminthischen Apollo brachte, eine Schlange in den Fuß, da man ihndenn von da wieder nach Lemnos zurück führete, weil Vulcans Priester insonderheit in dem Rufe stunden, daß sie dergleichen Schäden heilen könnten. Dict. Cret. l. II. c. 14. Nach andern stach ihn solche Schlange selbst in der Insel Lemnos, und zwar schickte sie ihm Juno zur Rache auf den Hals, daß er dem Herkules, als ihrem Hauptfeinde, vorhin bemeldeten Dienst erwiesen. Ob er nun wohl von dar mit den Griechen [1977] weiter gieng, so wurde er dennoch, da seine Wunde einen dermaßen heftigen Gestank von sich gab, daß niemand um ihn bleiben konnte, wieder in die Insel Lemnos zurück gebracht. Hygin. Fab. 102. Bey allem dem aber wollen auch einige, daß Herkules, als er sich seinen Scheiterhaufen auf dem Oeta zu Rechte gemacht, solchen Philoktetes vermocht habe, ihm eidlich zu versprechen, daß er keinem anzeigen wolle, wo die Ueberbleibsel von ihm hingekommen, wofür er ihm denn seinen Köcher, Pfeil und Bogen gegeben. Als darauf der trojanische Krieg angegangen, und das Orakel gesagt, daß man ohne des Herkules Pfeil und Bogen die Stadt Troja nicht erobern würde, so habe man dem Philoktetes scharf zugesetzet, zu sagen, wo Herkules hingekommen, da er sich denn zwar lange gesträubet, ehe er etwas entdecket, endlich aber, damit er doch seinen Eid nicht brechen möchte, wenn er etwas sagte, mit dem Fuße gewiesen, wo solcher Held begraben läge. Allein, als er darauf mit den übrigen Griechen vor Troja gehen wollen, so habe er ungefähr einen von des Herkules Pfeilen sich auf den Fuß fallen lassen, womit er dessen Grab verrathen; und, da solche in das Blut der lernäischen Schlange getunkt gewesen, so sey daher eine Wunde entstanden, die nicht allein nicht zu heilen gewesen, sondern auch einen ganz unerträglichen Gestank von sich gegeben. Serv. ad Virgil Aen. III. v. 402. Cf. Tzetz. ad Lycophr. v. 55. Auf der Insel Lemnos erhielt ihn, nach einigen, Phimachus, ein Hirt des Königes Aktors: Hygin. l. c. nach andern aber mußte er sein Leben elendiglich mit Vogelschiessen und dergleichen unanständigen Arbeit hinbringen; Sophocles ap. Lud. Smids Scen. Troic. num. 6. Da aber doch ohne ihn und seine Pfeile Troja bemeldeter Maßen nicht erobert werden konnte, und er nichtwenig empfindlich darüber war, daß man ihn in solchem Elende stecken lassen, so sandte endlich Agamemnon den Ulysses und Diomedes an ihn, die ihn bereden mußten, sich mit vor Troja einzufinden. Hygin. l. c. Es heilete ihn vorher [1978] noch Machaon entweder mit dem Kraute Ophietis, oder auch so, daß ihm Apollo einen festen Schlaf zuschickte, unter welchem ihm Machaon den Schaden ausschnitt, und, nachdem er die Wunde mit Weine ausgewaschen und ein gewisses Kraut darauf gebunden, also wieder zu Rechte brachte. Tzetz. ad Lycophr. v. 911. Nach andern soll sie Podalirius geheilet haben. Q. Calab. IX. 462. Wenigstens that Philoktetes den Griechen nachher vor Troja sehr gute Dienste. Er erlegete drey vornehme Feinde. Hyg. Fab. 114. Unter solchen war Paris selbst, mit dem er einen ordentlichen Zweykampf auf den Bogen eingieng, da denn Paris den ersten Schuß that, allein fehlete, wogegen ihn Philoktetes zuerst in den linken Arm, sodann in das rechte Auge, und zuletzt durch beyde Füße schoß, und, da er solcher Gestalt nicht weiter kommen konnte, vollends hinrichtete. Tzetz. l. c. Cf. Hygin. Fab. 112. Dict. Cret. l. IV. c. 19. Apollod. l. III. c. 11. §. 6. & al. Er hielt die ganze Belagerung mit aus. Allein, da er wieder zurück nach Meliböa gieng, so war alles wider ihn rebellisch geworden, und er mußte endlich so gar bis nach Italien gehen, woselbst er sich niederließ, und nach einigen die kleine Stadt, Petilia, erbauete, oder doch mit Mauern umgab. Virgil Aen. III. v. 402. & ad eum Serv. l. c. Tzetz. & Potter. ad Lycophr. v. 911.

3 §. Tod. Einige wollen, er sey noch an der Wunde gestorben, welche ihm die Schlange beygebracht. Ptol. Hephæst. l. V. p. 326. Andere sagen, er sey mit den Campaniern in Italien in Krieg gerathen, habe solche überwunden, und dem Apollo einen Tempel erbauet, worinnen er ihm seine Pfeile und Bogen gewiedmet. Tzetz. ad Lycophr. v. 911. Als aber hernach die Pellenier und Lindier aus Rhodus dasiger Gegend mit einander Handgemein geworden, soll er der letztern Partey ergriffen haben, und in dem Gefechte mit seyn erleget worden. Lycophr. v. 922. & ad eum Canter. l. c.

4 §. Eigentliche Historie und anderweitige Deutung. So fern jemals [1979] ein Troja gewesen, und auf die Art, wie insgemein gemeldet wird, belagert und zerstöret worden, so findet sich bey seiner Historie wenig, oder nichts, was nicht dem Buchstaben nach angenommen werden kann. Ohne dieses aber kann er zum Exempel dienen, daß Untreue, Meineid und Verrätherey nicht ungestraft bleiben, und man auch den Todten halten solle, was man ihnen im Leben versprochen habe. Omeis Mythol. in Philoctetes, p. 206. Sonst ist von ihm noch eine Tragödie des Sophokles vorhanden, die Scaliger Drama divinum nennet. Fabric. Biblioth. Gr. l. II. c. 17. §. 3. Hingegen sind des Aeschylus, Euripides, Id. ib. c. 16. §. 7. & 18. §. 3. und Attius Id. Biblioth. Lat. l. IV. c. 1. §. 4. n. 5. ihre verloren gegangen.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 1977-1980.
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