Gilbertus, S. (1)

[433] 1S. Gilbertus (Guibertus), Conf. (4. Febr.) Dieser hl. Gilbertus, Stifter des Ordens von Sempringham, war ein Mann von hohem Adel des Geistes und Körpers. Sein Vater hieß Joscelinus von Sempringham in der englischen Grafschaft Lincoln, und soll, der Ueberlieferung zufolge, aus der Grafschaft Flandern, wo seine Ahnen in der Umgegend von Gent begütert waren, dahin gekommen seyn. Die Mutter unsers Heiligen sah einst, als sie mit ihm guter Hoffnung ging, im Gesichte den Mond in ihren Schooß herniedersteigen. In der That war sein Leben voll himmlischer Milde und Klarheit. Um das J. 1083, unter König Wilhelm dem Eroberer, geboren, lebte der Heilige bis zum J. 1189, erreichte also ein Alter von mehr als 100 Jahren. Seine sittliche und wissenschaftliche Ausbildung erhielt er in Frankreich, wo er das Glück hatte, den hl. Bernard kennen zu lernen, den er später in Ordensangelegenheiten öfter zu Rathe zog. In sein Vaterland zurückgekehrt, begann er alsbald nach den hohen Mustern zu leben und zu wirken, die er in Clairvaux gesehen hatte. Wir sehen ihn von jetzt an mit Festigkeit und Ernst auf das eine Ziel seines Lebens, Verherrlichung Gottes durch Wort und That, hinsteuern. Mit der tiefsten, innigsten Frömmigkeit verband er regen Seeleneifer und suchte deßhalb vorzüglich die Schulen zu verbessern. Die Priesterweihe empfing er vom Bischofe Alexander von Lincoln (seit dem J. 1123), welcher ihm bald darauf die Seelsorge in Sempringham übertrug und ihn später zu seinem Pönitentiarius machte. Man nannte ihn einen »wahrhaft wunderbaren Mann«, voll heiligen [433] Seeleneifers. Den Orden von Sempringham stiftete er um das Jahr 1135. Sein außerordentliches Beispiel hatte viele eifrige Christen so ergriffen, daß sie ihn baten, er möchte sie unter seine besondere Leitung nehmen und den Weg der Vollkommenheit führen. Er willigte ein und schrieb für sie Statuten, die eine Art Verschmelzung der Benedictiner- und Cistercienser-Regel waren, und die Genehmigung des Papstes Eugen III. (vom J. 1145 (bis 1153) erhielten. Diejenigen, welche nach dieser Regel lebten, hieß man »die weißen Gilbertinischen Kanoniker«. Auch Frauenspersonen stellten sich, nach Lechner, unter die Leitung des hl. Gilbertus. Derselbe leuchtete Allen als Vorbild der Entsagung und der Vollkommenheit voran. Er lebte so enthaltsam und aß so wenig, daß man nicht begriff, wie er nur leben könne. Er wachte und betete viel und schlief nur sitzend. Die Armen liebte er als Christi Lieblinge und hatte bei Tische für sie stets eine besondere Schüssel in Bereitschaft; er nannte sie »die Schüssel des Herrn Jesu«. Aber auch er mußte erfahren, daß Alle, die fromm leben wollen in Christo Jesu, Verfolgung zu leiden haben. Er litt, als Anhänger des hl. Thomas (seit dem J. 1162 Erzbischof von Canterbury), den er aufgenommen und mit Geld unterstützt hatte, falsche Anklage und Gefängniß; aber er litt es mit solcher Freudigkeit, daß er sich weigerte, auch nur ein Wort zu seiner Vertheidigung zu sprechen. Sein heil. Ende erfolgte, wie oben schon bemerkt, im J. 1189. Da an seinem Grabe zahlreiche Wunder geschahen, so wurde er im J. 1202 von Papst Innocenz III. canonisirt. Sein Name steht zu obigem Tage auch im Mart. Rom. Baronius hat ihn mit S. Guihertus1 verwechselt. (I. 567.)


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 2. Augsburg 1861, S. 433-434.
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