Liborius, S. (1)

[819] [819] 1S. Liborius, (23. Juli), auch Liberius, frz. St-Liboire, der 4. Bischof von le Mans (Cenoman.) in Frankreich, Patron von Paderborn in Westfalen, wurde auf den Wunsch mehrerer bedeutender Männer, besonders aber des Abtes Carlenus von St. Maria zu Amelia (Ameria) in Umbrien, welcher zu Münster in Westfalen seine Hilfe in Nierenleiden (nephritici dolores.) selbst erfahren hatte und daher große Verehrung für den hl. Liborius hegte, von Johannes Bollandus selbst ausführlich behandelt, und seine Arbeit, die im J. 1648 eigens gedruckt worden war, am 23. Juli (V. 394 bis 440) von dem Bollandisten Wilhelm Cuperus, der dann pag. 440–457 auch noch einiges, vorzüglich seine Reliquien und Wunder Betreffendes beifügte, im J. 1727 in das große Werk aufgenommen. Hiernach stammte der hl. Liborius aus einer in Gallien angesehenen Familie, welche jedoch nirgends näher bezeichnet ist. Wegen seiner Lernbegierde, seiner Sittenreinheit und der Frömmigkeit seines Wandels wurde er dem Klerus von Mans (eig. le Mans) beigesellt. Als Kleriker führte er ein heiliges Leben, liebte die Einsamkeit und das Gebet und pflegte Umgang nur mit Solchen, deren Reden und Thaten ihm zum Muster dienen konnten. Seine einzige Sehnsucht war, die christliche Vollkommenheit zu erreichen. Als daher durch den Tod des hl. Pavacius145 der bischöfliche Stuhl von Mans erlediget war, wurde unser hl. Liborius im Hinblicke auf seine Tugenden einstimmig zum Bischofe dieser Stadt gewählt. In dieser Eigenschaft zeigte er sich als unermüdeten Apostel in Ausübung des Predigtamtes und gewann dadurch die Herzen Vieler für Christus. Mit dem Gebete verband er strenges Wachen und Fasten und vertheilte Alles unter die Armen. Er baute mehrere Kirchen und versah sie reichlich mit allem zur Feier des Gottesdienstes Nöthigen. In der 4. Lebensbeschreibung sind (pag. 412. nr. 12) 17 Ortschaften genannt, denen er Kirchen gebaut und von denen er nichts verlangt hatte, als daß jede jährlich an die Mutter- oder Kathedralkirche eine gewisse Quantität an Wachs und Oel, so wie einen angemessenen Beitrag an die Kirchendiener leiste. In der 2. Vita ist (pag. 408) diese Quantität näher bezeichnet und zugleich (nr. 2) angegeben, daß er während der 49 Jahre seiner bischöflichen Amtsführung in 96 Ordinationen an verschiedenenen Orten 217 Priester, 186 Diakone, 93 Subdiakone und auch noch andere Kirchendiener, so viel nothmerkwürdig ist auch von ihm, daß er ein Freund des großen hl. Bischofs Martinus von Tours war, den er öfter besuchte und in manchen Angelegenheiten um Rath fragte. Als er nun dem Ende seines Lebens sich nahte, fügte es Gott, daß der hl. Martinus, von einer höhern Stimme ermahnt, nach Mans sich begab und eben dazu kam, als der hl. Liborius bereits in den letzten Zügen sich befand. Dieser freute sich nun sehr über seine Ankunft, besprach noch Manches mit ihm und starb dann freudig unter seinen frommen Gebeten. Dann besorgte der hl. Martinus noch das Begräbniß seines Freundes in der Apostelkirche, welche der hl. Julianus9, der erste Bischof von Mans, vor der Stadt erbaut hatte, hielt am andern Tage an das zahlreich versammelte, seinen Hirten schmerzlich beweinende Volk eine Trostrede und empfahl ihnen den hl. Victor (Victurus) als Bischof etc. Ueber das Todesjahr des hl. Liborius bestehen verschiedene Angaben. Daß er 49 Jahre lang Bischof war, wird von allen vier alten Lebensbeschreibungen, die bei den Bollandisten sich finden, angegeben. Wenn er nun gleich nach dem Tode des hl. Pavacius im I. 346 Bischof wurde, so wäre er im J. 395 gestorben – also 7 Jahre vor dem hl. Martinus, der im J. 402 starb. Da aber Bollandus (pag. 369. nr. 5) aus verschiedenen Gründen die Meinung ausspricht, daß der hl. Liborius im J. 383 oder auch noch früher gestorben sei, so müßte er schon im J. 334 oder noch früher Bischof geworden seyn. Nach Papebroch, der im Leben des hl. Innocens am 19. Juni (III 856) eine Chronologie der Bischöfe von Mans gibt, war der hl. Liborius ordinirt am 7. Juni 347 (also fast ein Jahr nach dem Tode des hl. Pavacius), und gestorben am 9. Juni 396, was wohl auch das Richtige seyn wird. Daß der 9. Juni sein Todestag ist, kommt in mehreren Stellen vor; aber sein Fest ist auf [820] den 23. Juli gesetzt, weil an diesem Tage das Translationsfest seiner Reliquien zu Paderborn in Westfalen gefeiert wird. Am 27. April 836 kamen die Abgesandten von Paderborn nach Mans; am 28. April erhoben sie seine Reliquien; am 1. Mai reisten sie von Mans ab, kamen am 28. Mai nach Paderborn und am 23. Juni wurden die Reliquien feierlich eingeführt unter Baduradus oder Baduranus (s. Baduardus), dem 2. Bischofe von Paderborn, und dem hl. Bischofe Aldricus1 von Mans. Seit dieser Zeit bestand zwischen diesen beiden Kirchen eine Bruderschaft, welche im J. 1205 erneuert wurde. Im J. 1622 wurden die Reliquien durch Christian von Braunschweig weggenommen, aber im J. 1623 wieder zurückgebracht, und wird die Erinnerung daran am 28. Oct. gefeiert. Auch in Mans hatte man einige Reliquien von ihm zurückbehalten; da aber diese in den Stürmen der franz. Revolution zu Grunde gingen, so schickte, wie uns eine gütige Mittheilung aus Paderborn benachrichtet, der Bischof von Mans im J. 1850 zwei Geistliche nach Paderborn, um sich einige Reliquien von dort zu erbitten. Sie wurden bewilligt, und als sie nach Mans zurückkehrten, war diese Uebertragung Veranlassung zu einer großen Festlichkeit für die dortige Diöcese. – Wie Gott auf die Fürbitte des hl. Liborius bei seinen Lebzeiten viele Wunder gewirkt hatte, so geschah dieses noch mehr nach seinem Tode, und die Bollandisten führen sehr viele Wunder an, die zu verschiedenen Zeiten, namentlich bei den verschiedenen Translationen an verschiedenen Orten geschahen. Besonders bewährte er sich als Patron für diejenigen, die ihn in »Stein- und Gries-Leiden« (calculi et arenarum dolores) anriefen. Dadurch wurde er denn vielfach berühmt, und suchte man Reliquien von ihm zu erhalten. So besonders zu Amelia (Ameria) in Umbrien, wo er durch den schon oben erwähnten Abt Carlenus bekannt wurde, und wo man am 12. Mai 1647 einige seiner Reliquien feierlichst in die Kathedralkirche einführte. Auch in Coblenz gibt es Reliquien von ihm etc. – Sein Attribut ist nach Menzel (Symb. II. 410) ein Buch im Nimbus, auf welchem kleine Steine liegen, und ein Pfau, weil, als am 28. Mai 836 seine Reliquien nach Paderborn gebracht wurden, »ein Pfau voraus flog und den Weg zeigte«. – Sein Name steht auch im Mart. Rom. am 23. Juli, an welchem Tage ihn, wie schon oben bemerkt, auch die Bollandisten in ihrem großen Werke haben. (V. 394–457).


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 3. Augsburg 1869, S. 819-821.
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