Paschasius Ratbertus, S. (4)

[684] 4S. Paschasius Ratbertus, Abb. (26. April al. 2. Jan.). Der heil. Abt Paschasius Ratbertus glänzte im neunten Jahrh. durch seine außerordentliche Gelehrsamkeit, sowie durch die Heiligkeit seines Lebens. Sein Geburtsfahr mag etwa das Jahr 786 gewesen seyn. Sein eigentlicher Name war Radbertus, Paschasius ist erst später von ihm selbst zugesetzt worden. Er verlor früh seine Mutter, Gott aber gab ihm eine neue, bessere Mutter in den Nonnen von Notre Dame zu Soissons. Sie nahmen sich des armen Knaben an und schickten ihn in die Klosterschule von St. Peter in Soissons. Eine Zeit lang schien es, daß er in der Welt bleiben würde, denn obwohl er schon die Tonsur erhalten hatte, verließ er das Kloster, um irgend einen weltlichen Beruf zu wählen, wo er die gewonnenen Kenntnisse verwerthen könnte, nicht aber ein weltliches, d.h. wüstes und sinnliches Leben zu führen, wofür keine Nachweise vorliegen. Wie immer in solchen Fällen, fand sein Austritt viele Tadler. Ihm selbst muß er tadelnswerth vorgekommen sein, denn er trat nach einiger Zeit, um seine Fehltritte zu sühnen, in's Kloster Corbie und legte unter dem hl. Abte Adelardus1 (s.d.) die Gelübde ab. Ein dankbarer Schüler dieses seines geistlichen Vaters beschrieb er später dessen Leben. Er bemühte sich zugleich, an sich selbst dieses nämliche, in Gott verborgene, den Brüdern erbauliche, der Kirche nützliche, ununterbrochen arbeitsame Leben darzustellen, und trat mit allem Eifer in die Fußstapfen seines Abtes. Dieser schenkte ihm daher sein ganzes Vertrauen und nahm ihn bei wichtigen Geschäften zum Gehilfen. Auf diese Weise wurde er so zu sagen Mitgründer des Stiftes Neu-Corbei (Nova Corbeja, Corvey) in Sachsen im Jahre 822. Er mußte dort den Brüdern predigen und den Schulunterricht leiten, weßhalb er außer der Zeit, die ihn zum Gebete in den Chor und in die Kirche rief, wo er nie fehlte, stets mit Studien und Schreiben beschäftiget war. Einer strengen Lebensrichtung zugethan, förderte er dieselbe nach Kräften innerhalb und außerhalb des Klosters. Er war daher auch der Liebling des zweiten Abtes Wala. In diese Zeit setzt man auch die Entstehung der ersten vier Bücher seines Commentars über das Evg. des Matthäus (gegen Scotus Erigena.) Bald darauf im Jahre 831 schrieb er auf Ansuchen des Abtes Warin von Corvey eine populär gehaltene Abhandlung über die hl. Eucharistie (de corpore et sanguine domini), die er im Jahre 844 überarbeitete und verbesserte, und welcher er noch später einen Brief an den Mönch Frudegard nachfolgen ließ, in welchem er die dort ausgesprochenen Sätze noch mehr erläuterte und rechtfertigte. Das Buch war Carl dem Kahlen gewidmet, und beweist wie bewandert er in den griechischen und lateinischen Vätern, in deren Worten er redet, gewesen ist. Unter seinen Schülern ragen besonders Adalard d.J., der heil. Anscharius, dann die Bischöfe Hildemann und Otto von Beauvais und Waran, Abt von Neu-Corbie hervor. Sicherlich hat er jedesmal an den wissenschaftlichen und theologischen Streitfragen der damaligen Zeit regen Antheil genommen. Der Synode von Chiersy (Carisiacum) im J. 837 hat er kaum beigewohnt, wohl aber der von Paris im J. 846, wo insbesondere die Privilegien und Freiheiten des Stiftes Corbie endgültig festgestellt wurden, und der zweiten von Chiersy im Jahre 849. Im Jahre 844 wurde er Abt von Alt-Corbie (in der Reihenfolge war er der vierte, nämlich: 1. Adalard, 2. Wala, 3. Isaac, 4. Radbert), und behielt diese Würde sieben Jahre. Diese Zeit war die bitterste seines Lebens, denn sie war durch Zwist und Streitigkeiten sehr getrübt. Selbst offene Meuterei brach im Kloster aus, als der heil. Abt anfing, die ursprüngliche Zucht und Ordnung wieder herzustellen. Man verirrte sich so weit, den hl. Abt am königlichen Hofe zu verklagen. Und doch hatte er Niemanden gekränkt, und gegen alle Brüder in gleicher Weise die Pflichten eines Vaters, freilich mit ernstlicher Strenge, zu erfüllen sich Mühe gegeben. Seine Grundtugend, nach welcher wir die Größe der übrigen leicht zu beurtheilen vermögen, war die äußerste Demuth und Selbstverachtung; er war in seinen Augen monachorum peripsema, der Mönche Abschaum, und seine Unwürdigkeit so groß, daß er keine höhere Weihe, als die eines Diakons anzunehmen sich getraute. Um in sich und Andern die Gesinnungen wahrer, gottgefälliger Zerknirschung stets rege zu halten, betrachtete er die Klagelieder des Jeremias und schrieb daher fünf Bücher Erklärungen darüber. [684] Nach Niederlegung der Abteiwürde um das J. 851, welche ihm nicht bloß eine schwere Bürde, sondern ein Hinderniß für die ihm von der Vorsehung gestellte Lebensaufgabe geworden war, lebte er einige Jahre zurückgezogen im Stifte St. Richard (Centula). wo er den geistlichen Uebungen oblag und noch einige seiner Werke, namentlich den Commentar des Matthäus-Evangeliums, vollendete. Sein dankbares Herz ließ ihn auch eine Erklärung des vierundvierzigsten Psalms in drei Büchern verfassen, die er der Abtissin Emma von Notredame dedicirte. Sein seliger Tod erfolgte zu Corbie am 26. April d.J. 865. (So die Boll. und nach ihnen Butler. u. A.) Schriftsteller, die dem Mabillon folgen, setzen seinen Tod in's Jahr 860. (Gewiß starb er nicht schon im Jahre 851.) Obwohl eine förmliche Canonisation nicht stattgefunden hat, genoß er stets die Verehrung eines Heiligen, weßhalb der apostolische Stuhl im Jahre 1073 die Uebertragung seiner Gebeine in die Hauptkirche des Klosters gestattete. Nach außerkirchlichen Schriftstellern wäre er zuerst auf so genannte neukatholische Bahnen gerathen, indem er die wahre Gegenwart des Leibes und Blutes im heil. Sacramente in bisher nicht geschehener Weise dargestellt und die Lehre von der wirklichen Wesensumwandlung (transsubstantiatio) zuerst erfunden hätte. In der That wurde seine Darstellung von Einigen nicht recht verstanden und deßhalb bekämpft, aber in eben dieser Bekämpfung, die zum Theil wirkliche Irrthümer traf, jedoch solche, die von dem heil. Lehrer nicht vorgetragen, sondern ihm nur imputirt worden waren, zeigte es sich, daß damals wie immer der katholische Glaube keine Neuerung erfahren hatte, indem auch die Gegner die wesenhafte Gegenwart Christi behaupteten und an's Licht stellten. Nur zwei derselben, Ratramnus, gleichfalls Abt zu Corbie und Scotus Erigena scheinen in der Hitze des Streites die Calvinistische Irrlehre anticipirt zu haben, obwohl es wenigstens Ersterm an Vertheidigern seiner Rechtgläubigkeit nicht gefehlt hat. Aber diese fielen in Irrthümer, weil sie sich bei aller Verehrung, die sie in ihren Schriften gegen das hl. Geheimniß an den Tag legten, zu viel auf eigene Speculation und Philosophie verließen, während der hl. Paschasius bei gleich frommen Gesinnungen den Boden der kirchlichen Tradition getreu festhielt und daher vollständig in der Sprache der hl. Väter redete. Noch müssen wir seiner Abhandlung über Glaube, Hoffnung und Liebe und seiner Biographien der Aebte Adelard und Wala, sowie der hhl. Martyrer Rufinus etc. gedenken. Innige Frömmigkeit athmet aus allen seinen Schriften, namentlich aus jener vom heil. Altarssacramente. Außer den Stimmen der Väter waren es die Lebensbeschreibungen der Heiligen, aus welchen er seine Beweise entnahm, wie er praktisch eben dieselben zu Vorbildern seines Wandels sich erkoren hatte. Vorzüglich war die Königin der Heiligen der besonders ehrwürdige Gegenstand seiner geistlichen Betrachtungen, wie aus seiner Schrift von der jungfräulichen Geburt (de partu virginali) klar hervorgeht. Wir können uns nicht versagen, eine Probe seiner Schreibweise aus seinem Commentar über das Matthäus-Evangelium hieher zu setzen. Er bemerkt zu den Einsetzungsworten des Herrn: »Ich wundere mich, daß jetzt (er vertritt nämlich den altüberlieferten, wahren, kathol. Glauben) Einige sagen wollen, nicht in der Wirklichkeit, sondern im Geheimnisse sey die Wahrheit des Fleisches Christi, die Wirksamkeit (virtus) seines Fleisches, nicht das Fleisch selbst, die Wirksamkeit seines Blutes, nicht sein Blut selbst, es sei das Bild (figura), und nicht die Wahrheit, das Wort und nicht der Leib, da vielmehr hier die Gestalt die Wahrheit annimmt, und die Figur die Wesenheit der alten Opfer. Daher sprach die Wahrheit, als Er den Jüngern das Brod reichte: ›Dieß ist mein Leib,‹ und zwar nicht ein anderer, als eben der, ›welcher für euch wird hingegeben werden.‹ Ebenso war auch sein Blut noch nicht vergossen, und dennoch wird im Kelch dasselbe Blut dargereicht, welches vergossen werden mußte. Jenes Blut nämlich war im Kelche, welches noch zum Lösepreis vergossen werden mußte, jenes nämliche Blut, das auch noch in seinem Leibe war, wie auch der Leib oder das Fleisch im Brode (gegenwärtig war). Es war aber beim Abendmahle der ganze unversehrte Christus (integer), sein wahrer Leib in Gegenwart Aller dargestellt (positum), eben so auch das Blut seines Leibes, und ist auch setzt noch ganz und gar unversehrt (integerrimum), und bleibt es, als derselbe, welcher ihnen wahrhaft zur Speise und zum Tranke für die Nachlassung der Sünden gereicht wurde.« [685] Dieselbe Lehre spricht er im ersten Capitel seiner Schrift über den Leib und das Blut des Herrn in folgender Weise aus: »Obwohl die Gestalt des Brodes und Weines vorhanden ist, so muß nichts Anderes gesagt und geglaubt werden, als das Fleisch und das Blut Christi sey nach der Consecration gegenwärtig, ja damit ich noch wundersamer spreche, durchaus kein anderes Fleisch, als welches aus Maria geboren wurde, am Kreuze gelitten hat und aus dem Grabe wieder erstanden ist.« Abbildungen zeigen uns den Heiligen als Benedictiner-Abt ohne besondere Kennzeichen. Ein uns zur Benützung übergebenes hdf. »H.-L.« nennt den 2. Jan. als Tag seiner Verehrung. Das Mart. Rom. nennt ihn nicht. (III. 462–464.)


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 4. Augsburg 1875, S. 684-686.
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