Raymundus Palmarius, S. (5)

[46] 5S. Raymundus Palmarius, Cf. (28. Juli). Die Eltern dieses Heiligen waren bemittelte Bürgersleute zu Piacenza (Placentia). Sie gaben ihn als 12jährigen Knaben zu einem Geschäftsmann in die Lehre. Als er 14 Jahre alt war, starb sein Vater, und Raymundus bat seine Mutter um die Erlaubniß, eine Wallfahrt in das gelobte Land antreten zu dürfen. Diese war hierüber erfreut und entschloß steh, ihn zu begleiten. Sie rüsteten sich zur Reise, verabschiedeten sich bei ihren Freunden und Verwandten und begaben sich noch zum Bischof der Stadt, um demselben ihr Vorhaben anzuzeigen und seinen Segen zu erbitten. Dieser heftete ihnen das rothe Kreuz auf die Brust, segnete sie und sprach: »Sehet das Zeichen, das euch vor aller Gefahr schützen wird; der liebevollste Heiland möge euch unversehrt hin und her führen; gedenket im Gebete eurer Vaterstadt.« Zu Jerusalem besuchten sie mit glühender Andacht das Grab Christi, zu Bethlehem die Krippe des Heilandes, im Thal Josaphat den Grabhügel der seligsten Jungfrau, und in Bethanien das Haus der hl. Magdalena. Auf der Heimreise fiel der Diener Gottes in ein hitziges Fieber. Die Schiffsleute wollten ihn, als dem Tode nahe, ins Meer werfen, weil sie wähnten, wenn Jemand im Schiffe stürbe, müsse ein Schiffbruch erfolgen. Das verhinderte die Mutter mit vieler Mühe, indem sie die Schiffer bat, auf Gott zu vertrauen und ihrem Sohne noch eine kurze Frist zu schenken. Wirklich kam der Knabe wieder zu sich und war nach einigen Tagen vollständig gesund. Bald nach der Heimkunft starb aber die Mutter. Der fromme Sohn erwies ihr unter vielen Thränen und heißen Gebeten die letzten Liebesdienste. Einige Zeit nach seiner Heimkehr suchten ihn seine Verwandten zu bereden, sich zu verehelichen. Er willigte ein. Da er aber einsah, daß sein elterliches Vermögen zum Unterhalt einer Familie nicht mehr ausreiche, kehrte er zu seinem Handwerke (man glaubt zur Schuhmacherei), das er auf Befehl seines Vaters erlernt hatte, zurück. Er betrieb sein [46] Geschäft ohne List und Trug, so daß er Weib und Kinder nähren und von dem Verdienten auch den Armen noch mittheilen konnte. Die Festtage verwendete er darauf, sich mit gottesfürchtigen und wohlthuenden Männern zu besprechen. Dadurch erwarb er sich, wenn schon ohne wissenschaftliche Bildung, die besten Kenntnisse in Beziehung auf Gott und die katholische Religion. Um weltlich gesinnte Leute, besonders seines Handwerkes, von ausgelassenem Geschwätze und eiteln Spielen abzulenken, hielt er denselben an Sonn-und Festtagen religiöse Vorträge in ihren Häusern. Einige ersuchten ihn, öffentlich zu sprechen; dazu ließ sich der demüthige Diener Gottes nicht bewegen; es sei dieß, sagte er, das Geschäft der Priester und der Gelehrten. In der Nahrung war er sehr sparsam, eifrig im Almosengeben, Fasten und Beten, und unermüdet im Dienste Gottes. Er beichtete oft und empfing mit größter Andacht das heilige Abendmahl. Seine Gattin liebte er innig und sie schenkte ihm fünf Söhne. Jedesmal nach der Taufe pflegte er zu beten: »Herr! dieses Knäblein trägt dein Bild an sich; du hast es mir geschenkt; dir, seinem Schöpfer gebe ich es wieder, in deine Hände lege ich sein Leben und Sterben.« Als die Kinder zu seinem Leidwesen alle starben, fügte er sich in Gottes Willen und rief mit dem frommen Job: »Der Herr gab sie, der Herr nahm sie; der Name des Herrn sei gebenedeit!« Nachdem ihm diese fünf Kinder gestorben waren, hätte er gewünscht, in Enthaltsamkeit zu leben. Seine Frau widersprach, und er fügte sich. Als er noch ein Söhnlein erhielt, trug er es eines Tags in die Kirche und betete: »O mein Herr und Heiland, der du deine Arme ausgespannt hast, um Alle, die zu dir fliehen aufzunehmen, ich bitte dich, nimm auch dieses Söhnlein zu dir und mache es zum Erben des ewigen Lebens. Ich gebe jetzt schon den Knaben in deine Hände. Hast du ihn aber für ein längeres Leben bestimmt, so erhalte ihn keusch und rein für den Orden, dem ich ihn einst einverleibt wissen möchte, und wozu ich ihn dir jetzt schon opfere und weihe.« Nach diesem Gebete trug er das Kind wieder nach Hause und legte es in die Wiege, ohne seiner Gattin etwas davon zu sagen. Nicht lange darauf erkrankte dieselbe und starb nach mehrmonatlichen Leiden mit großer Ergebung. Jetzt übergab er sein Söhnlein den frommen Händen seiner Schwiegereltern, um seiner Neigung nach Wallfahrten zu genügen. So ging er nach St. Jago di Compostella und an die vorzüglichsten Gnadenorte in Frankreich und Italien. Zu Rom erschien ihm, wie die Legende erzählt, als er in der Vorhalle bei St. Peter schlief, Jesus Christus, und verkündigte ihm, daß die Fortsetzung dieser Wallfahrten sein Wille nicht sei. Er solle Ihm vielmehr in seiner Vaterstadt durch Erfüllung der Berufspflichten und Werke der Barmherzigkeit dienen. Der Heilige antwortete: »Du bist mein Herr und ich bin dein Knecht, dein Wille geschehe!« Er ging in seine Vaterstadt Piacenza zurück, um in den Armen Christus zu dienen, selbst aber um seinetwillen in größter Armuth zu leben. So wirkte er an jeder Art Unglücklicher wahre Wunder der Liebe. Angefangen von den Findelkindern bis zum altersmüden Greise, nahm er sich Aller an, die der Hilfe benöthigten So lebte er 22 Jahre als Tröster und Freund seiner Mitbürger. Auf seinem Sterbelager ermahnte er seinen Sohn nochmals, in ein Kloster zu gehen. Bald darauf, am 27. Juli d. J. 1200 erfolgte sein seliges Hinscheiden. Sein Grab erhielt er in der Apostelkirche, die später seinen Namen annahm. Im J. 1616 erfolgte durch den Bi schof Claudius seine Erhebung. (II. 638–663.)


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Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 5. Augsburg 1882, S. 46-47.
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