Raymundus Nonnatus, S. (6)

[47] 6S. Raymundus Nonnatus, Conf (31. August, al. 1. 6. 7. Sept.) Dieser Heilige wurde i. J. 1204 zu Portello, Bisthums Urgel in Catalonien, geboren. Seine Eltern (der Vater hieß Segers) gehörten einer edeln, aber nicht sehr bemittelten Familie an. Sein Zuname Nonnatus (d. i. non natus, zu Deutsch »Nichtgeboren«) kommt daher, weil seine Mutter vor seiner Geburt starb, weßhalb das Kind aus dem Mutterleibe künstlich geschnitten werden mußte. Als er hörte, daß er keine Mutter auf Erden habe, wählte sich der Knabe die seligste Jungfrau zur Mutter und rief sie mit kindlichem Vertrauen in jedem Anliegen zu Hilfe. Der Vater hatte seine Neigung zur Frömmigkeit frühzeitig bemerkt und ließ ihn deßhalb seine Studien unterbrechen, damit er die Verwaltung eines Maierhofes übernehme. Er that es mit willigem [47] Gehorsam, und führte sogar die Schafe auf die Weide. Die ihm keineswegs unerwünschte Einsamkeit benützte er als Mittel zur Betrachtung und zum ununterbrochenen Gebete. Eines Tags überraschte ihn der Vater bei seinen frommen Uebungen und gewann die Ueberzeugung, daß es ihm Ernst sei. Er ließ es also geschehen, was er bisher hatte verhindern wollen, nämlich daß sein Sohn der Welt gänzlich entsagte, und zu Barcelona in die Hände des hl. Petrus Nolasco, Stifter des Ordens zur Auslösung der Gefangenen, die Gelübde ablegte. – Er wurde durch seinen Eifer und seine Abtödtung nicht bloß ein Muster seiner Mitbrüder, sondern auch, wie die Kirche betet, durch Gottes Gnade wahrhaft »wunderbar« in seinem Berufe, ein seltenes Beispiel der aufopferndsten Nächstenliebe. Schon nach zwei Jahren wurde er würdig befunden, den heil. Ordensstifter in dem Amte eines Gefangenenerlösers zu ersetzen. Nach Algier geschickt, befreite er daselbst eine große Anzahl Christen. Als sein Geld erschöpft war, gab er sich selbst als Geisel für die Gefangenen hin. Gerade aber das großmüthige Opfer seiner Freiheit erbitterte die Muhamedaner gegen ihn. Sie legten ihn in Ketten und mißhandelten ihn so unmenschlich, daß er unter ihren Händen gestorben wäre, wenn die Furcht, das bestimmte Lösegeld zu verlieren, nicht die Stadtobrigkeit bewogen hätte, den Befehl zu ertheilen, daß man seines Lebens schone. Die hierauf erhaltene spärliche Freiheit benützte er dazu, die gefangenen Christen zu besuchen und zu trösten. Auch mehrere Muhamedaner, unter ihnen zwei Mauren von hohem Range, erkannten durch ihn die Wahrheit des Christenthums und ließen sich taufen. Als Selim Pascha dieß erfuhr, verurtheilte er ihn, lebendig gespiest zu werden. Die Theilhaber an der Bezahlung des Lösegelds der Gefangenen, für die er als Geisel eingestanden war, erlangten die Umänderung der Strafe; er wurde grausam durch Stockschläge mißhandelt. Als er dennoch fortfuhr, Christen und Ungläubige zu unterrichten, wurde er nackt ausgezogen und an allen Ecken der Straßen heftig geschlagen; dann wurden ihm auf dem Marktplatze die Lippen mit einem glühenden Eisen durchbohrt und ein Hängeschloß daran befestiget, das man nur abnahm, wenn man ihm seine Nahrung brachte. Hierauf legte man ihn in Ketten und verschloß ihn in ein Gefängniß, worin er acht Monate saß, bis Ordensbrüder das von dem heil. Petrus Nolascus geschickte Lösegeld brachten. Der Befehl seines Generals nöthigte ihn, die Abreise anzutreten. Bei seiner Ankunft in Spanien ernannte ihn der Papst Gregor IX. zum Cardinal. Diese Erhebung beachtete er so wenig, daß er sein ärmliches Ordenskleid beibehielt und auch im Uebrigen bei seiner bisherigen Lebensweise verharrte. Man wird sich nicht wundern, daß ein so heiliger und abgetödteter Mann außerordentliche Gnaden erlangte. Einmal hatte er zur strengen Winterszeit einem Armen seinen Hut geschenkt und ohne Kopfbedeckung den Weg in sein Kloster zurückgemacht. Als er in der folgenden Nacht im Gebete begriffen war, gerieth er in Verzückung. Er befand sich in einem schönen Garten, der mit unendlich vielen und wunderschönen Blumen bepflanzt war. Seine himmlische Mutter und eine zahlreiche Schaar heiliger Jungfrauen waren beschäftigt, einen lieblich duftenden Kranz zu binden. Er gehöre, sprach die Himmelskönigin, demjenigen, der Tags zuvor sich seines Hutes entäußerte, um einen Armen mit demselben zu bedecken Kaum hatte er dieses gehört, als er in Demuth klagte, er verlange auf dieser Erde keinerlei Belohnung. Plötzlich verschwand das Gesicht und jetzt sah er den dornengekrönten Heiland, der ihm seine Krone reichte, welche der Heilige sich freudig aufs Haupt setzte. Der Papst berief ihn zuletzt nach Rom, um ihn in der Leitung der Kirche zu Rathe zu ziehen. – Als armer Ordensmann begab er sich auf den Weg; kaum aber war er zu Cordona, etwa sechs Meilen von Barcelona angelangt, als er von einem heftigen Fieber befallen wurde. Bald stellten sich Zeichen des nahen Todes ein und er starb den 31. August 1240 in dem 37. Jahre seines Alters. Da zum Empfang der heil. Wegzehrung, nach welcher er sehnsuchtsvollst begehrte, kein Priester zu finden war, erschien vor Augen des Grafen Cardona und anderer Personen eine himmlische Procession, wobei der Heiland selbst die Function des Priesters versah und ihm die Communion reichte. Sein Leib wurde von einem blinden Maulthiere zu der St. Nikolauskapelle in der Nähe des Maierhofes, wo er den [48] Grund zu seiner Heiligkeit gelegt hatte, gebracht und in derselben beigesetzt. Der hl. Petrus Nolascus ließ dort i. J. 1255 ein Kloster seines Ordens erbauen, worin man noch die Reliquien des hl. Ray mundus aufbewahrt. Im J. 1657 ließ der Papst Alexander VII. seinen Namen in das Mart. Rom. einsetzen. Auf Bildnissen sieht man ihn meistens in seinem Ordensgewand, mit dem Hängeschloß an den Lippen, um ihn her ausgelöste Sclaven. In der Ordenskirche St. Maria della Mercede zu Sevilla ist in sechs Darstellungen seine Lebensgeschichte vorgeführt. Im Mertyrologium der Augustiner-Eremiten steht sein Name am 7. in dem der Carmeliten am 1., in dem des Bisthums Montpellier am 6. September. (VI. 729–776.)


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 5. Augsburg 1882, S. 47-49.
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