Baumwollenindustrie

[438] Baumwollenindustrie. Sie hat in Europa durch die Maschinenspinnerei (1770–1780) und den mechanischen Webstuhl (power loom, 1792 von Cartwright erfunden) einen ungeheuren Aufschwung genommen und die früher einheimische Leinenindustrie in Hintergrund gedrängt; gleichzeitig hat aber die europäische durch ihr mechanisches Uebergewicht die B. in Ostindien und in der Levante fast vernichtet, weil die Handspinnerei und Handweberei den Maschinenleistungen nicht gewachsen ist. England besitzt 2 Drittheile der B. der ganzen Erde und verdankt ihr hauptsächlich seinen Reichthum; die Dampfmaschine hat ihm dieses riesenmäßige Uebergewicht verschafft. 1852 erzeugte England 6451/2 Mill. Pf. Baumwollengarn, nach dem declarirten Werthe wurden ausgeführt für 61/2 Mill. Pfd. Sterl. Baumwollengarn (davon nimmt der deutsche Zollverein das Meiste ab) und für 23301278 Pfd. Sterl. Baumwollenfabrikat. Die engl. B. beschäftigt 11/4 Mill. Arbeiter. Auf dem Festlande ist die schweizerische B. verhältnißmäßig die [438] bedeutendste und beschäftigt 1/8 der ganzen Bevölkerung, im Zollvereine die sächs. und preuß. 1850 hatte Oesterreich 206 Spinnereien mit 1453843 Spindeln und fast 30000 unmittelbaren Arbeitern, die Zahl der Weber beträgt wenigstens 300000; Druckerei, Färberei und Appretur beschäftigen ungefähr 50000 M. – Das Rohmaterial bezieht Europa aus der Türkei, Aegypten, Ostindien, Westindien, Brasilien, vorzüglich aber aus Nordamerika, das 1852 nicht weniger als 1105 Mill. Pfd. Baumwolle ausführte und davon mehr als 2/3 nach England, so daß dieses gleichsam von Amerika abhängig ist, wie denn überhaupt eine nachhaltige Störung seiner B. England die tiefste Wunde beibringen würde.

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Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 438-439.
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